CHINAS neuester Superjäger – die J 10 “MENG LONG” (Starker Drache)
“Die F‑10 ist eine vollkommen eigenständige, chinesische Entwicklung. Andere lieferten bestenfalls die Ideen sowie die Methoden dazu.” (Yang Xiang, Chefentwickler der J‑10 )
J‑10 Prototyp “1006” mit Luftbetankungssonde Quelle/Source: www.sinodefence.com |
Bezeichnung:
Chinas Jäger führen alle die Bezeichnung „J“. Auch das J von J‑10 ist die Abkürzung von “Jian”. Dieses Schriftzeichen bedeutet “jagen”. Die J 10 ist also schlicht der Jäger 10, der damit in einer Reihe von anderen Jagdflugzeugen Chinas gestellt wird. Exportversionen werden auch mit dem Kürzel “F” für Fighter bezeichnet. Die alte MiG-19 wurde als in China produziertes Flugzeug als J‑6 bezeichnet, die nächste Generation wird von der J‑7 (chinesische MiG-21) angeführt, auf deren Basis Shenyang als erste Eigenentwicklung die J‑8 und dann die J‑8 II, den bisherigen chinesischen Standardjäger vom Band laufen lies. Eine früher geplante — aber letzlich nicht verwirklichte — Version der MiG 21, die von CAC für den Export vorgesehene F‑7 MF, ähnelt in ihrer Auslegung mit einer völlig überarbeiteten Frontparty mit Unterrumpflufteinlauf, einem darüber liegendem großen Radom für ein modernes Radar und Vorflügeln zwischen Cockpit und Tragfläche sowie einem überarbeiteten Heck und der geänderten Leitwerksgeomietrie in vielen Punkten bereits der späteren J‑10. Der Entwurf einer J‑9 wurde offenbar nicht weiter entwickelt. Die Lizenzkopie der russischen SU-27 wird als J‑11 bezeichnet, die mit zunehmender Ausstattung mit chinesischen Komponenten (die J‑11A ist nur noch zum Teil auf Teilen aus Russland basierend) zur J‑11 B mutierte. *) Alleine aus dieser Bezeichnung für die russische SU-27 Lizenz war klar, dass ein „Zwischenstein“ fehlte, vor der J‑11 musste der bisherigen Logik der Benennung entsprechend eine weitere, als „Projekt 10“ bezeichnete Flugzeugentwicklung bestehen.
Die J‑10 wird — je nach der Ausstattung mit russischem (“A”) oder chinesischem (“B”) Triebwerk als J‑10 A oder J‑10 B bezeichnet. Der Zweisitzer trägt den Zusatz „S“ was auf das chinesische Wort “shuang” zurück geht; “shuang” bedeutet “doppel”, also z.B. J‑10 BS.
J‑10 B Bildquelle: J.P. Santiago |
Mit der Entwicklung der J‑10 wurde wohl vor über 20 Jahren – im Herbst 1986 begonnen. Das ist deutlich später als bei der — angeblich in den Leistungen vergleichbaren — F‑16 (deren Entwicklungsgeschichte geht zurück bis in das Jahr 1971, als die USAF einen einfachen Hochleistungsjäger forderte) oder der Mirage 2000, die bereits Mitte der achtziger Jahre den Einsatzstatus erreichte. Der Entwicklungsbeginn 1986 fällt wohl in den Zeitraum, in dem beim Eurofighter der Übergang von der Konzeptphase in die Definitionsphase (Vereinbarung vom November 1986 in London) erfolgte. Beide Flugzeuge — J‑10 und Eurofighter — gehören also in etwa einer zeitlich vergleichbaren Entwicklungsgeneration an. Erste Gerüchte über die J‑10 drangen Ende der 80er Jahre in den Westen.
Bis Mitte der Neunziger Jahre war nur wenig von der Neuentwicklung bekannt. Einige Fotos in diversen Internet-Zirkeln zeigten ein dem israelischen „Lavi“ ähnliches Flugzeug – woraus prompt die Vermutung wurde, Israel würde Chinas Ingenieure bei der Entwicklung des eigenen Jägers unterstützen. Andere schließen aus dem stark gewölbten Rumpfrücken und den Abstandshaltern am Lufteinlauf auf eine Beteiligung von russischen Entwicklern (Mikojan Awiazionnoje Proiswodstwennoje Objedinjenje — MAPO).Aufgrund der “politischen Großwetterlage” dürfte aber die Unterstützung des nördlichen Nachbarn seinerzeit eher marginal gewesen sein. Eher ist für die Anfangsjahre mit westlicher Unterstützung zu rechnen. Erst nach dem Debakel auf dem Tian’an-men-Platz 1989 und dem darauf folgenden Rüstungsembargo durch die westlichen Industriestaaten (Kündigung des “Peace-Perl” Programms Anfang 1990) sowie dem Zusammenbruch der Sowjetunion dürfte sich eine verstärkte Zusammenarbeit mit den russischen Nachbarn ergeben haben. In dieser Zeit des Umbruchs erfolgte auch eine Neukonzeption — vom reinen Luftüberlegenheitsjäger zum Mehrzweck-Kampfflugzeug, und bis 1993 konnte ein erstes Mock-up in Originalgröße gebaut werden.
Trotz Problemen mit der Triebwerkausstattung konnte in dieser Zeit der Bau des ersten Prototyps begonnen werden, der — wie die gesamte Prototypserie — noch mit einer frühen Version des WS-10 Triebwerks (s.u.). ausgestattet gewesen sein soll. Die ersten Prototypen – insbesondere die Nummern 1002 bis 1009 – weisen auch einen charakteristischen, breiten Metallring vor der Schubdüse und merkwürdige “Beulen” auf der Unterseite des Flugzeuges im Bereich der hinteren Flügelkante auf, was auf die Verwendung des WS-10 hindeuten könnte. Innerhalb weniger Jahre – manche Internetveröffentlichungen sprechen von 1996 — konnte mit diesem ersten Prototyp der „Erstflug“ absolviert werden.
Offensichtlich gab es weiterhin Triebwerksprobleme, denn nach offiziellen Quellen fand der (nächste) Erstflug dann im März 1998 statt – mit einem Vorserientyp, der als J‑10 A bezeichnet wurde. Fotos vom Sommer 2002 zeigen auch ein mit der Nummer 1010 bezeichnetes Flugzeug, das sich wohl auch durch die sichere Verwendung des AL-31 FN Triebwerks von den anderen Prototypmodellen unterscheidet. Auch die folgenden Vorserienflugzeuge bis zur Nummer 1019 weisen einen schmaleren Triebwerksring auf und sollen mit diesem russischen Triebwerk ausgestattet sein. Das vom russischen Triebwerkshersteller Saljut (Moskau) gelieferte Mantelstromtriebwerk Sturn/Lyulka AL-31 FN liefert einen Standschub von 79,4 kN und kann mit Nachbrennern 125,5 kN Schub produzieren. Die Verwendung dieses Triebwerks lag nahe, weil es auch in den von China in Lizenz produzierten SU-27 verwendet wird.
Bis Ende 2000 wurden mit den ersten Flugzeugen angeblich 140 Flugstunden absolviert, und bis Anfang 2002 tauchten immer mehr offenbar authentische Bilder in chinesischen Internetforen auf. Die Flugerprobung wurde mit den weiteren Proto- und Vorserientypen fortgeführt und ab Juni 2002 durch zwei weitere Vorserienmodelle ergänzt. Im Jahre 2001 erfolgte dann auch eine erste Bestellung einer größeren Tranche (54 Stück) von AL-31 FN Triebwerken in Russland, die ab 2002 bis spätestens Januar 2004 geliefert wurden.
Im Frühjahr 2003 gingen die ersten Vorserienmodelle der J‑10 A mit den Nummern 01 bis 10 zum taktischen Erprobungsregiment in Cangzhou. Diese Vorserienmodelle sollen noch ohne Radar ausgestattet gewesen sein. Das Erprobungsregiment führte noch 2003 erste Luftbetankungsversuche sowie den Abschuss von Luft-Luft-Lenkwaffen durch. In Cangzhou wurde nicht nur das Flugzeug selbst erprobt sondern mehrfach ein Kräftemessen gegen die SU-27 der 3. Division aus Wuhu durchgeführt. Diese Wettbewerbe scheint die J‑10 für sich entschieden zu haben – was dazu führte, dass das J‑11 Programm in Frage gestellt wurde. Die ersten Vorserienmodelle sind fast ausschließlich konventionell aus Metall gebaut. Faserverbundwerkstoffe wurden — im Gegensatz zu Flugzeugen westlicher Hersteller — kaum verwendet.
Parallel zur Erprobung der J‑10 A, dem Einsitzer mit dem AL-31 FN Triebwerk, begann um das Jahr 2000 die Entwicklung eines Doppelsitzers, der anfänglich als J‑10 B bezeichnet wurde, nun aber zunehmend die Bezeichnung J‑10 xS trägt. Das “x” steht dabei für die Variante A oder B, d.h. die Verwendung des russischen oder chinesischen Triebwerks. Zur Aufnahme des vergrößerten Cockpits mit dem zweiten Sitz wurde der Vorderrumpf verlängert, und im vergrößerten “Rumpfbuckel” Platz für die Installation von Tanks und Elektroinik geschaffen. Die erste Flugerprobung des Zweisitzers soll noch im Jahre 2003 stattgefunden haben. Diese für Trainingszwecke gebaute Variante soll aber genauso einsatzfähig wie der einsitzige Jäger sein.
Aus dem Jahr 2005 ist eine weitere Bestellung von 100 russischen Triebwerken bekannt, dem im Mai 2007 ein Folgeauftrag für weitere 100 Triebwerke und im September dieses Jahres ein weiterer Auftrag über 50 Triebwerke AL-31 FN nachgeschoben wurde. Im Januar 2009 ist von Rosoboronexport ein weiterer Abschluss einer Vereinbarung für “die Lieferung von mehr als 100 Triebwerken für J‑10-Maschinen” gemeldet worden.
Bewaffnung und Einsatzmöglichkeiten:
Die J‑10 verfügt über eine eingebaute 23 mm Kanone und elf Aussenlaststationen für eine Zuladung von bis zu 7.000 kg, unter anderem für ungelenkte und lasergelenkte Bomben sowie Seezielflugkörper. Für den Einsatz ist die Maschine mit einer 23-mm Maschinenkanone ausgestattet. IR-Lenkflugkörper der Typen PL‑8, PL‑9 und PL-11 (halbaktiv) sowie PL-12 (vollaktiv) können mitgeführt werden. Sollte es dennoch notwendig sein, kann sich der Pilot mit dem chinesischen Schleudersitz HTY‑4 in fast jeder Fluglage in Sicherheit katapultieren.
Fotos belegen, dass die J‑10 unter anderem mit der Luft-Luft-Lenkwaffe PL‑8 – einer „Lizenzversion“ des Python III – ausgestattet ist (Infrarotsuchkopf, 15 km Reichweite). Erste Fotos mit dieser knapp 3 m langen Waffe erlaubten eine grobe Einschätzung der Größenverhältnisse. Ebenfalls ist die PL-11 (halbaktiver Radarsuchkopf) zu sehen. Weiter soll die PL-12 (ähnlich R‑77 mit aktivem Radarsuchkopf und 70 km Reichweite, äusserlich vergleichbar der AIM ‑120 A AMRAAM) zur Ausstattung gehören (chinesische Fernsehreportage vom Februar 2007, CCTV). Mit der Einführung des PL-12 sowie von Luft-Boden-Waffen (konventionelle und lasergelenkte Bomben wie die lasergelenkte LS-500J, Luft-Boden-Lenkwaffe PJ‑9, TV-gelenkte KD-88, GPS gesteuerte Lenkbomne LS‑6) gewinnt die J‑10 zunehmend an Gewicht.
Ein Bericht im chinesischen TV vom 29.12.2006 – also gut 20 Jahre nach dem vermuteten Beginn der Entwicklungsprogramms – zeigt die J‑10 im Manöver-(Propaganda-)Einsatz, mit Bombenabwürfen, Raketenabschüssen und sogar mit der Luftbetankung hinter einer chinesischen H‑6 (Tu-16). Das Flugzeug – so scheint es – hat die Erwartungen soweit erfüllt, dass es dem Volk stolz als neueste chinesische Errungenschaft präsentiert werden kann.
Während die J‑10 A noch “eher für Luftverteidigungsaufgaben eingesetzt” wird scheint mit der J‑10 B der Schritt “zu einem wirklichen Mehrzweckjäger der 4. Generation” (Andreas Rupprecht in der FLIEGER REVUE 05–2009) gegangen zu werden.
Radar:
Nach chinesischen Quellen nutzt die J‑10 ein “Active Electronically Scanned Array (AESA) Radar”, möglicherweise dem KLJ‑3 (Typ-1473), das in der Lage sein soll, gleichzeitig zehn Ziele in einer Reichweite von rund 150 km zu erfassen und bis zu vier Ziele mit weitreichenden Luf-Luft-Lenkwaffen zu bekämpfen.
Das Radar KLJ‑3 (Typ 1473) soll eine (möglicherweise mit russicher Hilfe entwickelte) rein chinesische Produktion sein. Die Ausrüstung mit rein chinesischen Luft-Luft-Raketen deutet darauf hin, dass es sich um ein originär chinesisches Radar handelt.