Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Norwegische und dänische Schnellboote
Von Urs Heßling
Verteidigungspolitik und technische Entwicklung Norwegens
Im Mai 1945 kehrte eine kampferfahrene und einsatzbereite norwegische Marine mit 52 Zerstörern, Schnellbooten und Unterseebooten in ihre Heimathäfen zurück. Die Einheiten waren durch die jahrelange Zusammenarbeit mit der »Muttermarine«, der Royal Navy, geprägt, und dies sollte sich noch mehr als zehn Jahre lang auswirken.
Nach der jahrelangen Besetzung durch deutsche Truppen war die internationale politische Stellung Norwegens ein wichtiges und brisantes Thema, besonders angesichts der überwältigenden militärischen Stärke der Sowjetunion, die ihre Truppen erst im Herbst 1945 aus Nordnorwegen zurückzog und nach dem Krieg ein direkter Grenznachbar geworden war, und einem eher zurückhaltenden Auftreten der USA und Großbritanniens im Nordmeerbereich, wo auch die Zugehörigkeit Spitzbergens durch die Sowjets erneut in Frage gestellt wurde. In den ersten Nachkriegsjahren wurde die Mitgliedschaft Norwegens zu den Vereinten Nationen als ausreichende Garantie einer Sicherung der Unabhängigkeit gesehen. Angesichts der sowjetischen Machtausdehnung in Mitteleuropa bis 1948 setzte sich die Erkenntnis durch, dass die eigentlich angestrebte neutrale Haltung als »Brückenbauer« zwischen Ost und West – mit eindeutiger Bevorzugung des Westens – auf Dauer nicht zu halten war.
Nachdem der Versuch einer »Nordischen Verteidigungsallianz « mit Dänemark und Schweden an der strikten Ablehnung von US-Militärhilfe durch Schweden gescheitert war, trat Norwegen bereits 1949 in die NATO ein. Mögliche Ängste und eine folgende Aggressivität der Sowjetunion suchte man mit der Regelung, dass keine ausländischen Einheiten permanent in Norwegen stationiert sein durften, zu mindern.
Die Friedenszeit begann für die norwegischen Schnellboote mit einem Knall, als bereits am 19. Mai 1945 MTB 715 durch Feuer und Explosion zerstört wurde. Obwohl der Antrieb mit Ottomotoren einen bekannten Schwachpunkt der britischen Boote des Typs FAIRMILE D darstellte, wurden 10 von ihnen 1946 endgültig von Großbritannien erworben. Die Boote, die nach dem Ankauf anstelle der bisherigen Nummern norwegische Namen erhielten (FALK-Klasse) und von denen auch noch HAUK im November 1948 durch Feuer verloren ging, blieben zum großen Teil noch bis 1959 im Dienst.
Weitere 15 Schnellboote der ehemaligen Kriegsmarine wurden 1947 aus der alliierten Kriegsbeute übernommen bzw. angekauft. Sechs ältere Boote wurden nur als Materialreserve aufgebraucht, von den anderen neun Booten, die anscheinend nie in einem operativen Verband zusammengefasst waren, wurden drei 1950/51 außer Dienst gestellt und die anderen sechs an Dänemark weiterverkauft. An ihre Stelle traten im selben Jahr zehn Schnellboote des Typs ELCO-80 der US-Marine als HAI-Klasse, die im Rahmen des »Military Defence Assistance and Advisory Program« (MDAP) von den USA geliefert wurden. Es handelte sich bei den 1945 gebauten Booten wiederum um Einheiten mit Ottomotorenantrieb. Von ihnen wurden sechs Boote 1960–1964, die vier letzten erst 1966 außer Dienst gestellt.
Ein Jahr später, 1952, wiederholte sich etwas, was 35 Jahre zuvor schon in Deutschland als ein ungewöhnliches Ereignis geschehen war: ein privater Unternehmer, damals die Lürssen-Werft, jetzt die Westermoen-Bootswerft in Mandal, bot der Marine ein auf eigene Kosten gebautes Boot zur Erprobung an. Nach einer einjährigen Erprobung des dem US-ELCO-Typ ähnlichen und auf den Namen RAPP getauften Bootes wurden tatsächlich 5 weitere Boote in Auftrag gegeben und in den Jahren 1955/56 in Dienst gestellt.
Schon 1958 wiederholte sich dieser Vorgang: Erneut bot die Mandaler Bootswerft der norwegischen Marine das als »Spekulationsbau« konstruierte Boot NASTY an, das wiederum von der Marine akzeptiert wurde. Ein entscheidender Fortschritt dieses Bootstyps war der Übergang vom Otto- zum sichereren Dieselmotor. Der aus der Erprobung entwickelte Bootstyp TJELD sollte mit mehr als 40 Booten der erfolgreichste in Friedenszeiten gebaute Serientyp aller westlichen Marinen werden. Die norwegische Marine erhielt 20 Boote in 2 Losen, 2 Boote gingen zu einer Vergleichserprobung an Deutschland, sechs weitere später an Griechenland und 14 Boote an die USA, die diese Boote und weitere Lizenzbauten auch im Vietnamkrieg in Küstengewässern einsetzte.
Die zunehmenden leichten und amphibischen Seestreitkräfte der sowjetischen Flotte machten jedoch weitere Rüstungsanstrengungen erforderlich, um einer etwaigen Invasion glaubhaft begegnen zu können. Die konzeptionellen Überlegungen führten bis 1960 hin zum »Flottenplan« einer umfangreichen Küstenverteidigungsflotte mit – neben Fregatten und Unterseebooten – insgesamt 40 Schnellbooten als Torpedoträgern gegen große und Artillerieträgern gegen kleine Seeziele. Da dies die finanziellen Möglichkeiten Norwegens überschritt, wurde am 12.06.1961 das insgesamt 56 Einheiten umfassende Cost-Sharing Construction Program mit den USA geschlossen.