Deutschland — Minentaucher erproben Einsatz eines Autonomen Unterwasserfahrzeuges

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Deutsche Marine — Minen­tauch­er erproben mod­ern­ste Tech­nolo­gie — Ein­satz eines Autonomen Unter­wasser­fahrzeuges (AUV)

Unter­stützung für die Minen­tauch­er: Die Drohne REMUS in der Erprobung, sie kann mit einem einzi­gen Arbeits­gang Dat­en über Wasser­tiefe, Wassertem­per­atur und den Salzge­halt liefern. Außer­dem fer­tigt sie unter anderem Sonar­bilder und Seekarten auf denen Minen fast wie auf einem Foto unter Wass­er zu erken­nen sind.
Bildquelle: Deutsche Marine

Glücks­burg / Eck­ern­förde — Seit einiger Zeit testen die Minen­tauch­er der SEK M (Spezial­isierte Ein­satzkräfte der Marine) ein hochmod­ernes Gerät zur Detek­tion von Seem­i­nen und zur Unter­suchung des Meeres­bo­dens, ein soge­nan­ntes Very Shal­low Water (VSW) AUV. Dieses Gerät kann die Leis­tung eines Minen­tauch­ers bei der Suche nach Minen, Muni­tion und anderen Gegen­stän­den am Meeres­grund um ein Vielfach­es steigern und die hochw­er­tige Ressource Minen­tauch­er auf die wesentlichen Auf­gaben begren­zen Minen­ver­nich­tung bzw. Unschädlich­machen von Minen und anderen Explo­sivstof­fen. AUVs sind das Mit­tel der (nahen) Zukun­ft, um Minen­ab­wehr auf Reeden, in Häfen oder im Vorstrand­bere­ich erhe­blich zu beschleunigen. 

Das Sys­tem
Mit nur 37 kg Gewicht ist das VSW AUV in der Lage, 100m tief zu tauchen und viele Stun­den unter Wass­er zu bleiben. Aus­ges­tat­tet mit einem han­del­süblichen Side Scan Sonar taucht es 2–3m über Grund und erzielt eine Such­streifen­bre­ite von ca. 15m ‑20m zu jed­er Seite. Bei ein­er Suchgeschwindigkeit von 3 Knoten ist die max­i­male Ein­satz­dauer von 22 Stun­den zu erre­ichen; selb­st bei 5 Knoten sind noch 8 Stun­den Ein­satz­dauer durch dieses 160cm lange Gerät zu erzie­len. Par­al­lel zum Sonarein­satz wer­den Wassertem­per­atur, Salin­ität und Wasser­tiefe gemessen und in einem Karte­nauss­chnitt anschließend zur Ver­fü­gung gestellt. Die Nav­i­ga­tion erfol­gt durch ein Long Base­line Sys­tem (akustis­ches Posi­tion­ierungssys­tem) oder Dead Reck­on­ing (Kop­pel­nav­i­ga­tion).

Abb.1 Das VSW AUV-Erprobungs­gerät, “Remus-Drohne”, der Minen­taucherkom­panie.
Bildquelle: Deutsche Marine

Der Per­son­alaufwand für den Ein­satz ist denkbar ger­ing: Entwed­er von einem Schlauch­boot aus auf See oder ein­er Pier im Hafen, kann das Gerät von lediglich zwei Mann zu Wass­er gebracht wer­den. Vor Beginn des Ein­satzes wird die Mis­sion an einem Lap­top genau geplant, während die Bat­te­rien des AUVs nachge­laden wer­den. Nach weni­gen Minuten ist die Mis­sion­s­pla­nung abgeschlossen, dann wird das AUV durch die Bor­dbe­satzung des Schlauch­bootes zu Wass­er gelassen. Nach Pla­nung der Mis­sion wer­den die bei­den Transpon­der­bo­jen aus­ge­bracht, die die Unter­wasser­nav­i­ga­tion des AUVs ermöglichen. Anschließend geht das AUV selb­st zu Wass­er und fährt sekun­den­ge­nau seine Mis­sion ab. Es wirkt verblüf­fend, wie präzise es seine Mis­sion abfährt und exakt am vorge­planten Ort wieder auf­taucht. Nach Ende der Mis­sion wer­den die Ergeb­nisse der Mis­sion herun­terge­laden und die Akkus neu aufge­laden — ein Vor­gang, der zwis­chen 10 und 20 Minuten dauert. Im Anschluss kann die zwis­chen­zeitlich neu geplante Mis­sion aufge­spielt wer­den und ein neuer Ein­satz des AUV beginnen. 

Oper­a­tive Erfahrun­gen
Die Deutsche Marine hat mit dem VSW AUV bere­its eigene Marinestützpunk­te, Übungsmi­nen­felder und Reeden abge­sucht sowie diesen in Vor­bere­itung des G8-Gipfels vor Heili­gen­damm einge­set­zt (in Amt­shil­fe der Polizei). Das Gerät kann auf­grund sein­er gerin­gen Abmes­sun­gen und Masse kurzfristig per LKW, Hub­schrauber oder Schiff an seinen Ein­sat­zort ver­bracht wer­den. Das AUV ist auch für Oper­a­tio­nen mit geringer Sicht­barkeit (verdeck­te Oper­a­tio­nen) geeignet. 

Abb 3. Wasser­fall­bild der “Remus-Drohne”.
Bildquelle: Deutsche Marine

Es kann in allen Gewässern einge­set­zt wer­den, in denen sich­er mit Schlauch­booten operiert wer­den kann, also auch in Bin­nengewässern und Flüssen. Auf­grund sein­er hohen Wendigkeit kann das AUV bis in fast jede kleine Ecke eines Hafen­beck­ens ein­fahren. Seine Gren­zen find­et das Sys­tem bei stark­er Strö­mung und größerem Seegang. 

Genauer als jed­er Tauch­er es kann, wer­den lokalisierte Objek­te auf dem Meeres­bo­den kar­tografiert und kön­nen so in Daten­banken beim Mine War­fare Data Cen­ter (MWDC) eingepflegt wer­den. Die “einge­fahre­nen” Sonar­bilder wer­den zu einem soge­nan­nten Mosaik (Abb.7: Son­ar­mo­saik des ehe­ma­li­gen Marinestützpunk­tes Olpenitz) zusam­menge­fügt und ergeben so eine detail­ge­naue Abbil­dung der Bodenkon­tak­te in Form ein­er Bodenkarte, die auch gewisse Rückschlüsse auf die Bodenbeschaf­fen­heit zuläßt. Weit­er wer­den diverse Daten­lay­er erzeugt. So wer­den neben den gesam­melten Sonar­bildern Karten mit der Wasser­tiefe des Seege­bi­etes, der Salin­ität sowie den Wassertem­per­a­turen erstellt. Es wer­den auf diese Weise qua­si als Neben­pro­dukt diverse Infor­ma­tio­nen gesam­melt, die auch für nach­fol­gende Oper­a­tio­nen von großem Wert sein kön­nen. Sie find­en Ein­gang in das MWDC

Die Auswer­tung
Nach­dem die Dat­en aus dem AUV aus­ge­le­sen wur­den, schaut sich der Oper­a­tor die einzel­nen “Wasser­fall­bilder” (Abb.3: Wasser­fall­bild) an und unter­sucht sie auf minenähn­liche und andere kün­stliche Objek­te. Ein kleines Soft­ware-Werkzeug hil­ft ihm, die detek­tierten Objek­te zu klas­si­fizieren; dazu wer­den die Länge und die Bre­ite des Objek­tes anhand seines Sonarschat­tens ver­messen. So kön­nen z.B. zu kleine, muni­tion­sun­typ­is­che Objek­te aus­geschlossen wer­den, denn bei ein­er Sonar­fre­quenz von 900 kHz wer­den kleinere Kon­tak­te wie sog­ar Cola­dosen abge­bildet. Die Kon­tak­te wer­den markiert und erscheinen anschließend als Posi­tio­nen auf der Auswertekarte mit den abge­fahre­nen Such­streifen (Abb. 4: Tracks). Eine Zuord­nung der numerisch beze­ich­neten Posi­tio­nen mit den Sonar­bildern ermöglicht so z.B. eine detail­lierte Analyse mit Sonar­dat­en ander­er Sys­teme und eine ein­deutige Zuord­nung für die Minen­jagddaten­bank. Heutige AUVs sind bis­lang nicht in der Lage, Muni­tion zu ver­nicht­en oder auf andere Art unschädlich zu machen. Hier ist nach wie vor die Exper­tise der Minen­tauch­er gefragt. 

Zunächst aber wer­den die durch AUVs gewonnenen und anschließend bew­erteten (klas­si­fizierten) Kon­tak­te durch Minen­tauch­er iden­ti­fiziert. Eine mit­ge­führte Dig­italk­a­m­era liefert die fotografis­che Doku­men­ta­tion für die Minen­jagddaten­bank des MWDC und macht die Iden­ti­fizierung der Kon­tak­te nachvol­lziehbar (ver­gle­iche hier Kon­takt 14, Foto Abb.5+6). Abhängig von der Umwelt und mar­iti­men Infra­struk­tur wird dann entsch­ieden, wie die erkan­nte Muni­tion unschädlich gemacht wird. 

Der oper­a­tive Nutzen

Abb 4. Bild des Kon­tak­ts, das mit der “Remus-Drohne” aufgenom­men wurde.
Bildquelle: Deutsche Marine

VSW AUVs, gerne als ver­längert­er Arm der Minen­tauch­er beze­ich­net, liefern präzise und anders als bei Minen­tauch­ern nachvol­lziehbare Doku­men­ta­tio­nen. Diese AUVs eignen sich zum Ein­satz auf Reeden, in Strand­nähe und in Häfen oder anderen Off­shore Instal­la­tio­nen sowie in Bin­nengewässern. Hier ist es endlich möglich, dass das Gese­hene durch andere, nicht beim Tauch­gang Beteiligte mit aus­gew­ertet wer­den kann und anschließend die Dat­en in ein­er Minen­jagddaten­bank abgelegt wer­den kön­nen. Bestechend ist der Zeitvorteil gegenüber Minen­tauch­ern und die um ein Vielfach­es größere Flächen­such­leis­tung. Unter opti­malen Bedin­gun­gen rech­nen wir bei einem Minen­tauch­er mit ein­er Suchgeschwindigkeit von 0,5 Knoten und ein­er Such­streifen­bre­ite von 3m. Dies entspricht ein­er abge­sucht­en Fläche von knapp 3000 qm pro Stunde. 

Ein VSW AUV schafft durch­schnit­tlich 3 Knoten bei ein­er angenomme­nen Such­streifen­bre­ite von 2x20m. Dies entspricht ein­er the­o­retis­chen Such­fläche von deut­lich über 200.000 qm pro Stunde. Durch die anschließende Date­n­analyse und die Tauchgänge zur Iden­ti­fizierung der Kon­tak­te reduziert sich zwar diese Flächen­such­leis­tung um bis zu 50% auf die effek­tive Flächen­such­leis­tung. Dies ist allerd­ings immer noch mit mehr als 100.000 qm pro Stunde ein beein­druck­ender Wert. 

Auf­grund der spe­icherbaren Sonar­bilder ist auch eine soge­nan­nte Change Detek­tion möglich, hierunter wird ein Vorher-Nach­her-Ver­gle­ich von Sonar­bildern aus dem­sel­ben Gebi­et ver­standen. So müssen lediglich neu hinzugekommene Kon­tak­te iden­ti­fiziert wer­den, was Minen­ab­wehrop­er­a­tio­nen deut­lich beschleunigt. 

Oper­a­tive und tech­nis­che Kon­se­quen­zen

Abb 5. Der Kon­takt ent­pup­pt sich als Betonpfeil­er mit eck­igem Bauteil.
Bildquelle: Deutsche Marine

VSW AUVs haben ihre Bedeu­tung in der Minen­ab­wehr mehr als deut­lich nachgewiesen. An den Erfahrun­gen des geschilderten Erprobungsträgers wird deut­lich, wie wichtig die Ein­führung eines der­ar­ti­gen Sys­tems für die Deutsche Marine ist. Die oben geschilderten Vorteile gilt es nun in ein­er geschick­ten Kom­bi­na­tion aus Minen­tauch­ern und AUVs zu nutzen. Der Minen­tauch­er braucht nicht mehr für die aufwendi­ge Flächen­suche einge­set­zt zu wer­den, son­dern er wird nur zur Relokalisierung, Iden­ti­fizierung und anschließen­den Ver­nich­tung der Minen gefordert. Liegt die Muni­tion in der Nähe von empfind­lich­er Infra­struk­tur, muss sie erst mit­tels Hebe­bal­lons und Schlauch­booten durch die Minen­tauch­er an einen sicheren Ort ver­schleppt wer­den (das sog. Remove), bevor sie ver­nichtet wer­den kann. 

So ist es möglich, in ein­er sin­nvollen Kom­bi­na­tion das AUV zur Flächen­suche einzuset­zen, während die Minen­tauch­er die Sonar­bilder auswerten, um dann anschließend nur die Posi­tio­nen anzu­tauchen, an denen die Sonar­bilder minenähn­liche Kon­tak­te zeigen. Bei einem richti­gen Mix aus mehreren AUVs und Minen­taucherteams ist man so in der Lage, eine Minen­räu­m­op­er­a­tion in einem Hafen deut­lich schneller als bish­er zu Ende zu führen. Hier ist der par­al­lele Ein­satz von mehreren AUVs denkbar, um so sehr zeitkri­tisch einen Hafen auf die Anwe­sen­heit von Muni­tion abzusuchen 

Erkennbar ist allerd­ings auch, dass mit AUVs der Umfang von Mine War­fare Data erhe­blich steigen wird. Es wer­den zukün­ftig in kurz­er Zeit große Daten­men­gen aufkom­men, die zu analysieren und zu doku­men­tieren sind. Hier gilt es, die Mine War­fare Data Cen­ters (im Ein­satzge­bi­et wie auch im Heimat­land) in ihren Kapaz­itäten zu über­prüfen und regelmäßig an die neuen Anforderun­gen anzupassen. 

Iden­ti­fy, Remove und Ren­der Safe (sicheres Bergen von Muni­tion) sind Auf­gaben, die bis­lang nur Minen­tauch­er leis­ten kön­nen. Hier ist es erforder­lich, zukün­ftig einen Schw­er­punkt in Forschung und Entwick­lung zu bilden und somit den wertvollen Minen­tauch­er, das Per­son­al noch bess­er zu schützen und weniger Risiken auszusetzen. 

Aber auch in der AUV-Tech­nolo­gie gilt es hier die Entwick­lung voranzutreiben. Unter­suchenswert ist die Schwarm-Tech­nolo­gie, der par­al­lele Ein­satz und die Inter­ak­tion von mehreren AUVs. Es ist sin­nvoll, Ver­fahren zu entwick­eln, die eine autonome Iden­ti­fizierung von Minen und ander­er Muni­tion ermöglichen. Um die Ver­nich­tung von Muni­tion mit AUVs voranzutreiben, ist es weit­er erforder­lich autonome Ver­fahren zu entwick­eln, die eine Ver­nich­tung von Muni­tion ohne Kol­lat­er­alschä­den ermöglichen. 

Zusam­men­fas­sung und Aus­blick

Unter­stützung für die Minen­tauch­er: Die Drohne REMUS in der Erprobung, sie kann mit einem einzi­gen Arbeits­gang Dat­en über Wasser­tiefe, Wassertem­per­atur und den Salzge­halt liefern. Außer­dem fer­tigt sie unter anderem Sonar­bilder und Seekarten auf denen Minen fast wie auf einem Foto unter Wass­er zu erken­nen sind.
Bildquelle: Deutsche Marine

Heutige VSW AUVs führen in der Minen­ab­wehr zu ein­er deut­lichen Qual­itäts- und Leis­tungssteigerung. Auf­grund ihrer erhöht­en Minen­jagdef­fek­tiv­ität ermöglichen sie eine deut­liche Beschle­u­ni­gung von Minen­ab­wehrop­er­a­tio­nen. Kurz und ganz sim­pel gesagt: Will man Minen­ab­wehrop­er­a­tio­nen beschle­u­ni­gen, ist es nur eine Frage, wie viele AUVs (und Minen­tauch­er) man gewil­lt ist einzuset­zen. Den­noch ist auch über die Weit­er­en­twick­lung von AUVs nachzu­denken, um ihre Fähigkeit­en zur Ver­nich­tung von Muni­tion voranzutreiben. 

Zum Autor Fritz-Rüdi­ger Klocke ist Fre­gat­tenkapitän und im Glücks­burg­er Flot­tenkom­man­do Dez­er­nent für Minen­ab­wehr und Minenein­satz und als solch­er zuständig für die Minen­taucherkom­panie. Als Kom­man­dant fuhr er auf Minen­such­booten sowie Minen­jagdbooten und nahm mehrfach an OPEN SPIRIT teil. Seit 2001 ist er dien­stlich mit Autonomen Unter­wasser­fahrzeu­gen (AUV) für die Minen­ab­wehr befasst. In sein­er Ver­wen­dung am NATO HQ SACT in Nor­folk, Vir­ginia, USA war er u.a. für Forschungs- und Entwick­lungsvorhaben mit AUVs am NATO Under­sea Research Cen­ter in La Spezia, Ital­ien zuständig. 

Fotos: Deutsche Marine 

Abb 1: Das VSW AUV-Erprobungs­gerät der Minen­taucherkom­panie Abb 3: Wasser­fall­bild Abb 4+5: Der Kon­takt ent­pup­pt sich als Rest eines Betonpfeil­ers mit eck­igem Bauteil, das sowohl im Sonar­bild wie auf dem Foto deut­lich zu erken­nen ist. 

Quelle/Pressekontakt:
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