Ansätze für zukünftige MCM-Systeme
Ein Blick zu befreundeten Marinen lässt oft einen technologischen Trend erkennen. Fast alle Nationen beschränken sich auf die Minenjagd. Nur wenige Nationen wie Norwegen, Deutschland – Großbritannien eingeschränkt – verfolgen noch die Technik des Minenräumens.
Bei den in der Minenabwehr führenden Nationen Niederlande, Großbritannien, Norwegen und Italien ist der Trend zu Einweg-Minenvernichtungsdrohnen deutlich zu erkennen. Diesen Schritt hat die deutsche Marine bereits vollzogen.
Norwegen sowie die USA sind in der Entwicklung von Autonomous Underwater Vehicles seit Jahren tonangebend. Die Planungen weiterer Marinen wie z.B. Finnlands, Frankreichs, Italiens, derartige Systeme einzuführen, lässt auch hier den Zug der Zeit erkennen.
Für die Minenjagd kommen zwei komplementäre Systeme in Frage:
das Very Shallow Water (VSW) AUV und
das mittelgroße Minenjagd-AUV.
Mittelgroße AUVs werden in zunehmendem Maße auf Minenabwehreinheiten integriert. Kaum eine Nation plant heutige Minenabwehrschiffe ohne diese AUVs ein, oft wird auch das VSW AUV mit eingerüstet. Mittelgroße AUVs sind komplementäre Systeme, die bestehende Fähigkeitslücken bei den Minenabwehrschiffen zu schließen vermögen. Sie erweitern das Fähigkeitsspektrum der traditionellen Minenjagdboote und tragen zur Erhöhung der Flächensuchleistung bei. Durch ihre Stehzeit und ihre Tauchtiefen sind Operationen in Gebieten und unter Bedingungen möglich, die der bisherigen Minenjagd oftmals verschlossen waren. Ausgestattet mit Side-Scan-Sonaren geben sie ein deutlich detaillierteres Bild des Meeresbodens wieder, als dies traditionelle Minenjagdsensoren vermögen.
Mittelgroße Minenjagd-AUVs sind dort einzusetzen, wo heutige Minenjagddrohnen nicht mehr ausreichen bzw. die Sensorik heutiger Minenjagdsysteme ungenügend ist und ermöglichen es dem Minenjagdboot, abgesetzt von der Bedrohung sich in bereits abgesuchtem Gebiet aufzuhalten. AUVs halten damit »the Men out of the Minefield«. Daher liegt es nahe, auch für die Deutsche Marine AUV-Technologie zu beschaffen. In Zeiten knapper Mittel sowie bei dem Fortschritt dieser Technologie ist der Kauflösung deutlich der Vorzug gegenüber aufwendigen Eigenentwicklungen zu geben.
VSW AUVs wurden sehr erfolgreich bei der Öffnung des irakischen Hafens von Umm Qsar genutzt. Sie sind als verlängerter Arm der Minentaucher in der Lage, die Flächensuchleistung von Minentauchern deutlich zu erhöhen, den Einsatz in strömenden Gewässern zu ermöglichen und tragen somit dazu bei, die Minenabwehr in ihrem zeitliche Ansatz zu beschleunigen. Aufgrund ihrer Abmessungen und Gewichte sind sie luftverlastbar und können durch Lufttransport schnell an jeden Ort der Welt verbracht werden.
Ihre Grenzen finden sowohl das VSW AUV als auch das Minenjagd-AUV immer dann, wenn sie von anderen als Minenabwehreinheiten aus eingesetzt werden, weil ihr Einsatz durch nicht angemessene Schiffssignaturen gefährdet ist. Daher verbieten sich Einsätze von Bord irgendwelcher Vessels of Opportunity. Luftgestützte Einsätze durch Helikopter allerdings sind bis zum Eintreffen der Minenjagdmutterschiffe durchaus denkbar und bringen wiederum einen Zeitgewinn in der Lagebilderstellung.
Allerdings gibt es auch bei den AUVs eine gewisse Entwicklungslücke: Bislang sind derartige Systeme nur in der Lage, Minen zu detektieren und in einer zeitlich aufwendigen Mission zu klassifizieren. Sie ermöglichen keinerlei Echtzeit-Datenaustausch. Ferner haben sie keine Möglichkeit, Minen zu vernichten.
Aber auch bodenartbedingt gibt es Rahmenbedingungen, die einen Einsatz von Minenjagd-AUVs gänzlich ausschließen. Eine große Dichte von sog. Clutter, der z.B. durch Steinfelder verursacht sein kann, lässt die Minenjagd mit AUVs zeitlich zu aufwendig werden. In diesem Fall muss auf traditionelle Minensuchverfahren zurückgegriffen werden. Allerdings ist auch hier getreu dem Motto »the Men out of the Minefield« an Fernlenkkonzepte zu denken.
Das deutsche TROIKA Plus System ist hier sicherlich wegweisend und in seiner Art weltweit nach wie vor einmalig. Es weist allerdings auch Nachteile auf, die insbesondere seine niedrige Transitgeschwindigkeit und begrenzte Transitdistanz betreffen. Heutige Systeme können schwerlich auf eigenem Kiel in das Einsatzgebiet verbracht werden. Selbst ein Transport auf Dock-Schiffen ist zeitaufwendig und kompliziert.
Neuerliche Untersuchungen zeigen, dass man in gewissen Maßen einen Räumerfolg mit kleineren, auf Speedboat-Basis funktionierenden Räumdrohnen erreichen kann. Auch hier gibt es noch einen gewissen Erprobungs- und Entwicklungsbedarf. Der oben geschilderte Abbau von MCM-Expertise in NATO Nationen zwingt uns, die eigene Expertise zu erhalten, insbesondere im Bereich der Nischenfähigkeit Minenräumen (TROIKA), um Minenabwehr auch unter schwierigen geophysikalischen Bedingungen realisieren zu können.
Operativ ist festzustellen, dass zukünftige Minenabwehreinheiten größer und schneller werden müssen, um
schneller über größere Distanzen verlegen zu können und
die oben geschilderten Systeme huckepack ins Einsatzgebiet verlegen zu können.
Um die erkannten Nachteile einer Organic MCM-Komponente zu kompensieren
Expertiseerhalt und Verfügbarkeit der Plattformen sind hier mögliche Kriterien.
Im Bereich Organic MCM sind insbesondere amerikanische Erfahrungen gewinnbringend und lassen auch aus den Fehlern, wie z.B. dem Bau nicht signaturgeschützter Schiffe, lernen: Die USA haben mit ihrem High Speed Vessel (HSV) SWIFT genügend – teilweise schmerzliche – Erfahrungen gesammelt.
Sie zeigen deutlich die Grenzen zu großer MCM-Einheiten auf, die für die Aufnahme von MCM-Mission-Modulen vorgesehen sind. Eine fehlende MES-Anlage sowie die nicht geschützte Bauart verbieten den Einsatz des HSV in der Nähe von Minengebieten. Andererseits führte die Fähigkeit zur großen Zuladung sowie die hohe Transitgeschwindigkeit dazu, dass das HSV SWIFT für andere als Minenabwehraufgaben missbraucht wurde.
Daher gilt es, ähnliche Containerlösungen mit Minenabwehrmodulen an Bord anderer deutscher Nicht-Minenabwehrschiffe mit großer Sorgfalt zu überdenken, weil es für jedes dieser Schiffe ein unverhältnismäßig großes Risiko bedeutet, Minenabwehrsysteme in der Nähe von möglichen Minenfeldern zu betreiben. Außerdem ist ein Verdrängungswettstreit um die jeweilige Plattform zu erwarten.