2. Blütezeit
Islamischer Aufschwung — Saladin und der Kalif von Bagdad
2.1.: Ausbreitung der arabischen Sprache:
Die Heimat der Semiten ist die Welt östlich des Mittelmeeres und des Roten Meeres. Vom “fruchtbaren Halbmond” — dem Weide- und Ackerland südlich der Türkei in den heutigen Staaten Syrien und Irak — findet sich die Urheimat der semitischen Sprache bis hinunter zum Süden der arabischen Halbinsel, von wo es “Südarabern” aus dem Jemen bereits im ersten Jahrtausend vor Christus gelungen war, einen “semitischen Brückenkopf” am Gegenufer in Äthiopien zu begründen.
Im Norden und im Zentrum der arabischen Halbinsel wurden Inschriften gefunden, die in die Zeit von ca. 50 v. Chr. bis 50 n. Chr. fallen und als Vorläufer der arabischen Sprache angesehen werden können. Die früheste Manifestation der arabischen Sprache ist ein Grabstein, der in Syrien gefunden wurde und auf 328 n. Chr. datiert wird. Um 600 n. Chr. können die Dialekte schon in eine westliche und eine östliche Gruppe unterteilt werden. Zu dieser Zeit wurden Gedichte in mündlicher Tradition weitergegeben.
Mit der Eroberung durch die moslemischen Araber 640/41 gehörte auch Ägypten — und innerhalb kurzer Zeit auch der nördliche Teil Afrikas — zum Islamisch- Arabischen Weltreich, wobei politische Herrschaft durch Araber und die mit dem Koran einhergehende Arabisierung (der Koran wird in seiner arabischen Ursprache verbreitet) zum Rückgang der mit den Arabern nah verwandten Hamitischen Sprachen beigetragen haben.
Der Koran — die in der arabischen Sprache Mohammeds niedergelegte Offenbarung Allahs — konnte und durfte nur in dieser Sprache gelehrt werden. Zugleich mit der Verbreitung des Islam ging also eine “Arabisierung” der zum Islam bekehrten Bevölkerung einher, die zum Studium des Islam zwangsläufig auch die arabische Sprache erlernen mussten. Nur das Studium des Korans in der Sprache Mohammeds erlaubt das Verständnis der Offenbarung Mohammeds.. Durch die Übersetzung des Wortes Gottes in eine Fremdsprache geht der Sinn und die Relevanz des Wortes verloren.
Während die in Byzanz gepflegten Werke der antiken Literatur und Wissenschaft in das arabische übersetzt wurden — und über diesen Umweg das christliche “Abendland” erreichten — war die Übersetzung des Koran (die eine “Entarabisierung” der islamischen Religion bedeutet hätte) verboten. Seit dem 8. Jh. wurde die griechische Kultur in großem Umfang assimiliert und die Literatur ins Arabische übersetzt. Im Mittelalter war die Kenntnis der griechischen Antike (Literatur, Philosophie usw.) nirgends besser als in Arabien. Im Mittelalter waren die Araber bedeutende Astronomen, Mathematiker und Mediziner, so dass zahlreiche astronomische (Zenith, Aldebaran …), mathematische (Algebra, Zero …) und medizinische (Elixier, …) Termini aus dem Arabischen stammen.
Die Herrschafts- und Kultursprache der Islamischen Welt war nach der Eroberung das Arabische des Koran, das wohl aufgrund seiner Ähnlichkeit zur hamitischen Sprache nicht nur von den Fellachen Ägyptens, sondern von den meisten hamitischen Stämmen Nordafrikas assimiliert und als eigene Umgangssprache angenommen wurde. Lediglich die Perser und türkischen Stämme — deren Sprache keine Verwandtschaft mit dem Semitischen aufweist — konnten sich der “Arabisierung” der eigenen Umwelt entziehen.
In Ägypten erfolgte die Arabisierung vor allem zwischen dem 10. und dem 13. Jahrhundert, und dieser Arabisierung Ägyptens folgt die Arabisierung Nordafrikas- der heutigen Maghreb-Staaten.
2.2.: Das Kalifenreich von Damaskus und Bagdad:
Die Ausbreitung der arabischen Sprache und Schrift und damit die des Islam hängt eng mit der zweiten großen Blütezeit der “arabischen Welt” zusammen — dem Kalifat von Damaskus und Bagdad.
Nach dem Tode Mohammeds gelang es, einen engen Gefolgsmann zum Nachfolger (chalifa) zu wählen. Abu Bakr und weitere drei Kalifen (die sogenannten 4 “Rechtgeleiteten” — raschiden) führten als Oberhaupt der Gemeinde das politische Werk Mohammeds fort.
Das zunächst aus Stammesverbänden gebildeten Heer der arabisch-islamischen Streitkräfte brandete und überrollte den Ostteil des byzantinischen Reiches. Am Ende der Herrschaft des zweiten Kalifen (644) hatten die arabischen Streitkräfte ganz Arabien, die syrischen und ägyptischen Provinzen der griechischen Byzantiner erobert und mit der Besetzung des iranischen Sasanidischen Reiches begonnen.
Das arabische Heer hatte sich von einer Stammeshorde zu einer gut organisierten Streitmacht verwandelt, das durch den Einsatz von Kamelen als Fortbewegungsmittel den Krieg über große Entfernungen und durch trockenes Wüstengelände an unerwartete Flanken des Feines tragen konnte. Nicht nur die Aussicht auf Beute — auch die integrative Kraft eines Glaubens, die glühende Überzeugung, den rechten Glauben zu verbreiten, hatten diesen Wandel bewirkt.
In den Teilen Syriens und des Zweistromlandes, die bereits von Volksstämmen arabischer Herkunft und Sprache bewohnt waren, viel auch der Islam auf fruchtbaren Boden. Jedes Kind konnte den in arabischer Sprache vorgetragenen Koran verstehen, und seine Regeln befolgen.
In einem Zeitraum von wenigen Jahren war auf der arabischen Halbinsel ein Großreich entstanden, das den gesamten klassischen semitischen Sprachraum umfasste — einschließlich der dicht bevölkerten Gebiete des Fruchtbaren Halbmonds — und dabei war, sich auf die angrenzenden Völker zu erstrecken.
Die Feldlager der arabischen Armeen — in den großen Städten wie Basra und Kufa im Irak, Fustat (das spätere Kairo) in Ägypten oder als Kernpunkt neuer Siedlungen — entwickelten sich schnell zu Handels- und Wirtschaftszentren des neuen arabischen Reiches, in denen die Heerführer auch politische Funktionen wahrnahmen.
Dies führte bereits unter dem dritten- und vierten Kalifen zu Spannungen zwischen den einzelnen Heerführern, die zum Schluss in einen regelrechten Bürgerkrieg mündeten. Medina, Basra und Damaskus bildeten die Keimzellen eines innerarabischen Machtkampfes, den Mu’awiya aus Damaskus für sich entscheiden konnte. Sein Gegner, der Kalif Ali, wurde in seiner eigenen Stadt Kufa ermordet.
2.2.1: Die Omaijaden (Umaiyaden) — das Kalifat von Damaskus
- letzte gemeinsame arabische Herrschaft -:
Mit dieser Machübernahme begann das “Kalifat von Damaskus”, das nach Medina zur neuen Hauptstadt bestimmt wurde. Dieser Wechsel war insoweit glücklich, als im fruchtbaren Halbmond genug Lebensmittel produziert werden konnten, um nicht nur das Heer, die Regierung und den immer prunkvolleren Hof zu unterhalten. Von hier lies sich das östliche Mittelmeer mit seinem Hinterland viel leichter kontrollieren als von Medina aus Von hier aus war es sehr viel näher zu den “Frontgebieten” im Osten, Norden und Westen, der Nachschub konnte über kurze Wege zu den Einsatzgebieten des Heeres geführt werden, und wichtige Entscheidungen wie auch Truppenverstärkungen waren über die kürzeren Wege leichter zu erhalten (das “imperial overstretching” ist auch heute gefürchtet). Und tatsächlich gelang es, den Schwung des arabischen Vormarsches fort zu setzen und an der Südküste des Mittelmeeres zum Maghreb vorzudringen.
Arabische Streitkräfte errichteten in Kairuan (Tunesien) eine erste wichtige Garnison im Maghreb, von der aus die marokkanische Atlantikküste und bald darauf auch die spanische Halbinsel erreicht und besetzt werden konnten.
Gleichzeitig griff die islamische Eroberung im Osten über die Grenzen des heutigen Iran hinaus und erreichte mit dem Oxus (Amu Darja) den Randbereich der zentralasiatischen Steppe.
Während aber im Westen die sprachverwandten hamitischen Völker nachwirkend arabisiert wurden gelang es nicht, die arabische Sprache im Iran heimisch zu machen. Das kulturell hoch stehende Sasanidenreich hatte der arabischen Dichtung seine eigenen Werke entgegen zu setzen, die bei der breiten, Pahlevi sprechenden Bevölkerung, weiterhin Anklang fanden — und auch die türkischen Stämme, auf die in Zentralasien getroffen wurde, konnten der arabischen Sprache, nicht aber dem in der Wüste entstandenen Islam wiederstehen.
Die Arabischen Herren waren nur eine vom Volk getrennte Besatzungstruppe, deren Herrschaft auf eine gut funktionierende, besoldete Armee und einen eingearbeiteten Steuer- und Beamtenapparat gegründet wurde.
Mit den Umaiyaden begann die Pracht der bekannten Welt in Damaskus Einzug zu halten. Die Beute aus Eroberungskriegen — aber auch Tribut- und Handelswaren fanden den Weg in diese ehemalige “Provinzstadt am Rande des oströmischen Reiches”. Aus den Stammesführern entstand eine städtische Monarchie, die sich zunehmend von den führenden Familien in Mekka und Medina entfremdete.
Die Umaiyaden begannen zudem, die Paläste und Gutshöfe der oströmischen Vorbesitzer in Syrien zu übernehmen — und sich diese übernommene oströmische Kultur anzueignen. Während die Bewässerungsanlagen auf den Feldern weiter gepflegt wurden, entspannte sich der neue arabische Adel in Bädern mit Mosaikfußböden und reich geschmückten Decken, und über die Vermittlung byzantinischer Gelehrter wurde der reiche Wissensschatz der Antike für die arabische Welt zugänglich gemacht.
Zugleich mit der Verstädterung der arabischen Armeen und Feldlager begann der Bau von Häusern für das Gemeinschaftsgebet, den masdschid (Moscheen); der Felsendom in Jerusalem (auch als politisches Zeichen des Triumphes des Islam gedacht) erhielt Geschwister, große Moscheen wurden in Damaskus und Aleppo, in Medina und Kairuan und bald darauf auch in Cordoba, der arabischen Hauptstadt Spaniens errichtet.
Diese Moscheen — in der Gebetsrichtung auf Mekka ausgerichtet, und mit dem Minarett zum Gebetsruf versehen — waren nicht nur “Gotteshäuser”. Die Moscheen entwickelten sich auch zu Zentren der Gelehrsamkeit — den ersten arabischen Universitäten der Welt.
Das Kalifat von Damaskus kann aus heutiger Sicht als die Epoche gelten, in der sich die arabischen Stammeskrieger — nun mit dem Islam — erneut zu einem der kulturell höchst entwickeltsten Völker der damaligen Zeit entwickelten.
Mit dem Aufschwung der Dynastie von Damaskus wurden aber bald auch die Grenzen des Wachstums erreicht.
So fruchtbar der arabische Halbmond im Gebiet um Damaskus ist — der Hof wurde zusehends von den östlich gelegenen Ländern Mesopotamiens abhängig. Das bewässerte Kulturland zwischen Euphrat und Tigris entwickelte sich immer mehr zum Wirtschaftsmotor des Reiches.
Dort aber war der iranisch-sasanidische Kulturbereich von starkem, bodenständigen Einfluss — und ein Zweig der Prophetenfamilie, die Nachkommen seines Onkels Abbas beanspruchte die Nachfolge des Propheten “innerhalb der Familie” anzutreten.
Binnen kurzer Zeit gelang es, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen und den letzten Umaiyaden-Kalifen in mehreren Schlachten (749 — 750) zu schlagen, bis nach Ägypten zu verfolgen und dort zu ermorden.
2.2.2. das einheitliche arabische Reich zerbricht — die Nachfolger der Umaiyaden:
2.2.2.1. Spanisches Omaijaden-Reich — Mittler zwischen Islam und Mittelalter
Damit war die Herrschaft der Umaiyaden allerdings noch nicht beendet. In Spanien — oder Andalus, wie die arabische Provinz des Kalifats nach den Wandalen benannt wurde — in Andalus also bestand seit 710 ein Provinz des Kalifenreiches, dessen Einfluss bis zu den spanisch-französichen Grenzgebirgen reichte.
Nach der Machtergreifung der Abbasiden suchte ein Umaiyade Zuflucht und Unterstützung in Andalus. Dies führte 756 zur Begründung einer neuen omaijaden-Dynastie, die über 300 Jahre an der Macht blieb und schon im 8. und 9. Jahrhundert in engem Kontakt mit dem Frankenreich Chlodwigs und dem Karolingerreich (Karl d. Große) stand — das Emirat von Cordoba.
Wie in Syrien nutzten die Omaijaden — die schon im Hedschas auf der arabischen Halbinsel Stadtbewohner waren — ihre Macht, um die Interessen der Städte und des besiedelten Landes zu födern. Die Städte — zuerst Cordoba und dann Sevilla als weiterer Fürstensitz — wuchsen mit den gestiegenen Ernteerträgen, die aufgrund der erweiterten künstlichen Bewässerung erreicht werden konnten.
Die Omaijaden brachten nicht nur die Kenntnis der Bewässerung aus dem Nahen Osten mit — über den Umweg “vie Andalusien” gelangte die Kenntnis der antiken Schriften wieder in den Westen, arabische Universitäten brachten die arabischen Zahlen, die höchsten Kenntnisse von Algebra und Astronomie direkt an die Grenzen des Abendlandes.
Araber aus Syrien, aber auch Berber aus dem Maghreb besiedelten die spanische Halbinsel, die vorher nicht menschenleer gewesen war. Gemeinsam mit Arabern, Berbern und Christen lebten auch jüdische Handwerker und Händler in einer gemischten Gesellschaft. Zusammengehalten war dieses “gemischte Staatsvolk” durch die religiöse Toleranz der Umaiyaden und die arabische Sprache, die sich zunehmend zur Volkssprache aller Bevölkerungsteile entwickelte. Diese religiöse Toleranz, die gemeinsame Sprache und die über Jahrhunderte andauernde Unabhängigkeit förderte ein ausgesprochen andalusisches Selbstbewusstsein, das bereits 929 zur Annahme des Kalifentitels durch den Umaiyadischen Herrscher führte. Mit der Herrschaft von Abd ar-Rahman III (912–61) erreichte das andalusische Umaiyaden-Reich seinen Höhepunkt. Kurz danach zerfiel das Emirat in rivalisierende Araber- und Berberdynastien, die langsam von Norden aus (Königreiche Leon, Kastillien, Navarra und Aragon) erobert und zurückgedrängt wurden.
Zur Zeit der Staufer konnten sich die islamischen Almohaden und das Königreich Granada nur noch im Süden der iberischen Halbinsel behaupten.
2.2.2.2.: Idrisiden-Dynastie in Marokko:
Auch im “fernen Westen” — im Maghreb — regte sich Widerstand gegen die umaiyadische Herrschaft in Damaskus. Auch hier entbrannte der Streit, welche Familie die Nachfolge des Propheten antreten dürfte.
Diese Gebiete ließen sich von Damaskus aus nur noch schwer kontrollieren. Die arabischen Feldherren und Verwaltungsbeamten verfolgten zunehmend eigene Interessen — und fanden in Idris, einem Urenkel Alis, eine Führungsfigur, die diese Eigeninteressen zu kanalisieren verstand.
Am Ende des 8. Jahrhunderts bildete sich in Marokko das sowohl vom andalusischen Omaijaden- als auch von der zentralen abbasidischen Macht im Irak unabhängige Reich der Idrisiden. Sie erbauten Fes und begründeten eine Dynastie, die bis heute Marokko beherrscht und ihren Machtanspruch mit der Abstammung vom Propheten Mohammed legitimiert.
2.2.2.3.: Die Abbasiden — das Kalifat von Bagdad:
In Kafia wurde dagegen Abul-Abbas (ein Nachkomme des Abbas, nicht von Ali) zum neuen Kalifen ausgerufen — und eine neue Dynastie — die der Abbasiden — hatte die Macht ergriffen und machte den Irak anstelle von Syrien zum politischen Zentrum der arabischen Welt, dem sich lediglich der ferne Westen — das omaijadische Kalifat Andalus und Marokko — widersetzten.
Bagdad — an einem strategisch idealen Platz gelegen, an der “Wespentaille zwischen Euphrat und Tigris, die sich im Süden in unpassierbaren Sümpfen verloren, und über ein dichtes Kanalsystem mit einem reichen Ackerbaugebiet umgeben — wurde zur neuen Hauptstadt.
Von hier führten Handelsstraßen nach Westen und Osten, und auf diesen Handelsstraßen konnten auch Streitkräfte schnell verlegt werden, wobei Bagdad geographisch die Mitte des Reiches bildete, dessen Grenzen im Osten wie im Westen nahezu gleichweit entfernt waren.
In der neuen Hauptstadt Bagdad entwickelte sich ein Regierungsstil, der in vielen Dingen als Vorläufer des viel später auftretenden Absolutismus zu Beginn unserer Neuzeit gewertet werden kann.
Die Kalifen ließen sich riesige, prunkvolle Paläste errichten, unterwarfen Besucher und Gäste einem einschüchternden und aufwändigem Hofzeremoniell, und herrschten durch eine Beamtenhierarchie, die wieder von einem ausgeklügeltes System von Spionen überwacht und kontrolliert wurden. Unter den Abbasiden wurde die Macht der islamischen Adelsfamilien — deren Widerstand das Umaiyaden-Kalifat hinweggefegt hatte — gebrochen und durch ein stabileres System einer aus dem Sasaniden-Reich übernommenen Elite von hohen Beamten ersetzt, die dem Herrscher persönlich (und nicht irgendwelchen widerstreitenden Stammes- und Familientraditionen) verpflichtet waren.
Die Kalifen waren nicht mehr die Führer, die mit im Feldlager der Armee zur Eroberung zogen; die Armee war eine Truppe von Berufssoldaten, deren Besoldung durch ein ausgeklügeltes Steuersystem (beruhend auf einer Besteuerung der landwirtschaftlichen Erträge und einer Kopfsteuer für Nichtmuslime, die nach dem Vermögen der besteuerten geschätzt wurde) gesichert war. Daneben wurde der Warenhandel und das städtische Handwerk mit verschiedenen Abgaben belegt.
Die Soldaten wurden immer wieder verschiedenen Garnisonen zugeteilt — um die Bildung von Widerstandszirkeln und die Verbindung von beherrschtem Bürgertum und herrschender Truppe zu verhindern. Dies schwächte allerdings die Kampfkraft der Truppe, bis zu Beginn des neunten Jahrhunderts durch den Kauf von Sklaven und die Rekrutierung von türkischen Nomaden eine neue Soldatenklasse entstand. Diese “Fremdenlegionäre” hatten keine Verbindungen zu der (mit ihrer Hilfe zu beherrschenden) städtischen Gesellschaft, sie standen — wie die Beamtenhierarchie — in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Kalifen.
Diese “Entfremdung” von der eigenen, arabischen Bevölkerung führte zur engeren Verbindung mit den türkischen Offizieren, vor allem als im Sumpfland des Südens Aufstände schwarzer Sklaven ausbrachen, die das Kernland des Irak bedrohten.
Die türkischen Militärführer erhielten so immer mehr Einfluss auf die Regierung des Kalifen, während sich zugleich die Statthalter in den entfernten Provinzen immer mehr der Abhängigkeit entzogen und immer unabhängiger zu herrschen begannen.
Je weiter sich der Kalif vom Volk entfernte, und je mächtiger er wurde, desto wichtiger war es für die Kalifen, sich mit quasi religiöser Begründung zu legitimieren.
Die Abbasiden bemühten sich systematisch, den Islam zur Begründung für die eigenen Herrschaft zu bemühen. Schon die Herkunft der Kalifen als Mitglied der Prophetenfamilie war auf diese religiöse Legitimation ausgerichtet gewesen.
Nun spielten religiöse Würdenträger, die das Amt der Richter und Schlichter bekleideten, eine immer mehr wachsende Rolle. Der Kalif wurde vom politischen Nachfolger Mohammeds zunehmend auch von einer religiösen Rolle vereinnahmt. Der Inhaber des Kalifen-Amtes wurde als religiöser Nachfolger des Propheten verstanden, der durch Geschichten und Märchen (1001 Nacht) immer mehr dem Volk entrückt und religiös verklärt wurde.
Selbst auf dem Höhepunkt der Macht war die Herrschaft der Abbasidischen Kalifen begrenzt. Sie erstreckte sich auf die Städte, die fruchtbaren Gebiete im Umfeld der Städte und die Feldlager und Stützpunkte der Armee in den eroberten Gebieten.
Ferne Berg- und Steppenregionen standen praktisch nur nominell unter der Herrschaft Bagdads. Zugleich entwickelten die Statthalter in den entfernten Provinzen immer mehr eigene Autorität und Macht, die bis zur erblichen Statthalterschaft führten. Auf diese Weise entwickelten sich lokale Dynastien wie der Salfaniden im Osten, der Taluniden in Ägybten und der Aghlabiden in Tunesien.
Diese Stärkung der Provinzregierungen führte dazu, dass immer weniger Abgaben nach Bagdad gelangten. Um ihre Stellung in der Zentralprovinz zu halten, mussten sich die Kalifen zunehmend auf ein Söldnerheer und ihren religiösen Nimbus stützen.
Türkische Seldschuken übernehmen die Macht:
Dies führte dazu, dass die Seldschuken oder Buyiden — eine türkische Söldnerdynastie vom Rande des kaspischen Meeres — im Jahre 945 die Macht an sich reißen konnten. Fortan war für mehrere Jahrhunderte die militärisch-politische Macht getrennt.
Die Abbasiden, denen das Kalifat über weitere 300 Jahre nicht streitig gemacht wurde, waren nur noch religiöse Führer ohne jede tatsächliche politische Macht. Das Kalifat war nur mehr ein Schatten aus der Vergangenheit.
Das Kalifat als religiöses Staatsamt und eine immer mehr an Einfluss gewinnende türkische Militärelite — hier finden sich die Wurzeln dafür, dass die Kalifenwürde 1517 dem Sultan der Osmanen in Istanbul übertragen wurde.