Niemand will U‑Boote liefern
Die internationale Isolation Taiwans zeigt sich besonders auf dem Gebiet des Imports von Unterseebooten. Dies wurde gerade nach der Zusicherung der Regierung Bush im Frühjahr 2001 über die Lieferung von 8 dieselelektrischen U‑Booten deutlich. Hier stehen die USA auf einmal vor dem Problem, dass sie seit den 50-er Jahren keine dieselelektrischen U‑Boote mehr gebaut haben und sind gezwungen, sich zur Erfüllung ihrer Zusage im Ausland nach Entwürfen und Werften umzusehen.
Die RoCN hat zur Zeit nur vier U‑Boote in ihrem bestand, von denen zwei noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammen und die anderen beiden der HAI LUNG-Klasse schon Anfang der 80-er Jahre aus den Niederlande bezogen wurden. Gerne hätte Taiwan noch weitere U‑Boote dieses Typs erworben, aber auf Druck der VR China nahmen die Niederlande von der Lieferung dieser Schiffe Abstand. Das in vielen Marinen der Welt im Einsatz befindliche deutsche U‑Boot-Design Typ 209 wurde von der RoCN Anfang der 90-er Jahre als sehr geeignet für ihre Bedürfnisse angesehen. Im Zuge der Weigerung, Fregatten oder Korvetten nach Taiwan zu liefern, stellte der Bundessicherheitsrat im Januar 1992 allerdings klar, dass auch keine U‑Boote an Taiwan geliefert werden würden. Daraufhin begann die RoCN bei anderen Staaten die Beschaffung neuer U‑Boote zu sondieren. Zunächst wandte man sich dabei an Frankreich, wo man ja bereits die Fregatten der KANG DING-Klasse bestellt hatte. So plante man hier bis zu 16 U‑Boote zu beschaffen, zu einer Auftragsvergabe kam es letztlich jedoch nicht. Ähnlich negativ verliefen Anfragen bei anderen Staaten.
SS Sea Dragon / Foto: RoCN |
Daher plante man zwischenzeitlich dieses Projekt auf eigenen Werften abzuwickeln, was die taiwanesische Werftindustrie jedoch, trotz möglicher US-amerikanischer Hilfe, wohl vor zu große Probleme stellen dürfte. Im Juni 2001 sollen auch russische Geschäftsleute nach Taiwan gereist sein, um dort Verhandlungen über eine mögliche Lizenzfertigung von U‑Booten der KILO-Klasse zu führen, wie sie auch schon für die PLAN in Russland gebaut worden waren. Zu einem Abschluss kam es jedoch bis heute nicht.
Auch auf anderen Wegen scheint Taiwan in den letzten Jahren versucht zu haben, gebrauchte U‑Booten zu erwerben. Zunächst zu nennen wäre hier ein im September 2001 öffentlich gewordener Versuch, die drei ehemals israelischen Boote der GAL-Klasse zu erhalten. Diese U‑Boote waren nach Eintreffen der letzten Einheit der bei der HDW in Kiel gebauten DOLPHIN-Klasse von der israelischen Marine zum Verkauf ausgeschrieben. Hier gab es Vermutungen, dass ein oder zwei dieser Boote zunächst an die thailändische Marine verkauft werden sollten, um danach an die RoCN weiterverkauft zu werden. Das dritte Boot sollte zum Schein als “Museumsboot” an einen südafrikanischen Geschäftsmann verkauft werden, um danach dann aber ebenfalls in taiwanesische Hände zu gelangen. Obwohl Washington anscheinend dieses Geschäft zu unterstützen bereit war, wurde nichts neues mehr darüber bekannt. Inzwischen hat die israelische Marine offenbar wieder eigenen Bedarf an den GAL-Booten angemeldet und lässt zumindest zwei davon in Kiel modernisieren.
Theoretisch denkbar, wenn auch bis jetzt ohne Beleg, wäre ein Erwerb der beiden noch vorhanden südafrikanischen U‑Boote der SPEAR-Klasse (franz. Typ DAPHNE). Südafrika und Taiwan pflegen gute Beziehungen, und Südafrika hätte nach Zulauf der in Deutschland bestellten drei U‑Boote Typs 209/1400 keinen Bedarf mehr an seinen älteren U‑Booten.
Der Wille Taiwans neue U‑Boote zu erhalten, wurde auch durch die Äußerung des taiwanesischen Präsidenten Chen Shui-Bian untermauert, der sich am 02.05.2001 mit dem damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Carl-Dieter Spranger traf. In diesem Gespräch verlieh Shui-Bian “seiner Hoffnung Ausdruck, Deutschland und die USA könnten dergestalt kooperieren, dass mit deutschen Blaupausen und amerikanischer Unterstützung die von den USA versprochenen acht Unterseeboote von Taiwan selbst gebaut werden könnten.”
Im Moment sieht es eher danach aus, dass das U‑Bootprogramm “auf Eis” gelegt wird. So ist es den USA bis heute nicht gelungen, U‑Boote auf dem Weltmarkt gebraucht zu beschaffen, auch der zuletzt ins Auge gefasste Bau beim Irak-Koalitionspartner Spanien dürfte sich als praktisch nicht machbar erweisen. Allerdings bietet sich nun wohl die Möglichkeit eines gesichtswahrenden Rückzugs Taiwans aus diesem Dilemma. So ließ der taiwanesische Verteidigungsminister Tang Yao Ming im November 2003 verlauten, dass seine Regierung Überlegungen über den Rückzug aus diesem Geschäft anstelle, da Washington in der Zwischenzeit die Kosten für die geplanten U‑Boote mit 11 Mrd. $ fast verdoppelt habe. Man sei nicht bereit übertriebene Preise zu bezahlen, so habe z.B. Süd-Korea drei deutsche U‑Boote zum Stückpreis von 367 Mio. $ beschaffen können. Man gehe davon aus, dass man nur etwa 20% mehr bezahlen müsse, wenn man die U‑Boote selbst konstruieren und auf eigenen Werften bauen würde. Daher ließ die Regierung in Taipeh durchblicken, dass man die ersten Gelder erst in den Haushalt 2006 stellen würde und die U‑Boote dann ab 2013 zulaufen würden. Diese Zeitspanne könnte dann dafür benutzt werden, das Vorhaben in beiderlei Einvernehmen “in aller Stille zu begraben”.
Der Traum von Aegis
Spätestens seit den MRBM-Tests (Medium Range Ballistic Missile) seitens der VR China, Mitte der 90-er Jahre, stellt sich für die RoCN die Frage, wie man dieser Bedrohung begegnen kann. Zum einen entschloss man sich zur Beschaffung des Patriot SAM-Systems, zum anderen fasste man jedoch auch den Entschluss, das für weiträumige Flugabwehr und Luftraumverteidigung konzipierte Gefechtsführungssystem Aegis aus den USA zu importieren. Zum einen wollte man unter der Bezeichnung SHENTUN-Klasse solche Schiffe im eigenen Land bauen; ab 2000 plante man dann den Import von US-Zerstörern der ARLEIGH BURKE-Klasse. Mit diesen Schiffen wäre die Luftraumüberwachung und Verteidigung der Taiwanstrasse gegen einen möglichen Angriff der VR China möglich. Auf Druck Pekings wurde aus diesem Geschäft bis heute jedoch nichts.
Kidd-Klasse / Foto: US Navy |
Seit Mitte 2001 konzentriert sich das Augenmerk der RoCN alternativ auf die Beschaffung der vier bei der US-Navvy ausgemusterten DDG´s der KIDD-Klasse. Zwar sind diese nicht mit Aegis ausgerüstet und können auch nicht die SM2-ER an Bord unterbringen, eine Umrüstung auf diese ist jedoch im Bereich des möglichen, da 1993 das Mk41 VLS von den USA geliefert wurde.
Amerikanische Experten gehen davon aus, dass es für die RoCN schwierig sein wird, diese Schiffe in Dienst zu stellen, da sie einerseits sehr personalintensiv sind und andererseits die Infrastruktur der taiwanesischen Marinebasen z.T. erst modifiziert werden müsste. Besonders ersteres stellt die RoCN vor große Probleme. So müssen in kürzester Zeit die sieben, noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Zerstörer der YANG-Klasse außer Dienst gestellt werden, um so das benötigte Personal zu erhalten. Dazu kommt noch, dass die RoCN im Moment um 5000 Mann reduziert wird. Seit Ende 2002 gibt es Gerüchte, Taiwan bemühe sich um die Überlassung von vier FK-Kreuzern der TICONDEROGA-Klasse Block1. Dabei handelt es sich um eine ältere Version des AEGIS, weiteres wurde darüber jedoch nicht bekannt.
Unilaterale Bedrohung
Die taiwanesische Marine-Strategie ist einzig allein auf die Abwehr einer Invasion durch die Festlandchinesen und die Verhinderung einer möglichen Blockade der für das außenhandel-abhängige Taiwan so wichtigen Sea Lines of Communication ausgerichtet. Vor dem Hintergrund des zügigen Ausbaus und der Modernisierung der chinesischen Streitkräfte muss dann auch der Versuch Taiwans gesehen werden, mit allen Mitteln selbst an moderne Waffensysteme zu kommen. Dies gestaltet sich jedoch zunehmend schwierig und wird (siehe U‑Bootproblematik und Kampf um Aegis) immer wieder erfolgreich durch die VR China verhindert.
Fest steht jedoch im Moment noch, dass die RoCN insgesamt über modernere Schiffe als die PLAN verfügt. Vor allem ihre ASW-Kräfte sind sehr stark ausgebildet und dürften im Falle eines bewaffneten Konfliktes zwischen der VR China und Republik China den U‑Booten der PLAN schwer zu schaffen machen. Ähnlich verhält es sich mit der großen Anzahl von FK-S-Booten, die im Moment modernisiert wird.
Diesen Booten kommt vor allem bei der Abwehr einer amphibischen Offensive der PLAN eine Hauptrolle zu, auch wenn eine solche bei nur mittelmäßiger Ausprägung ihrer amphibischen und Lufttransportkomponenten nur wenig Erfolg versprechend wäre. U‑Boote, FK-S-Boote und starke Küstenbefestigungen geben der RoCN reale Chancen, eine mögliche Landungsflotte schon auf See zu vernichten. Und einige bis Anfang 2000 in den USA beschaffte große Landungsschiffe geben ihr überdies die Fähigkeit zu einer räumlich begrenzten Gegenlandung.
Eine Eroberung Taiwans wäre den chinesischen Streitkräften wohl nur möglich, wenn es gelänge, sehr schnell einen Tiefwasserhafen zu besetzen und zu sichern, über den dann Truppen angelandet werden könnten. Auch wenn ein mögliches Eingreifen der USA die VR China bis heute von einer gewaltsamen Lösung der Taiwanfrage abgehalten zu haben scheint, steht unverändert die — vermutlich ernst zu nehmende — Drohung im Raum, auf eine Unabhängigkeitserklärung Taiwans unmittelbar militärisch zu reagieren.