Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Unbemannte Fahrzeuge für den militärischen Gebrauch zu Lande, in der Luft und auf See – unter diesem Generalthema verlief das diesjährige zweitätige Auftaktforum der Studiengesellschaft der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik am 16. und 17. Januar 2007 in der Stadthalle Bad Godesberg.
Die hohe Anzahl von 440 militärischen und zivilen Teilnehmern sowie 31 ausstellenden Firmen bekundete das rege Interesse an diesen unter dem Aspekt neuer Bedrohungen aktuellen, zukunftsträchtigen Technologiefeldern und den erweiterten Möglichkeiten des Einsatzes bei den Streitkräften; Aufklärung/Überwachung und Schutz/Sicherung von Objekten bilden dabei die vornehmlich in Frage kommenden Fähigkeitskategorien. Das Forum eröffnete der Vorsitzende der DWT e.V., VAdm a.D. und MOV-Mitglied, Hans Frank.
Referenten aus Bundeswehr, Forschung und Industrie befassten sich mit der grundsätzlichen Bedeutung unbemannter Plattformen im militärischen Umfeld und zeigten Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale, aber auch technologische und operative Grenzen auf. Das Forum gab überdies einen guten Überblick zum jetzigen Stand einführungsreifer deutscher Produkte und zu laufenden Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im industriellen und wehrtechnischen Bereich.
Der Begriff »Unmanned Vehicles« umfasst die ganze Bandbreite von reinen Automaten über ferngesteuerte Fahrzeuge bis zu teil- und vollautonomen Systemen. Funkferngesteuerte oder drahtgelenkte Fahrzeuge (Drohnen) sind in den Streitkräften nichts Neues und besonders bei der Seeminenabwehr seit Jahrzehnten (!) im Dienst, wie z.B. Minenräum- und Minenjagddrohnen.
Der technologische Quantensprung liegt in autonomen, also »intelligenten « Systemen, wie sie zuletzt in MF 12/06 am Beispiel des »Autonomous Underwater Vehicle (AUV)« Sea Otter Mk 1 und 2 beschrieben wurden.
Die Entwicklung derartiger unbemannter Systeme für das gesamte militärische Einsatzspektrum bildet seit Jahren einen wesentlichen Schwerpunkt für die wehrtechnische Forschung und Technologie (F&T). Die Untersuchung neuer Antriebskonzepte, die Weiterentwicklung der Energieversorgung oder der Fortschritt in der Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnik, um nur die wichtigsten Bereiche zu nennen, machen diese Technologie so zukunftsträchtig. Allen unbemannten Systemen gemeinsam ist der Vorteil der Verringerung des Personalrisikos bei gefährlichen Einsätzen und der Ausweitung der Leistungsfähigkeit bei verringertem Personalumfang. Dem gegenüber stehen hohe Entwicklungs- und Einführungskosten.
Im Folgenden soll ein kurzer Abriss der gehaltenen Vorträge zu den wesentlichen, die Marine betreffenden Themen »Unmannned Air Vehicles (UAV)« und »Unmanned Underwater V. (UUV)« gegeben werden.
Zum operativen Bedarf eines (bordgestützten) »UAV im maritimen Fähigkeitsspektrum« trug Kpt. z.S. Brinkmann, RefLtr für operative Grundsatzangelegenheiten im BMVg Führungsstab der Marine (Fü M III 2) vor, der ebenfalls in diesem Heft veröffentlicht wird.
Ein Schwerpunkt der erforderlichen Fähigkeiten für moderne U‑Boote liegt im Bereich der verdeckten Aufklärung. Dazu wurde durch Dipl.-Ing. Bernhard Krüger von der Fa. Gabler Maschinenbau das technische Konzept »Verbringung von UAVs vom U‑Boot« vorgestellt:
Der Einsatz der navalisierten, im Heer erfolgreich eingeführten und vielfach bewährten Aufklärungsdrohne Aladin erfolgt dabei vom getauchten U‑Boot aus auf Sehrohrtiefe; Start- und Flugführung werden aus dem Inneren des U‑Bootes betrieben. Das UAV-System besteht aus einem Ausfahrgerät mit einem druckfesten Behälter, in dem mehrere UAVs untergebracht sind; es ist Bestandteil des sogenannten Modularen Mehrzweckmastes Triple M. Dieser Ausfahrmast wiederum wird zzt. bei der Fa. Gabler in Lübeck zusammen mit anderen Firmen entwickelt.
Aus Marine-Sicht nahm im Gegensatz zum UAV das UUV und hier das AUV (= Autonomous UV) einen wesentlich breiteren Raum ein. Der technologische Entwicklungsstand wurde sehr ausführlich durch Vertreter der Industrie und des Rüstungsbereiches erläutert, aber auch erste operative Ansätze zum Einsatz in der Seeminenabwehr wurden von offizieller Seite der Marine selbst vorgestellt.
Als Pendant zum UAV-Vortrag durch den Fü M — Vertreter konnte somit der Vortrag von FKpt Ralf Hansen, Sachgebietsleiter Minenkriegführung bei der neu aufgestellten Einsatzflottille 1 in Kiel, gelten; sein Thema: »Einsatzmöglichkeiten von UUVs und AUVs in der Minenabwehr«. Der operative Bedarf bzw. die Fähigkeitslücke ist hinsichtlich autonomer Unterwasser (UW)-Fahrzeuge durch die Bundeswehrführung mit einem entsprechenden Phasendokument Ende 2005 festgestellt worden.
Der Referent definierte die Rolle von AUVs als ein Mittel der »Verbundenen Seeminenabwehr «, machte die wesentlichen Aufgaben – UW-Aufklärung und Routenüberwachung – deutlich und stellte die militärischen Forderungen an Verlegefähigkeit, Mobilität, Flächenleistung und Fähigkeit zu verdeckten Operationen heraus. Weiterhin berichtete er über erste nationale praktische Erfahrungen aus Integrationsversuchen auf einem MJ-Boot Kl. 332 mit einem AUV vom Typ Sea Otter Mk 1 und daraus abgeleitete Erkenntnisse. Neu war, dass die Marine das erste Mal vor einem so großen, öffentlichen Publikum verschiedene Einsatzszenare vorstellte, z.B. den verdeckten Einsatz von AUV im fremden Randmeer in Richtung einer Hafenzufahrt .
Insofern enthielt der Vortrag sicherlich besonders für die anwesenden Industrievertreter aufschlussreiche Aussagen. Allerdings machte der Referent auch klar, dass die eigentliche Mi- Aufklärung/ Überwachung, also der Lokalisierung und Klassifizierung) durch AUVs derzeit – mit der heutigen Technologie – nicht als Erfolg versprechend angesehen wird. Seine weitere Aussage, dass AUVs im Rahmen einer »integrierten Seeminenabwehr« als Zusatzausrüstung auf Nicht-Minenabwehr-Plattformen die spezialisierten Minenabwehreinheiten bzw. Minenjagdboote in der Zukunft zwar ergänzen, nie aber ersetzen können, blieb nicht ohne Widerspruch auf Seiten der Industrievertreter.
In Ergänzung zu dem AUV-Vortrag aus militärischer Sicht schilderte Bauoberrat, Dipl.Phys. Michael Rothenbach von der Wehrtechnischen Dienststelle 71 (WTD 71) in Eckernförde die »Fähigkeitserweiterungen für die Marine« aus wehrtechnischer Sicht, wie sie schon mehrfach im MF, zuletzt in Heft 12/06, aufgezeigt wurden. Er stellte die verschiedenen technologischen Aspekte, besonders eine präzise Navigationsanlage (Mikronavigation) als essenzielle Voraussetzung für den Einsatz als UW-Aufklärungsmittel heraus. Weiterhin berichtete er zu den Versuchen mit dem von der WTD 71 gekauften Experimentalträger Sea Otter Mk I der Fa. ATLAS Elektronik (AE) sowie zu den aktuellen Schwerpunkten im Rahmen des zzt. laufenden F&T‑Vorhabens »Minenabwehr-System-Demonstrator«.
Sozusagen komplementär zum o.g. Vortrag der technischen »Amtsseite« ging der Vertreter der Fa. AE aus Bremen, Dipl.-Ing. Tronje Schneider-Pungs, auf dieses anspruchsvolle F&T‑Vorhaben ein, das bis Ende 2007 Entwicklung und Bau eines weiteren, verbesserten Demonstrators, SeaOtter Mk II vorsieht. Aber schon die anschaulich dargestellten der 2005 und 2006 im NATO-Rahmen erfolgreich durchgeführten Seeversuche mit dem Experimentalträger- AUV SeaOtter Mk I verfehlten nicht ihren Eindruck beim Publikum. Darüber hinaus wurde auch eine mobile Variante (Containerlösung) der in die Marine eingeführten Minenbekämpfungsdrohne Seefuchs vorgestellt. Durch die Kombination SeaOtter/Sea- Fox also AUV zur Minenaufklärung und ROV (Remote Operated Vehicle = drahtgelenkt) zur Bekämpfung wurde ein Konzept eines kompletten, mobilen Minenjagdsystems präsentiert, das weitestgehend unabhängig von der verbringenden Plattform eingesetzt werden könnte.
»Konzepte und Systeme unbemannter UW-Fahrzeuge zum Schutz von Systemen und Anlagen auf See«, vorgestellt durch Dipl.- Phys. Willi Hornfeld ebenfalls von der Fa. AE, hatten dagegen nicht rein militärische Aspekte des Einsatzes zum Thema, sondern die Möglichkeit der allgemeinen Terrorabwehr durch Polizei, Hafenbehörden usw. zum Schutz von Häfen, Wasserstraßen und Offshore-Einrichtungen im UW-Bereich. UW-Inspektion von Schiffshüllen, Piers und Öl-/ Gasanlagen, Seebodeninspektion im Hafenbereich und auf den Zuwegen sind Beispiele, wo ein UUV – ferngelenkt, teilautonom oder voll autonom – wirksam und personalschonend zum Einsatz kommen kann. Er zeigte die Möglichkeiten und Schwächen heutiger Systeme auf und beschrieb notwendige Entwicklungen, um eventuelle Sicherheitslücken zu schließen.
Es kann resümiert werden: Das DWT-Forum war dieses Mal eine besonders gelungene Veranstaltung mit mehrheitlich aussagekräftigen, fundierten Beiträgen. Erstmalig wurde in allen drei Dimensionen die ganze Bandbreite von unbemannten Fahrzeugen gründlich vor eingeweihtem Publikum behandelt. Informativ gestaltete Ausstellungsstände der verschiedenen Firmen ergänzten die Vorträge. Die ausgiebigen Pausen und nicht zuletzt das gemeinsame Buffet am Abend bildeten darüber hinaus wie immer eine ideale Plattform, den notwendigen, persönlichen Dialog zwischen Industrie und Amtsbereich zu pflegen. Kurz: Das Thema »traf auf den Nerv des Rüsters«, klärte die Sachlage und trug organisationsübergreifend zur Urteilungsfähigkeit auf diesen für die Zukunft eben auch für die Marine wichtigen Technologiefeldern bei. Ein wenig verwunderlich war es insofern, dass die Marine sich im Wesentlichen durch die Referenten- /Dezernenten-Ebene vertreten ließ; es wäre zu begrüßen, wenn in Zukunft auch mehr Entscheidungsträger sich aktiv bei einem Forum dieser Art einbrächten.
Die Thematik »Unmanned Vehicles« sollte wegen seines immensen Entwicklungspotenzials von daher nach Ablauf von zwei bis drei Jahren wieder auf der Tagesordnung der Studiengesellschaft der DWT stehen. Außerdem sollte die Veranstaltung wieder in Bonn stattfinden, dort, wo wegen der kurzen Anfahrtswege die Bedarfsträger-Seite von BMVg und BWB ohne großen Reiseaufwand erscheinen kann.