Wenn man die Zeit des Dschabilijah — der vor-islamischen Araber — als erste Aera des felix arabia — des glücklichen Arabien -, als erste Hochzeit der arabischen Welt und die Zeit des Propheten und seiner Nachfolger als zweite Hohe Zeit der Araber betrachtet, dann begann spätestens nach den Omajadenkalifen ein Niedergang der eigenständigen, kulturell und wissenschaftlich führenden und politisch gestaltenden Kraft des Arabertums. Wir dürfen nicht vergessen: die arabischen Herrscher (von Saladin bis ins arabische Spanien) übermittelten dem mittelalterlichen Europa nicht nur viele Kenntnisse der Antike, sie waren nicht nur Transporteure des Wissens asiatischer Völker (Mathematik, Algebra — wir schreiben Zahlen immer noch in “arabischen Zeichen”) — sie pflegten eine hoch entwickelte Garten- und Städtebaukunst zu einer Zeit, in der Westeuropa in den Nachwehen der Völkerwanderung stand (Wikinger) und im tiefsten Mittelalter versank.
Unter den Abbasiden, unter türkischen Kalifen und europäischen Kolonialmächten war zwar arabisch noch die Sprache des Volkes — die Politik hatte aber andere Prioritäten. “Arabisches Selbstbewußtsein” war allenfalls noch in den stolzen Beduinenstämmen vorhanden, deren Angehörige empfanden sich zuallererst aber als Stammesmitglieder. Angestoßen von dem ägybtischen Schech Rifa’ at-Tahtawi (1801 — 1875) entwickelte sich erst spät ein erstes Erwachen (nahdah) eines arabischen “Wir-Bewustseins” im Zeichen des arabischen Nationalismus und des Sozialismus — beides gleichermaßen in Kontrast zur Osmanischen Herrschaft. Gerade die zunehmend städtische Bevölkerung — Kaufleute, Bürgerschaft, und mit zunehmender Industrialisierung auch die Arbeiterschaft — wurde (gerade in Ägypten) zunehmend durch eine Distanzierung von der Oberherrschaft fremdsprachiger Völker mit geprägt.
Im und nach dem ersten Weltkrieg — indem ein britischer Offizier (Lawrence von Arabien) unter dem Versprechen der Selbständigkeit und Einheit arabische Stämme gegen die osmanisch (türkische) Herrschaft mobilisierte — begann sich deutlich eine Art arabisches Selbstbewußtsein zu bilden. Der Einsatz der stolzen Beduinen blieb letztendlich aber erfolglos. Das “türkische Joch” wurde zwar abgeschüttelt, um auch im Vorderen Orient durch europäische Kolonialmächte abgelöst zu werden.
Dennoch: der Gedanke eines arabischen Nationalbewußtseins blieb erhalten, um dann nach dem II. Weltkrieg neue Idole zu finden. Ägyptens Gammal Abd el Nasser, Libyens Muammar el Kaddafi und andere politische Führer wurden zumindest zeitweilig zu Idolen der arabischen Massen — mit der Idee der arabischen Einheit, die freilich von jedem einzelnen der politischen Wortführer mit dem eigenen Führungsanspruch propagiert wurde. Kaddafi etwa — der libysche Revolutionsheld — verfocht rigoros die Anwendung der arabischen Sprache auch als Auflehnung gegen den Kolonialismus, der im Gebrauch “westlicher Sprachen” zum Ausdruck kommt.
Heute eint die arabischen Völker nicht nur die — durch den Koran geförderte — Ausbildung der klassisch-arabischen Sprache. Die Sprache prägt das Denken, und so prägt der Koran das Denken der Araber bis in die heutige Zeit hinein. Die arabische Vorstellungswelt, geprägt durch die linguistische Sprachstruktur und die blumig-emphatische Ausdrucksweise deckt sich nicht immer mit unserer “Tatsachenwelt”, die in den grammatikalischen Strukturen der indogermanischen — vor allem englischen Sprache verankert ist.
Dieses politisch-soziale Bewußtsein der Einheit hat über alle nachkolonialen Unterschiede in den verschiedensten arabischen Staaten — von den Fürstentümern der arabischen Halbinsel über die Fellachen Ägyptens bis hin zum Industrieproletariat des sozialistischen Algerien — auch zu dauerhaften politischen Einigungsbestrebungen geführt. Sinnbild und Motor der Einigung ist die 1945 gegründete Arabische Liga, deren Ziele
- Förderung der Beziehungen der Mitgliedsstaaten auf politischen, kulturellem, sozialen und wirtschaftlichen Gebiet
- Wahrung der Unabhängigkeit und Souveränität der Mitgliedsstaaten und der (gesamt)arabischen Außenintereressen
- Anerkennung Palästinas als unabhängiger Staat und
- Verhütung und Schlichtung von Streitfällen der Mitglieder
noch durch einen gemeinsamen Verteidigungspakt ergänzt wurde. In diesen Zielen spiegelt sich nicht nur die Unterstützung der Palästinenser bei der Abwehr einer neuen und dauerhaften Kolonialisierung sondern auch der Wunsch wieder, ein Stück “arabische Einheit” umzusetzen.
Dabei stehen sich enorme Gegensätze gegenüber: die Monarchien der arabischen Halbinsel, die dank des Ölreichtums über immense Mittel verfügen, die armen Monarchien Jordaniens und Marokkos, deren Herrscherhäuser sich auf die Abstammung vom Propheten berufen können, und die republikanischen Staaten von Algerien bis zum Irak, die von einer Einheitspartei unter der Leitung charismatischer Führungspersönlichkeiten geprägt sind oder geprägt wurden. Diese politischen, sozialen und auch wirtschaftlichen Unterschiede müssen überwunden werden, bevor der Traum der Arabischen Einheit konfliktfrei verwirklicht werden kann. Integrativ zu wirken ist also das Gebot einer Arabischen Vereinigung.
Arabsat
moderne Kommunikationsmedien wie TV führen immer mehr zu einer Vereinheitlichung im Hinblick auf Information und sogar kulturelle Wertemaßstäbe.
Auch unsere TV-Sendungen wirken daran mit, unsere Gesellschaft immer mehr zu “verwestlichen” und einen starken Wertetransfer vorzunehmen. Selbst völlig profane Fernesehserien wie “Bonanza”, “Dallas”, “Bezaubernde Jeanie” und andere Sendungen vermitteln zumindest unterschwellig Anschauungen und Lebenseinstellungen, den “Way of life”. Dazu wird vor allem über die Nachrichten (CNN — Heute, Tagesschau) zu einem recht einheitlichen Informationsstand in breiten Bevölkerungsschichten beigetragen.
Das gilt im Prinzip überall, genauso für die Araber, die in den einzelnen arabischen Staaten politisch und kulturell z.T. sehr unterschiedlich entwickelt sind — man vergleiche nur Ägypten, Saudi Arabien, Jemen und den Irak. Ein freier Zugriff auf Nachrichten, die nicht der eigenen staatlichen Zensur unterliegen, ist unverzichtbar für ein breites politisches Wissen. Ein Teil dieser Informationsquelle kann über das Internet erschlossen werden.
Auch relativ frei arbeitende Arabische Zeitungen, wie etwa das Qualitätsblatt «Al-Hayat» und das Massenblatt «Ash-Shark al-Awsat», wirken mäßigend. So haben diese immer wieder den Friedensplan des saudiarabischen Kronprinzen Abdullah propagiert.
Diese “Printmedien” lassen sich in Ihrem Einfluss aber nicht mit dem visuellen Erlebnis einer modernen Fernseh- und Filmwelt vergleichen. Der Zuschauer ist in den “bewegten Bildern” einbezogen, er erlebt Filme mit, nimmt gesehenes als quasi reales Erlebnis tief in seinem (Unter-)Bewusstsein auf.
Die “panarabische Idee” gärt immer noch, wenngleich durch die Religionsgemeinschaft Islam überlagert und von den nationalen Führungsansprüchen fast jedes Staatenlenkers aus dem arabischen Sprachraum gestört. Ein einheitliches TV-Programm kann hier sehr viel zur Angleichung in breiten Bevölkerungsschichten beitragen.
Die Satelliten- und Medienkommunikation der Arabische Liga dürfte sich als Motor für eine Entwicklung zu einer immer stärkeren “Arabischen Einheit” entwickeln.
Externe Links:
www.arabsat.com
Besondere Erwähnung verdient in diesem Fall der “CNN der Araber” aus dem Golfstaat. Der Satellitensender al-Jazira aus Katar hat durch seine direkte Berichterstattung aus Irak und Afghanistan unversehens eine Schlüsselrolle in den internationalen Nachrichten bekommen. Im arabischen Raum findet der Sender ein Millionenpublikum. Der Sender bezeichnet sich als «erste unabhängige arabische Nachrichten- und Informations-Fernsehstation». Mit Recht, so meinen viele Kommentatoren, rühme sie sich der Redefreiheit und lebhafter Debatten um packende Themen, die von den übrigen arabischen Medien tabuisiert würden. So ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass Israeli und Palästinenser im Sender kontrovers über die Lage des Nahen Ostens diskutieren und die jeweils eigene Sicht der Dinge verfechten.
Der Sender ist zwar nicht Israel- freundlich, aber berichtet doch differenziert und faktengetreu . Dagegen wird in den palästinensischen Fernsehsendern, etwa der in Ramallah ansässigen Station Al-Watan, oft gar nicht über Israel berichtet, sondern ausschließlich über die palästinensische Seite. So wird der Feind totgeschwiegen. Indem man nicht über ihn berichtet, gerät man auch nicht in die Gefahr, sich mit differenzierenden Stimmen auf der Gegenseite oder dem Leid des Gegners, etwa nach Selbstmordanschlägen, auseinandersetzen zu müssen.
Mit schätzungsweise zwischen 35 bis zu 50 Millionen Zuschauern ist Jazira in der arabischen Welt zum beliebtesten Fernsehkanal geworden — mit sehr großen Einfluss auf die Bevölkerung in den arabischen Ländern. Kein Wunder, dass el-Jazira schon in fast jedem arabischen Staat zeitweilig verboten war — mit Ausnahme von Katar.
Der Emir von Katar (zwischen Bahrain, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten gelegen) unterstützt den Sender großzügig, was wohl dazu führt, dass sich der sonst so offene und auch kritikfreudige Kanal in Angelegenheiten von Katar selbst merklich zurückhaltender zeigt. Dabei scheut sich der Sender nicht, auch “heiße Themen” anzufassen und sich mit kapitalkräftiger Konkurrenz anzulegen.