Eingreifoperationen
Weißbuch und Konzeption der Bundeswehr unterscheiden nun bei den militärischen Einsätzen zwischen Eingreif- und Stabilisierungsoperationen. Die Aufgaben der Überwasserseekriegsführung unterscheiden sich bei diesen Operationsarten. Bei Eingreifoperationen geht es vornehmlich um die Bekämpfung eines militärisch organisierten Gegners, was auf See regelmäßig auch den Einsatz gegen konventionelle Überwasserstreitkräfte bedeutet. Derartige Kräfte können gleichermaßen im offenen Seeraum wie auch vor einer gegnerischen Küste auftreten. Um die Eigengefährdung zu begrenzen, kommt es darauf an, den Gegner auf möglichst große Entfernung zu bekämpfen. Die Reichweite heutiger Flugkörper ist aber deutlich höher als die Reichweite bordgestützter Sensoren. Es bedarf also eines Fremdorters zur Zieldatenermittlung.
Diese Problematik ist zwar nicht neu; Verfahren zur Fremdortung und Zieldatenübermittlung sind aus der Zeit des Kalten Krieges nur allzu gut bekannt. Allerdings sind die Anforderungen deutlich gestiegen. Wie bereits erwähnt, sind Kollateralschäden heute nicht mehr hinnehmbar. Vor jedem Waffeneinsatz muss das Ziel sicher identifiziert werden: es genügt nicht zu mutmaßen, dass es sich bei dem entdeckten Kontakt aller Wahrscheinlichkeit nach um die gegnerische Korvette handelt, man muss sich dessen schon sicher sein. Es ist vorstellbar, dass in ein- und demselben Einsatzgebiet gleiche Fahrzeugklassen und ‑typen operieren, die in dem einen Fall vielleicht dem befreundeten, im andern Fall dem gegnerischen Lager angehören. Anders als in früheren Szenarien ist in heutigen Konflikten auch immer mit einer Durchmischung zivilen und militärischen Schiffsverkehrs zu rechnen.
Deshalb muss es möglich sein, den Waffeneinsatz lageabhängig abzubrechen. Bei Flugzeiten der Flugkörper von mehr als zehn Minuten können Lageveränderungen gerade im Küstenvorfeld bzw. in der Nähe von Schifffahrtsrouten eintreten, die es notwendig machen, den Waffeneinsatz zu stoppen.
Ähnliche Anforderungen ergeben sich bezüglich der Bekämpfung von Zielen an Land, wie sie mit dem künftigen Flugkörpersystem RBS 15 möglich werden.
Die schießenden Plattformen benötigen also ein Aufklärungs- und Ortungsmittel, das Ziele innerhalb des Wirkhorizontes des Verbandes lokalisieren und identifizieren kann. Es muss außerdem das Zielgebiet überwachen, Zieldaten übertragen und die Waffenwirkung feststellen können.
Bemannte Systeme wie Maritime Patrol Aircraft (MPA) und Bordhubschrauber sind für diese Aufgaben aufgrund der hohen Eigengefährdung nur bedingt geeignet. Eine Drohne kann diese Aufgaben weitaus besser erfüllen.
Stabilisierungsoperationen
Maritime Stabilisierungsoperationen unterscheiden sich von den Eingreifoperationen vor allem durch die Art der Bedrohung. Nicht die Konfrontation mit einem militärisch organisierten Gegner, sondern die asymmetrische Bedrohung durch nur teilweise oder gar nicht organisierte Kräfte bestimmt die Auseinandersetzung.
Maßgebliche Aufgaben sind im Rahmen von Stabilisierungsoperationen die Seeraumüberwachung, der Schutz der Schifffahrt und die Durchführung sog. Maritime Interdiction Operations, also bspw. das Anhalten und Untersuchen von Schiffen.
Im Rahmen solcher Operationen sind regelmäßig große Seegebiete mit einer geringen Anzahl von Kräften zu überwachen. Asymmetrische Bedrohungen werden regelmäßig von der Küste her überraschend entfaltet. Meerengen wie das Bab el Mandeb am Horn von Afrika sind neuralgische Punkte, wo Angriffe mit kleinen Booten, aber auch durch direktes Feuer von Land möglich sind.
Auch im Rahmen von Stabilisierungsoperationen ist also ein »recognized maritime picture« zu erstellen, dass die sichere Identifizierung aller Kontakte im Verantwortungsbereich einer Einheit oder eines Verbandes einschließt.
Bordhubschrauber und MPA leisten in diesem Zusammenhang einen wichtigen Beitrag zur großräumigen Lageaufklärung. In Küstennähe kann eine höhere Bedrohung den Einsatz bemannter Systeme aber einschränken bzw. ganz verbieten. Drohnen können auf wirksame und wirtschaftliche Weise derartige Aufklärungslücken schließen und die bemannten Systeme ergänzen. Mit ihrer Hilfe wird es möglich, Bedrohungen und Gefahren frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Dies gilt sowohl für den Schutz der Schifffahrt als auch für die Maritime Interdiction Operations.
Wie man sich das Zusammenspiel unbemannter und bemannter Systeme vorstellen kann, illustriert das von der amerikanischen Coast Guard erwogene Verfahren. Dort denkt man über einen Mix von Bordhubschraubern und Drohnen nach: Drohnen klären auf, identifizieren und liefern ggf. erste Erkenntnisse über Verdachtsmomente an Bord von Handelsschiffen. Der Bordhubschrauber verbringt schließlich das Boardingteam, während das UAV das Geschehen auf dem zu boardenden Schiff im Auge behält, um Gefahren zu erkennen.