USA — Stiletto Experimentalboot im realen Einsatz

Das von der kali­for­nischen Fir­ma »M Ship Com­pa­ny« ent­wor­fene Boot hat zwei Beson­der­heit­en: die Rumpf­form sowie das als »elek­tro­n­is­ch­er Kiel« beze­ich­nete Computernetzwerk. 

 - Foto: US Navy

Die Entwick­lungs­fir­ma hat die M‑förmige »M‑Hull« Rumpf­form in den USA und Europa paten­tieren lassen. Die bre­ite Vorder­front des Boots fängt die Bug­welle ein und leit­et die Wellenen­ergie unter den Rumpf. »Die M‑Hull Form bewirkt einen natür­lichen ›Ober­fläch­en­ef­fekt‹, der nicht nur die Leis­tung bei Höch­st­fahrt opti­miert, son­dern die Energie der Bug­welle ver­wen­det, um die all­ge­meine Heck­welle zu reduzieren«, erk­lärt Bill Burns, Mit­be­grün­der der Fir­ma M Ship Company.»Dadurch wird das Boot schneller und manövri­er­fähiger, da es flach auf dem Wass­er bleibt, fast ohne Krän­gung, selb­st bei Hochgeschwindigkeitswen­dun­gen. Die niedrige Sil­hou­ette ver­lei­ht dem Boot auch eine geringe Radarsignatur.« 

Beson­ders wichtig ist die Tat­sache, dass die kör­per­liche Belas­tung der Besatzung durch diesen Ober­fläch­en­ef­fekt um 30 bis 50 Prozent reduziert ist im Ver­gle­ich zu gängi­gen mil­itärischen Schnell­booten wie RHIB oder Mk V, die bei Hochgeschwindigkeits­fahrten ständig mit hoher Wucht auf das Wass­er auf­schla­gen. Die Besatzung der Mk V Boote des Navy Spezialein­satzkom­man­dos ist beispiel­sweise Kräften bis zu 20 G aus­ge­set­zt, erk­lärt Dr. Damon Shear­er, San­ität­sof­fizier der US-Navy Spe­cial War­fare Group 4 – dop­pelt so viel wie die Fliehkraft in einem Jagdflugzeug. Ver­let­zun­gen sowie langfristige schwere Gelenk- und Rück­gratschä­den sind die Folge. Auch ohne Ver­let­zun­gen kom­men die SEALs durch diese Belas­tung oft erschöpft am Ein­sat­zort an, erk­lärt Dr. Shearer. 

Eben­so wichtig wie das Boot ist allerd­ings die Ausstat­tung. Das Bootsin­nere ist mit ein­er Vielzahl Com­put­er und Arbeitssta­tio­nen aus­ges­tat­tet. Der STILET­TO-Pro­gram­m­man­ag­er, US-Navy Cap­tain James Hrus­ka, erk­lärt: »Jed­er schaut auf die Rumpf­form und über­sieht dabei den ›elek­tro­n­is­chen Kiel‹. Dieser beste­ht aus einem aus­ge­feil­ten 1 Giga­byte Eth­er­net, das vom Bug bis zum Heck ver­läuft und über­all das zügige Anschließen von elek­tro­n­is­ch­er Aus­rüs­tung nach dem Plug-and-Play Ver­fahren erlaubt. Egal welche Sen­soren an Bord gebracht wer­den, sie sind schnell angeschlossen (…) Der ›elek­tro­n­is­che Kiel‹ erle­ichtert und beschle­u­nigt die Erprobung neuer Technologien.« 

Beschaf­fung fraglich

STILETTO Eig­nung für den Spezialkräf­teein­satz ste­ht fest. Bere­its die reduzierte Ver­let­zungs­ge­fahr bei schneller Ein­satz­fahrt bedeutet eine de fac­to Kräftesteigerung für die stark beansprucht­en Spezialkräfte. STILETTO Leis­tung (Tief­gang, Reisegeschwindigkeit, volle Ein­satzfähigkeit bei SS 4, RHIB-Ein­satz) ist der des Mk V Schnell­boots über­legen. Die von Cap­tain Hrus­ka beschriebene Möglichkeit, beliebige Aus­rüs­tung zügig einzubauen und anzuschließen, wäre ein weit­er­er Plus­punkt für die auf Flex­i­bil­ität angewiese­nen Spezialkräfte. Die Kosten STILETTO (Boot: sechs Mil­lio­nen Dol­lar; elek­tro­n­is­che Ausstat­tung weit­ere vier bis sechs Mil­lio­nen) liegen im Nor­mal­bere­ich für solche Fahrzeuge. 

Den­noch ist es fraglich, ob sich das Pen­ta­gon nach rund vier­jähriger Erfahrung mit dem Boot entschließt, eine begren­zte Serien­pro­duk­tion einzuleit­en. Grund­sät­zlich spräche einiges für eine Beschaf­fung in begren­zten Stück­zahlen direkt durch das TSK-gemein­same Spezialkräf­teoberkom­man­do (Spe­cial Oper­a­tions Com­mand – SOCOM). Die Spezialkräfte wer­den gegen­wär­tig weit­er aus­ge­baut und die Ein­satzszenar­ien in den »braunen Gewässern« Lateinamerikas, aber vor allem Afrikas und Asiens, nehmen zu. SOCOM hat ein eigenes, von den TSK unab­hängiges Beschaf­fungssys­tem und erhält weit­ge­hend freie Hand bei der Entschei­dung über notwendi­ge Erwer­bun­gen. Die US-Regierung hat die ver­tragliche Option, beliebig viele STILETTO – ob für das Mil­itär oder für andere Behör­den – bei M Ship in Auf­trag zu geben. 

Allerd­ings verneint Cap­tain Hrus­ka eine Kau­fab­sicht seit­ens des Militärs.»Wir streben keine STILETTO ‑Flotte an« sagt der Kapitän, mit dem Zusatz, dass das Pen­ta­gon nie vorhat­te, das Exper­i­men­tal­boot langfristig zu behal­ten. »Zu irgen­deinem Zeit­punkt wer­den wir das Boot abgeben.« Cap­tain Hrus­ka sieht eines der im SOUTHCOM Zuständigkeits­bere­ich täti­gen Polizei- oder Gren­zschutzbe­hör­den als wahrschein­lichen Abnehmer des Erprobungsmod­ells, sodass STILETTO voraus­sichtlich ständig in die Dro­gen­pa­trouillen der Karibik einge­bun­den wird. 

Fest ste­ht, dass die Erken­nt­nisse aus der STILETTO Erprobung großes Inter­esse an der poten­ziellen Ver­wen­dung der M‑Hull Tech­nolo­gie beim kün­fti­gen Boots- und Schiffs­bau geweckt hat. Grund­sät­zlich geht der Entwick­ler davon aus, dass Ein­heit­en von 2,5 bis zu 60 Metern Länge mit dieser Rumpf­form gebaut wer­den kön­nten – kün­ftig kön­nten also Küsten­schutz- und Patrouil­len­fahrzeuge, Tor­pe­do­boote oder Minen­räum­boote die »Fle­d­er­maus­form« nehmen. Dabei ist die Ver­wen­dung nicht auf das Mil­itär beschränkt. Auch Polizei und Gren­zschutzkräfte gel­ten als poten­zielle Abnehmer von M‑Hull Booten. 

Bere­its Ende 2008 bewil­ligte der US-Kongress zwei Mil­lio­nen Dol­lar für die Entwick­lung eines 11 Meter lan­gen »schock­min­imieren­den« M‑Hull Konzept­bootes, das die RHIB Schnell­boote der Spezialkräfte erset­zen kön­nte. Die Navy vere­in­barte zwis­chen­zeitlich mit M Ship auch ein Grund­satz­abkom­men über die Erprobung der M‑Rumpf Tech­nolo­gie für die Entwick­lung unbe­man­nter Über­wasser­boote. Unab­hängig davon, ob SOCOM sich let­z­tendlich für eine Direk­tbeschaf­fung STILETTO entschei­det, wird das neue Konzept wohl keine Ein­tags­fliege bleiben. 

Team GlobDef

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