Norwegische Marine — Von bärtigen Nordmännern zur Aegis-Fregatte

Flot­ten­plan 60
Marineforum - S-Boot der TJELD-Klasse  (Foto: RNoN) Die Notwendigkeit ein­er Grun­derneuerung der nach dem Krieg mehr oder min­der »zusam­mengestück­el­ten « Flotte gibt Gele­gen­heit, ihre Konzep­tion und die daraus resul­tierende kün­ftige Struk­tur aus­giebig zu disku­tieren. Soll man eine vor­wiegend auf die Vertei­di­gung der eige­nen Gewäss­er aus­gerichtete Küsten­flotte behal­ten oder mit ein­er Hochseeflotte Fähigkeit­en zu außer­heimis­chen Oper­a­tio­nen schaf­fen? Man entschei­det sich für die Küsten­flotte. Auss­chlaggebend dürfte vor allem sein, dass die RNoN in den Fjor­den und Schärengewässern der nor­wegis­chen Küste ihr ure­igenes Oper­a­tions­ge­bi­et hat. Die größeren Kampf­schiffe und U‑Boote der Alli­ierten sind hier nicht ein­set­zbar. Selb­st kleinere Boote der anderen NATO-Mari­nen stoßen hier nav­i­ga­torisch an ihre Gren­zen – auch heute noch schließt bei Übun­gen so manche Ein­heit unlieb­same Bekan­ntschaft mit Unterwasserfelsen.

Unter dem Flot­ten­plan 60 wer­den in den 60er Jahren mehr als 50 neue Schiffe und Boote beschafft. Erneut ermöglicht großzügige US-Hil­fe (50:50) die Finanzierung zahlre­ich­er Vorhaben.

In Deutsch­land baut die Rhe­in­stahl-Nord­seew­erke (Emden) zehn U‑Boote vom Typ 207 (KOBBEN-Klasse). Die kleinen, getaucht weniger als 500 ts ver­drän­gen­den Boote sind ide­al den oper­a­tiv­en Bedin­gun­gen der nor­wegis­chen Küste angepasst. Sie sind aber die einzi­gen Ein­heit­en des Flot­ten­planes 60, die im Aus­land beschafft wer­den. Alle anderen Schiffe und Boote entste­hen auf heimis­chen Werften, die damit nicht nur eine gewisse Stan­dar­d­isierung sich­ern, son­dern auch ihre Kapaz­itäten im Kriegss­chiff­bau wet­tbe­werb­s­fähig und zukun­fts­fähig machen. 

In Bergen und Man­dal wer­den 20 Schnell­boote der STORM-Klasse gebaut und in Man­dal entste­hen 22 kleine Tor­pe­doschnell­boote der TJELD-Klasse. Beschafft wer­den auch zwei amphibis­che 500 ts Boote KVALSUND, die der Küste­nar­tillerie schnelle Schw­er­punk­twech­sel über die Fjorde ermöglichen, zum anderen aber auch expliz­it vor­bere­it­et sind, Fjordz­u­fahrten und mögliche Ziele sow­jetis­ch­er amphibis­ch­er Lan­dun­gen bei Bedarf kurzfristig zu ver­minen. Über­haupt wird mit ein­er Umstruk­turierung der Auf­trag der Küste­nar­tillerie nun noch ein­mal präzisiert. Die »dritte Säule« der Marine bildet nach Flotte und Minen­feldern den inneren Vertei­di­gungsring gegen Invasionen.

In Hort­en (südlich Oslo) entste­hen auf der Basis eines US-Designs (DEALEY-Klasse) fünf U‑Jagdfregatten der OSLO-Klasse. Mit 1.990 ts sind sie größte Kampf­schiffe der RNoN, kön­nen auf sich allein gestellt jedoch keine länger andauern­den Oper­a­tio­nen in außer­heimis­chen Gewässern durch­führen. Sie bilden von Beginn an den nor­wegis­chen Beitrag zur Stand­ing Naval Force Atlantic (SNFL) der NATO.

Marineforum - Fregatte NARVIK der OSLO-Klasse (Foto: FlottenKdo)

1967 wird in Bergen die Flot­ten­ba­sis Haakonsvern eingewei­ht. Hier find­et die RNoN seit­dem ihren zen­tralen Stützpunkt, in dem die wichtig­sten Ein­heit­en, Aus­bil­dungsstät­ten und Reparaturka­paz­itäten konzen­tri­ert sind.

Anfang der 70er Jahre entwick­elt der nor­wegis­che Rüs­tungskonz­ern Kongs­berg Seeziel-FK Pen­guin. Mit Infrarot­suchkopf sind die auch im Nah­bere­ich ein­set­zbaren Flugkör­p­er opti­miert für Ein­sätze in engen Fjor­den, wo ein bish­er bei Seeziel-FK gebräuch­lich­er Radar­suchkopf wegen der Vielzahl der Echos schnell seine Gren­zen find­et. Pen­guin wird Stan­dard­be­waf­fung der nor­wegis­chen Schnell­boote, aber auch auf den Fre­gat­ten wird der Flugkör­p­er schließlich installiert. 

Marineforum - Minenleger VIDAR (Foto: Michael Nitz) In den kom­menden Jahrzehn­ten bleibt die RNoN um kon­tinuier­liche, zyk­lis­che Erneuerung ihrer Flotte bemüht. Ältere Ein­heit­en wer­den durch mod­erne, der jew­eili­gen tech­nol­o­gis­chen Entwick­lung angepasste Neubaut­en erset­zt. So lösen in den 70er Jahren mit Pen­guin aus­gerüstete FK-Schnell­boote der SNOEGG-Klasse die ver­al­tenden RAPP ab, 14 neue FK-Schnell­boote der HAUK-Klasse erset­zen die in die Jahre kom­menden TJELD, und zwei Minen­leger-Neubaut­en der VIDARK­lasse erweit­ern die Fähigkeit­en zum Minenkampf. Ende der 80er Jahre ergänzen neue, eben­falls wieder in Emden gebaute U‑Boote der ULA-Klasse (Typ 210, 1.100ts) die alten KOBBEN, und mit dem Bau von Minen­ab­wehrfahrzeu­gen der OKSOEY- und ALTA-Klasse begin­nt der Ersatz alter, noch aus US-Bestän­den stam­mender Minensucher.

Bei diesen von Kvaern­er gebaut­en ins­ge­samt neun Booten (vier als Minen­jagdboote, fünf als Minen­such­er mit akustis­chem Räumgeschirr aus­gerüstet) kommt bei der RNoN erst­mals das inno­v­a­tive SES – (Sur­face Effect Ship) Design zur Anwen­dung. Zwis­chen den bei­den Rümpfen der Glas­fas­er-Kata­ma­rane erzeu­gen zusät­zlich zum nor­malen Diese­lantrieb zwei Water­jets und Hub­trieb­w­erke ein Luftkissen, auf dem das Boot dann unter Nutzung des Boden­ef­fek­ts mit bis zu 22 kn über das Wass­er gleitet/schwebt. Bewirkt wird damit neben höher­er Wirtschaftlichkeit durch die Ver­ringerung des Rumpfwider­standes auch eine erhe­bliche Reduzierung der akustis­chen und mag­netis­chen Abstrahlung ins Wass­er, eine ruhigere Fahrt sowie bessere Sonar-Bedingungen.

Im andauern­den Kalten Krieg bleibt die konzep­tionelle Aus­rich­tung grund­sät­zlich noch unverän­dert. Allerd­ings erweit­ert sich der Auf­trag der Marine um eine neue, zunehmend wichtige Kom­po­nente. Mit der Erschließung von Öl- und Gasvorkom­men und der inter­na­tion­al verbindlichen Def­i­n­i­tion von Wirtschaft­szo­nen muss Nor­we­gen seine Ressourcen, neben Öl und Gas vor allem auch Fisch, stärk­er als bish­er sich­ern. Die Bes­tim­mungen der Seerecht­skon­ven­tion (UNCLOS) bescheren Nor­we­gen 1982 Wirtschaft­szo­nen in der Größe des Mit­telmeeres. Natür­lich ist zu deren Überwachung vor allem die Küstenwache gefordert, die denn auch entsprechend aus­ge­baut wird, aber auch die Flotte muss immer wieder mit in diese Auf­gabe einge­bun­den werden.

Team GlobDef

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