Die technologische Entwicklung Chinas macht ungeahnte Fortschritte. In den siebziger Jahren haben statistische Handbücher noch voller Stolz die Zahlen der Handkarren aufgezählt, die der Landwirtschaft zugeführt werden konnten. Heute beginnt China, sich als Produktionsstandort auch in den Spitzentechnologien zu etablieren. Dass das nicht ohne Hilfe führender Industrienationen — und vor allem von Weltfirmen — geschehen konnte, ist logisch. Die Firmen haben mehr oder weniger bereitwillig ihren Teil einer Absprache erfüllt, die auf einen einfachen Nenner zu bringen ist: gegen Technologietransfer wird der gigantische chinesische Markt für diese Hersteller geöffnet. Ohne Technologietransfer bleibt der Markt dagegen geschlossen — bzw. er wird für die Konkurrenz geöffnet.
Diese Entwicklung ist aus chinesischer Sicht durchaus sinnvoll. China muss Millionen von Arbeitsplätzen schaffen. Dies gelingt nur mit der Übernahme von Produktionsaufträgen — China wird zur “Werkbank Asiens”. In den Firmen haben die Beschäftigten aber auch Teil am Gewinn, sie erhalten einen Lohn, der mit steigendem Einkommen zur Bildung einer immer größeren und immer kaufkräftigeren Mittelschicht führt. Auf diese Kaufkraft können die Firmen bauen, die Produktionsanlagen in China errichten.
Typisches Beispiel für die Kaufkraft eines Landes ist der Automobilmarkt. Sowohl die Zahl der Luxuslimousinen, als auch die der “normalen Kraftwagen”, die in einem Land verkauft werden, zeigt, wie wohlhabend die verschiedenen Gesellschaftsklassen des Landes sind.
Chinas Automobilmarkt:
Kaum eine Branche vermag die Entwicklung Chinas so zu demonstrieren wie die Automobilindustrie. Noch 1980 gab es kaum private Automobile in dem Riesenland. Inzwischen zeichnet sich ab, dass — wie einstmals FORD in den USA und VW im Nachkriegsdeutschland — die Automobilindustrie zu einem Motor der Industrialisierung Chinas wird. Während in Peking Jahrzehnte gebraucht wurden, um (bis 1997) die erste Million Autos auf den Straßen zu haben, wurden für die zweite Million lediglich noch 6 weitere Jahre gebraucht. Alleine in den ersten 6 Monaten des Jahres 2003 stieg der PKW-Verkauf um über 80 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Nachdem sich der Autoabsatz in China 2003 verdoppelte stieg er im Jahre 2004 stieg um weitere 15 Prozent, und Analysten setzen darauf, dass sich der Autoabsatz auch in den nächsten Jahren zwischen 10 bis 15 Prozent steigern wird. Im Jahre 2006 ist der Absatz erneut um ein Viertel gegenüber dem Jahr 2005 gestiegen. 2007 wurden in China bereits über 8,7 Mio. Autos produziert und verkauft — und für 2008 wird erwartet, dass die Schwelle von 10 Mio. Fahrzeugen erreicht wird. Die Hersteller der Welt versuchen, diesen aufstrebenden und vom Potential her bald größten Automarkt der Erde zu erobern. Über 80 verschiedene Automarken sind inzwischen in China zu haben.
Bis zu den olympischen Spielen sollten bereits 3 ½ Millionen Autos die Pekinger Straßen verstopfen.
Shanghai — immerhin mit boomenden Fahrzeugfabriken in seinem Umland und mehr Einwohnern als Peking — bleibt da zurück. Hier werden „nur“ 2- 3000 Neufahrzeuge monatlich zugelassen, was einem restriktiven (und teuren) Zulassungsprozedere zu verdanken ist.
Vor allem deutsche Autohersteller — angeführt von VW mit einem Marktanteil von (2006) 30 %, der vor allem von Fahrzeugtypen wie den “Taxi-Autos” Santana (160.000 Exemplare in 2007) und dem Jetta (200.000 Exemlare in 2007) erzielt wurde, dicht gefolgt von Daimler-Benz und BMW — profitieren von der zunehmenden Kaufkraft der chinesischen Mittelschicht, und investieren Milliarden um noch mehr Fahrzeuge in China selbst zu produzieren und abzusetzen.
Das für 2006 angepeilte Verkaufsziel von 600.000 Fahrzeugen wurde von VW bereits im November übertroffen. Für 2007 sind 900.000 Fahrzeuge und im Jahr 2008 das Überschreiten der “Millionenmarke” geplant. “Die VW-Produktionskapazitäten von jährlich 500.000 Fahrzeugen, die VW mit dem chinesischen Partner SAIC Motor in China aufgebaut hat, sind damit ausgeschöpft;” schrieben wir noch im Jahr 2006 “aber bei einem Gewinn von rund 200 Mio. Euro (2007) wird es VW nicht schwer fallen, eine neue Fabrik zu eröffnen”. Tatsächlich expandiert VW in China wie kaum ein zweites Unternehmen. Der VW-Konzern baut in China ein Werk nach dem anderen. Im Juli 2010 wurde bekannt, dass VW in China seine inzwischen zehnte Fabrik bauen wird, um die gesamten Fertigungskapazität in China auf drei Millionen Autos pro Jahr zu erhöhen. Die neue Fabrik im ostchinesischen Yizheng soll den Betrieb 2013 mit einer Kapazität von 300.000 Fahrzeugen aufnehmen und 4.000 Arbeiter beschäftigen. Zusätzlich zum neuen Werk werden die Kapazitäten der VW-Fabriken in Nanjing und Chengdu auf jeweils 300.000 bis 350.000 Einheiten erweitert. Außerdem plante Volkswagen den Bau eines weiteren Standorts im südchinesischen Foshan und später in Xinjiang, in “Chinas fernem Westen”. Noch im 2013 Jahr eröffnete VW diese zwei Werke in Foshan und Urumqi, und zusätzlich ein Werk Ningbo. In diesen drei Werken werden insgesamt jährlich mehr als 700.000 Fahrzeuge gebaut werden. 2013 wurde bekannt gegeben, dass VW mit etwa 1,2 Milliarden Euro eine weitere Fabrik in der Stadt Changsha, Hunan Provinz, errichten will, um ab 2016 pro Jahr ebenfalls bis zu 300.000 Fahrzeuge zu bauen: “Laut Geschäftsbericht” — so zitiert im SPIEGEL vom 11. Mai 2013 — “verdient VW in China mit jedem Auto knapp 3000 Euro.”
Im Jahr 2011 ist der Gesamtanteil der Marke VW am chinesischen Automarkt zwar auf 17 % gesunken — mit 2,25 Mio. Fahrzeugen, von knapp 50 000 Mitarbeitern produziert, hat VW aber für sich erneut einen neuen Verkaufsrekord aufgestellt. Die Gewinne werden überwiegend in China reinvestiert. So ist bis 2016 ein Investitionsprogramm von rund 14 Mrd. Euro aufgelegt worden
Audi - das 1988 Lizenzen für den Audi 100 an Chinas ältesten Autobauer FAW vergab und im September 1999 mit der Montage des A 6 in Changchun im Norden Chinas startete und im Jahre 2002 bereits 36.500 Fahrzeuge in China veräußerte — begann im April 2003 mit der Fertigung des A 4 und will auch hier eine Produktionskapazität von 30.000 Fahrzeugen im Jahr erreichen. Bei enormen Wachstumsraten im Absatz (2007: 25 %) und beabsichtigten Verkaufszahlen von bis zu 200.000 Fahrzeugen sind die Fertigungslinien in Changchun aber mehr als ausgelastet. Zusätzlich zu dem Joint-Venture mit dem chinesischen Autohersteller “First Automotive Works” (FAW) errichtet Audi in Changchun daher inzwischen ein eigenes komplettes Werk, in dem ab August 2009 der auf dem Fahrgestell des A 4 basierende, neue Geländewagen Q5 vom Band rollen soll. Weitere Fertigungslinien für die “Absatzrenner” im chinesischen Markt wie den A 6 L sowie den Geländewagen Q 7 könnten folgen.
Fiat betreibt in Nanjing — in der Nähe des VW-Standortes — ebenfalls eine Montagelinie für jährlich 60.000 Fahrzeuge. Wie Ende April 2008 bekannt wurde, wird Audi diese Anlage wohl übernehmen — dann als siebtes Werk des VW-Konzernes in China.
General Motos - der zweitgrößte Hersteller auf dem chinesischen Markt, will ebenfalls im Jahr 2008 die “Millionenmarke knacken”.
Auch BMW wollte da nicht nachstehen, wie die Financial Times am 14. März 2003 meldete: “BMW wird künftig auch in China produzieren. Der Staatsrat der VR habe das geplante Gemeinschaftsunternehmen von BMW mit dem chinesischen Hersteller Brilliance China Automotive genehmigt. … BMW und Brilliance wollen im zweiten Halbjahr 2003 in Shenyang in der nordostchinesischen Provinz mit der Produktion beginnen. … Zunächst soll in Shenyang der 3er-BMW produziert werden, vom kommenden Jahr an auch die neue 5er-Reihe, .… Beide Unternehmen .… wollen in den Aufbau der Produktion bis 2005 insgesamt 450 Mio. Euro investieren. BMW plant mittelfristig eine Produktion von 30.000 Fahrzeugen der 3er- und 5‑er Reihe…” (BMW startet Produktion in China — (www.ftd.de)). Das Werk begann auch zeitgerecht zu produzieren, und konnte alleine von Januar bis Oktober 2006 28.000 Einheiten verkaufen — und im Jahre 2007 die Kapazitätsgrenze von 30.000 Fahrzeugen erreichen. Auch wenn durch geänderte Arbeitszeitmodelle und andere Maßnahmen die Jahreskapazität des Werks auf 40.000 Einheiten erhöht werden kann — spätestens ab dem Jahr 2010 wird BMW ein neues Werk in Betrieb nehmen müssen, um das Modellangebot und die Anzahl der abgesetzten Fahrzeuge zu erhöhen. Und diese Vorhersage (aus dem Jahr 2008) ist inzwischen auch eingetreten — im Mai 2012 wurde — auch bei Shenyang — das zweite BMW-Werk fertig gestellt, um wieder in Kooperation mit dem chinesischen Autobauer Brilliance weitere BMW-Fahrzeuge für den chinesischen Markt zu produzieren.
BMW kündigte Ende März 2014 an, diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen.
Daimler-Benz erstellt im Jahr 2006 ein Werk in Peking, mit dem jährlich bis zu 25.000 Fahrzeuge (derzeit der E- und C‑Klasse und seit dem Jahreswechsel 2011/2012 den GLK) erstellt werden können. Im Jahr 2011 waren 9.000 Mitarbeiter für die “Marke mit dem Stern” im Lande tätig, und erzielten einen Absatzrekord von 200.000 Fahrzeugen — eine Steigerung alleine um 35 % gegenüber dem Vorjahr. Allerdings wurden noch 2011 etwa 70 % der verkauften Fahrzeuge aus Deutschland importiert. Dieses Verhältnis soll sich durch die zunehmende Produktion weiterer Modelle umdrehen. Dabei dürfte vor allem die S‑Klasse im Blick der Konzernlenker stehen, die 2011 mit über 30.000 Fahrzeugen abgesetzt wurden. Noch 2008 wurden gerade einmal 12.000 Fahrzeuge des Typs in China verkauft. Zwischen 2014 und 2016 soll China zum größten Absatzmarkt des Konzerns aufsteigen.
Mercedes-Benz will zudem in wenigen Jahren einen maßgeblichen Teil seiner Produktion von Nutzfahrzeugen nach China verlegen. Im Juli 2010 erhielt Daimler (endlich) die Lizenz zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens mit dem chinesischen Partner Foton, mit dem mittelschwere und schwere Laster zunächst für den chinesischen Markt gebaut werden sollen. Daimler stellt das know how für moderne Dieselmotoren und Abgastechnologie. Foton bringt sein Vertriebs- und Servicenetz in das Joint Venture ein. Foton baut seit 2003 nordwestlich von Peking leichte und schwere Nutzfahrzeuge. Im Jahr 2009 hat Foton in China rund 90.000 Lkw verkauft. Für das laufende Jahr 2010 rechnet das Unternehmenmit einem Absatz von 110.000 Fahrzeugen. Dann sind die Kapazitäten ausgeschöpft, so dass Foton Ende des Jahres 2010 eine neue Fabrik eröffnen will.
Im November 2013 investierte Daimler fast 630 Millionen Euro, um 12 % der Aktienanteile von Beijing Motor (dem PKW-Hersteller von Beijing Automotive) zu erwerben. Im März 2014 wurde von Daimler und dem chinesischen Autobauer Beijing Automotive der Ausbau der Auto- und Motorenproduktion mit einem Investitionsvolumen von 1 Mr. Euro in Peking vereinbart.
Auch und gerade westliche Industriefirmen — exemplarisch am Beispiel der deutschen Kraftfahrzeugindustrie dargestellt — investieren im Rennen um diesen Zukunftsmarkt, der aufgrund seiner geringen Lohnkosten zu einem exzellenten Produktionsstandort wird.
Daneben werden natürlich auch alle anderen internationalen Automobilkonzerne im Lande aktiv. Ford hat den Absatz von 2005 bis 2006 auf 300.000 Fahrzeuge verdoppelt. Die zum US-Konzern Ford gehörende Volvo Car will im Jahr 2006 mit dem Bau seiner S40 Limousine im Gemeinschaftsunternehmen Changan-Ford (von Ford und Changan Automobile) in Chongquing (SW-China) beginnen und bereits 2007 jährlich 10.000 Fahrzeuge produzieren — womit die “Gewinnzone” erreicht wäre. Bereits 2010 ist China zum dritttgrößten Absatzmarkt des Volvo-Konzerns geworden. Volvo hat sich 2013 an der Dongfeng Motor Group beteiligt, um so “den größten Lastwagenbauer der Welt” zu bilden. Toyota will seinen Absatz von 183.000 Einheiten (2005) auf 400.000 Einheiten (2007) steigern, PSA Citroen-Peugeot will im Jahre 2007 alleine 200.000 Fahrzeuge der Marke Citroen verkaufen. Hyundai (Korea) und Geely (China) setzen gegen diese Marktoffensive auf Preissenkungen, die noch mehr Autos für noch mehr Chinesen erschwingbar machen. Der “Luxushersteller” Cadillac (Tochter von General Motors) hat im Jahr 2013 “grünes Licht” erhalten, um für eine Milliarde Euro eine Produktionsstätte im Schanghaier Stadtteil „Jinqiao“ zu errichten. Die Fabrik soll jedes Jahr 150.000 Neuwagen produzieren.
Während die westlichen Hersteller anfänglich noch über Jahre die im Westen veralteteten Modelle angeboten haben, bemühen sich die Firmen seit 2006 speziell für China entwickelte Varianten auf den Markt zu bringen. Zumeist sind das Modelle der gehobeneren Preisklassen mit mehr Komfort im Fondsbereich — ein Zeichen, dass das Unternehmertum sich zunehmend den eigenen Chauffeur leisten kann. Zugleich nimmt der Trend zum Kleinwagen für die zu Wohlstand kommende Mittelschicht zu.
Mit der Übernahme von Nanjing Automobile Corp. (NAC) durch den größeren Rivalen Shanghai Automotive Industry Corp. (SAIC) zum Jahreswechsel 2007/2008 entstand nicht nur der größte chinesische Autokonzern, der zudem aus dem Technologietransfer von Fiat und IVECO (NAC) bzw. General Motors und VW (SAIC) profitiert, und zusätzlich über das gemeinsam von Rover übernommene know-how auch gute Chancen auf dem Exportmarkt hat.
Den Markenherstellern folgen auch die Zulieferer der KFZ-Branche, etwa Bosch (im Jahr 2011 21.000 Mitarbeiter) oder Knorr Bremsen (im Jahr 2011 etwa 2.200 Mitarbeiter), oder auch der mittelständische Hersteller von Kupplungslamellen “Hoerbiger Antriebstechnik”, der in der Nähe von Shanghai sein zweites Chinawerk aufbaut, während gleichzeitig der Verkauf der Standorte Penzberg, Deutschland, und Waterloo, Kanada, verhandelt wird.
Der Fahrzeugboom hat weitere Auswirkungen — in China wird mit Hochdruck ein immer gigantischeres Netz von Stadt- und Überlandautobahnen aus dem Boden gestampft.
Lokomotiven und Hochgeschwindigkeitsbahnen:
Auch das Netz von öffentlichen Verkehrsmitteln wie U‑Bahnen und Eisenbahn wird erweitert. Chinas Eisenbahnnetz ist derzeit (2010) rund 86.000 km lang und soll bis 2020 auf 120.000 Kilometer anwachsen. Bereits im Sommer 2010 war das chinesische Hochgeschwindigketisnetz auf rund 6.600 km angewachsen — und weitere 9.000 km “Hochgeschwindigkeitsstrecken” sollen bis 2020 dazu kommen. Während sich Shanghai rüstet, mit der Magnetschwebebahn (Transrapid, MAGLEV) den großen Wirtschaftsraum im Delta des Jangtse zu erschließen, locken schon die nächsten Investitionen: das Eisenbahnnetz zwischen Shanghai und Peking soll eine 1.300 km lange Hochgeschwindigkeitsverbindung erhalten, um die Japans Shinkansen, der TGV und der ICE zusammen mit einem chinesischen Erzeugnis einen harten Wettbewerb liefern. Es wird wohl kaum Zweifel daran geben, dass die großen nationalen Eisenbahnmagistralen — von der Mandschurei über Peking und Wuhan bis Kanton und Hongkong sowie von der kasachischen Grenze bis Schanghai — an dieses Netz angeschlossen werden, und dass China nicht nur komplette Züge kaufen wird, sondern für seine gigantischen Entfernungen auch möglichst viel Technologie-Transfer zum Lizenzbau erhalten möchte. Entsprechende Abkommen sind inzwischen auch mit allen Herstellern geschlossen worden. Ein schwieriges Geschäft also, andererseits verkraften die extrem langen innerchinesischen Strecken auch verschiedene Hochgeschwindigkeitszüge, und da sind die auf Kompatibilität angelegten europäischen Hersteller mit TGV und ICE klar im Vorteil — zumal Japan seit dem zweiten Weltkrieg bei Chinas Bevölkerung nicht besonders beliebt ist.
Inzwischen zeigt das Bemühen um Zugang zur Spitzentechnologie Erfolge. Siemens liefert Züge für die Hochgeschwindigkeitsbahn Peking — Tianjin, und lässt weitere Garnituren in chinesischer Lizenz im Lande produzieren. China hat die Produktion eines eigenen Hochgeschwindigkeitszuges bekannt gegeben, der im September 2010 auf einer Testfahrt auf der neuen HGV-Strecke zwischen Shanghai und Hangzhou eine Geschwindigkeit von über 416 km/h erreicht haben soll. Der Zug wird — so offizielle Angaben — ab Herbst 2010 die etwas über 200 km entfernten Städte in 40 Minuten verbinden, und damit nicht wesentlich langsamer sein als die im März 2010 von der Zentralregierung genehmigte Verlängerung der MAGLEV (Transrapid-)Strecke, mit der die Fahrzeit zwischen den beiden Wirtschaftsmetropolen auf 38 Minuten verkürzt würde.
Kompetenzen im Flugzeugbau:
Die florierende chinesische Luftfahrtindustrie hat sich bisher ausschließlich auf den militärischen Bedarf gerichtet.Den Bemühungen, Verkehrsflugzeuge zu bauen war dagegen kein Erfolg beschieden. So hat Shanghai Aircraft Manufactoring Company Ende der 70-er Jahre versucht, mit der Y‑10 eine (schlechte) Kopie der schon damals veralteten Boeing 707 zu produzieren. Die mit vier Pratt& Whitney JT3D‑2 Triebwerken ausgestattete Maschine wurde allerdings nur in zwei Vorserienmodellen gebaut. Nicht einmal Chinas staatlicher Monopolcarrier CAAC interessierte sich aber für dieses Flugzeug, das im September 1980 zu seinem Erstflug abhob und die fliegerische Karriere bereits 1984 wieder beendete. Bereits vorher — im Juli 1982 — war allerdings der erste erfolgreiche Turboprop, die Y‑12 der Harbin Aciation Industry Group zum Erstflug gestartet. Die für knapp 20 Passagiere ausgelegte Maschine markiert einen bescheidenen, aber erfolgreichen Anfang einer neuen Aera. 1987 folgte die Y‑7, die von der Xian Aircraft Corporation aus der sowjetischen AN-24 abgeleitet und bis 2008 mit über 200 Exemplaren ausgeliefert wurde. Eine verbesserte Version der Y‑7 ist die MA 60, die bereis 60 Passagiere über eine Strecke von 1.600 Kilometer transportieren kann und nach Zimabwe, Indonesien und in die Philippinen exportiert wurde. Neueste Typen dieser Serie sind die MA 600 (2008 in Xian vorgestellt, über 50 Passagiere) und die MA 700, die bis etwa 2015 ihren Erstflug absolvieren soll. Diese Maschine ist für bis zu 80 Passagiere ausgelegt.
Die chinesischen Pläne sind mehr als ehrgeizig: “In den nächsten fünf Jahren werden wir 71 Ausbauten von Flughäfen beginnen, 11 Flughäfen verlegen und 49 Flughäfen neu bauen”, so Zhang Haidong vom Hauptamt für zivile Luftfahrt auf der 5. Weltkonferenz der Flughafenstädte in Hong Kong. “Zhang erwartet für die chinesische Flughafenindustrie zwischen 2006 und 2020 ein durchschnittliches Wachstum von 11 Prozent.” (China.org.cn, Xinhua, 15. September 2006). Kein Wunder also, dass auch westliche Flugzeughersteller den Markt intensiv beobachten. Boeing und die chinesische Luftfahrtindustrie schätzen einen chinesischen Bedarf von über 3.700 Maschinen, der bis 2030 abgedeckt werden müsste. Bombardier erwartet alleine für Regionalflugzeuge in der Größenordnung von 50 bis 149 Sitzen einen Bedarf von übe 2.000 Flugzeugen. Die Firmen sind also bemüht, einen “Fuß in die Türe” zu bekommen, um in diesem Markt zu profitieren.
Inzwischen bemüht sich China selbst erneut um know how, um den stetig steigenden Bedarf an zivilen Passagierflugzeugen durch Eigenproduktionen decken zu können. Die chinesischen Pläne wurden schrittweise umgesetzt. Ab 1985 wurden in Shanghai insgesamt 34 McDonnelDouglas “MD 80” in Lizenz für den Staatscarrier CAC gebaut.
Mit den kurz “AVIC I” und “AVIC II” genannten Flugzeugbaukonzernen “China Aviation Industry Corporation” verfügte China seit der Trennung des Staatskonzernes über zwei konkurrierende Firmengruppen. Inzwischen (Stand Januar 2009) sind die zivilen Flugzeugsparten der beiden Flugzeughersteller (wieder — wie vor 1990) zusammen geschlossen worden Damit entstand ein Konzern, der Herstellern wie Airbus (Europa), Boeing (USA), Embraer (Brasilien) oder der OAK-Holding (Russland, Zusammenschluss von Irkut, Mig, Suchoi, Iljuschin und Tupulew) ebenbürtig sein könnte.
Interner Link: Ostasien China — COMAC Zivilflugzeugbau — neuer Anlauf
Beide Staatskonzerne haben Joint-Venture Verträge mit westlichen Herstellern abgeschlossen und liefern Flugzeugteile für Airbus, Boeing und Bombardier.
Bombardier lässt Rumpfteile der Q 400 und den Mittelrumpf des C‑Series Regionaljets in China herstellen.
Boeing lässt Tragflächen– und Leitwerksteile der 737, 747 und 787 bei einem knappen Dutzend Firmen in China fertigen und baut in Xienanmen die Jumbos zum “Boeing Converted Freighter (BCF) um. 2001 wurde zudem in Tianjin ein Joint-Venture zur Herstellung von Kunststoffteilen in Betrieb genommen, an dem Boeing, die Hexcel Corporation und AVIC I beteiligt sind.
Airbus nimmt aus halb soviel Fabriken Tragflächenkomponenten und Türen ab. Beim neuen A 350 XWB sollen schon 5 % der Teile aus China kommen. Darüber hinaus wurde im Jahr 2006 die Möglichkeit gesichert, den Airbus A 320 in Tianjin fertigen zu können. Airbus hat dazu sogar Ende September 2008 seine erste Produktionslinie außerhalb Europas im chinesischen Tianjin — direkt neben dem Joint venture von Boeing — eingeweiht. Hier sollen die Arbeiter zunächst vordere und hintere Rumpfsektion, Tragflügel, Seiten- und Höhenleitwerk sowie Triebwerksaufhängung für A320-Maschinen montieren. 2009 soll sogar eine erste in China montierte A 320 das Werk verlassen. Ab 2010 oder 2011 sollen dann vier Maschinen im Monat gebaut werden, hauptsächlich für den chinesischen Markt. Insgesamt liefert Airbus monatlich bald 40 Maschinen der A320-Familie aus. Bis 2016 sind insgesamt 300 Flugzeuge der Typen A 319 und A 320 geplant. An dem Fertigungswerk hält Airbus 51 Prozent der Anteile. Die anderen 49 % gehörten einem Konsortium der Verwaltungsregion Tianjin sowie der beiden staatlichen chinesischen Luftfahrtkonzerne AVIC I und AVIC II (Aviation Industries of China I und II).
AVIC I beschäftigt etwa 240- 250.000 Mitarbeiter in knapp 50 Tochterfirmen, die Raketen, Flugzeugtriebwerke und das Kampfflugzeug Jian 10 (J‑10) sowie den strategischen Bomber Xian H‑6 — eine Variante der russischen TU-16 — produzieren. AVIC II befasst sich dagegen mit der Produktion von Hubschraubern für den zivilen und militärischen Bedarf.
AVIC I hat mit dieser “Starthilfe” und mit Unterstütuzung von Bombardier im Jahre 2007 den Mittelstreckenjet ARJ 21–700 für 70 Passagiere und eine Reichweite von rund 2000 km entwickelt. Eine Langstreckenversion (ARJ 21–900) soll sogar Platz für 100 Passagiere bieten. Der rasant steigende innerchinesische Flugverkehr — bis 2020 wird ein Bedarf von bis zu 1000 Passagierflugzeugen prognostiziert — soll u.a. mit diesen chinesischen Produktionen gedeckt werden. Zum Jahresende 2007 waren bereits über 170 Maschinen bestellt — allerdings nahezu ausschließlich von chinesischen Fluglinien wie der Kupeng Airlines (50 Bestellungen und 40 Optionen.
Die China Aviatin Industry Corporation I (AVIC I)in Peking möchte dieses Flugzeug innerhalb von 7 Jahren zur Serienproduktion bringen. Da Chinas Flugverkehr in wenigen Jahren einen gigantischen Aufschwung genommen hat wird alleine für China mit einem Bedarf von rund 600 Flugzeugen innerhalb von 20 Jahren gerechnet. Auf dem weltweiten Markt — der auf mindestens 4.000 Flugzeuge eingeschätzt wird — wird China damit in Konkurrenz zu etablierten Herstellern wie Embraer (Brasilien) oder Bombardier treten.
AVIC II arbeitet dagegen vor allem mit der brasilianischen Flugzeugindustrie zusammen. China hat im September 2006 den Kauf von jeweils 50 Flugzeugen der Typen ERJ 145 und E 190 für insgesamt für 2,7 Mrd. $ von Embraer bekannt gegeben — wobei die ERJ 145 ab 2007 nur noch in einem brasilianisch-chinesischen Joint Venture, der Harbin Embraer Aircraft Industry montiert werden sollen. Embraer möche mit diesem Joint Venture ebenfalls ein Stück vom chinesischen Regionalmarkt für sich erobern.
Chinas Investoren haben beim insolventen Flugzeughersteller Fairchild Dornier auch neueste Technik für Mittelstrecken-Verkehrsflugzeuge erworben, obwohl neben einer eigenen Entwicklung eines eigenen Mittelstreckenflugzeuges auch ein Kooperationsabkommen mit Brasiliens Embraer besteht.
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Und das sind nur Beispiele — von Windkraftwerken und der Magnetschwebebahn (MAGLEV) in Shanghai bis hin zur Akademie für Bierbrauerei, die der Münchner Arim Winkler in Wuhan aufgebaut hat — China scheint für alle technischen Entwicklungen des Westens einen fruchtbaren Boden zu haben.