Norwegische Marine — Von bärtigen Nordmännern zur Aegis-Fregatte

Fre­gat­ten­bau in Spanien
Bei der Erneuerung der Fre­gat­tenkom­po­nente sieht eine erste Pla­nung zunächst sechs Schiffe in ein­er Größenord­nung von 2.000 bis 3.000 ts vor. Vor dem Hin­ter­grund zunehmender Beteili­gung an heimat­fer­nen Oper­a­tio­nen (UN-Ein­sätze) entschei­det man sich schließlich aber für den Bau deut­lich größer­er Schiffe. Entschei­den­der Fak­tor für die Auf­tragsver­gabe wer­den die Kosten. Nur die spanis­che Navan­tia (damals noch Bazan) mag die Ein­hal­tung des vorgegebe­nen Finanzrah­mens zusich­ern. Die anderen Bewer­ber – darunter auch eine nor­wegis­che Werft – hal­ten sich bedeckt.

Nach län­gerem Tauziehen erhal­ten denn auch die Spanier Anfang 2000 den Zuschlag. Für etwa 1,6 Mrd. Euro soll Navan­tia bis 2009 fünf etwas mehr als 5.000 ts große Fre­gat­ten der FRITJOF NANSEN-Klasse (die Schiffe erhal­ten die Namen bedeu­ten­der nor­wegis­ch­er Forsch­er) bauen, wobei nor­wegis­che Unternehmen in größerem Umfang am Vorhaben beteiligt sein sollen. So soll die Mjellem & Karlsen für die ersten drei Schiffe Bug- und Heck­seg­mente nach Spanien liefern, wo diese Fre­gat­ten fer­tiggestellt wer­den und anschließend auch ihre Erprobun­gen durch­führen sollen. Die let­zten bei­den Ein­heit­en sollen dann mit von Navan­tia geliefer­ten Mod­ulen in Bergen gefer­tigt und erprobt werden.

Im Design ähneln die neuen Fre­gat­ten den von der spanis­chen Marine beschafften Fre­gat­ten F‑100 ALVARO DE BAZAN. Obwohl eigentlich als Geleit­fre­gat­ten und U‑Jagdschiffe konzip­iert, erhal­ten die Neubaut­en auch beträchtliche Fähigkeit­en zur Bekämp­fung von See- und Luftzie­len. So rüstet die amerikanis­che Lock­heed-Mar­tin die Schiffe mit dem für die Luftvertei­di­gung opti­mierten US-Gefechts­führungssys­tem Aegis samt dem dazu gehören­den Radarg­erät AN/SPY-1F aus. Als Bewaffnung sind derzeit von der nor­wegis­chen Kongs­berg entwick­elte mod­erne Seeziel- FK (New Anti­ship Mis­sile) sowie amerikanis­che Flu­gab­wehr-FK ESSM Evolved Sea Spar­row vorge­se­hen. Bei der Beschaf­fung von Bor­d­hub­schraubern sucht man eine gemein­schaftliche Lösung mit den skan­di­navis­chen Nachbarn. 

Marineforum - Fregatte ROALD AMUNDSEN  (Foto:FlottenKdo)

Im April 2003 begin­nt im spanis­chen El Fer­rol der Bau der FRITJOF NANSEN. Schon im Juni 2006 feiert Oslo das Ein­laufen des neuesten Schiffes der RNoN mit einem Volks­fest. Ein Jahr später wird die ROALD AMUNDSEN in Dienst gestellt. Inzwis­chen sind die Kosten des Vorhabens trotz aller früheren Zusagen doch auf mehr als 2 Mrd. Euro gestiegen. Um weit­ere Kosten­steigerun­gen zu ver­mei­den, wird entsch­ieden, nun doch alle fünf Schiffe in Spanien fer­tig zu stellen. Ein sich daraus entwick­el­nder Stre­it zwis­chen der RNoN und Navan­tia über Qual­ität­skon­trollen für von nor­wegis­chen Fir­men zuzuliefer­nde Bau­mod­ule und Finanzierungs­fra­gen verzögert das Pro­gramm. Eigentlich soll auch die OTTO SVERDRUP schon in 2007 in Dienst gestellt wer­den. Derzeit ist die nor­wegis­che Marine zuver­sichtlich, spätestens 2010/2011 alle fünf Schiffe oper­a­tiv ein­set­zen zu können.

In einem weit­eren – möglichen – Beschaf­fungsvorhaben über­legt die RNoN, in den näch­sten Jahren den Erwerb von zwei größeren Ver­sorgungss­chif­f­en. Mit HORTEN und VALKYRIEN hat man zwar zwei Boot­s­ten­der im Bestand, aber man ver­fügt über keine organ­is­che Ver­sorgungskom­po­nente, die fernab der Heimat­gewäss­er einge­set­zte Fre­gat­ten in ihren Oper­a­tio­nen autark machen kön­nte. NATO-Ein­satzver­bän­den zugeteilte Schiffe stützen sich bish­er immer auf die im Ver­band ver­füg­bare Nachver­sorgung ab. Unter zunehmenden Krisenein­sätzen wächst nun offen­bar das Bewusst­sein ein­er Fähigkeit­slücke. Größere Ver­sorgungss­chiffe kön­nten nicht nur diese Lücke schließen, son­dern bei entsprechen­dem Design zugle­ich auch Auf­gaben zur human­itären Hil­feleis­tung nach Naturkatas­tro­phen und im strate­gis­chen See­trans­port wahrnehmen. Ob und wann die derzeit­i­gen Über­legun­gen in ein reales Vorhaben mün­den, bleibt angesichts der damit ver­bun­de­nen Kosten allerd­ings abzuwarten.

Zwis­chen 2004 und 2006 wird die Marinestruk­tur im Rah­men von Pro­jekt Nep­tun noch ein­mal angepasst. Zen­trales Ele­ment der Flotte wird jet­zt der Stan­dard- Ein­satzver­band Nor­we­gian Task Group (NoTG), mit dem man vor allem auch den beson­deren Aspek­ten »asym­metrisch­er Kriegführung« (Krieg gegen den Ter­ror) gerecht wer­den will. Übun­gen der let­zten Jahre zeigen, dass bei Bedarf auch die Küstenwache in diese NoTG inte­gri­ert ist (z.B. mit Küstenwach­schif­f­en als Führungsplat­tform für den eingeschifften Stab der NoTG).

Über­haupt beschränken sich die Mod­ernisierungs­be­mühun­gen der RNoN nicht auf die Flotte, son­dern beziehen ger­ade auch die Küstenwache ein. Hier sind mehrere Neubaupro­gramme ange­laufen, die schon ein­er »Run­derneuerung« gle­ichkom­men. Anfang 2005 bil­ligt das Vertei­di­gungsmin­is­teri­um Pläne zur Beschaf­fung von fünf neuen 700 ts Küstenwach­booten vom Typ ST-610 (NORNEN- Klasse). Die Neubaut­en sollen mehrere ältere Ein­heit­en im küsten­na­hen Dienst zwis­chen den Inseln und in den Fjor­den erset­zen und mit verbessert­er Seefähigkeit zugle­ich auch deut­lich erweit­erte Ein­sat­zop­tio­nen bieten. Par­al­lel dazu wer­den zur Überwachung der Wirtschaft­szo­nen – und sich­er auch zur bedarf­sweisen Ergänzung der NoTG – drei größere (93‑m) Schiffe der BAR­ENTSHAV-Klasse beschafft, die bis 2009 geliefert sein sollen.

Abschließend noch einige Worte zu ein­er weit­eren Kom­po­nente, die nicht überse­hen wer­den darf: die Heimwehr. Darunter darf keines­falls eine Art von pas­siv­er Ersatzre­serve für die aktive Truppe ver­standen wer­den. Wie auch in anderen skan­di­navis­chen Län­dern nimmt sie tra­di­tionell eine aktive Rolle im Heimatschutz ein, stellt Spezial­is­ten für alle Bere­iche der Stre­itkräfte ab. Die nor­wegis­che Heimwehr umfasst derzeit rund 50.000 Ange­hörige, die in Heeres‑, Luft­waf­fen- und Marine­heimwehr organ­isiert sind. Die »Sjoe­heimev­er­net« ver­fügt immer­hin über rund 200 Boote zur Überwachung der Fjorde und der Seege­bi­ete zwis­chen den der Küste vorge­lagerten Inseln und leis­tet damit einen ganz wesentlichen Beitrag für die Küstenvorfeldüberwachung. 

Team GlobDef

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