Als Fertigungsunternehmen wurde unter Mitwirkung der CTA und ITA und auf Grundlage der bisherigen Entwicklungen am 19. August 1969 der staatliche Flugzeughersteller Embraer gegründet, der ab 1972 die Serienfertigung der “Bandeirante” produzierte und zur Auslieferung brachte.
Den entscheidenden Schritt zur Weiterentwicklung machte Embraer im Jahre 1989/90: nach ständigen Klagen kleinerer Fluggesellschaften, man könne nur umgebaute Geschäftsreiseflieger erwerben schuf Embraer eine Reihe von Regionalflugzeugen mit 37 bis 50 Sitzen (ERJ 135, ERJ 140 und ERJ 145) und den großen Verkehrsflugzeugen vergleichbarem Komfort. Nicht ohne Widerstände: aufgrund der fehlenden Mittel wurde aus der Brasilia mit geänderten Tragflächen und gestrecktem Rumpf die EMB-145 (Erstflug am 11. August 1995) entwickelt. Dabei stand Embraer 1995 kurz vor der Pleite. Das einsmalige Staatsunternehmen war nach 25 Jahren frisch privatisiert und hatte in der Jahresbilanz einen Verlust von mehr als 300 Mio. $ zu verkraften. Der einzige Hoffnungsschimmer war das 50sitzige Modell des Regionalflugzeuges ERJ-145. Die fehlenden Mitteil hätten fast die Weiterentwicklung des Flugzeuges verhindert. Nachdem aber mit der spanischen Gamesa ein Partner gefunden worden war, konnte (in nur 16 Monaten nach dem Erstflug) die erste Auslieferung (Dezember 1996) des neu entwickelten Regionaljets erfolgen.
Die ERJ-Familie mit den drei Mustern ERJ 135, ERJ 140 und !RJ 145 (zwischen 37 und 50 Sitzen) ist die Grundlage für den Aufschwung des Unternehmes, das sich vom “Underdog der Luftfahrtszene” (FLUGREVUE, 04/2005) zu einem der ersten Flugzeughersteller entwickelt hat und auf dem Weg ist, sich nach AIRBUS und BOEING zum drittgrößten Flugzeughersteller der Welt (Welt am Sonntag, 23.10.2005) zu entwicheln.
Der brasilianische Produzent, der mit die Lizenzfertigung oder gemeinsamen Entwicklung von kleinen Militärjets (EMB-326 Xavante und AMX‑T) für die nationalen Luftstreitkräfte, die FORCA AERA BRASILEIRA, bekannt wurde, hatte sich bereits seit Mitte der 70er Jahre mit vielseitig nutzbaren Turboprops wie dem 19sitzer EMB-110 Bandeirante und dann mit der 30-sitzigen EMB-120 Brasilia auf dem Regionalflugzeugmarkt etabliert.
Bereits 1998 wurde an die polnische Fluggesellschaft LOT die 100ste “Ipanema” ausgeliefert, jeweils in Jahresschritten erfolgten die nächsten “Hundert Auslieferungen”, aber schon 2001 konnte mit der 400sten und der 500sten Maschine ein “Doppelhunderter” gefeiert werden. Die 600ste Maschine (2002 — SWISS), die 700ste (2003 — ALITALIA), doe 800ste (2004 — DELTA) und die 900ste (LUXAIR) folgten mit gleichbleibend starker Auslastung.
Diese Flugzeugreihe wurde von Embraer aber auch weiter entwickelt — so ist das Geschäftsreiseflugzeug Legacy (als Legacy Shuttel für 16 bis 37 Passagiere) oder als Legacy Executive mit Business-Jet-Ausstattung ein “Abkömmling” der ERJ 135.
Drei Jahre nach der Privatisierung und gerade erst finanziell genesen erfolgte der Programmstart für die nächste Generation der 70- bis 110sitzer. Mit dem Erstflug der Embraer 170 Ende 2001 und der Embraer 195 am 7. Dezember 2003 wurde nun das Tor für eine weitere, erfolgreiche Flugzeureihe aufgestoßen. Die von Embraer als “E‑Jets” bezeichnete Flugzeugfamilie Embraer 170 (70 bis 78 Passagiere, seit März 2004 zugelassen), 175 (75 bis 86 Passagiere, Erstzulassung der brasilianischen CTA und der europ. EASA im Dez. 2004), 190 (100 bis 108 Passagiere) und 195 (110 bis 118 Passagiere) soll an den Erfolg der “Ipanema” anknüpfen. Die Flugzeuge sollen ein Marktsegment abdecken, das zwischen den typischen Regionalfluggesellschaften und den großen Netzwerkbetreibern liegt — und das von Branchenkennern auf einen Absatzmarkt von rund 6000 Flugzeugen in den nächsten 20 Jahren mit einem Auftragsvolumen von 170 Mrd. Dollar taxiert wird. Die E‑Jets sollen zu große und alte Verkehrsflugzeuge ablösen (wie z.B. bei US-Airways), bei entsprechender Nachfrageentwicklung kleinere Regionalflugzeuge ersetzen (wie z.B. bei LOT) und den Fluglinien dabei zu eienr Vereinheitlichung der Flotten verhelfen. Die panamesische Flggesellschaft COPA sieht die Embraer 190 wohl schon als Ersatz für die veraltete Boeing 737.Flotte, und der amerikanische Billig-Carrier “Jet Blue” ist bereits mit einer Bestellung von 100 Embraer 190 AR (Reichweite 4.260 km) “im Geschäft”.
Embraer ist — nach dem Konkurs von Fairchild Dornier — neben Bombardier der einzige große Hersteller in dem von Embraer genutzten Marktsegment. Der Auftragsbestand beläuft sich (Okt. 2005) auf über 400 Maschinen, dazu kommen noch Optionen auf weitere 600 Flugzeuge. Marktkenner erwarten, dass Embraer (voraussichtlich 145 Auslieferungen) bereits im Jahre 2006 den Konkurrenten Bombardier (etwas über 100 Auslieferungen) überholen wird. Dabei kommt Embraer die niedrige Kostenstruktur eines Entwicklungslandes zu Gute — und die Tatsache, dass sich Airbus (370 Ausleiferungen 2005) und Boeing (320 Auslieferungen 2005) auf die großen Maschinen konzentrieren.
Mit modernster Technologie (z.B. Fly-by-Wire) hält Embraer dabei auch den Anschluss an die Weltspitze — und hat dazu einen ertäglichen Geschäftszweig — als zweitweilig größter Exporteur des Landes — aufgebaut.
Alleine im 2. Quartal 2005 machte Embraer bei einem Umsatz von 812 Millionen $ einen Gewinn von 83 Mio. $, die Gewinnmarge des Unternehmens liegt also bei knapp 10 %. Der Auftragsbestand liegt bei 10,9 Mrd. Dollar. Embraer hat also Geld, um zu investieren — und in den nächsten Jahren sind Investitionen in Höhe von 235 Mio. $ geplant.
Heute (2009) wird das Basismodell der Embraer Regional-Jet Familie, die ERH 145 (mit zwi Rolls-Royce/Allison AE 3007 A — Turbofans am Heck) nur noch in dem 2003 eröffneten Zweigwerk in Harbin in Serie gefertigt. In rund 30 Ländern im Einsatz — und mit rund 13 Millionen Flugstunden und knapp 400 Millionen Pasagieren haben die über 1.000 Maschinen (Oktober 2007 in Harbin gefertigt) weltweite Erfolge erzielt.
Militärischer Einsatz ist Embraer nicht fremd. Die ERJ-145 dient als AWACS EMBRAER R‑99 mit einem einem hochauflösenden EASA-Radar “Erieye” auf dem Rumpfrückenals luftgestütztes Frühwarnflugzeug. Das Radar — wohl vom Typ PS 890 der Firma Ericson — kann Ziele in Flugzeuggröße auf Entfernungen von 350 Kilometern und Marschflugkörper in 150 Kilometern Entfernung erkennen. Von den etwa fünf in Dienst befindlichen Maschinen (Stand 2008) waren während der brasilianischen CRUZEX-Übung Anfang November 2008 — zu der Brasilien alle südamerikanischen Luftwaffen eingeladen hatte — permanent zwei Maschinen im Einsatz. Ein weiteres Aufklärungsflugzeug ist die mit zahlreichen elektronischen und elektro-optischen Überwachungssystemen ausgestattete EMB 145 RS/AGS sowie die speziell für die Aufklärung auf See und den Kampfeinsatz gegen U‑Boote entwickelte EMB 145 MP/ASW. Mit allen drei Maschinen wurden wichtige Exporterfolge erzielt. Ob China — mit dem Embraer ein Joint venture betreibt — seine auf der KJ-200 AEW “Gaoxin 5” “Erieye-Radare” allerdings von Brasilien, Pakistan oder doch vom Hersteller Ericson direkt erworben hat, ist noch nicht offiziell bekannt gegeben worden.
Hierbei handelt es sich aber nicht um die ersten militärischen Flugzeuge. Aus dem Trainer Tucano wurde die Super-Tucano (A‑29) entwickelt, die bei 15 Luftwaffen (mit über 600 Flugzeugen — Stand 2008) im Einsatz stehen und immer noch gebaut wird. Die Produktion von Strahltrainern begann mit der Lizenzfertigung der Aermachchi M.B.326 GB als A‑26-Xavante für die brasilianischen Luftstreitkräfte. Bis zum Frühjahr 1997 wurden über 120 Flugzeuge des Typs als Aufklärer und leichte Erdkampfflugzeuge sowie Trainer in Brasilien gefertigt. Nachfolger wurde das von Embraer und Aeritalia entwickelte leichte Erdkampfflugzeug AMX . Ob Brasilien im Rahmen der derzeit laufenden Ausschreibungen für ein neues Jagdflugzeug der eigenen Luftwaffe auch die Lizenzfertigung modernster Fighter im Lande anstrebt muss momentan noch offen gelassen werden.
Wenn die aktuell laufenden Programme — Modernisierung der F‑5 und der A‑1 M (AMX) sowie der au Brasiliens Flugzeugträger eingesetzten Skyhawks — abgeschlossen sind, hofft Embraer aber, zumindest auf dem Markt für Militärtransporter Fuß zu fassen. Mit dem KC-390 soll die brasilianische Luftwaffe ab 2015 die alten C‑130 Hercules Transporter ersetzen. Die ursprünglich auf der Regionaljetfamilie Embraier 170/190 basierende Entwicklung hat im Jahr 2008 deutliche konzeptionelle Änderungen erfahren. Mit einer Nutzlast von rund 19 Tonnen solle eine maximale Reichweite von fast 6.000 km erzielt werden. Die KC-390 kann im Flug betankt und zugleich als Betankungsflugzeug für andere Jets eingesetzt werden. Ein Umbau des Frachtraums für MEDEVAC-Einsätze ist möglich.
Stillstand ist Rückschritt: Man darf gespannt sein, welche Entwicklungen bei Embraer weiter angestoßen werden.
Wird Embraer nach zwei erfolgreichen Regionaljet-Reihen auch in den Bereich der größeren Maschinen einsteigen?
Oder wird sich Embraer — back to the roots — wieder mehr im Markt für Geschäftsreiseflugzeuge und Militärjets engagieren?
Und — wie werden sich die rundum erneuerten Flugzeugindustrien Chinas und Russlands der Konkurrenz auf dem Weltmarkt stellen?
Interne Links:
- Lateinamerika — AT 26 Xavante — Brasiliens Einstieg in den Flugzeugbau
- Lateinamerika — AMX — Brasiliens erstes Kampfflugzeug
- Lateinamerika — Brasilien TUCANO / SUPER TUCANO
- Lateinamerika — Brasilien — Flugzeugträger und Marineluftwaffe
- Lateinamerika — Helibras, Brasiliens Hubschrauberproduktion
Ostasien China — COMAC Zivilflugzeugbau — neuer Anlauf
Externer Link: