Und immer wieder das Geld
Wer allerdings glaubt, dass mit den grundlegenden Entscheidungen zu Anfang der 90er Jahre die weitere Entwicklung der Marine wirklich verbindlich festgeschrieben wird, sieht sich schnell getäuscht. In »regelmäßigen Schüben« gibt es in folgenden Jahren – ja eigentlich bis heute – immer wieder Ansätze, die Verteidigungsausgaben weiter zu reduzieren. Am beschlossenen Basisauftrag der Marine (Bündnisbeitrag, internationale Krisenbewältigung, Küstenverteidigung und Sicherung der Wirtschaftszonen) wird zwar fest gehalten. Aber die Diskussion, mit welchen Mitteln und in welcher Struktur man diese Aufgaben nun im Detail erfüllen will, entbrennt jedes Mal aufs Neue, und regelmäßig werden dabei auch »fest geplante«, ja bereits angelaufene Vorhaben der Marine zur Disposition gestellt.
Relativ einig ist man sich darin, dass für eine organische Minenlegefähigkeit kein Bedarf besteht. 2003 wird der Minenleger VALE an die lettische Marine abgegeben; Schwesterschiff VIDAR geht im April 2006 an die litauische Marine. Im Bestand bleibt vorerst nur noch die kleinere TYR (Baujahr 1981), die allerdings nicht mehr als Minenleger genutzt wird. Sie soll wohl bis zum Zulauf eines neuen Versorgers als Unterstützungsschiff für neue Fregatten in Dienst gehalten werden. Ausgemustert werden auch die 30 Jahre alten Landungsfahrzeuge (in Zweitrolle Minenleger) der REINOEYSUND-Klasse.
Eines der ersten Ziele politischer Forderungen zur weiteren Einsparung von Haushaltsmitteln wird die U‑Boot-Komponente. Anfang der 90er Jahre steht diese noch in keiner Weise zur Disposition. Man plant, gemeinsam mit Schweden und Dänemark neue U‑Boote zu entwickeln und zu beschaffen. Bis spätestens Ende 1997 will man sich über das endgültige Design einigen und dann kurz nach der Jahrtausendwende mit dem Bau beginnen. 1998 sieht Marinebefehlshaber KAdm Hans Kristian Svensholt die Finanzierung »problematisch«.
2002 wird Projekt Viking unter Haushaltsgesichtspunkten (Verdrängungseffekt für andere, teure Beschaffungsvorhaben) ad acta gelegt und mit Polen die Überlassung der noch im Bestand befindlichen U‑Boote der KOBBEN-Klasse vereinbart. Ganz auf U‑Boote verzichten will man allerdings noch nicht. Eine umfassende Modernisierung soll die verbliebenen sechs U‑Boote der ULA-Klasse bis etwa 2020 in Dienst halten und ermöglichen, sie vermehrt in internationale Einsätze (z. B. im Mittelmeer) einzubringen. In einigen Jahren will man dann entscheiden, ob es für die Anfang der 90er Jahre gebauten Boote Nachfolger gibt oder mit ihrem »Auslaufen« die U‑Boot- Komponente dann gänzlich aufgegeben wird.
Kampfkern der Flotte 2010 sollen bis zu sechs neue Geleitfregatten als Ersatz für die veraltenden Schiffe der OSLO-Klasse, zehn modernisierte FK-Schnellboote der HAUK-Klasse sowie sechs bis acht neue FK-Schnellboote werden. Erste Ausschreibungen erfolgen 1994. Priorität erhalten zunächst die Schnellboote.
Wie die Minenabwehrfahrzeuge der ALTA/OKSOEY-Klasse sollen sie als »Surface Effect Fahrzeuge« konstruiert werden. Die Kvaerner- Werft in Mandal erhält den Auftrag, der Marine Mitte 1998 einen ersten Prototypen dieser neuen SKJÖLD-Klasse zu 15-monatigen, intensiven Erprobungen zu liefern. Mit ausgeprägten Stealth-Eigenschaften soll das futuristische Fahrzeug Geschwindigkeiten von mehr als 50 kn erreichen. Als Bewaffnung werden acht Seeziel-FK und ein leichtes Flugabwehr-FK-System genannt. Die Werft erhält auch bereits eine Option auf den Bau weiterer (noch einmal fünf bis sieben) von der RNoN gewünschter Einheiten.
Wie geplant baut Kvaerner die SKJÖLD und übergibt sie der Marine zur Erprobung. Der Stealth-Katamaran erfüllt auch sämtliche Erwartungen, aber der erwartete Auftrag zur Serienfertigung bleibt zunächst aus. Das Geld fehlt. Während die SKJÖLD für ein Jahr an die US-Navy ausgeliehen wird, wo man das futuristische Design (mit sehr positiven Ergebnissen) als Einsatzmittel für Special Forces erprobt, beginnt in Norwegen eine bis heute andauernde Diskussion über einen völligen Verzicht auf die Schnellbootkomponente – und die Umschichtung der für ihre Erneuerung benötigten Gelder in andere Rüstungsprojekte. In der Erfüllung von heimatfernen Aufgaben spielen Schnellboote nur eine nachgeordnete Rolle. Um die Verteidigung der eigenen Küsten zu optimieren, wird beschlossen, alle ortsfesten Einheiten der Küstenartillerie aufzulösen. Aus den mobilen Küsten-FK-Batterien mit ihren Hellfire Flugkörpern und (inzwischen insgesamt 20) schnellen Kleinbooten STRIDSBOOT-90H entstehen die Küstenjäger, und die neue Truppe wird schnell zum Argument, dass die Schnellboote in ihrer primären Küstenverteidigungsaufgabe nun überflüssig seien.
Zwar billigt in 2003 das Kabinett schließlich doch die Beschaffung von fünf weiteren Einheiten der SKJÖLD-Klasse, und mit der STORM ist das erste Serienboot inzwischen auch einsatzklar (die anderen vier Boote sollen bis 2009 folgen). Dennoch findet sich der Verzicht auf die Schnellbootkomponente regelmäßig auf der Tagesordnung, wenn es darum geht, die Zukunft der Streitkräfte zu diskutieren. Erst Ende 2007 erkennt der Generalstabschef hier wieder einmal Einsparungspotenzial zugunsten anderer Vorhaben. Auch wenn bislang alle Vorstöße am Widerstand der Opposition im Parlament scheitern: Niemand mag ausschließen, dass für die brandneuen Boote nicht schon bald ein Käufer gesucht wird.