Expeditionary Capabilities
Die Ausrichtung der Marine hin zu einer Expeditionary Navy trägt dem Umstand Rechnung, dass unsere Sicherheit im Zeitalter der zunehmenden Verflechtungen aller Lebensbereiche und der wachsenden internationalen Interdependenzen eine globale Dimension hat. Die räumliche Entfernung von Konflikten schützt uns nicht davor, dass Krisen von der Peripherie sehr schnell ins Zentrum Europas zurückschlagen. Streitkräfte als ein Instrument der Politik müssen daher in der Lage sein, weltweit und lang andauernd zu operieren, um im Rahmen bündnisgemeinsamen Handelns weltweit einen Beitrag leisten zu können, deutsche Interessen zu vertreten und durchzusetzen.
Die maritime Dimension unserer Sicherheit wird in diesem Zusammenhang an Bedeutung gewinnen: Nicht nur, weil die maritime Abhängigkeit Deutschlands steigt und unsere Anfälligkeit für seewärtige Risiken damit größer wird, sondern auch, weil der Rechtsstatus und die Brückenfunktion der Hohen See es zulassen, Kräfte und Mittel frühzeitig zu dislozieren und von der See aus militärisches Handeln zu entfalten. Konsequenterweise wird dieser Grundgedanke, die See als Operationsbasis und Drehscheibe militärischer Fähigkeiten zu nutzen, in konzeptionellen Grundvorstellungen weiter konkretisiert werden. Das Spektrum militärischer Handlungsoptionen unter Nutzung einer Operationsbasis See reicht dabei von der frühzeitigen Präsenz und Aufklärung, über die Möglichkeit der Vorausstationierung von Truppenkontingenten bis hin zur streitkräftegemeinsamen Feuerunterstützung.
Die maritime Sicherheit Deutschlands
Die zweite Aufgabe der Marine, der Schutz Deutschlands bzw. die Gewährleistung maritimer Sicherheit, erfährt gegenwärtig eine beachtliche Renaissance. In Anbetracht neuartiger Bedrohungen und Risiken zielen diverse Initiativen europäischer Institutionen darauf ab, die maritimen Lagebilder von Staaten und Behörden und den Informationsaustausch zwischen ihnen zu integrieren, zu verdichten und zu vernetzen, so dass die singulären Lagebilder als Mosaiksteinchen zu einem gleichsam globalen Bild maritimer Sicherheit zusammen gefügt werden. Ein solches umfassendes maritimes Lagebild ist eine »conditio sine qua non« für ein vorausschauendes und konzertiertes Handeln zur Reduzierung maritimer Risiken und Bedrohungen.
Wegen vorhandener Defizite und der anspruchsvolleren Anforderungen, aber auch wegen der abschließend noch zu definierenden Rolle der Marine zur Gewährleistung maritimer Sicherheit im Küstenvorfeld, stehen die Belange der Expeditionary Capabilities im Vordergrund der rüstungsplanerischen Überlegungen. Der Schutzauftrag ist subsidiärer Natur und wird mit den vorhandenen Kräften und Mitteln durchgeführt.
So unterschiedlich diese beiden Aufgabenfelder der Marine auch sind: Sie haben die Herausforderung gemeinsam, die Besonderheiten einer Operationsführung im Küstenvorfeld berücksichtigen zu müssen. Dies mag insbesondere überraschen, wenn man an Expeditionary Operationen denkt, aber: Krisen und Konflikte werden in der Regel dort bewältigt, wo Menschen leben, wo sie in Not geraten, wo sie sich bekriegen und wo sie Hilfe benötigen. Und das ist – ganz unvoreingenommen betrachtet – vor allem der küstennahe Raum. Schon heute leben etwa Zweidrittel der Menschheit im küstennahen Raum und diese Ballung von Menschen und maritimer Infrastruktur in Küstennähe wird wegen der zunehmenden Abwicklung des Welthandels über die See anhalten.
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Die konzeptionelle Herausforderung
Diese Situation, dass maritime Operationen zwar weltweit, regelmäßig aber vor allem in Küstennähe bzw. im erweiterten Küstenvorfeld durchgeführt werden, bedeutet eine besondere konzeptionelle und planerische Herausforderung für die Marine: Weltweite und lang andauernde Operationen verlangen nach durchhalte- und durchsetzungsfähigen Plattformen, die eine bestimmte Größe voraussetzen. Operationen im küstennahen Raum kennzeichnen sich wiederum durch eine hohe Dynamik und Bedrohung, was kleine, hochmobile, reaktionsschnelle, zahlreiche und flexible Seekriegsmittel erforderlich macht.
Vor diesem Hintergrund liegt es auf der Hand, eine Lösung in der Kombination von »Groß« und »Klein« zu suchen und die teuren und besonders gefährdeten Plattformen mit Subsystemen zu versehen. Drohnen werden damit zu einem Mittel, diesen gordischen Knoten zu durchschlagen. Sie multiplizieren die Fähigkeiten der schwimmenden Plattformen und passen sich hervorragend in die künftigen Einsatzszenarien ein. Drohnen erweitern den Aufklärungs- und Wirkhorizont einer seegehenden Plattform um ein Vielfaches und ermöglichen somit den Einsatz auch weitreichender Waffen.
Mit Blick auf den Zulauf der Korvette K 130 bedarf die Marine vorrangig eines abgesetzten Sensors für die Ziel- und Wirkungsaufklärung im Rahmen der Überwasserseekriegführung und der Unterstützung von Landoperationen. Mit Drohnen verbinden sich in unterschiedlicher Hinsicht mannigfache Vorteile gegenüber bemannten Systemen und vielfältige operative Möglichkeiten.
Inhärente Eigenschaften von UAV
Die besonderen Vorteile leiten sich aus dem Charakteristikum der UAV als unbemannte Systeme ab.
Eigenes Personal wird durch den Einsatz von UAV gar nicht erst gefährdet. Damit wird der Forderung nach dem Schutz der Soldaten im Einsatz in höchstmöglichem Maße Rechnung getragen. UAV können in Gebieten eingesetzt werden, in denen bemannte Systeme wegen des damit verbundenen Risikos kaum operieren können. Der Verlust einer Drohne ist nicht gleichbedeutend mit dem Verlust von Menschenleben.
Durch den Verzicht auf Kontroll‑, Steuerungs- und Sicherungssysteme für eine fliegende Besatzung ist die Auslegung eines UAV weniger komplex. Dadurch wird es möglich, Nutzlast und Kraftstoffbevorratung zu erhöhen, woraus wiederum größere Einsatzradien und längere Einsatzzeiten resultieren. Der gewonnene konstruktive Freiraum kann zur Erhöhung der Nutzlast genutzt werden.
Die Miniaturisierung bedingt eine Platzersparnis und damit die Möglichkeit, mehrere Systeme mitzuführen oder zu transportieren. Eine höhere Anzahl kann operativ wiederum in eine höhere Durchhaltefähigkeit, eine bessere Gebietsabdeckung oder einen größeren Aktionsradius umgemünzt werden. Die Kompaktheit und Agilität insbesondere der kleineren UAV bedingen, dass sie weniger leicht aufzuklären und auszuschalten sind als die deutlich größeren bemannten Systeme.
Was in einer Drohne selbst an Aufwand ggf. gespart werden kann, muss allerdings in die Bodenstation zusätzlich investiert werden, ungeachtet der Frage, ob die Steuerung bord‑, land- oder luftgestützt erfolgt. Ein UAV ist also immer ein Gesamtsystem, das mindestens aus der Drohne selbst und einer Steuerkomponente samt der datentechnischen Anbindung besteht.
Drohnen unterliegen geringeren Restriktionen als denen, die bei bemannten Systemen die menschliche Physis diktiert. Agilität, Einsatzzeiten, Flughöhen, Klima‑, Seegangsund Wetterbeschränkungen finden lediglich ihre Grenzen in physikalisch-technischen Parametern, nicht mehr in der Belastbarkeit des Personals.
Drohnen können schließlich einen wesentlichen Beitrag leisten, um zu verhindern, dass falsche Ziele bekämpft werden. In Zeiten, in denen die Medien maßgeblich den Erfolg oder Misserfolg militärischer Aktionen bestimmen, sind Kollateralschäden nicht mehr hinnehmbar. Die Fähigkeit zum Time sensitive Targetting gewinnt an Bedeutung. Drohnen können diese Fähigkeit technisch gewährleisten.
Und gerade dieser letztere, operative Aspekt leitet dazu über, den Beitrag eines UAV zum maritimen Fähigkeitsspektrum zu bestimmen.
UAV im maritimen Fähigkeitsspektrum
Mit dem Zulauf der Korvette K 130 ist die Einführung eines see- und landzielfähigen Flugkörpers verbunden, dessen Reichweite den Erfassungshorizont der bordgestützten Sensoren deutlich übersteigt. Weitreichende landzielfähige Artillerie ist darüber hinaus auf den Fregatten der Klasse F 124 und F 125 projektiert. Sowohl das Erfordernis nach einem taktischen Aufklärungsmittel für den Lagebildaufbau als auch die zum Waffeneinsatz notwendige Ziel- und Wirkungsaufklärung verlangen nach einem abgesetzten Sensor.
Das von der Marine geforderte UAV ist also der untersten, im herkömmlichen Sinn der taktischen Ebene einer ganzen Hierarchie von Aufklärungsmitteln zuzuordnen, wobei darauf hinzuweisen ist, dass jedes dieser strategischen, operativen und taktischen Aufklärungsmittel natürlich seinen ganz spezifischen Beitrag zu einem streitkräftegemeinsamen Lagebild leistet und klare Trennlinien zwischen den Ebenen gar nicht einmal zu ziehen sind. Das von der Marine benötigte UAV ist vornehmlich das Mittel des Verbandsführers bzw. des Kommandanten, mit dem er sich lageabhängig die notwendigen Informationen, Aufklärungsergebnisse und Zieldaten für den Einsatz seines Verbandes oder seines Waffensystems beschafft.