Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “Marineforum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
(Der Autor studierte bis 2003 Geschichte und Politische Wissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München)
Foto: PLAN |
Die politische Situation Taiwans hat sich seit 1949/50 beständig verschlechtert. Zunächst unterstützten die USA Taipeh, da die Nationalchinesen als Gegenpol zur kommunistischen VR China unter Mao angesehen wurden.
Um 1970 begann sich das Blatt zu wenden. Zu diesem Zeitpunkt suchte die VR China Gespräche mit den USA — vor allem, weil man sich von der UdSSR abgewandt hatte — und hoffte Taiwan auf diesem Weg zu isolieren. Bereits ein Jahr später hatte man ein wichtiges Ziel erreicht. Auf Beschluss der Mehrheit der Generalversammlung der VN wurde die VR China als die legitime Vertreterin Chinas anerkannt, und Taiwan musste die VN und damit auch den ständigen Sitz im Sicherheitsrat verlassen. Auch die Anzahl der Nationen, die mit Taiwan diplomatische Beziehungen hatten, verringerte sich in dieser Zeit beträchtlich. “Ende 1978 entschloss sich die Carter-Administration schließlich auch dazu, den Preis zu zahlen, den die chinesische Führung für die Normalisierung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen forderte: Kündigung des amerikanisch-taiwanesischen Beistandspaktes von 1956 und Abbruch der diplomatischen Beziehungen zur Regierung in Taipeh.”
Ganz fallen ließ Washington Taipeh jedoch nicht, und so wurde Anfang 1979 der Taiwan Relations Act verabschiedet, der bis heute gültig ist und die amerikanischen Regierungen dazu verpflichtet, “die Verteidigungsfähigkeit Taiwans durch Waffenlieferungen sicherzustellen und der Insel im Fall eines Angriffs vom chinesischen Festland auch militärischen Beistand zu gewähren.”
Nach der Niederlage der Nationalchinesen und der Flucht Tschiang Kai Tscheks nach Taiwan (1949) war es zunächst oberstes Ziel der taiwanesischen Sicherheitspolitik, möglichst schnell Festlandchina zurückzuerobern. Bei der Sicherung des neuen Staates leisteten besonders die USA mit der Lieferung von Wehrtechnik Hilfe. Bereits in den 50-er Jahren erhielt die RoCN (Republic of China Navy) eine ganze Reihe von amerikanischen Landungsschiffen, Zerstörern und Fregatten.
Ausgebaut wurde vor allem auch die amphibische Kapazität. So verfügte Taiwan 1961 bereits über 1 LSD (Landing Ship Dock) und 20 LST´s (Landing Ship Tank) sowie einer Vielzahl kleinere Landungsfahrzeuge. Zwar wäre es damit kaum möglich gewesen, eine erfolgreiche Landung auf dem Festland durchzuführen. Trotzdem trugen diese Schiffe dazu bei, dass — trotz mehrmaliger Versuche in den 50-er Jahren — die Inseln Quemoy und Matsu nicht durch die VR China besetzt wurden. Die Rückeroberung des Festlandes blieb bis Anfang der 90-er Jahre fester Bestandteil der taiwanesischen Strategie.
Bis zur Mitte der 70-er Jahre kamen noch weitere Einheiten hinzu. So waren im Jahr 1975 insgesamt 19 Zerstörer und 13 Fregatten vorhanden. Heute präsentiert sich die taiwanesische Marine als relativ stark ausgerüstet. Neben 22 Fregatten zählen noch 12 Korvetten, fast 50 Flugkörperschnellboote, 4 U‑Boote, 12 Minensucher sowie immer noch eine — inzwischen aber in großen Teilen veraltete — amphibische Komponente zur RoCN. Des weiteren sind noch über 100 Patrouillenboote und Hubschrauber vorhanden. Die für ASW-Aufgaben genutzten Flugzeuge werden durch die Luftwaffe betreut. Die Marine besteht aus 32 500 Mann und 35 000 Marines, die zu großen Teilen auf den Inseln Quemoy und Matsu stationiert sind.
Sieben mal Kwang Hua
Noch in den 80-er Jahren waren fast alle Kriegsschiffe im Bestand der RoCN während des Zweiten Weltkriegs auf Werften in den USA entstanden. Ihr Ersatz wurde immer drängender. Man entwickelte man das Flottenbauprogramm Kwang Hua (ruhmreiches China), das insgesamt in 7 Unterprogramme aufgeteilt wurde. Parallel dazu begann man ab 1981 die vorhandenen ehemaligen US-Zerstörer nach den “Wu Chin I‑III” Standards umzubauen. Dieser Umbau beinhaltete den Einbau modernerer Waffen und Elektronik, konnte jedoch nur als Übergangslösung angesehen werden.
Chong Ho / Copyright: Michael Nitz |
Begonnen wurde das Ausbauprogramm mit dem Projekt Kwang Hua I, das bis heute den Bau von 8 Fregatten der US-amerikanischen OLIVER-HAZARD-PERRY-Klasse zum Inhalt hat. Jedoch wurden die taiwanesischen Schiffe nach dem modifizierten INGRAHAM FFG-61 Standard gebaut. Die ersten Schiffe dieser CHENG KUNG-Klasse wurden noch aus amerikanischen Materialpaketen zusammengesetzt, während die letzten Einheiten bereits aus eigener Produktion stammten. Trotzdem wurden zum Bau noch viele Teile, besonders im Bereich des Antriebs, der Elektronik und der Waffen aus den USA bezogen. Die letzte Einheit, die TIEN DAN, wurde Ende 2003 in Dienst gestellt. Damit konnte dieses Programm beendet werden. Eigentlich hätten die Schiffe ab der TIEN DAN mit dem SPY-1D Aegis ausgerüstet werden sollen. Es zeigte sich jedoch, dass dieses Radarsystem auf einem Schiff dieser Größe mit der vorhandenen Technologie nicht unterzubringen gewesen wäre.
Der nachfolgende, als Kwang Hua II bezeichnete Teil des Gesamtprogramms, beinhaltete den Kauf von 8 Fregatten, die auf dem französischen LA FAYETTE-Design fußten, von denen zunächst sogar 16 Stück hätten beschafft werden sollen, wovon dann jedoch auf Grund finanzieller Probleme Taiwans wieder Abstand genommen wurde. Diese Schiffe der KANG DING-Klasse zählen zu den modernsten, die im südostasiatischen Raum zu finden sind. Besonders hervorzuheben ist eine extreme Signaturreduzierung des Rumpfes und der Aufbauten, so dass die Fregatten bei einer Verdrängung von nominell ca.3500 ts nur die Radarsignatur eines 500-ts-Bootes haben. Damit ähneln sie für Aufklärungsflugzeuge der PLAN zunächst Fischtrawlern, die in diesem Seegebiet sehr häufig sind. Benannt sind die Einheiten nach Städten auf dem Festland, womit ein weiteres mal der Anspruch Taipehs auf diesen Teil Chinas untermauert werden soll.
La Fayette / Foto: ROCN |
Obwohl diese Schiffe eigentlich sehr modern sind, gab es dennoch seit der Übernahme von Frankreich immer wieder Probleme. Bis zu diesem Zeitpunkt war vor allem US-amerikanische Technologie in Diensten der RoCN. Nun kam jedoch auch französische hinzu und so stellte sich heraus, dass die amerikanischen und französischen Komponenten zu großen Teilen nicht miteinander kompatibel waren. Zwar arbeiten taiwanesische Informatiker bereits seit Beginn der 90-er Jahre an der nötigen Software, bis heute gelang es jedoch anscheinend nicht, diese Probleme zu beseitigen. So variiert die Software von Schiff zu Schiff.
Als dritter Teil des Kwang Hua-Programms begann man ab 1993 mit dem Bau kleiner Korvetten der JIN CHANG-Klasse. Diese Einheiten eignen sich vor allem als OPV (Offshore Patrol Vessel) in der EEZ (Exclusive Economic Zone). Sie sind eine rein taiwanesische Entwicklung und leicht mit Geschützen und FK-Systemen bewaffnet. Nach der Fertigstellung des ersten Fahrzeuges wurde der Bau der Klasse jedoch zunächst eingestellt. Angeblich soll es Probleme mit dem Rumpf und dem Feuerkontrollsystem gegeben haben. Der Hauptgrund für die vorübergehende Suspendierung dieses Programms dürfte jedoch in Unregelmäßigkeiten bei der Ausschreibung und der Auftragsvergabe dieses Projektes gelegen haben. So mussten zunächst Ermittlungen und Verfahren wegen Bestechlichkeit gegen verschiedene Marineoffiziere und Beamte der Rüstungsindustrie abgeschlossen werden, bevor der Auftrag für diese Schiffe erneut vergeben werden konnte. Dieses mal jedoch nicht mehr an die Lien Ho Shipbuilding in Kaohsiung, sondern an die CSBC (Chinese Shipbuilding Corporation), ebenfalls in Kaohsiung.
Um möglichst schnell weitere Schiffe zur U‑Jagd in Dienst zu stellen, entschloss sich die RoCN bei der US-Navy insgesamt zehn Fregatten der KNOX-Klasse zu beschaffen, wobei jedoch zwei Schiffe nur als Ersatzteilspender dienen. Besonders interessant ist, dass einige dieser Schiffe nur geleast ist, obwohl sie wahrscheinlich niemals wieder an die US-Navy zurückgegeben werden. Mit diesem Trick verhindern die USA, dass diese Schiffe umgebaut werden können. Möglich ist, dass Japan diesen Passus erwirkt hat, um die maritime Stabilität in dieser Region aufrecht zu erhalten. Da diese Schiffe sich anscheinend in einem sehr schlechten Zustand befinden, hat die RoCN bereits mit der Suche nach einem Nachfolgetyp begonnen. Im Rahmen von Kwang Hua VII sollen innerhalb der nächsten zehn Jahre sechs bis acht Fregatten beschafft werden. Sie sollen mit dem in Taiwan entwickelten Seeziel-FK Hsiung Feng II bewaffnet werden, der sich auch auf den meisten anderen Hauptkampfschiffen der RoCN findet. Wer Taiwan diese Schiffe jedoch liefern soll oder ob sie auf heimischen Werften gebaut werden, ist noch nicht klar.
Bei dem Teil des Programms, der noch am wenigsten fortgeschritten ist, handelt es sich um die Kwang Hua V Klasse — die Beschaffung von 10 bis 16 Korvetten von 1000 ‑1500 ts. Sie sollen vor allem als Unterstützungseinheiten für größere Schiffe, beispielsweise der CHENG KUNG-Klasse zum Einsatz kommen. Dieses Projekt leidet jedoch bis heute an Geldmangel. Zunächst plante man anscheinend, die Schiffe in der Bundesrepublik nach dem bewährten MEKO-Konzept zu beschaffen. Jedoch lehnte der Bundessicherheitsrat ein Lieferung solcher Schiffe bereits im Januar 1992 ab. Zwar wurde dieses Projekt Ende 1997 noch einmal wiederbelebt, bis heute hat die RoCN jedoch anscheinend noch keinen internationalen Partner dafür gefunden. Möglicherweise bemüht man sich jetzt, ähnlich wie schon bei Kwang Hua I, sich auch bei Kwang Hua V an das Littoral Combat Ship-Vorhaben der US-Navy anzubinden und einige solche Schiffe mit US-Materialpaketen auf einheimischen Werften zu bauen.
Als Ersatz für die langsam in die Jahre kommenden FK-Schnellboote der HAI OU-Klasse wird bereits ab Mitte der 90-er Jahre die Kwang Hua VI-Klasse entwickelt. Ersten im Internet veröffentlichten Bildern zur Folge verfügen diese Schiffe über ein signaturreduziertes Aussehen. Die Indienststellung des Typbootes dürfte unmittelbar bevorstehen.