Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Einsatzgruppenversorger Klasse 702
Von Hans Karr
Die Forderung der Marine nach großen Versorgungsschiffen reicht streng genommen bis in die 1960er Jahre zurück und wurde im Jahre 1993 wieder neu belebt, da die im Dienst befindlichen Einheiten nicht mehr den Anforderungen der Marine entsprachen. Die Versorger der Klasse 701 waren zu klein, überaltert und im Betrieb unwirtschaftlich geworden, und die zuletzt gebauten Tender der Klasse 404 sind für die Versorgung von Schiffsverbänden ungeeignet. Im Oktober 1997 erfolgte dann die Unterzeichnung des Bauvertrages für eine neue Klasse. Dieser Vertrag für den Einsatzgruppenversorger Klasse 702 (EGV 702) bedeutete für die Deutsche Marine einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Modernisierung der Flotte. Hauptauftragnehmer für Konstruktion, Bau und Ablieferung war die Arbeitsgemeinschaft EGV 702 (ARGE EGV 702). Dazu zählten die Werft Fr. Lürssen mit ihrem Tochterunternehmen Kröger Werft und die Flensburger Schiffbaugesellschaft.
Die beiden Einsatzgruppenversorger BERLIN und FRANKFURT AM MAIN sind mittlerweile über fünf Jahre im Dienst der Deutschen Marine. Sie haben sich in zahlreichen Einsätzen in vielfältiger Weise bewährt.
Die Aufgabe der Schiffe der BERLIN-Klasse ist die unmittelbare, einsatzdirekte, weltweite, logistische und sanitätsdienstliche Unterstützung von schwimmenden Verbänden der Deutschen Marine zur Erhöhung ihrer Seeausdauer. Durch die Leistungsfähigkeit des Einsatzgruppenversorgers kann diese auf 45 Seetage deutlich erweitert werden, ohne dass eine Abstützung auf landgebundene logistische Einrichtungen notwendig wird. Dadurch steigert sich die Durchhaltefähigkeit einer Einsatzgruppe der Marine nachhaltig.
Im Einzelnen soll der EGV folgende Aufgaben wahrnehmen:
Versorgung der Einsatzgruppen mit Munition, Ersatzteilen, Sanitätsmaterial, Kraft- und Schmierstoffen, Proviant, Frischwasser und Marketenderwaren
Sicherstellung der sanitätsdienstlichen Unterstützung in der präklinischen Erstversorgung durch optional an Bord integrierte Sanitätscontainer
Unterbringung und Betrieb von zwei Hubschraubern Sea King Mk 41 für den Lufttransport von Personal, Material und Patienten sowie für den Rettungsdienst
Entsorgung der Einsatzgruppen von Müll, Abwasser sowie Alt- und Schmutzöl
Transport von standardisierten Containern und Kühlcontainern
Wahrnehmen von Teilaufgaben einer Führungsplattform für Einsatzverbände
Bereitstellung von Betreuungseinrichtungen zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Besatzungen der Einsatzgruppen
Abwicklung der laufenden Nachversorgung aus dem rückwärtigen Bereich.
Die Einsatzgruppenversorger der Klasse 702 sind mit über 20.000 t Verdrängung die größten Schiffe der Deutschen Marine. Sie sind als Doppelhüllenschiff konzipiert und erfüllen die neuesten Vorschriften zur Verhinderung von Meeresverschmutzung durch Öl im Falle einer Kollision, Havarie oder Strandung. Zur Reduzierung der Kosten wurde beim Bau weitgehend auf Erfahrungen und technische Lösungen aus dem Bau von Handelsschiffen zurückgegriffen. Eine Klassifikation erfolgte über den Germanischen Lloyd mit der Klasse GL + 100 A5 E Coll Navy Supply Ship for Dry Cargo and Oil Products with Flash Point above 60° C + MC E AUT (engine systems and automation). Die gesamte Schiffstechnik ist weitgehend nach handelsüblichen Standards ausgelegt und ermöglicht einen 24 Stunden wachfreien Betrieb.
Sämtliche Versorgungsgüter können auf See in Fahrt mittels speziellem Geschirr an andere Einheiten übergeben werden. Hierfür stehen drei Versorgungsstationen zur Verfügung. An Back- und Steuerbord je eine für die Querabversorgung von Trocken- und Nassgütern in Fahrt sowie eine Heck-Bug-Versorgungsstation für Nassgüter. Das Schiff verfügt über eigenes Ladegeschirr, um auch im Hafen den Umschlag von Gütern unabhängig von einer Hafeninfrastruktur durchführen zu können. Darüber hinaus können Hubschrauber im Vertical-Replenishment-Verfahren (VERTREP) für die Versorgung in See eingesetzt werden.
Mit der Zwischenentscheidung vom 1. Juli 2004 wurde die Beschaffung eines weiteren Schiffes als Nachbau des ersten Loses eingeleitet und ist zwischenzeitlich im Bundeswehrplan 2008 abgebildet. Zurzeit wird davon ausgegangen, dass im Sommer 2008 die parlamentarische Behandlung erfolgen kann. Damit wäre eine Indienststellung in 2012 denkbar.
Die Fähigkeiten und Eigenschaften des ersten Loses wird auch das zweite Los aufweisen. Darüber hinaus wird der dritte EGV eine technische Fortschreibung der bei den ersten Schiffe sein. Erforderlich werden Ergänzungen und Modifikationen des bestehenden Entwurfs zur Anpassung an den aktuellen technologischen Stand im Schiffbau, an die geltenden geänderten gesetzlichen Bestimmungen und an Vorschriften beim Umweltschutz, der Arbeitssicherheit und der Auslegung der Rettungsmittel. Weiterhin werden Verbesserungen, die sich aufgrund der Erfahrungen aus Betrieb, Einsatz und Materialerhaltung der beiden ersten Schiffe ableiten, vorgenommen.
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen. Bildquelle: Michael Nitz