Beschaffung unerlässlich
Die Konzeptentwicklung für einen AAV7 Nachfolger begann bereits 1988. Im Jahr 1996 gewann die Firma General Dynamics den Auftrag für die Entwicklung des neuen amphibischen Schützenpanzers, damals noch unter dem Programmnamen »Advanced Amphibious Assault Vehicle« (die Umbenennung in Expeditionary Fighting Vehicle erfolgte im September 2003). Nach ursprünglicher Planung sollte die vorläufige Einsatzbereitschaft des ersten EFV-Zuges (14 Schützenpanzer, zum Transport einer Infanteriekompanie) bereits 2006 erfolgen, doch musste das Entwicklungsprogramm aufgrund von Etatkürzungen, Kostensteigerungen sowie technischen Problemen mehrmals verlängert werden.
Nach dem Scheitern der von General Dynamics 2001 bis 2006 erbauten Prototypen in einem umfassenden Testverfahren des Marine Corps im Jahr 2006 ordnete das Pentagon schließlich eine eingehende Umarbeitung des EFV-Entwurfs an. General Dynamics muss danach sieben neue Prototypen liefern und die gesamte Systementwicklungs- und Demonstrationsphase (SDD) von vorne durchlaufen. Abschluss dieser zweiten SDD-Phase ist Ende 2011. Die Produktion in geringen Stückzahlen soll 2012 beginnen, mit anschließender dreijähriger Einsatzerprobung. Indienststellung des ersten Zuges soll 2015 möglich sein. Die vollständige EFV-Beschaffung soll nach gegenwärtiger Planung im Jahr 2025 abgeschlossen werden. Nach ursprünglicher Planung sollten 1.013 neue Schützenpanzer erworben werden, um die 1.322 AAV7 des Marine Corps abzulösen.
Anfang 2007 wiesen die neuen strategischen Planungsvorgaben des Pentagons das Marine Corps jedoch an, die Zusammensetzung seines Fahrzeugbestandes neu zu bewerten, um die Mobilität und Einsatzfähigkeit entlang des gesamten Konfliktspektrums zu optimieren. Im Klartext: Die Marines sollten Geld für die Beschaffung der neuen, gegen Minen und Straßenrandbomben geschützten MRAP-Fahrzeuge freisetzen. Daraufhin wurde die vorgesehene Expeditionary Fighting Vehicle Beschaffung auf 593 Schützenpanzer (inklusive der Prototypen) reduziert. Die gesamten EFV-Programm- und Beschaffungskosten dürften nach jüngsten Schätzungen (Mai 2008) 13,2 Milliarden Dollar betragen. Die Stückkosten des Schützenpanzers belaufen sich somit auf rund 22,3 Millionen Dollar.
Die reduzierte Beschaffung wird mit dem Argument gerechtfertigt, dass das Marine Corps dadurch auf ein möglichst breites Einsatzspektrum ausgerichtet wird. Für Stabilisierungseinsätze sind Humvees und MRAP Fahrzeuge geeigneter als amphibische Fahrzeuge oder schwere Kampfpanzer. Ohnehin reicht der Bestand an amphibischen Kriegsschiffen nur für den gleichzeitigen Landungseinsatz von zwei Marine Expeditionary Brigaden – von dieser Warte her reichen 593 EFV tatsächlich aus.
Diese Mindestfähigkeit für amphibische Einsätze will und muss das Marine Corps allerdings wahren, um den US-Streitkräften möglichst große Flexibilität in Krisenzeiten zu gewährleisten. EFV ist daher das einzige USMC-Beschaffungsprogramm der Kategorie I (oberste Priorität). Trotz des nicht zufrieden stellenden Verlaufs der ersten SDD-Phase gibt es laut offizieller Pentagon-Feststellung derzeit keine realistische Alternative zu EFV, um die expeditionäre Kampfkraft des Korps künftig zu gewährleisten.
Erst im Mai dieses Jahres unterstrich auch General James Conway, Oberbefehlshaber des US-Marine Corps, während eines Interviews die Notwendigkeit der EFV-Beschaffung. »Wir brauchen diese Fähigkeiten unbedingt, weil rund um die Welt die gegnerischen Möglichkeiten zunehmen, unseren Schiffen den Zugang zur Küste zu verwehren«, erklärte Conway. »Selbst Hisbollah setzte [Antischiffsraketen] 2006 während des Konflikts mit Israel ein. Also will die Navy ihre großen teueren Schiffe und meine Marines nicht näher als 25 Meilen an den Strand bringen. (…) Ergo ist die Beschaffung dieses Fahrzeugs unerlässlich, sowohl in der Eigenschaft als schnelles amphibisches Landungsfahrzeug wie als Schützenpanzer.«
Der General betonte auch die Dringlichkeit der Beschaffung: »Ich bin gerade aus der Volksrepublik China zurückgekommen. Dort fuhr ich in dem chinesischen Äquivalent des EFV mit. Ihres ist schon einsatzbereit«.