Verteidigungspolitik und technische Entwicklung Dänemarks
Der Aufbau der Dänischen Marine nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte praktisch »von Null aus«, da fast alle dänischen Kriegsschiffe in der Zeit der deutschen Besetzung Dänemarks im August 1943 selbst versenkt worden waren. Der Auftrag der dänischen Marine bestand in erster Linie in der Sicherung der territorialen Integrität gegen eine Landung von See durch einen Feind, der nach Entwicklung der internationalen Lage im Ostseebereich nach 1945 nur die Sowjetunion sein konnte, die die Insel Bornholm nach fast einjähriger Besetzung erst im April 1946 geräumt hatte. Die politischen Überlegungen liefen ähnlich wie die bereits beschriebenen norwegischen zuerst auf eine »bewaffnete Neutralität« im Bündnis hinaus, ließen dann aber auch aufgrund wirtschaftlicher Zwänge nur den Beitritt zur NATO zu.
Eine dänische Schnellbootwaffe hatte es bisher nicht gegeben; hier gab es also auch konzeptionell einen totalen Neubeginn. Das Material wurde aus alliierten Beutebeständen im Sommer 1947 übernommen: zuerst 10, dann 12 Schnellboote der Typen S 38, S 100 und S 130, die alle in den Jahren 1942–1944 für die Kriegsmarine in Dienst gestellt worden waren. Nach anfänglicher Bezeichnung mit einer Buchstaben-Zahlen-Kombination »T 51«– »T 61« wurden den Booten sehr bald Vogelnamen (GLENTEN-Klasse) gegeben. Einige dänische Marineoffiziere hatten im Zweiten Weltkrieg in der schwedischen, andere in der britischen Marine gedient; sie brachten ihre aktuellen Erfahrungen ein und stellten den ersten »Personalkern« der dänischen Schnellboote.
Nach dem Beitritt Dänemarks zur NATO im Jahre 1949 wurde angesichts der ständig und schnell wachsenden Stärke der sowjetischen »Baltischen Flotte« eine weitere Verstärkung der Marine angestrebt. Die Marinekonzeption von 1953 legte unter anderem eine Zahl von 24 Schnellbooten fest. Diese Vermehrung erfolgte, da sich die Kriegsmarine- Schnellboote bewährt hatten, durch den Ankauf von sechs weiteren solchen Booten (FALKEN-Klasse) aus norwegischen Beständen und durch eine erste mit den deutschen Booten nahezu baugleiche Serie von sechs Booten der FLYVEFISKEN-Klasse. Die Zahl 24 wurde allerdings nie erreicht, da bereits 1954 und dann noch einmal 1957 je drei der 1947 angekauften Boote als nicht mehr brauchbar außer Dienst gestellt werden mussten.
Da auch das Dienstzeitende der anderen ehemals deutschen Kriegsboote absehbar war, wurden 1962/63 die vier Boote der FALKEN- Klasse und 1965–67 die fünf Boote der SÖLÖVEN-Klasse in Dienst gestellt. Die FALKEN-Klasse war der letzte den deutschen Booten nachempfundene Bootstyp; die SÖLÖVEN-Klasse eine technische Kombination der britischen BRAVE- und FEROCITY-Typen. Die ersten beiden Boote der letzteren wurden bei der traditionsreichen britischen Schnellbootswerft Vosper-Thornycroft gebaut, die weiteren in Dänemark. Beide Klassen brachten mit der Fähigkeit, drahtgelenkte Torpedos zu verschießen, einen bedeutsamen waffentechnischen Fortschritt mit erhöhter Trefferwahrscheinlichkeit und der Möglichkeit eines Angriffs auf größere Entfernung.
Nach der Einführung des Penguin auf norwegischen und des MM 38 auf deutschen Schnellbooten erhielt dann auch die dänischen Schnellbootwaffe in den Jahren 1976–78 mit den zehn großen Schnellbooten der WILLEMOES-Klasse mit einer gemischten Bewaffnung von Harpoon-FK, drahtgelenkten Torpedos und einem 76-mm-Geschütz auch die Fähigkeit zum Flugkörpereinsatz. Die erstmals auf einer Werft in Frederikshavn gebauten und im Entwurf an den schwedischen Bootstyp SPICA-II angelehnten Boote bedeuteten auch in der Qualität der Unterbringung der Besatzung einen deutlichen Fortschritt. Nachdem die letzten Kriegsboote bereits in der Mitte der 60er Jahre außer Dienst gestellt worden waren, folgten ihnen jetzt auch 1974 und 1978 die Nachkriegs-»Nachbauten« der FLYVEFISKEN und FALKEN-Klassen. Die fünf Boote der SÖLÖVEN-Klasse fuhren allerdings noch mehr als 10 Jahre lang in gemischten Gruppen zusammen mit den WILLEMOES-Booten.
Schließlich wurde ab 1989 auch in der dänischen Marine mit der FLYVEFISKEN-Klasse die Leistungs- und Innovationsfähigkeit der dänischen Schiffbauindustrie unter Beweis gestellt. Die 14 Boote des Typs STANFLEX 300, die von der Größe her schon deutlich über Schnellbootsdimensionen hinausgehen, ersetzten sowohl die SÖLÖVEN-Boote als auch die Wachboote der DAPHNE- und die Minensucher der SUND-Klasse. Mit ihnen verfügt die dänische Marine über die Fähigkeit, ein schnellbootsgleiches Einsatzpotenzial im Küstenvorfeld auch über einen Zeitraum von Tagen hinweg zum Ansatz zu bringen.
Die Entscheidung der dänischen Marine für die Transformation zu kriseneinsatzfähigen Seestreitkräften und den Bau der »Kampfunterstützungsschiffe« der ABSALON-Klasse brachte dann im Jahre 2000 auch die Außerdienststellung der noch nicht am Ende ihrer »Lebenszeit« angekommenen Boote der WILLEMOES-Klasse mit sich. Damit ging für viele dänische Marineoffiziere die hoch geschätzte Zeit der »richtigen Schnellboote« zu Ende.