Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “Marineforum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Russlands konventionelle U‑Boote der vierten Generation
(Hans Karr ist in der Redaktion des MarineForum zuständig für den Bereich Marinerüstung)
Auf der IDEX 93 (International Defence Exhibiton & Conference) in Abu Dhabi überraschte die für den Rüstungsexport zuständige staatliche russische Handelsorganisation Rosvoorouzhenie die Fachwelt mit einer neuen U‑Boot-Generation. Unter der Bezeichnung AMUR wurde eine regelrechte U‑Boot-Familie angeboten.
Die Konstruktionspläne stammen vom Entwicklungs- und Konstruktionsbüro RUBIN aus Sankt Petersburg. Je nach Schwerpunktbildung hinsichtlich Einsatzoptionen, Reichweite, Geschwindigkeit, Bewaffnung oder Ausrüstung konnte der potenzielle Kunde in der Größenordnung von 700 t bis 2.600 t Wasserverdrängung seine Auswahl unter fünf verschiedenen Modellen treffen. Wenige Jahre später war es allerdings mit dieser Vielfalt vorbei und auf den Rüstungsmessen wurden nur noch die Typen AMUR 950 und AMUR 1650 gezeigt.
Um ihren innovativen Charakter zu betonen, werden sie auch als “konventionelle U‑Boote der vierten Generation” bezeichnet. Sie verdrängen 1.100 t bzw. 1.800 t und sollen die im Export so erfolgreiche KILO-Klasse ablösen. Mit der nun erfolgten Konzentration auf diese beiden Modelle, die mit ihren technischen Eigenschaften zudem in der Mitte des vorher offerierten Typenspektrums angesiedelt sind, versprach man sich offensichtlich mehr Erfolg bei der Vermarktung.
Auf der Admiralitätswerft in Sankt Petersburg fand am 26.12.97 unter großer Beteiligung der Medien die Kiellegung zweier konventioneller U‑Boote statt. Der Bau wurde von der Werft, so die damaligen Angaben, auf eigene Rechnung begonnen. Eine Einheit mit der Klassenbezeichnung LADA (Projekt 677) sollte für die russische Marine und die andere als Exportvariante AMUR 1650 (Projekt 677E) für eine nicht näher genannte ausländische Marine gebaut werden. Die Ablieferungen wurden für die Jahre 2001 und 2002 angekündigt.
Auf den Rüstungsmessen dienten die Neubauten von nun an als Referenzen für die neue russische U‑Boot- Entwicklung. In der Fachwelt kamen häufig und zumeist auf spekulativer Basis als mögliche ausländische Kunden die Volksrepublik China und Indien in die Diskussion. Beide Länder waren zu dieser Zeit auf der Suche nach neuen U‑Booten.
Wie man heute weiß, hat weder die eine noch die andere Marine dem Typ AMUR 1650 den Zuschlag gegeben. Die chinesische Marine bevorzugte die KILO-Klasse, von der sie bereits vier Einheiten in Dienst hat, und orderte im Mai 2002 nochmals acht weitere Einheiten, deren Auslieferung vermutlich in diesem Jahr abgeschlossen sein wird. Indien hat sich nach langen Verhandlungen jüngst für sechs U‑Boote der französisch-spanischen SCORPENE-Klasse entschieden und will diese selbst auf eigener Werft in Lizenz bauen.
Der Baufortschritt beider U‑Boote in Sankt Petersburg kam jedoch scheinbar recht bald aus finanziellen Gründen ins Stocken. Auch in der Berichterstattung der Fachpresse wurde es still um die beiden Schiffe und die angekündigten Ablieferungstermine verstrichen. Anfang 2003 war die Variante AMUR 1650 angeblich erst zu 30 Prozent fertig. Ansonsten sind seither hierüber keine weiteren Informationen in die Öffentlichkeit gelangt. Offenbar stagniert der Bau, da sich bis heute kein Käufer für das Boot gefunden hat.
Andererseits gab es am 28.10.04 mit dem Stapellauf des LADA-Bootes auch wieder Bewegung in dem Vorhaben. Auf den Namen SANKT PETERBURG getauft, ging das Boot dann recht zügig seiner Fertigstellung entgegen und war auf der Marinemesse IMDS 2005 (International Maritime Defence Show) in Sankt Petersburg Ende Juni 2005 zu sehen.
Derzeit führt es die Seeerprobungen durch und mit der baldigen Indienststellung ist zu rechnen. Zwischenzeitlich bestellte die russische Marine noch eine zweite Einheit der SANKT PETERBURG- /LADA-Klasse, die am 28.07.05 als KRONSTADT auf Kiel gelegt wurde. Die Ablieferung ist für 2008 / 2009 geplant. Für 2007 ist bereits der Baubeginn eines dritten U‑Bootes avisiert, das dann 2010 übergeben werden soll. Im Zusammenhang mit der SANKT PETERBURG-Klasse wurde bereits, allerdings ohne direkte Zuordnung, der Name Peterhof genannt.
Ob diese Planungen bei der permanent kritischen Finanzlage der russischen Marine auch tatsächlich verwirklicht werden, bleibt abzuwarten. Der tatsächliche Baufortschritt bei der KRONSTADT und die angekündigte Kiellegung der dritten Einheit werden letztendlich Messlatte und Maßstab für die Umsetzung des Beschaffungsvorhabens sein.