Nordamerika — USA — Vereinigte Staaten von Amerika


Flagge USA

Wirtschaft:
Dem wirtschaftlichen Leis­tungsver­mö­gen der Vere­inigten Staat­en von Ameri­ka nähert man sich als Europäer wohl am Besten im Ver­gle­ich mit europäis­chen Staaten.

Kali­fornien ist der wirtschaftlich stärk­ste Bun­desstaat und damit Deutsch­land inner­halb der EU ver­gle­ich­bar — sowohl was die wirtschaftliche “Führung” wie auch das BIP der bei­den Staat­en bet­rifft. Großbri­tan­nien — Europas zweit­mächtig­ste Wirtschafts­macht — entspricht dem Bun­desstaat New York jen­seits des Atlantik, allerd­ings mit einem deut­lich höheren BIP. Das franzö­sis­che BIP ist dop­pelt so groß wie das von Texas, der drittstärk­sten Wirtschaft­skraft in den Vere­inigten Staat­en, und auch Ital­ien als viert­stärk­ste Wirtschafts­macht Europas über­trifft das BIP von Flori­da, dem viert­stärk­sten Staat der USA. Spanien über­trifft Illi­nois, die Nieder­lande übertr­e­f­fen New Jer­sey, Schwe­den über­trifft den Staat Wash­ing­ton usw.; die USA liegen in der Summe vor Europa — aber nur, weil sich dort die Wirtschaft­skraft von wesentlich mehr Staat­en sum­miert als das in der Europäis­chen Union der Fall ist.

In den USA konzen­tri­ert sich die Wirtschaft­skraft zudem auf eine Region, die sich über rund 750 km von Boston bis Wash­ing­ton erstreckt. In dieser eng begren­zten Region, die nur 3 % der gesamten Staats­fläche der USA aufweist, leben 20 % der US-Amerikan­er, die zusam­men genom­men ein BIP von 2,3 Bil­lio­nen Dol­lar erwirtschaften. Dieses Kernge­beit der Vere­inigten Staat­en ist das wirtschaftliche Herz Amerikas. Der Großraum Michi­gan mit Cleve­land, Detroit, Indi­anapo­lis, Chica­go und Min­neapo­lis fol­gt mit 1,683 Bio. $, und das kanadis­che Ontario und Toron­to mit Buf­fa­lo (USA) schließt die Verbindung zum Wirtschafts­großraum Ostküste. Hier treibt die Nach­frage von Mil­lio­nen den Kon­sum und den Absatz der Unternehmen, hier sum­miert sich die Kreativ­ität von Mil­lio­nen im Wet­tbe­werb um die Kund­schaft, hier wird über den wirtschaftlichen Nieder­gang — oder die Wach­s­tum­srate — der ganzen Nation entschieden. 

Einen ver­gle­ich­baren Wirtschafts­gür­tel find­et man in Europa — von Eng­land (1,225 Bio. $) über Paris (327, 4 Mrd. $), die Benelux-Staat­en und das eng ver­flocht­ene Ruhrge­bi­et mit Köln (1,668 Bio. $) mit Verbindung nach Han­nover, Bre­men und Ham­burg sowie Frank­furt, Mannheim, Stuttgart und München in Süd­deutsch­land (622,85 Mrd. $) und weit­er nach Nordi­tal­ien (Mai­land, Turin), Rom und Neapel (1,272 Mrd. $).

Die USA sind also in vielem der EU ver­gle­ich­bar — schnei­den aber im Einzelver­gle­ich dann auch schlechter ab als — sum­marisch — die EU. Die Wirtschaft der USA ist dazu von zwei struk­turellen Schwächen belastet: einem jährlich immer mehr steigen­den gigan­tis­chen Defiz­it in der Han­dels­bi­lanz und einem immer mehr ausufer­n­den Rüs­tungse­tat, was zu ein­er immer stärk­eren Aus­landsver­schul­dung führt. Trotz desas­trös­er wirtschaftlich­er Dat­en  (FTD 29.08.2008) “war es für sie (die USA) auch kein Prob­lem, über die ver­gan­genen zehn Jahre ein Leis­tungs­bi­lanzde­fiz­it von kumuliert 5.177 Mrd. $ zu stopfen.” Die US-Regierung ist so inzwis­chen nur mehr zahlungs­fähig, wenn Drit­tlän­der — und dazu gehören immer mehr die Schwellen­län­der Chi­na und Indi­en, aber auch Japan und Rus­s­land — ihre Bilanzüber­schüsse in amerikanis­chen Anlei­hen anle­gen, oder wenn die Druck­ereien ange­wor­fen wer­den, um neue Dol­lar zu pro­duzieren. Bei­des ist für eine Wirtschafts­macht auf die Dauer nicht durchzuhal­ten. Die Abhängigkeit von aus­ländis­chen Kred­iten schwächt die eigene Wirtschaft, schränkt die Bewe­gungs­frei­heit gegenüber den “Kred­it­ge­bern” ein, macht erpress­bar — zumal mit dem Euro eine attrak­tive Reservewährung zur Ver­fü­gung ste­ht. Der Druck neuer Dol­lar heizt aber die Infla­tion an.

Amerikas Ver­hält­nis zum Kap­i­tal ist dabei unbe­lastet von den sozialethis­chen Maßstäben in Europa.  Der Reich­tum wird als Ergeb­nis har­ter Arbeit gew­ertet — die jed­er­mann zur Ver­fü­gung ste­ht. Wer es also nicht “vom Teller­wäsch­er zum Mil­lionär” schafft, hat mehr oder weniger “selb­st schuld”. Aus dieser Ein­stel­lung reduziert ein völ­lig unzure­ichen­des rudi­men­täres Sozial­sys­tem, das einen Großteil der US-Bürg­er ohne effek­tive Krankheits- und Altersvor­sorge lässt.

Dazu kommt eine mas­sive Ver­schul­dung auch der pri­vat­en Haushalte — der eine auf “Null” tendierende Spar­quote gegenüber ste­ht. Per­sön­liche Krisen kön­nen dadurch schw­er aufge­fan­gen wer­den, zugle­ich fehlt das Investi­tion­skap­i­tal, das Banken in Form von Kred­iten zur Ver­fü­gung stellen kön­nen. Erst in der Krise nach der Jahrtausendwende wur­den pri­vate Sparkon­te­naufge­baut — derzeit (2010) rund 5,8 Prozent des Durchschnittseinkommens.

Die Top-Man­ag­er erzie­len Spitzenge­häl­ter, die das 360-fache des Durch­schnittslohnes aus­machen. Die “Super­re­ichen” 1 %o der Amerikan­er ver­fügte 1929 über genau­so viel Ver­mö­gen wie die 46 % am unteren Ende der Einkom­men­spyra­mide. 0,1 % der Spitzen­ver­di­ener des Lan­des haben ein höheres Einkom­men, als 120 Mil­lio­nen US-Amerikan­er vom unteren Ende der Einkom­men­spyra­mide. Die Einkom­mensen­twick­lun­gen der Mehrheit der US-Bürg­er hal­ten nicht ein­mal mehr mit der Infla­tion­srate mit. Während Kap­i­talerträge nur mit 15 % besteuert wer­den, wird das Arbeit­seinkom­men — also das Einkom­men der Mehrheit der Bevölkerung — mit 35 % geschröpft. Rund 46 Mil­lio­nen US-Bürg­er leben ohne Kranken­ver­sicherung. Die derzeit­ige wirtschaftliche Sit­u­a­tion in den USA (Stand: Som­mer 2008) erin­nert an die Zeit vor dem Börsen­crash 1929. Auch damals fiel der Anstieg der Löhne geringer aus als der Pro­duk­tiv­ität­sanstieg.  Erst durch die mas­siv­en Investi­tio­nen der Regierung Roo­sevelt (ab 1932) kon­nte die US-Wirtschaft wieder Schritt fassen. Der “New Deal” ver­schaffte den USA über 651.000 Meilen neuer Straßen, über 124.000 neue Brück­en, über 8.000 Parks und über 850 neue Flugplätze.

Von 1987 bis 2006 erlebte Ameri­ka den größten Boom sein­er Geschichte. Das BSP ver­dop­pelte sich Der Wirschafts­boom war aber nicht nach­haltig. Er war nicht auf die langfristige Entwick­lung gerichtet, son­dern auf den schnellen Finanzgewinn, der nicht durch langfristige ren­tier­liche Investi­tio­nen son­dern durch das schnelle Auss­chlacht­en von Betrieben, das “Ver­ram­schen von Tafel­sil­ber” und die Ent­las­sung von Beschäftigten erre­icht wird. Dabei müssten die USA monatlich min­destens 100.000 Arbeit­spltätze schaf­fen, um den jun­gen Erwach­se­nen zu einem eige­nen Einkom­men zu helfen.  Das Gegen­teil ist der Fall. Fast 6 Mil­lio­nen Arbeit­splätze sind in den ersten zehn Jahren dieses Jahrhun­derts ver­loren gegan­gen — und zugle­ich ent­stand die größte Finanz- und Immo­bilien­blase. Nach dem Ende des “Dotkom-Booms” an der Com­put­er­börse Nas­daq wurde in Immo­bilien investiert — gefördert vom Staat, der mit jährlich rund 100 Mil­liar­den Dol­lar Sub­ven­tio­nen auch den ärmeren Bevölkerungss­chicht­en den “Traum vom eige­nen Haus”  ermöglichen wollte. Wer sich im Ver­trauen auf immer steigende Preise ver­schuldete, um vom erhöht­en Wiederverkaus­preis zu prof­i­tieren, musste spätestens mit dem Ende dieser Immo­bilien­preisen­twick­lung auf einem Berg von Schulden sitzen bleiben. Vielfach sind die Schulden auf Immo­bilien größer, als die Mark­t­preise. Das Ende der Immo­bilien­blase führte damit zwangsläu­fig zum Finanzde­bakel. Schein­bar gesunde Finanzin­sti­tute mussten Bankrott anmelden. Die Kred­itkrise Ende 2007 führte zu einem mas­siv­en Ein­bruch im Immo­bilien­markt und zwang die US-Zen­tral­bank, die Kred­itzin­sen niedrig zu hal­ten um weit­ere Zahlungsaus­fälle zu ver­mei­den. Die Regierung Bush jr. hat 700 Mil­liar­den Dol­lar im Irak-Krieg ver­feuert, und dieselbe Summe zur Sta­bil­isierung der Wall Street Banken in der Finanzkrise 2008 bere­it gestellt.Die US-Bürg­er leis­ten sich im Schnitt einen hohen Lebens­stan­dard, die Kon­sumgüter wer­den aber nicht der eige­nen Wirtschaft pro­duziert son­dern stam­men aus dem Aus­land — vor­wiegend und zunehmend aus Ostasien und den südlichen Nach­barstaat­en (Mex­i­co und Venezuela — Öl).  Die Zahl der Indus­triebeschäftigten sank von 18,7 % (1980) auf nicht ein­mal 12 % (2010). Ameri­ka lebt “über seine Ver­hält­nisse”. Solange der US-$ die einzige “Weltwährung” war, die einzige “Anlagewährung” war das zu schul­tern — der durch das Han­dels­de­fiz­it aus­gelöste und ver­stärk­te Wertver­fall des Dol­lar führt aber zu Umori­en­tierung der Anleger auf dem inter­na­tion­la­nen Finanzmarkt.

Und heute (2008)?

Stro­maus­fälle, ein­stürzende Brück­en, bers­tende Deiche: Seit Jahrzehn­ten geben die Amerikan­er zu wenig Geld für die Infra­struk­tur aus. Eine Gefahr für die Wirtschaft — und für Leib und Leben.”
(FTD — 20.06.2008)

1.600 Mrd. $ müssten von 2009 bis 2014 investiert wer­den — so die Finan­cial Times — um die Infra­struk­tur, die Leben­sadern des Lan­des wieder in Schuss zu brin­gen. Während sich aber Chi­na “den Auf­bau von Transport‑, Strom- und Daten­net­zen neun Prozent seines BIP kosten” lasse, “Indi­en fünf Prozent”, seien es in den USA seit zwei Jahrzehn­ten nur noch zwei Prozent. Diese Investi­tio­nen wür­den nicht ein­mal aus­re­ichen, den beste­hen­den Zus­tand zu erhal­ten. Tat­säch­lich wird aber in diesen Bere­ichen nicht investiert.

Exem­plar­isch — die Eisen­bahn?
Anfang des 20. Jahrhun­derts war die Eisen­bahn das Verkehrsmit­tel Num­mer 1 in den USA und das Schienen­netz bre­it­ete sich rasend aus.  Während aber in anderen Regio­nen — etwa in Japan oder Europa — die Eisen­bahn auch und ger­ade im Per­so­n­en­verkehr nie an Bedeu­tung ver­loren hat, sich mehrere Her­steller ein “Wet­tren­nen um den schnell­sten Zug” lief­er­ern und sich auch auf­strebende Mächte wie Chi­na inter­na­tionale Spitzen­tech­nolo­gie einkaufen, hat die Bedeu­tung des Bah­n­verkehrs in den USA stark nachge­lassen. Die großen Ent­fer­nun­gen zwis­chen den Bevölkerungszen­tren und der bil­lige Treib­stoff macht­en es möglich: an die Stelle der Eisen­bahn trat­en Fluglin­ien und der Indi­vid­u­alverkehr. Die gewalti­gen Bahn­lin­ien dienen heute fast auss­chließlich dem Güter­verkehr. Lediglich in den Bal­lungsräu­men — etwa in New York oder Chica­go wird ein rumpel­ndes Pendler­netz für die Per­so­n­en­be­förderung unter­hal­ten. Echte “Fer­n­verkehrszüge”, die den Ver­gle­ich mit europäis­chen Hochgeschwindigkeit­szü­gen stand­hal­ten, gibt es in den USA prak­tisch nicht. Lediglich zwis­chen Wash­ing­ton, New York und Boston wird mit dem Acela (auf Basis des franzö­sis­chen TGV) ein entsprechen­der Verkehr aufrecht erhal­ten. Darüber hin­aus hat der (kanadis­che!) Her­steller Bom­bardier zusam­men mit der Fed­er­al Rail­road Admin­is­tra­tion im Okto­ber 2002 in Wash­ing­ton eine Loko­mo­tive für den Hochgeschwindigkeitsverkehr vorgestellt, den Jet-Train. Die nicht mit Strom aus der Ober­leitung ver­sorgte Loko­mo­tive wird durch eine Jet Tur­bine diese­lelek­trisch angetrieben. Damit sollen die vie­len nicht elek­tri­fizierten Streck­en der US-Bah­nge­sellschaft AMTRAK für den HGV-Verkehr erschlossen wer­den. Dazu müssten aber auch die Gleisan­la­gen umfassend erneurt wer­den. Die USA haben einen “Mil­liar­den­markt” verschlafen.

Exem­plar­isch — Auto­mo­bilin­dus­trie:
Die US-Auto­mo­bilin­dus­trie ste­ht exem­plar­isch für die amerikanis­che Indus­triege­sellschaft. Die “Big Three” kom­men seit Jahren nicht mehr aus den neg­a­tiv­en Schlagzeilen.

Ford hat­te im Jahr 2006 ein Minus von 12,6 Mrd. $ zu verkraften, bei Gen­er­al Motors waren es 1,9 Mil­liar­den, und auch die Bilanzen von Chrysler schauen nicht rosig aus. Dementsprechend haben die Automan­ag­er reagiert wie alle anderen Unternehmer auch: Kosten sparen durch Stellenstreichung!

Ford hat von 1990 bis 2006 die Zahl der Mitar­beit­er von 370.000 auf 245.000 reduziert, 44.000 waren es 2007 — und 13.000 sollen im Jahr 2008 fol­gen. GM hat von 1990 bis 2006 die Zahl der Stellen von 767.000 auf 266.000 reduziert — und will 2008 weit­ere 46.000 Stellen stre­ichen. Und Chrysler hat seinen Beschäftigten­stand von 110.000 auf 71.600 zusam­men gestrichen. Die US-Konz­erne bewe­gen sich damit ent­ge­gen geset­zt zu glob­alen Trends. Der US-Anteil am KFZ-Markt sinkt immer weit­er, während sich europäis­che und ostasi­atis­che Konz­erne vor allem in Brasilien, Chi­na, Indi­en und Rus­s­land immer neue Werke gön­nen. Ursäch­lich ist sich­er auch eine ver­fehlte Mod­ellpoli­tik. Die amerikanis­chen Her­steller reagieren nicht mit gerin­geren Ver­brauch­skosten und Alter­na­tiven­ergien auf steigende Ölpreise, son­dern drän­gen die US-Regierung unter der Führung von Poli­tik­ern, die ihre Wirtschaft­ser­fahrun­gen in der Ölin­dus­trie gemacht haben, für noch mehr “bil­liges Öl” zu sor­gen. Damit sind die sprit­fressenden US-Auto­mo­bile im Rest der Welt aber immer weniger abset­zbar. Die Kred­itkrise, die all­ge­meine Kon­junk­turab­schwächung und die auch in den USA immer mehr ansteigen­den Kraft­stoff­preise treiben die Käufer aber nicht ger­ade in rauhen Men­gen zu den heimis­chen Autohändlern.

Die Pri­vathaushalte in den USA sind über­schuldet — genau­so wie die US-Staats­fi­nanzen. Der let­zte von Präsi­dent Bush jr. vorgelegte Eta­ten­twurf würde für 2008 mit 410 Mil­liar­den Dol­lar ein mehr als dop­pelt so großes  Defiz­it wie 2007 aufweisen, als es 163 Mil­liar­den Dol­lar betrug. Die Gelder wer­den aber nicht investiert, um neue Wirtschaftsin­vesti­tio­nen anzukurbeln.

Der Zer­fall der Autostadt Detroit ste­ht wie ein Sinnbild für die zunehmenden Prob­leme der Weltwirtschafts­macht USA.

Allerd­ings zeich­net sich inzwis­chen (2013) “Licht am Hor­i­zont” ab. Im März 2014 erk­lärte BMW die Absicht, seine Fab­rik in Spar­tan­burg mit einem Investi­tionsvol­u­men von 1 Mrd. $ auszubauen und die jährlichen Pro­duk­tion­ska­paz­itäten bis 2016 von 300.000 Fahrzeu­gen auf 450.000 Fahrzeuge zu erhöhen. Seit 1994 hat BMW damit ins­ge­samt 6,3 Mr. $ in diesen Stan­dort gesteckt —  und sich damit von steigen­den Euro-Kursen unab­hängig gemacht. Spar­tan­burg ist “das glob­ale Zen­trum” für die Fahrzeuge der X‑Reihe — und damit in dem Bere­ich, der ger­ade in den USA einen Absatz­boom erlebt.

Der Sturz in die Rezes­sion:

Die Vere­inigten Staat­en erleben seit Jahrzehn­ten eine “Umverteilung” der Einkom­men. Nach Berech­nung des US-Wirtschaftswis­senschaftlers Lester C. Thurow steig das reale BIP von 1973 bis 1994 um 33 % pro Ein­wohn­er. Der durch­schnit­tliche Wochen­lohn für Arbeit­er und Angestellte in nicht lei­t­en­den Posi­tioen fiel im gle­ichen Zeitraum aber um fast 20 %. Das Einkom­men dieser Bevölkerungs­gruppe — der Mit­telschicht — entsprach 1994 wieder dem Sand der fün­fziger Jahre. Infla­tions­bere­inigt lag das Durch­schnitt­seinkom­men von Män­nern in den USA im Jahr 2007 (gegenüber 1978) bei 45.113 $ — gegenüber 45.879 $ im Jahr 1978. Damit geht zugle­ich eine mas­sive Zunahme der “work­ing poor” Arbeitsver­hält­nisse ein­her, also der Arbeitsver­hält­nisse, die trotz Vollbeschäf­ti­gung nicht genug Einkom­men ergeben, um die Armutsgren­ze zu über­schre­it­en. Fast 45 Mil­lioneen Amerikan­er gal­ten zu Beginn des Jahres 2010 als arm — der Zuwachs betrug im Vor­jahr 2009 rund 4 Mil­lio­nen Men­schen. Da die staatliche Sozial­hil­fe max­i­mal nur zwei Jahre lang gezahlt wird — in den USA ist die Bezugs­dauer der Sozial­hil­fe zugle­ich auf 5 Jahre während des gesamten Lebens begren­zt — beste­ht ein Zwang, solche Arbeitsver­hält­nisse einzuge­hen, und damit in die “pro­gram­mierte Armut” zu schlit­tern. Gle­ichzeit­ig ist in diesem Zeitraum das Einkom­men der “Spitzen­ver­di­ener” auf ein Vielfach­es angestiegen. Zu Beginn der siebziger Jahre ver­di­en­ten US-Man­ag­er im Schnitt etwa das 25-fache der Indus­triear­beit­er — nach nicht ein­mal 30 Jahren aber war diese Rela­tion auf das 500-fache gestiegen. Damit aber bricht die Massen­nach­frage, die “Bin­nen­nach­frage” weg, die den eigentlichen Motor der Wirtschaft bildet. Bil­li­gan­bi­eter und Schulden kön­nen für einige Zeit noch eine entsprechende Kon­junk­tur aufrecht erhal­ten — aber hier­bei han­delt es sich um ein “Feuer”, dem immer mehr der Brennstoff der Nach­frage aus­ge­ht. Eine Studie von Michael Kumhof und Romain Ran­cière, Mitar­beit­er des Inter­na­tionalen Währungs­fonds (IWF), kommt anhand von Mod­ell­rech­nun­gen zum Ergeb­nis, daß die wach­sende Ungle­ich­heit der Einkom­men in den USA die bei­den schw­er­sten Finanz- und Wirtschaft­skrisen der let­zten 100 Jahre durch die Schaf­fung unhalt­bar­er Ungle­ichgewichte aus­gelöst hat.

Das Platzen der IT-Blase (2000) und spek­takuläre Pleit­en (Enron, einst siebt­größtes Unternehmen der USA — Ende 2001; World­com, weit­größter Tele­fo­nan­bi­eter der USA — Mitte 2002) und die dabei zutage tre­tenden Bilanzfälschun­gen waren ein Menetekel vor Beginn der großen Krise, die durch die desas­tröse Haushalt­spoli­tik von Präsi­dent Bush jr. nicht aufge­hal­ten son­dern wohl eher noch bech­le­u­nigt wurde. Im Juli 2008 erre­ichte die Arbeit­slosen­quote in den USA einen Stand von 5,7 %. Nur ein halbes Jahr später stieg die Quote von 6,8 Prozent im Novem­ber auf 7,2 Prozent im Dezem­ber 2008. 2009 wurde schon eine offizielle Quote von 10 % gezählt — und Experten ver­muten, dass nur etwa die Hälfte der­jeni­gen, die einen Arbeit­splatz brauchen, auch gemeldet sind. In der offiziellen Sta­tis­tik sind diejeni­gen, die sich aufgegeben haben, näm­lich nicht erfasst. Im Laufe des Jahres 2010 wird die offizielle Arbeit­slosen­quote in den USA die 15 % Hürde überschreiten. 

Das Brut­toin­land­spro­dukt sank von Okto­ber bis Dezem­ber 2008 mit ein­er auf das Jahr hochgerech­neten Rate von 6,2 Prozent. Nach Angabe der Süd­deutschen Zeitung vom 10./11.01.2009 sind schon mehr als 30 Mil­lio­nen Men­schen auf Lebens­mit­tel­hil­fe angewiesen. Dabei erhält der Empfänger von Lebens­mit­tel­hil­fe im Schnitt monatlich — so die Süd­deutsche Zeitung — 109 $, eine vierköp­fige Fam­i­lie erhalte im Höch­st­fall 588 $, obwohl eine solche Fam­i­lie nach Berech­nung des US-Land­wirtschaftsmin­is­teri­ums selb­st bei sparsam­ster Lebens­führung 652 $ benöti­gen würde.

Damit fehlt zugle­ich ein essen­tieller Schritt — die Möglichkeit zur Altersvor­sorge. Denn anders als in Deutsch­land mit der umlage­fi­nanzierten staatlich garantierten Alter­srene oder etwa beim “Schweiz­er Mod­ell” (das staatliche Grun­drente, Betrieb­srente und Eigen­vor­sorge als dreisäulige Basis der Altersvor­sorge vor­sieht) ist in die USA die Alter­vor­sorge über­wiegend auf die Eigenini­tia­tive aus­gelegt. Die umlage­fi­nanzierte staatliche Renten­ver­sicherung, Social Secu­ri­ty, deckt vielfach nicht ein­mal die Grundbedürfnisse ab. Sie sichert­nur etwa 40 Prozent des Leben­sun­ter­halts im Alter. Und 90 Prozent aller amerikanis­chen Rent­ner beziehen Leis­tun­gen aus der Social Secu­ri­ty. Zur Ver­mei­dung von Alter­sar­mut wird in den USA eine Form der pri­vat­en Altersvor­sorge gefördert, bei denen die monatlichen Beiträge, nicht aber die Endergeb­nisse fest­ste­hen. Das Risiko tra­gen also die Arbeit­nehmer. Diese Form der Sparpläne heißt in Ameri­ka “401(k)-Plan”, nach dem entsprechen­den Para­graphen 401, Abschnitt k im Steuerge­setz, der die Abzüge für die Spar­beiträge regelt.

Viele Arbeit­er und Angestellte haben (deshalb) über Sparpläne, vor allem die lange Zeit so beliebten 401-(k)-Pläne, vorge­sorgt. Diese 401-(k)-Sparpläne ermöglichen es Arbeit­nehmern, aus ihren laufend­en Einkom­men einen Teil steuer­frei zur Anlage für das Alter abzuzweigen. 1983 hat­ten 62 Prozent aller Arbeit­nehmer mit ein­er betrieblichen Altersver­sorgung eine tra­di­tionelle Betrieb­srente, nur 12 Prozent legten Geld im Rah­men von 401-(k)-Plänen zur Seite. Heute hat nur noch ein Fün­f­tel hat die Zusage für eine Betrieb­srente, aber zwei Drit­tel zahlen in die Investi­tion­ss­parpläne ein — ohne garantierte Renten­höhe.” (Quelle: FAZ 07.02.2009 )

Tat­säch­lich kann ein Arbeit­nehmer mit sein­er Vor­sorge, anders als bei der Riester­rente, mehr oder weniger machen, was er will — mit mehr oder weniger Sachken­nt­nis in Finanz- und Invest­ment­märk­ten investieren, zum Beispiel. Und viele investieren einen wesentlichen Teil ihres Geldes in Aktien des eige­nen Arbeitgebers.

Es beste­hen eine Rei­he von Anla­geop­tio­nen, zumeist Invest­ment­fonds, die in Aktien‑, Anlei­he- und Geld­markt investieren. Nicht sel­ten gibt es auch die Möglichkeit, in Aktien des eige­nen Unternehmens zu investieren — und bei sink­enden Aktienkursen, schlimm­sten­falls ein­er Insol­venz der Fir­ma, ist nicht nur der Arbeit­splatz gefährdert — auch die eigene Altersvor­sorge schmilzt dahin. Die Tur­bu­len­zen an den Finanzmärk­ten haben auf den 401-(k)-Konten tiefe Spuren hin­ter­lassen: Fideli­ty Invest­ments, ein­er der führen­den Anbi­eter dieser Sparpläne, hat bei ein­er Analyse von etwas mehr als 17.000 Sparplä­nen mit mehr als 11 Mil­lio­nen Spar­ern her­aus­ge­fun­den, dass das durch­schnit­tliche Guthaben dort ver­gan­ge­nes Jahr um 27 Prozent auf 50.200 Dol­lar geschmolzen ist. Damit wer­den ältere Arbeit­nehmer gezwun­gen, weit­er im Erwerb­sleben zu bleiben — was natür­lich die Beruf­schan­cen der jün­geren erschwert. 

Der Bankrott der Rentenkasse ist abse­hbar, wenn sich an den aktuellen Para­me­tern nichts ändert.” 

Das heißt auch, dass die US-Ver­brauch­er nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen, um die Weltwirtschaft mit ihrer Nach­frage aus der Rezes­sion zu ziehen.”

(Quellen: FAZ 07.02.2009 und SZ vom 28.02.2009/mel)