Einführung: Sudan Afrika

Sudan

Geo­graphis­che Lage:
Südlich der Sahara — zwis­chen dem Sene­gal und dem Sudan — zieht sich ein bre­it­er Step­pen- und Savan­nengür­tel durch den afrikanis­chen Kon­ti­nent.
Während die Wüste durch die Tuareg und ara­bis­che bzw. Ara­bisierte Nomaden beherrscht wird begin­nt hier der Sied­lungsraum dunkel­häutiger Völker.

Im Sene­gal, in Mali, im Tschad, dem Niger und dem west­lichen Sudan ziehen sich die eth­nis­chen Gren­zen zwis­chen ara­bisch-islamis­chen Nomaden und dunkel­häuti­gen islamis­chen Acker­bauern quer durch die Staat­en in ihren nachkolo­nialen Gren­zen. Noch während der Eiszeit fand sich die Step­pen­veg­e­ta­tion Ostafrikas auch in weit­en Teilen der jet­zi­gen Sahara, der großen, nieder­schlagsar­men Sand- und Stein­wüste im Herzen des nordafrikanis­chen Kon­ti­nents. Fel­sze­ich­nun­gen von Giraf­fen und Ele­fan­ten im zen­tralen Gebirge im Süden Alge­riens und Libyens zeigen eine Umwelt, die dem heuti­gen Ostafri­ka entsprechen kön­nte. Nach dem ras­an­ten Kli­maum­schwung am Ende der Eiszeit­en ver­siegten die Nieder­schläge, Wüste nahm den Platz der ehe­ma­li­gen Step­penge­bi­ete ein. Danach war über Jahrtausende das Kli­ma sta­bil. Die großen Flußsys­tem — im West­en der Niger, im Osten der Nil — und der zwis­chen diesen Flüßen liegende große Tschad­see blieben erhal­ten und erlaubten die Entwick­lung ein­er Fischer‑, Bewässerungs- und Acker­baukul­tur.
Allerd­ings zeigt der weltweite Kli­mawan­del inzwis­chen wieder drama­tis­che Fol­gen. Die Wüste wächst. 

Mit der Ausweitung der Sahara drin­gen die Nomaden der Wüste auf der Suche nach Wei­de­flächen immer weit­er nach Süden vor — und ger­at­en damit in Kon­flikt mit den sesshaften Bauern, die unter zunehmender Trock­en­heit zu lei­den haben. 

Weit­er südlich — etwa in Nige­ria und dem Süd­su­dan — gibt es dann chris­tian­isierte Stämme, so dass der eth­nis­che Kon­flikt zwis­chen hell- und dunkel­häuti­gen Men­schen, zwis­chen Arabern und ver­schiede­nen afrikanis­chen Völk­ern, auch noch durch eine religiöse Kom­po­nente über­lagert wird. 

Sudan-Afri­ka — das ist nicht nur der Streifen zwis­chen Wüste und Urwald; Sudan-Afri­ka, das ist auch die Mis­chzone zwis­chen dem hami­tisch-semi­tis­chen Nor­den Afrikas und den Ban­tu, deren Völk­er das Herz Afrikas, die Urwaldge­bi­ete und die Rand­bere­iche um das Einzugs­ge­bi­et des Kon­go besiedeln.
Sudan-Afri­ka, das ist ein ver­wirren­des Muster an Völk­ern, die seit Jahrhun­derten in eine bunte Vielfalt auf eng­stem Raum vere­int und durcheinan­der gewirbelt werden.

Sahara — tren­nend und verbindend zugle­ich
Die Wüste ist eine Bar­riere — aber wie das Meer auch kein unüber­windlich­es Hin­der­nis. So wie Inseln im Meer liegen Oasen inmit­ten des Sand­meeres und erlauben Kon­tak­te über uralte Karawa­nen­wege. 
Bere­its in der Antike gab es einen solchen Aus­tausch zwis­chen den Hochkul­turen am Mit­telmeer und den Gebi­eten südlich der Sahara. 
Die Schil­f­boote des Tschad Sees weisen verblüf­fende Ähn­lichkeit­en mit Wasser­fahrzeu­gen des Nil­tales auf, und es ist dur­chaus anzunehmen, dass Kartha­go Han­dels­beziehun­gen über die Sahara hin­weg nach Süden hat­te — woher hätte Han­ni­bal son­st seine Kriegse­le­fan­ten beziehen sollen, mit denen er mehrfach dem auf­streben­den römis­chen Imperi­um gegenüber trat. Der See­han­del der Phönizier und ihrer Nach­fol­ger, der Karthager, reichte aus dem Mit­telmeer weit über Gibral­tar — die “Säulen des Her­ak­les” hin­aus bia an die west­afrikanis­che Küste.
Auch Rom kon­nte über seine Ter­ri­to­rien auf afrikanis­chem Boden diverse Waren und Güter, aber auch Tiere und nubis­che Sklaven (die römis­che Wirtschaft war auf der Sklaverei aufge­baut) aus den Län­dern südlich der Sahara beziehen. 

Erst mit den Wirren der Völk­er­wan­derung — und dann durch die Sperre, die das islamisch-ara­bis­che Nordafri­ka bildete — ging das spär­liche Wis­sen Europas über die Län­der südlich der Wüste ver­loren. Damit waren diese Län­der aber nicht in ein­er Steinzeit ver­sunken, sie waren lediglich aus dem Gesichts­feld der europäis­chen Mächte verschwunden.

West­afri­ka — zwis­chen Natur­re­li­gion, Islam und Chris­ten­tum:
Als im 7. Jahrhun­dert ara­bis­che Krieger das Ban­ner des Islam in den “Fer­nen West­en”, den Maghreb tru­gen, änderte sich am Leben der Völk­erge­mein­schaft südlich der Sahara noch nichts. Der Islam ver­bre­it­ete sich ent­lang der Han­dels- und Karawa­nen­routen durch die Sahara, blieb aber über Jahrhun­derte hin eine Reli­gion der “frem­den Händler”, bis sich auch die Ober­schicht in den afrikanis­chen Stadt­ge­mein­schaften für diese Reli­gion inter­essierte und sich zum Islam bekehren lies.
Auch, als die großen Reiche West­afrikas im 11. Jahrhun­dert zum Islam kon­vertierten und vom Tschad-See (Kanem-Bor­nu) und dem Niger (Ghana, Song­hay, Mali )aus der Islam weit­er in das Gebi­et ein­drang, blieb das annimistisch geprägte Leben der Land­bevölkerung erhal­ten. Mus­lime hat­ten — wie etwa aus dem Niger-Bogen berichtet wird — ihre eigene Stadt abseits der Königsstadt, sie führten ein eigen­ständi­ges Leben inner­halb der Kön­i­gre­iche, und wenn sich der Herrsch­er mit sein­er Fam­i­lie zum Islam bekehrte, dann war damit nicht auch gle­ichzeit­ig die Islamisierung des gesamten Staates ver­bun­den.
Islamis­che Ein­flüsse konzen­tri­erten sich auf die städtis­chen Zen­tren, wo die Reli­gion von einem Teil der herrschen­den Klasse und der aus­ländis­chen Ein­wohn­er aus­geübt wurde. Gegen Ende des 15. Jahrhun­derts began­nen dann zunächst die nomadis­chen Kun­ta-Araber, die Lehre des Islam zu predi­gen. Um die Mitte des 16. Jahrhun­derts begann die Qadiriyya-Brud­er­schaft, zu der auch die Kun­ta-Araber gehörten, den Islam im gesamten west­lichen Sudan zu ver­bre­it­en.  
Erst in dieser Zeit wan­delte sich der Islam von der bloßen “Herrschaft­sre­li­gion” zur Reli­gion des Einzel­nen, aber nichtis­lamis­che Herrscher­häuser regierten in alten Moslemhochbur­gen bis ins 18. Jahrhun­dert hinein. Dann begann eine Reform des Islam bei den Fulbe und anderen Stäm­men, die zugle­ich mit ein­er Ide­ol­o­gisierung und Radikalisierung einherging.

Beina­he gle­ichzeit­ig — ab dem 15. Jahrhun­dert — began­nen christliche Mis­sion­are aus den Han­dels- und Hafen­städten, von den Anker­plätzen der Kolo­nialflot­ten aus ihr zaghaftes Bekehrungswerk.
Freilich erst nur halb­herzig: denn in Kreisen der Kirche wurde erst noch dis­putiert, ob den Neger eine Seele hät­ten, die es zu ret­ten gelte. Diese Unentschlossen­heit war auch im merkan­tilen Inter­esse. Schließlich kon­nte ein see­len­los­er, zumin­d­est unge­taufter, Sklave nicht als “Brud­er in Chris­to” ange­se­hen wer­den, was dem Han­del mit Negersklaven nicht mit moralis­chen Skru­peln belastete.
Erst zur Kolo­nialzeit — vor allem im 19. Jahrhun­dert — begann eine mas­sive Bekehrungswelle von den Küsten aus.

Die Region zeich­net sich durch eine über­raschende Gemein­samkeit aus: Sudan-Afri­ka — von Sier­ra Leona am Atlantik bis nach Soma­lia — ist das Gebi­et, in dem die schon in der Antike beschriebene, vor islamis­che und bar­barischen Gen­i­talver­stüm­melung von Mäd­chen (Female Gen­i­tal Muti­la­tion, FGM) prak­tiziert wird. Der ara­bis­che Nor­den ist von dieser Folter wesentlich weniger, zum Teil gar nicht  betrof­fen, aber die südlich anschließen­den, schon seit jahrhun­derten islamisierten schwarzafrikanis­chen Gebi­ete sind eine Hochburg dieser abscheulichen Ver­stüm­melung. (Weit­ere Infor­ma­tio­nen zu FGM in West­afri­ka find­en sich in der 2006 erschiene­nen Studie des Kinder­hil­f­swerks ‘Plan’ Tra­di­tion and Rights: Female: Gen­i­tal cut­ting in West Africa (pdf-Datei))

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

Alle Beiträge ansehen von Team GlobDef →