D) Geschichtliche Spotlights:
Eigentlich dürfte uns christlichen Europäern die Geschichte Arabiens nicht fremd sein. Schon die Bibel — die Urquelle auch des christlichen Abendlandes — berichtet von den Hamiten und Semiten (den Nachfolgern von Sem und Ham) — die als Urväter biblischer Völker in das Alte Testament eingegangen sind, und das alte Testament erweist sich bei näherem Hinsehen als Geschicht(s/en)-buch das Juden, Christen und Araber über die Jahrtausende hinweg als einigendes, gemeinsames “Grundwerk” verbindet.
Und dennoch sind uns die Araber fremd — Islamischer Fundamentalismus, Selbstmordanschläge, verschleierte Frauen — all das ist den westlich geprägten Nordamerikanern, den West- und Mitteleuropäern fremd. Es wirkt ungewohnt, fremdartig, befremdlich und suspekt.
1. Blütephase
Ägypten, Babylon, die Phönizier, Salomon und die Königin von Sabah
Das pharaonische Großreich Ägyptens war ein Vorsemitisches (Hamitisches) Reich:
Hamiten — die heute noch mit den Berbern in Marokko, den Tuareg der Zentralsahara oder den Numidern in kleinen Restvölkern Nordafrika von Marokko bis Libyen, Eritrea und Somalia besiedeln — waren die Begründer der antiken ägyptischen Kultur. Älteste Dokumente der Berbersprache finden sich in altlibyschen (= numidischen) Inschriften aus dem Jahre 139 v.Ch..
Auch heute noch besteht die überwiegend sehr stark gemischte, islamische Bevölkerung Ägyptens (es gibt eine Minderheit koptischer Christen) vor allem aus arabisierte Hamiten und arabische Beduinen, daneben Berber, Türken, Nubier und Schwarzafrikaner, ferner Gruppen von Griechen sowie Italiener, Zyprer und Malteser.
Die Kopten — eine christliche Urkirche — erhielten die altägybtische Sprache, die sich in der römisch-babylonischen Antike mit griechischen Wörtern angereichert hatte, bis heute als “Liturgiesprache”.
Babylon und Assyrien — Semitische Reiche als Keimzellen der europäischen Kultur
In den frühgeschichtlichen Königtümern und Stadtstaaten des Zweistromlandes im heutigen Irak begegnen uns schon eher die Vorfahren der heutigen Araber.
Im Zweistromland — dem heutigen Irak — beherrschen also sehr früh die Semiten das Feld. Nachdem die summerischen Urreiche von Ur zerfielen — bereits damals bestand ein reger Kulturaustausch mit dem Industal und zentralasiatischen Völkern, der wohl von Völkern getragen wurden, die den heutigen Südindern verwandt waren — lassen sich (dank der Erfindung der Keilschrift) erste sprachliche Zeugnisse finden, die zu belegen scheinen, dass Semiten die Bevölkerung der antiken Reiche Mesopotamiens bildeten, während (wie heute auch) das östlich und nördlich anschließende Gebirgsland von indoarischen Stämmen beherrscht wurden — von den Hethitern Anatoliens über die Vorfahren von Armeniern und Kurden bis zu den Persern, die als Vorfahren der Iraner angesehen werden dürfen.
Nach und neben den Sumerern — deren Kultur verblüffende Verbindungen zum Industal (Drawida) und bis nach Zentralasien (vergleich “Eurasien”) aufweist — bilden die ostsemitischen Akkader eine kulturelle, nicht politische, Einheit. Diese aus dem Norden eindringenden Akkader besiegten unter SARGON die Sumerer, aber die sumerische Sprache, Literatur und Kultur blieb erhalten. Beide Sprachen existierten nebeneinander, wobei sich das Akkadische, mit semitischem Einschlag, als Rechtssprache durchsetzte. Die Akkader aber werden als Nachfahren des Sem (Sohnes von Noah), und damit als Verwandte der Semiten bezeichnet — deren heutige Weltsprache das Arabische — eine zentralsemitischs Sprache — ist. Die Sprache der Akkader entwickellte sich in das Babylonische und Assyrische weiter, das wir aus unseren Schulbüchern — sowohl als klassische antike Kulturstaaten wie auch aus dem Religionsunterricht (“Altes Testament”) kennen.
HAMMURABI (um 1950 v.Chr.) vereinigte ganz Babylonien, das ursprünglich aus einer großen Anzahl von Stadtstaaten (wie Akkad) bestanden hatte, unter seinem Szepter. Aus dieser Zeit sind die ältesten Schriftdenkmäler erhalten — und die in Babylon aufeinander prallenden indogermanischen Völker aus dem Norden und Osten, die semitischen Völker des Zweistromlandes, Reste der Sumerischen Vorbevölkerung und Händler, Boten und Gesandte aus dem hamitischen Altägypten mögen zu unserer Alttestamentarischen Geschichte von der “babylonischen Sprachverwirrung” beigetragen haben. Babylonisch — das war aber auch die Sprache der Diplomaten, die “Inter-Lingua” der frühantiken Welt, in der die internationale Korrespondenz abgewickelt wurde — von Mesopotamien (heute Irak) über Zypern und das Hethiterreich Anatloiens bis zu den Städten der Ägäis (Troja) — und auch bis nach Ägypten, wo in der Palastbibliothek von Ramses II. (1290 — 1224 v. Christus) Tonbriefe in babylonischer Keilschrift gefunden wurden.
Neben den Babyloniern ist uns auch ein weiteres semitisches “Urvolk” aus der Geschichte bekannt: Um 1480 v.Chr. treten die Assyrier in Beziehungen zu den Babyloniern. Die ost semitischen Assyrier haben ihren Namen nach der ältesten Hauptstadt Assur, heute der Ruinenstätte Kileh Schergath am rechten Tigrisufer, etwa 13 Meilen südlich von Mossul. Ninive wird nun Hauptstadt des assyrischen Reiches. SANHERIB ( 705 — 681 v.Chr.) erweitert und verschönert Ninive. ASSURBANIPAL (669 — 625 v.Chr.) erbaute neue Paläste in Ninive und erobert 647 v.Chr. Babylon.
Die Akkadisch- Babylonisch Assyrische Kultur, aus der auch ABRAHAM als Urvater der Juden und — mit dem Alten Testament — Urvater des christlichen Gedankengutes hervorging, kann also mit Fug und Recht zugleich als die erste semitisch-arabische Kultur bezeichnet werden.
Mit Abraham führt uns der Weg über den “fruchtbaren Halbmond” — also das heutige Syrien zu einem weiteren semitischen Volk. Die Phönizier aus dem heutigen Libanon beherrschten mit ihren (aus libanesischen Zedern gebauten) Schiffen die südlichen Küsten des Mittelmeeres. Phönizische Handelsstützpunkte sind uns nicht nur bis Karthago bekannt (das als phönizisches Kolonialreich schon bald in einem ähnlichen Verhältnis zu seinem Mutterland stand wie wir das heute bei den Vereinigten Staaten von Amerika zu Europa finden); phönizische Händler sollen sogar bis weit über die Säulen des Herkules (Gibraltar) hinaus in den Atlantik vorgedrungen sein und nicht nur die fernen Zinn-Inseln (Britannien) sondern sogar atlantische Inselgruppen wie die kanarischen Inseln angelaufen haben. Manche Autoren vermuten sogar einen ersten Handelskontakt zwischen Amerika und der “Alten Welt”, der von phönizisch-karthagischen Händlern hergestellt worden sei.
Es gibt sogar begründbare Vermutungen, phönizischen Seeleuten sei — im Auftrag des Pharaos — die Umseglung Afrikas gelungen, eine Leistung, die danach erst wieder kurz vor dem Jahre 1500 n. Chr. portugiesischen Seefahrern gelang.
Mit den Phöniziern führt uns der Weg zurück zum heutigen Israel. SALOMON — einer der glänzendsten Könige der altjüdischen Geschichte — soll mit phönizischen Schiffen Handelskontakte bis “Tarsos und Ophir” geknüpft haben, um Baumaterialien für den Tempelbau in Jerusalem zu erhalten.
Tarsos — das dürfen wir inzwischen annehmen — kann im Mündungsdelta des Guadalquivier in Südostspanien vermutet werden. Ophir aber wird irgendwo am indischen Ozean gesucht, bis hin zu den Ruinen von Simbabwe im Süden Afrikas.
Allerdings wird im Alten Testament auch die KÖNIGIN VON SABA benannt, und Saba (bzw. “Sheba”) ist sicher am südlichen Ende des Roten Meeres anzusiedeln.
Der berühmte, legendäre Besuch der Königin von Saba am Hofe Salomos (1Kön 10) ist allerdings nur von geringerer historischer Glaubwürdigkeit. Die Königin von Saba, in Mt 12,42 und Lk 11,31 einfach “Königin des Südens” genannt, wird den Schriftgelehrten und Pharisäern Israels als eine Person vorgehalten, die solch großes Interesses an der in Israel zu findenden Weisheit und Wahrheit hat, dass sie dafür keinen Weg und keine Mühe scheut — und als Beleg für diese Aussage wird “die weiteste Strecke” genannt, die den israelitischen Geschichtsschreibern bekannt war.
Josephus erwähnt die Königin an einer Stelle. Er nennt sie “Königin von Ägypten und Äthiopien”, und verweist mit der Lokalisation von “Saba” damit auf den Oberlauf des Blauen Nil. Auch die äthiopische Nationalsage Kebra Nagast beansprucht die Königin für sich und erzählt, die Königin habe als Folge ihres Besuchs in Jerusalem Israels Religion übernommen und einen von Salomo gezeugten Sohn zur Welt gebracht, der später nach Jerusalem gereist sei und die Bundeslade nach Äthiopien gebracht habe. Die äthiopisch-orthodoxe Kirche hat diese Überlieferung bis heute lebendig erhalten.
Wenn auch die Übernahme der Religion Israels durch die “Königin von Saba” legendär ist — eine Sache ist doch verblüffend. Noch bis in die letzten Jahre des 20. Jahrhunderts lebten Juden in Äthiopien rund um den Tana-See, die mit den Oparationen “Moses” und “Salomon” (1991) nach Israel geholt wurden. Die äthiopischen Juden (auch Olim/Falascha/Beita Jisrael) sind eine vom israelischen Oberrabbinat als zwangschristianisierte Afrikaner ürsprünglich jüdischen Glaubens definierte Gruppe. In den 1980ern wurden sie endgültig als Juden anerkannt. Ihre Sprache, das Quara, gehört zu den kuschitischen Hamiten-Sprachen. Ihre Bibel ist ebenfalls nicht in hebräischer Sprache verfasst, sondern in ihrer hamitischen Sprache.
Externer Link:
Die Einwanderung der aethiopischen Juden Unternehmen “Moses” Unternehmen “Salomon” (1991) — (www.jafi.org.il)
Biblische Exegeten lokalisieren Saba gemeinhin im Südwesten der arabischen Halbinsel — im heutigen Jemen — und gehen davon aus, dass von dort ein lebhafter Handel mit Ostafrika unterhalten wurde. Diese wichtige Station an der “Weihrauchstraße” verband den Süden der arabischen Halbinsel — den heutigen Oman — mit Äthiopien, Agybten und dem Vorderen Orient.
Nachdem im 1. Jahrtausend v. Chr. bis zur Zeitwende Bewohner aus Südarabien (Jemen) nach Äthiopien zogen hat es durchaus auch Logik, die “Königin von Saba” als Herrscherin eines Reiches zu sehen, das beiderseits des Roten Meeres Gebiete des heutigen Jemens, aber auch Eritreas und Äthiopiens umfasste.
Externe Links:
Frauen in der islamischen Geschichte — (www.geocities.com)
Die urarabischen Stadtstaaten der arabischen Halbinsel und die nomadisierenden arabischen Handels- und Hirtenstämme sind nie von fremden Völkern erobert und kolonisiert worden. Selbst die Römer, deren Legionäre ein ganzes Weltreich schufen, mussten sich in den Wüsten am Roten Meer geschlagen geben — und auch den Türken und Briten, den späteren Kolonialherren von Aden — gelang nie mehr als eine marginale Oberhoheit, die das eigenständige Leben der nomadisierenden arabischen Clans sowie der Händler und Handwerker in den Städten nicht ändern konnte.