Deutschland — Neue Flugkörper-Systeme für die Deutsche Marine — Das Seeziel-/Landziel-FK-Konzept

Oper­a­tive Annah­men

Wirkung gegen Über­wasserziele muss, wie oben beschrieben, gegen einen het­ero­ge­nen Zielkat­a­log möglich sein. Darüber hin­aus führt auch die Vielzahl der zu betra­ch­t­en­den mar­iti­men Umfelder zu zusät­zlichen Her­aus­forderun­gen an die Wirk­mit­tel. Die für eine notwendi­ge Wirkung gegen Über­wasserziele zu betra­ch­t­en­den Seege­bi­ete sind het­ero­gen und vari­ieren von weiträu­mi­gen, küsten­fer­nen Ozeanen, 

RBS-15 über Testgelände
RBS-15 über Testgelände

bis hin zu eng begren­zten, teil­weise zer­gliederten, unter­schiedlich geformten Küstengewässern. Küsten­ver­läufe, Küstenbeschaf­fen­heit­en, Pas­sagen, Inseln und Häfen haben Auswirkun­gen auf die in den jew­eili­gen Seege­bi­eten anzutr­e­f­fend­en Ziele sowie auf die Verkehrs­dichte. So ist in Küsten­re­gio­nen von ein­er ver­gle­ich­sweise hohen und sich dynamisch verän­dern­den Verkehrs­dichte und ein­er schein­bar beliebi­gen Anwe­sen­heit unter­schiedlich­er Über­wasser­fahrzeuge und Infra­struk­turen sowie Zie­len aller Größen auszugehen. 

Dabei ist zu erwarten, dass die zu bekämpfend­en Ziele in Abhängigkeit ihrer eige­nen Größe in unmit­tel­bar­er Nähe zur Küste sowie neben z.B. Fis­cher­booten, Jacht­en, Küsten­fahrern, Bohrin­seln, etc. operieren. Eben­so wahrschein­lich ist, dass sich dieses Gemenge in Abhängigkeit von der Ent­fer­nung zur Küste reduziert. So ist die küsten­ferne Hohe See durch eine geringe Zieldichte bei gle­ichzeit­ig großer Überwachungs­fläche gekennze­ich­net. Der zivile Verkehr ist hier meist struk­turi­ert­er und fol­gt in der Regel den leichter zu erken­nen­den See­verbindungslin­ien. Kleinere Fahrzeuge sind hier nur sehr sel­ten zu erwarten. 

Die geforderte Fähigkeit zur Wirkung gegen das genan­nte, het­ero­gene Spek­trum unter­schiedlich­er Über­wasserziele in unter­schiedlichen Seege­bi­eten wird durch Attribute wie Ver­füg­barkeit, Skalier­barkeit, Präzi­sion und Selek­tiv­ität, Durch­set­zungs­fähigkeit, Reak­tion­ss­chnel­ligkeit und Abstands­fähigkeit definiert. Dabei ist es fak­tisch unmöglich, das Auftreten aller möglichen tak­tis­chen Sit­u­a­tion ein­er zukün­fti­gen Oper­a­tion bere­its heute vorherzusagen. Es ist jedoch wahrschein­lich, dass Wirkung gegen Über­wasserziele je nach Szenario im Schw­er­punkt entwed­er Forderun­gen an die Durch­set­zungs­fähigkeit oder aber an die Präzi­sion und Selek­tiv­ität eines Wirk­mit­tels stellt. 

Oper­a­tive Berech­nungsvor­gaben

Für Szenar­ien mit Schw­er­punkt Durch­set­zungs­fähigkeit wird der zur Neu­tral­isierung eines einzel­nen (größeren) Über­wass­er-Seezieles (auf der Hohen See) notwendi­ge Wirk­mit­te­lansatz in eingestuften NATO-Vor­gaben definiert. Die Anzahl der für diesen Zweck notwendi­gen Flugkör­p­er ergibt sich aus ein­er Berech­nung, in die sowohl die Wirk­mit­tel­größe als auch die Ziel­größe einge­ht. Darüber hin­aus wird das im Ziel­ge­bi­et vorherrschende Wet­ter sowie die Defen­sivfähigkeit eines Ziels berücksichtigt. 

NATO- und nationale Vor­gaben fordern die Bevor­ratung ein­er Min­destanzahl von Muni­tion. Sie ori­en­tiert sich an der Bewaffnung der Sys­temträger und der kon­struk­tions­be­d­ingten Aus­rüs­tungska­paz­ität. Basierend auf der kon­struk­tiv­en Aus­rüs­tungska­paz­ität wer­den für alle Flugkör­p­er Aus­rüs­tungs- und Nach­lade­fak­toren vorgegeben. 

Flugkör­p­er als Wirk­mit­tel sind kom­plexe Sys­teme. Daher ist es notwendig, Flugkör­per­sys­teme ein­er zyk­lis­chen Wartung und Prü­fung zu unterziehen. Das bedeutet, dass sich die Ver­füg­barkeit dieser Wirk­mit­tel teil­weise deut­lich reduziert. Gle­ichzeit­ig muss davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich der ver­füg­bare Bestand der vorhan­de­nen Flugkör­p­er eines Typs bei Auftreten der beschriebe­nen Obsoleszen­zen inner­halb der beab­sichtigten Nutzungs­dauer nicht erhöhen lässt. Diesem Sachver­halt muss von Beginn an durch die Beschaf­fung ein­er aus­re­ichend großen Menge und durch den quer­schnit­tlichen Ein­satz der Flugkör­p­er von unter­schiedlichen Plat­tfor­men aus Rech­nung getra­gen werden. 

Alleine auf­grund der vorge­planten Wartungs-/Prüfin­ter­valle ist es zur Gewährleis­tung der oper­a­tiv­en Ver­füg­barkeit und zur Gewährleis­tung ein­er hohen Durch­hal­te­fähigkeit erforder­lich, die mit o.a. Kri­te­rien errech­neten Min­dest­be­stand­szahlen um einen logis­tis­chen Fak­tor zu erhöhen. Oper­a­tiv­er- (Nach­lade- und Aus­rüs­tungs­fak­tor) sowie logis­tis­ch­er Fak­tor bewe­gen sich in der Band­bre­ite von 1 bis 2. 

Unter­suchung und Ableitung des Seeziel-/Landziel-FK-Bedarfs

Aus den umfan­gre­ichen Vor­gaben der KdB zur Wirk­samkeit im Ein­satz fol­gt, dass der geforderte präzise und selek­tive Ein­satz von Wirk­mit­teln gegen mobile Über­wasserseeziele in unter­schiedlichen Seege­bi­eten und auf unter­schiedliche Ent­fer­nun­gen außer­halb des Näch­st­bere­ich­es zum heuti­gen Zeit­punkt auss­chließlich durch Schw­ergewicht­stor­pe­dos und Flugkör­p­er von Bord seegestützter Waf­fen­sys­teme erre­icht wer­den kann. Da die vorhan­dene Seeziel-FK-Muni­tion der betra­chteten Über­wassere­in­heit­en bis auf den RBS 15 Mk 3 abse­hbar obso­let wird, ist an Bord der betrof­fe­nen Ein­heit­en ein die konzep­tionellen Vor­gaben berück­sichti­gen­der Ersatz einzu­pla­nen. Dabei ist dem Umstand Rech­nung zu tra­gen, dass die Größe der vorhan­de­nen Plat­tfor­men keine par­al­lele Ein­rüs­tung getren­nter Seeziel- bzw. Landziel-FK-Sys­teme an Bord erlaubt. 

Um die erkan­nten Fähigkeit­slück­en trotz­dem zu schließen, ist als einzige Lösung die Beschaf­fung von Flugkör­pern vorstell­bar, die sowohl gegen See- als auch gegen Landziele einge­set­zt wer­den kön­nen. Da es sich dabei um einen Kom­pro­miss han­delt, wird für die beste­hen­den Träger­plat­tfor­men die Hauptwirkauf­gabe gegen Seeziele pri­or­isiert. Daraus fol­gt, dass die zu beschaf­fend­en Wirk­mit­tel in ihrer Haupt­forderung gegen Seeziele zu opti­mieren sind. Die Beschaf­fung eines eige­nen Landziel-opti­mierten FK-Sys­tems für die beste­hen­den, mar­iti­men Sys­temträger ist daher nicht beabsichtigt. 

Ableitung des Wirk­mit­telmix­es der »Ein­heit­en mit Offen­sivpoten­zial«

Auf­grund der sich teil­weise wider­sprechen­den Attribute kön­nen die Ein­heit­en der Deutschen Marine die Forderung nach ein­er gle­ichzeit­ig effek­tiv­en, abgestuften, präzisen und selek­tiv­en, durch­set­zungs­fähi­gen und abstands­fähi­gen Wirkung gegen die o.g. äußerst het­ero­ge­nen Ziele und in unter­schiedlichen Seege­bi­eten aus oper­a­tiv­er Sicht nicht mit einem einzel­nen FK-Sys­tem erre­ichen. Da in den oper­a­tiv­en Annah­men jedoch davon aus­ge­gan­gen wird, dass die erforder­liche Wirkung gegen Über­wasserziele je nach Szenario im Schw­er­punkt entwed­er Forderun­gen an die Durch­set­zungs­fähigkeit oder aber an die Präzi­sion und Selek­tiv­ität eines Wirk­mit­tels stellt, wer­den dementsprechend unter­schiedlich aus­gelegte und dimen­sion­ierte Flugkör­per­sys­teme gefordert. Diese wer­den im weit­eren als »Schw­er­er FK« und »Mit­tlerer FK« bezeichnet. 

Die Ein­rüst­barkeit an Bord der Über­wassere­in­heit­en

Die Ein­rüst­barkeit dieser sich ergänzen­den FK-Sys­teme an Bord der schwim­menden Sys­temträger der Marine wird maßge­blich durch die Größe der zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plat­tfor­men bee­in­flusst. Während dies für Schnell­boote auf­grund ihrer begren­zten Größe bedeutet, sich auf einen FK-Typ beschränken zu müssen, wird für Korvet­ten und Fre­gat­ten grund­sät­zlich die Bewaffnung mit bei­den FK-Typen gefordert. Während der Schwere FK auss­chließlich von fest an Bord instal­lierten Star­tan­la­gen ver­bracht wer­den kann, erlauben die gerin­gen physikalis­chen Abmes­sun­gen des Mit­tleren FK auch die Ver­bringung durch einen geeigneten Bordhubschrauber. 

Die Nutzung dieser Ver­bringungsmeth­ode ermöglicht es, ein von der Wasser­ober­fläche aus nicht erkennbares Ziel auf sichere Ent­fer­nung zur eige­nen Über­wassere­in­heit zu detek­tieren und zu iden­ti­fizieren sowie reak­tion­ss­chnell und selek­tiv zu bekämpfen. Dadurch wird primär im küsten­na­hen Umfeld ein Beitrag zur Abstands­fähigkeit erbracht. Auf­grund dieses Vorteils nutzen Fre­gat­ten für den Ein­satz des Mit­tleren FK grund­sät­zlich den oben beschriebe­nen Vorteil des flex­i­bel ein­set­zbaren, zum »Waf­fen­sys­tem Fre­gat­te« gehören­den BHS. Demge­genüber müssen Korvet­ten auf­grund ihrer gerin­geren Größe i.d.R. auf den Ein­satz eines BHS verzicht­en. Diese Ein­heit­en sind daher grund­sät­zlich für eine bor­dgestützte Ver­bringung eines Mit­tleren FK vorzusehen. 

Der Ausstat­tung­sum­fang der Über­wassere­in­heit­en

Der Umfang der notwendi­gen Flugkör­p­er richtet sich nach den wahrschein­lich­sten Ein­sätzen. Dies erfordert auch im Falle der räum­lichen Tren­nung von anderen befre­un­de­ten Ein­heit­en mit Offen­sivpoten­zial und im Falle ein­er ersten Eskala­tion, beste­hen und wirken zu kön­nen. Aus diesem Grund wird hier für die Über­wassere­in­heit­en mit Offen­sivpoten­zial die oper­a­tive Forderung aufgestellt, dass sich die in der o.g. Flot­te­naus­pla­nung genan­nten eige­nen Ein­heit­en jew­eils gegen min­destens einen typ­gle­ichen Geg­n­er durch­set­zen kön­nen müssen. Für die sich in küsten­na­hen Gewässern beson­deren Gefahren aus­set­zen­den Korvet­ten und Fre­gat­ten wird darüber hin­aus ver­langt, dass sie sich gegen min­destens zwei kleinere Geg­n­er durch­set­zen kön­nen müssen. 

Für die Über­wassere­in­heit­en mit Offen­sivpoten­zial der Marine fol­gt daher jew­eils fol­gen­der vorzuhal­tender Min­i­malansatz ein­er schw­eren SZ-FK-Bewaffnung: 

  • Schnell­boote / Korvet­ten: 4 EA Schw­er­er SZ-FK

  • Fre­gat­ten: 8 EA Schw­er­er SZ-FK

Zusät­zlich ist jew­eils fol­gen­der Min­i­malansatz ein­er Mit­tleren SZ-FK-Bewaffnung vorzusehen: 

  • Korvet­ten: 4 EA Mit­tlerer SZ-FK (bor­dgestützt)

  • Fre­gat­ten: 6 EA Mit­tlerer SZ-FK (BHS-gestützt)

Team GlobDef

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