Arabien (Einführungsdossier), Felix Arabia

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FELIX ARABIA — Die “glück­lichen” ara­bis­chen Staat­en
siehe auch unser Dossier: “Ara­bis­che Ein­heit — Ara­bis­che Liga”

 

Bevölkerung: etwa 250 — 300 Mil­lio­nen (Quelle: Wikipedia u.a.)
Staatsvolk: Araber, in Afri­ka starke hami­tis­che Ein­flüsse (Berber, Tuareg)

Brut­toin­land­spro­dukt (BIP): ca. 565 Mrd. Euro — sehr unter­schiedlich z.B.
Libyen: 13,6 Mrd. $ 
VAR: 46,0 Mrd. $
BIP pro Kopf: Libyen: 2.428 $
VAR: 18.520 $ 
Inter­net­zu­gang: ca. 1,6 % = ca. 4,8 Mil­lio­nen
Paten­tanträge 1980 — 2000: (77 Ägypten)

es-sala­mu ‘alekum

Der Ara­bis­che Sprachraum umfasst heute Nordafri­ka zwis­chen Mau­re­tanien und dem “Horn von Afri­ka” (dort wer­den südara­bis­che Dialek­te gesprochen), Vorderasien vom “frucht­baren Halb­mond” mit Syrien und dem Irak bis zum Indis­chen Ozean und mit eini­gen Inseln im Indis­chen Ozean auch den west­lichen Teil dieses Meeres.

Es ist ein riesiges Landge­bi­et, in der Fläche und Aus­dehnung dur­chaus mit dem Europäis­chen Kon­ti­nent ver­gle­ich­bar, das von “den Arabern” bewohnt ist. Alleine die riesige Fläche des von Arabern besiedel­ten Lan­des mit den dort zwangsläu­fig vorhan­de­nen Boden­schätzen würde einem ara­bis­chen Staaten­bünd­nis, ein­er gemein­sam und koor­diniert auftre­tenden Union — etwa nach dem Vor­bild der EU — den Sta­tus ein­er glob­al agieren­den Welt­macht verleihen.

In unseren Dossiers haben wir eine region­ae Aufgliederung der ara­bis­chen Staat­en vorgenom­men, die sich weit­ge­hend auch an der jün­geren Geschichte vor der kurzzeit­i­gen europäis­chen Kolo­nial­isierung ori­en­tiert, an der über Jahrhun­derte prä­gen­den Zuord­nung zum “Osman­is­chen Reich”.

  • Der Maghreb — ins­beson­dere das Kernge­bi­et der Staat­en zwis­chen Atlantik und Tune­sien sowie dem west­lichen Teil Libyens — ist der West­en Ara­bi­ens. In der jün­geren Geschichte standen die west­lich von Ägypten gele­ge­nen Maghreb-Staat­en mit Aus­nahme des unab­hängi­gen Marokko in Ober­herrschaft des Osman­is­chen Reich­es. Diese Ober­herrschaft war aber nicht beson­ders inten­siv aus­geprägt. Die osman­is­chen Prov­inzen des Maghreb waren rel­a­tiv autark, man kön­nte fast von der Stel­lung trib­utpflichtiger Vasal­len­staat­en sprechen.

  • Anschließend fol­gt das Nil­tal, das mit sein­er Fel­lachenkul­tur eine seit der Antike eigene kul­turelle Entwick­lung hat, das als osman­is­che Prov­inz fest in den Hän­den de “hohe Pforte” war und wo sich in der Auseinan­der­set­zung mit den Osma­n­en und dann der britis­chen Kolo­nial­macht ein eigenes — ara­bis­ches — Nation­al­be­wusst­sein entwickelt.

  • Nach dem afrikanis­chen Kon­ti­nent schließt sich der frucht­bare Halb­mond an, der bis zum Ende des osman­is­chen Reich­es nach dem I. Weltkrieg noch osman­is­che Prov­inz war — und schon seit der Antike durch eigene Kul­turschöp­fung (Mesopotamien) in regem Aus­tausch mit dem Nor­den (heutige Türkei) und dem Nil­tal stand.

  • Im Süden dieses Gebi­etes fol­gt das eigentliche Ara­bi­en, die ara­bis­che Hal­binsel, die mit den heili­gen Stät­ten von Mek­ka und Med­i­na das his­torische Geburtshaus der ara­bis­chen Völk­er und des Islam ist. Der West­en der ara­bis­chen Hal­binsel, der Hid­jas, stand unter Kon­trolle der Osma­n­en — die Wüsten der Hal­binsel haben sich dage­gen ein­er frem­den Kon­trolle immer entzogen.

  • Auf der “Gegenküste” Ara­bi­ens in Afri­ka fol­gen weit­ere ara­bis­che Staat­en. Über das Rote Meer hin­weg haben schon in der Antike ara­bis­che Völk­er am “Horn von Afri­ka” eine eigene Heimat gefun­den. Die ara­bis­che Expan­sion, ins­beson­dere der Han­del ent­lang der afrikanis­chen Küsten und im indis­chen Ozean, hat hier weit­ere ara­bis­che Ein­flüsse gebracht, so dass sich heute weit­ere Staat­en in der Region find­en, die von Arabern bewohnt wer­den und / oder sich — wie z.B. Soma­lia — zumin­d­est nominell als Mit­glieder der “Ara­bis­chen Liga” zum Volk der Araber bekennen.

Den Araber” — die sich als ein Volk fühlen — ist es aber bish­er nicht gelun­gen, ein gemein­sames Staatswe­sen zu bilden. Zu unter­schiedlich sind die Staats­for­men — Repub­liken, “sozial­is­tis­che Regierungsparteien” (Baath-Partei) und Königs- sowie Fürsten­häuser — , aber auch die wirtschaftlichen und sozialen Ver­hält­nisse, als dass der “Traum von der Ein­heit Ara­bi­ens” bish­er in Erfül­lung gegan­gen wäre.
Die meis­ten der sehr unter­schiedlichen und zum Teil untere­inan­der heftig zer­strit­te­nen Staat­en — deren Gren­zen vielfach in der heuti­gen Form erst durch die Kolo­nialzeit bes­timmt sind — haben sich in der “Ara­bis­chen Liga” zusam­mengeschlossen. 
Seit Jahrzehn­ten gibt es ide­ol­o­gis­che Kon­flik­te zwis­chen den streng puri­tanis­chen, reichen Saud­is, die mit den “Wahabiten” eine sehr kon­ser­v­a­tiv­en Abart des Islam zur “Staat­sre­li­gion” gemacht haben, und den repub­likanisch geführten ara­bis­chen Staat­en (vor allem Irak, Syrien und Ägypten), in denen die alten und ein­flussre­ichen islamis­chen Hochschulen behei­matet sind — und die sich zugle­ich als “Frontstaat­en” gegenüber Israel oder dem Iran in Gren­zkon­flik­ten und Kriegen ver­wick­elt sehen; seit Jahrzehn­ten wird die Ara­bis­che Staaten­welt durch den ungelösten Kon­flikt zwis­chen Israel und Palästi­na belastet, und seit Jahrzehn­ten prassen die “reichen Fürsten­tümer am Golf” mit den Erlösen aus den Erdöl- und Gasvorkom­men und der Wüste, während gle­ichzeit­ig die “Habenichtse” im Maghreb und am Nil­tal (Sudan !) in mas­siv­en wirtschaftlichen Schwierigkeit­en steck­en. 
“Sol­i­dar­ität” — so scheint es — ist in der ara­bis­chen Welt nicht sehr aus­geprägt. 
Hat die Idee der “Ara­bis­chen Ein­heit” den­noch eine Chance, sich — etwa über eine wirtschaftliche Zusam­me­nar­beit nach dem Vor­bild der EWG — zu einem funk­tionellen Staaten­bund, gar ein­er Union zu entwick­eln?
Um diese Frage zu beant­worten, ist es zunächst erforder­lich, sich die Gemein­samkeit­en der­jeni­gen zu verdeut­lichen, die sich als “Ange­hörige der Ara­bis­chen Nation” verstehen.

A) Ara­bis­ches Nation­al­be­wusst­sein:
Wenn man die Zeit des Dsch­a­bil­i­jah — der vor-islamis­chen arab — als erste Aera des felix ara­bia — des glück­lichen Ara­bi­en -, als erste Hochzeit der ara­bis­chen Welt und die Zeit des Propheten und sein­er Nach­fol­ger als zweite Hohe Zeit der Araber betra­chtet, dann begann spätestens nach den Oma­jadenkalifen ein Nieder­gang der eigen­ständi­gen, kul­turell und wis­senschaftlich führen­den und poli­tisch gestal­tenden Kraft des Araber­tums. Wir dür­fen nicht vergessen: die ara­bis­chen Herrsch­er (von Sal­adin bis ins ara­bis­che Spanien) über­mit­tel­ten dem mit­te­lal­ter­lichen Europa nicht nur viele Ken­nt­nisse der Antike, sie waren nicht nur Trans­porteure des Wis­sens asi­atis­ch­er Völk­er (Math­e­matik, Alge­bra — wir schreiben Zahlen immer noch in “ara­bis­chen Zeichen”) — sie pflegten eine hoch entwick­elte Garten- und Städte­baukun­st zu ein­er Zeit, in der Wes­teu­ropa in den Nach­we­hen der Völk­er­wan­derung stand (Wikinger) und im tief­sten Mit­te­lal­ter ver­sank. 
Unter den Abbasi­den, unter türkischen Kalifen und europäis­chen Kolo­nialmächt­en war zwar ara­bisch noch die Sprache des Volkes — die Poli­tik hat­te aber andere Pri­or­itäten. “Ara­bis­ches Selb­st­be­wußt­sein” war allen­falls noch in den stolzen Beduinen­stäm­men vorhan­den, deren Ange­hörige emp­fan­den sich zuallererst aber als Stammesmitglieder.

Angestoßen von dem ägyp­tis­chen Schech Rifa’ at-Tahtawi (1801 — 1875) entwick­elte sich erst spät ein erstes Erwachen (nah­dah) eines ara­bis­chen “Wir-Bewust­seins” im Zeichen des ara­bis­chen Nation­al­is­mus und des Sozial­is­mus — bei­des gle­icher­maßen in Kon­trast zur Osman­is­chen und Europäis­chen Herrschaft.

Vor allem die Ein­führung der europäis­chen Druck­er­pressen führten zur weit­en Ver­bre­itung nationaler Ideen, die aus der Oppo­si­tion gegen die europäis­che Fremd­herrschaft gespeist wur­den. Die 1876 erst­mal erschienene “Al-Ahram” entwick­elte sich zu einem aktuellen Nachricht­en­medi­um.  Dabei bilde­ten der an der Al-Azhar-Uni­ver­sität lehrende Al-Afghani — ein mod­ern­er Inter­pret des Islam — und der eben­so dort lehrende Sche­ich Muham­mad Abduh die Kristal­la­tionskerne ein­er intellek­tuelle Auseinan­der­set­zung über die Rolle des Islam und die britis­che Besatzung, die sich auch gegen einen “erstar­rten Islam” richtete. Dieser mod­ern inter­pretierte Islam sollte die Grund­lage für die nationale Iden­tität Ägyptens wer­den. Weit­ere Autoren wie der Jour­nal­ist Lut­fi al-Sayyid (von der Zeitung Al-Jari­da) und der The­ologe Ahmad Amin entwick­el­ten diese Gedanken­welt weiter.

Ger­ade die zunehmend städtis­che Bevölkerung — Kau­fleute, Bürg­er­schaft, und mit zunehmender Indus­tri­al­isierung auch die Arbeit­er­schaft — wurde (ger­ade in Ägypten) zunehmend durch eine Dis­tanzierung von der Ober­herrschaft fremd­sprachiger Völk­er mit geprägt.

Im und nach dem ersten Weltkrieg — indem ein britis­ch­er Offizier (Lawrence von Ara­bi­en) unter dem Ver­sprechen der Selb­ständigkeit und Ein­heit ara­bis­che Stämme gegen die osman­isch (türkische) Herrschaft mobil­isierte — begann sich deut­lich eine Art ara­bis­ches Selb­st­be­wußt­sein zu bilden. Der Ein­satz der stolzen Beduinen blieb let­z­tendlich aber erfol­g­los. Dazu trun­gen vor allem wider­sprüch­liche Zusagen Großbri­tan­niens über die Regelun­gen im asi­atisch-ara­bis­chen Teil des osman­is­chen Reich­es bei:

  • ein­mal wurde dem noch von den Osma­n­en ernan­nten sharif von Mek­ka ein unab­hängiges ara­bis­ches Kön­i­gre­ich zuge­sagt (Okto­ber 1915 und März 1916), das mit Aus­nahme der britis­chen Hafen­stadt Aden sowie an den Libanon angren­zen­der Teil Syriens den gesamten asi­atis­chen Teil des osman­is­chen Reich­es von der ägyp­tis­chen Gren­ze bis zur (heuti­gen)  Türkei und der per­sis­chen Gren­ze umfassen sollte,
  • dann wurde im Okto­ber 1916 mit Frankre­ich die Aufteilung Syriens und Mesopotamiens vere­in­bart (Sykes-Picot-Ver­trag) und
  • schließlich wurde auch der zion­is­tis­chen Bewe­gung eine Heim­statt für jüdis­che Emi­granten in Palästi­na (Schreiben vom 02. Nov. 1917) zugesagt.

Diese ver­traglichen Vere­in­barun­gen standen teil­weise miteinan­der in Widerspruch.

Das “türkische Joch” wurde zwar (mit dem Abzug der let­zten osman­is­chen Trup­pen im Okto­ber 1918) abgeschüt­telt, aber nur, um auch im Vorderen Ori­ent durch europäis­che Kolo­nialmächte abgelöst zu wer­den. 
Den­noch: der Gedanke eines ara­bis­chen Nation­al­be­wußt­seins blieb erhal­ten, um dann nach dem II. Weltkrieg neue Idole zu find­en. Ägyptens Gam­mal Abd el Nass­er, Libyens Muam­mar el Kaddafi und andere poli­tis­che Führer wur­den zumin­d­est zeitweilig zu Idol­en der ara­bis­chen Massen — mit der Idee der ara­bis­chen Ein­heit, die freilich von jedem einzel­nen der poli­tis­chen Wort­führer mit dem eige­nen Führungsanspruch propagiert wurde. Gaddafi etwa — der libysche Rev­o­lu­tion­sheld — ver­focht rig­oros die Anwen­dung der ara­bis­chen Sprache auch als Auflehnung gegen den Kolo­nial­is­mus, der im Gebrauch “west­lich­er Sprachen” zum Aus­druck kommt.
Die gemein­same Sprache  — das Ara­bis­che als der “Hochsprache des Koran” — ist also eine der Wurzeln für das gemein­same ara­bis­che Nation­al­ge­fühl. Diese nationale Iden­tität wird durch gemein­same Medi­en, ins­beson­dere die über Satel­liten weit ver­bre­it­eten Nachricht­ensender gestärkt.