Taiwan (Republik China)

Taiwan Republik China Republic of

 

Die wichtig­sten Infor­ma­tio­nen im Überblick:

Regierungs­form (Gov­ern­ment Type):Repub­lik (Repub­lic)

Karte Taiwan Republik China

Haupt­stadt (Cap­i­tal):T’aipei (Taipeh)
Ein­wohn­er (Pop­u­la­tion):22,605 Mio.
Fläche (qkm) (Area (sq.km)):36.006
Wehre­tat (Defence Budget):4,8 Mrd. Dollar
BSP/Einwohner (GNP/Capita):11.710 Dol­lar

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Dat­en außer Wehre­tat dem Fis­ch­er Weltal­manach 2005 entnommen

Brut­toin­land­spro­dukt (BIP): 474 Mrd. $ (2013) für 23,4 Mio. Ein­wohn­er
BIP pro Kopf: 2003: 13.300 Dol­lar (zum Ver­gle­ich Chi­na: 1.097 Dol­lar); 20.256 $ (2013);
BIP Wach­s­tum 1999 — 2003: durch­schnit­tlich 3,3 % (zum Verl­ge­ich Chi­na: 7,9 Prozent);
BIP Wach­s­tum Prog­nose 2004 — 2005: 5,1 % (zum Ver­gle­ich Chi­na: 7,8 Prozent)
BIP Wach­s­tum 2008 — 2009: > 10 % p.a.
BIP Wach­s­tum 2012: 1,3 % (Quelle: Auswär­tiges Amt Deutsch­land
BIP Wach­s­tum 2013: 2,2 %

Arbeit­slosen­quote: 2003: 5,0 %; 2006: 3,9 %; 2013: 4,1 %;

TAIWAN — For­mosa *) die Repub­lik Chi­na oder:
- das “andere China” 

*) Wir beze­ich­nen hier die Insel mit dem alten Begriff 

Bis zum 17. Jahrhun­dert war For­mosa von malayo-poly­ne­sis­chen Stäm­men besiedelt. Die ersten Europäer, die diese Insel ent­deck­ten, gaben ihr den Namen “Ilha For­mosa” — wun­der­bare Insel. Nach einem verge­blichen Ver­such der hol­ländis­chen Kolo­nial­macht, sich auf den “Pescadores-Inseln” nieder zu lassen, beset­zte sie Hol­land von 1624 bis in die Mitte des 17. Jahrhun­derts, wobei erst­mals größere Ein­wan­derun­gen von Chi­ne­sen stattfanden. 

Die anschließende Geschichte der Insel weist verblüf­fende Ähn­lichkeit­en mit der heuti­gen poli­tis­chen Sit­u­a­tion auf: 
als die chi­ne­sis­che Ming-Dynas­tie 1644 von der Quing-Dynas­tie abgelöst wurde, floh ein Gen­er­al der unter­lege­nen Armee mit etwa 10.000 Sol­dat­en auf die Insel, wo er zunächst die Hol­län­der ver­trieb und dann eine Regierung der Ming-Dynas­tie instal­lierte. Über seine Flotte ver­suchte diese Regierung, die chi­ne­sis­che Küste unsich­er zu machen und die Quing-Dynas­tie wieder zu vertreiben, allerd­ings erfol­gte bere­its 1683 der endgültige Sieg der Quing, die For­mosa als Präfek­tur der benach­barten Fes­t­land­sprov­inz Fujian dem Qing-Reich ein­ver­leibten bis schließlich 1885 der Insel der Sta­tus ein­er eigen­ständi­gen Prov­inz ver­liehen wurde.

Diesen Sta­tus behielt die Insel nicht lange — schon 1895 wurde die Insel Tai­wan mit den Pescadores-Inseln an Japan abge­treten, und Japan beset­zte und beherrschte die Insel bis nach dem II. Weltkrieg — nach der Kapit­u­la­tion Japans wur­den die Inseln — entsprechend ein­er Vere­in­barung der alli­ierten Siegermächte USA und Großbri­tan­nien mit Tschi­ang Kai-Schek, dem Führer der “Nation­alchi­ne­sis­chen Partei” — wieder der chi­ne­sis­chen (Nation­al-) Regierung unter­stellt. Nach einem blutig niedergeschla­ge­nen Auf­s­tand der etwa 6,5 Mil­lio­nen ein­heimis­chen Tai­wane­sen (Urbevölkerung wie auch Han-Chi­ne­sen im Feb­ru­ar 1947) und dem Sieg der kom­mu­nis­tis­chen Volks­be­freiungsarmee (VBA) gegenüber den nation­alchi­ne­sis­chen Trup­pen (1949) floh die nation­alchi­ne­sis­che Regierung mit­samt der Nation­alver­samm­lung und den (über­wiegend von der Koum­ing­tang-Partei gestell­ten) Par­la­men­tari­ern nach Tai­wan. Gle­ichzeit­ig flüchteten etwa 1 1/2 Mil­lio­nen Anhänger der geschla­ge­nen Regierung nach Taiwan. 

Die Geschichte wieder­holt sich nur teil­weise:
Damit scheint sich die Geschichte nach rund 300 Jahren zu wieder­holen: die Anhänger ein­er auf dem Fes­t­land unter­lege­nen Regierung sam­meln sich auf Tai­wan mit dem Ziel, das Fes­t­land zu einem späteren Zeit­punkt wieder zu erobern.
Tat­säch­lich hat die nation­alchi­ne­sis­che Regierung unter der Führung Tschi­ang Kai-schecks nie den Anspruch aufgegeben, der einzige legit­imierte Vertreter ganz Chi­nas zu sein. Dementsprechend blieb auch die 1949 “ins Exil gegan­gene” Nation­alver­samm­lung beste­hen, wobei die Regierungs­macht auf Tai­wan — über eine deut­liche größere ein­heimis­che Bevölkerung — durch Kriegsrecht aus­geübt wurde. 
Allerd­ings gelang es den Trup­pen des Fes­t­landes — trotz größer­er Gefechte, die bis 1967 andauerten — nicht, die Leis­tung der Quing-Dynas­tie zu wieder­holen und die Insel gewalt­sam zu nehmen. 
Die Regierung der Volk­sre­pub­lik sieht sich mil­itärisch gegenüber Tai­wan in ein­er ähn­lichen Sit­u­a­tion wie dies im let­zten Weltkrieg die Achsen­mächte gegenüber den britis­chen Inseln waren. 
Eine aus­re­ichend starke Lan­dungs­flotte beste­ht nicht, Luft­waffe und Marine der Insel sind mit zahlre­ichen mod­er­nen Waf­fen­sys­te­men aus­ges­tat­tet und kön­nen Angrif­f­en des Fes­t­landes stand­hal­ten. Die Wirtschaft­skraft der Insel ermöglicht zudem, sich mil­itärisch weit­er mit aus­re­ichen­dem Mate­r­i­al zu ver­sor­gen. Dazu kommt der schon fast sprich­wörtliche Erfind­ungs­geist der Chi­ne­sen, wenn es darum geht, zu den gewün­scht­en Waf­fen zu kom­men. Als Tai­wan etwa eine eigene U‑Boot-Waffe auf­stellen wollte, ver­sagten sich alle poten­tiellen Liefer­an­ten — inklu­sive der USA — diesem Wun­sch. Die USA waren lediglich bere­it, zwei gebrauchte WW II — U‑Boote zu liefern — um Tai­wan Train­ingsmöglichkeit­en für die Bekämp­fung der U‑Boot-Flotte des Fes­t­landes zu ermöglichen. Tat­säch­lich waren die Tor­pe­dorohre dieser bei­den U‑Boote bei der Liefer­ung zugeschweißt. Nicht für lange, und den Inselchi­ne­sen gelang es zudem, über Indone­sien an (dort pro­duzierte) mod­erne Tor­pe­dos deutsch­er Urhe­ber­schaft zu kom­men. Eine mil­itärische Entschei­dung erscheint unter diesen Voraus­set­zun­gen — zumin­d­est solange die let­zte verbliebene Super­ma­cht USA die Unter­stützung der Insel aufrecht erhal­ten — nicht möglich.

Dafür erre­ichte das Fes­t­land andere Siege — auf dem diplo­ma­tis­chen Par­kett:
Tschi­ang Kai-check musste bis zu seinem Tode (1975) miter­leben, dass die kom­mu­nis­tis­che Regierung des Fes­t­landes immer mehr Ein­fluss gewann, bis 1971 sog­ar der Sitz der Repub­lik Chi­na bei den Vere­in­ten Natio­nen über­nom­men wer­den kon­nte. In der Fol­gezeit ging die Zahl der Staat­en, welche die nation­alchi­ne­sis­che Regierung als einzige Vertre­tung Chi­nas anerkan­nten, rasch von 51 (1971) auf 23 (1977) zurück, bis schließlich 1979 sog­ar die USA einen Par­a­dig­men­wech­sel vor­nah­men und — in prag­ma­tis­ch­er Anerken­nung der Real­itäten — die Beziehun­gen zu Taipeh abbrach und diplo­ma­tis­che Beziehun­gen zur Pekinger Regierung aufnahm.

Sei­ther ist die Entwick­lung Tai­wans durch zwei poli­tis­che The­menkreise bestimmt:

  • Während Fes­t­land­chi­na um direk­te Post‑, Verkehrs- und Han­dels­beziehun­gen sowie den Aus­tausch auf den Gebi­eten Erziehung, Wis­senschaft, Kul­tur und Sport bemüht ist, änderte sich die zunächst mas­siv ablehnende Hal­tung Tai­wans (1980: keine Kon­tak­te, keine Ver­hand­lun­gen, keine Kom­pro­misse — “Drei-Nein-Poli­tik”) zuse­hends in eine Poli­tik der “vor­sichti­gen Kon­tak­tauf­nahme”, indem 1987 erste Ver­wandtenbe­suche auf dem Fes­t­land genehmigt wur­den und 1991 eine eigene “Kom­mis­sion für die Angele­gen­heit­en des Fes­t­lands” (auf Tai­wan) und eine “Stiftung für den Aus­tausch über die Tai­wan-Straße” (auf dem Fes­t­land) mit inof­fizieller Ver­hand­lungsebene gebildet wur­den, bis schließlich 1993 die ersten Ver­hand­lun­gen der bei­den Organ­i­sa­tio­nen in Sin­ga­pur auf “qua­si-exil-chi­ne­sis­chem Boden” stat­tfan­den. Dieser Entwick­lung­sprozess wurde durch die zunehmende Ver­flech­tung der bei­den “Volk­swirtschaften” — zunächst über Hongkong und inzwis­chen auch über Direk­t­in­vesti­tio­nen tai­wane­sis­ch­er Geschäft­sleute — Tai­wans Wirtschaft gehört zu den größten Inve­storen auf dem Fes­t­land — unter­stützt und gefördert.

  • Auf Tai­wan selb­st wurde 1987 das Kriegsrecht aufge­hoben (zugle­ich mit der Ges­tat­tung von Ver­wandtenbe­suchen) und damit indi­rekt (von Tschi­ang Jing Kuo) die VR Chi­na anerkan­nt. Nach dem die auf dem Fes­t­land gebore­nen Repräsen­tan­ten der Nation­alchi­ne­sen immer weniger wur­den, über­nahm 1988 der erste auf Tai­wan geborene “Nation­alchi­nese” Lee Teng-hui das Amt des Präsi­den­ten der Repub­lik Chi­na, und 1992 fan­den die ersten kom­plet­ten Neuwahlen des Nation­al­par­la­ments auf Tai­wan statt. Diese Neuwahlen markieren eine wichtige Zäsur: ein­er­seits wurde der Grund­stein für eine demokratis­che Entwick­lung Tai­wans unab­hängig vom Fes­t­land gelegt — ander­er­seits kon­nte das nun gewählte Par­la­ment seine Legit­i­ma­tion nur noch aus der Wahl auf Tai­wan ableit­en, also nicht mehr den Anspruch erheben, ganz Chi­na inklu­sive des Fes­t­landes zu vertreten. Zugle­ich mehren sich in Tai­wan die Stim­men vor allem der in Oppo­si­tion zur Kuom­ing­tang-Partei ste­hen­den, auf Tai­wan aufgewach­se­nen Poli­tik­er, sich unab­hängig zu erk­lären — also den eige­nen Staat “Tai­wan” auszu­rufen. Auf der offiziellen Regierungs­seite www.gio.gov.tw gibt die Regierung Tai­wans zwar noch selb­st an, das der offizielle Name ROC ist und die offiziellen Karten Chi­na bein­hal­ten. Aber prag­ma­tisch und fak­tisch gehört Chi­na nicht zu Tai­wan. Das kommt unter www.taipei.org sehr deut­lich zur Gel­tung. Seit sein­er Wahl im Jahr 2000 ver­sucht Tai­wans Präsi­dent Chen Shuib­ian einen zunehmenden Kurs auf die Unab­hängigkeit der Insel­re­pub­lik zu steuern — was Chi­na im märz 2005 mit dem “Antizes­sion­s­ge­setz” beantwortete.

Die Entwick­lung lässt sich also so charak­ter­isieren, dass mit zunehmender Entspan­nung des Ver­hält­niss­es zwis­chen Tai­wan und dem Fes­t­land eine immer weit­erge­hende innere Loslö­sung Tai­wans vom chi­ne­sis­chen Mut­ter­land ein­herge­ht.
Wenn Peking eine solche Unab­hängigkeit­serk­lärung ver­hin­dern will, dann muss es — neben dem erfol­glosen mil­itärischen Druck — ver­suchen, Tai­wan poli­tisch zu isolieren, wirtschaftlich an sich zu binden und eine Wiedervere­ini­gung (die mil­itärisch schw­er erzwing­bar ist) möglichst schmack­haft zu machen. Deng Hsiao-Ping, der prag­ma­tis­che Wirtschaft­sre­for­ma­tor des Fes­t­landes, klei­dete dieses Ange­bot in den Satz von “einem Land — zwei Sys­teme”, wobei die “Heimkehr Hongkongs” als Muster­beispiel dienen sollte.