Deutschland — Korvette 131 — Eine nutzungsorientierte Schiffsklasse

Mis­sions­flex­i­bil­ität

Aus den oben aufge­führten Rah­menbe­din­gun­gen und Forderun­gen ergibt sich für die Korvette 131 ein sehr bre­ites Fähigkeitsspek­trum. Eine direk­te Umset­zung aller Fähigkeit­en in einem Entwurf führt zwangsläu­fig zu einem sehr großen und aufwendi­gen, d.h. kosten­in­ten­siv­en Fahrzeug. Vor diesem Hin­ter­grund ist die Mis­sions­flex­i­bil­ität ein­er der Ansätze, die zum Teil wider­sprüch­lichen Anforderun­gen an das Pro­jekt miteinan­der in Ein­klang zu brin­gen. Mis­sions­flex­i­bil­ität bedeutet, dass nicht alle Fahrzeuge dieser Klasse ständig die gesamte Aus­rüs­tung an Bord mit­führen müssen. Bes­timmte Anteile, die so genan­nten »Mis­sion­s­mod­ule«, kön­nen für jeden Ein­satz indi­vidu­ell an oder von Bord genom­men wer­den. Hier­durch lassen sich die Größe und Kosten der Träger­plat­tform, die Beschaf­fungskosten für die Unter­sys­teme und auch der erforder­liche Per­son­alaufwand an Bord begren­zen. Mis­sion­s­mod­u­lar­ität geht deut­lich weit­er als die bish­er vielfach prak­tizierte Mod­u­lar­ität bei Entwurf, Kon­struk­tion und Bau von Marine­fahrzeu­gen (Bau­mod­u­lar­ität).

 USA Littoral Combat Ship LCS-1 (Foto: US Navy)
USA Lit­toral Com­bat Ship LCS‑1
Foto: US Navy
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USA Littoral Combat Ship LCS-2 (Foto: US Navy)
USA Lit­toral Com­bat Ship LCS‑2
Foto: US Navy
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Die in der Ver­gan­gen­heit ins­beson­dere von der dänis­chen (Stan­Flex) aber auch der Deutschen Marine gemacht­en prak­tis­chen Erfahrun­gen mit der Containerisierung/Modularisierung von Mis­sion­sausstat­tun­gen zeigen, dass der prak­tis­chen Umset­zung dieser in der The­o­rie schein­bar ein­fachen Idee zum Teil enge Gren­zen geset­zt sind. So müssen auf der Träger­plat­tform bes­timmte bauliche Voraus­set­zun­gen geschaf­fen wer­den, damit eine Ein­satzfähigkeit der an Bord zu nehmenden Mod­ule hergestellt wer­den kann. Gemeint sind damit nicht die reinen Stellplätze für Con­tain­er, son­dern vielmehr die große Anzahl schiff­stech­nis­ch­er und funk­tionaler Inte­gra­tions­be­lange. Darüber hin­aus müssen die für die mis­sion­sspez­i­fis­che Inte­gra­tion vorge­se­henen Sys­te­man­teile grund­sät­zlich geeignet sein und durch entsprechende Mod­i­fizierun­gen für den mis­sions­flex­i­blen Ein­satz ertüchtigt wer­den. Wird zusät­zlich der für Ein­bau, Aus­bau, Kalibrierung/Justierung und die Inbe­trieb­nahme benötigte Aufwand mit­berück­sichtigt, erweist sich die Mis­sion­s­mod­u­lar­ität für einige Anteile in der Prax­is unter dem Strich als über­aus arbeits‑, zeit- und kosten­in­ten­siv. Schnell ist der Punkt erre­icht (Break Even), ab dem ein mis­sion­s­mod­u­lar­er Ansatz nicht mehr sin­nvoll real­isier­bar ist. 

Die Analy­sen, welche Teile des Ein­satzsys­tems sich in der Prax­is tat­säch­lich für eine mis­sion­sspez­i­fis­che Ein­schif­fung eignen, sind noch nicht abgeschlossen. Bere­its jet­zt ist jedoch abse­hbar, dass nicht das gesamte Ein­satzsys­tem aus Mis­sion­s­mod­ulen beste­hen kann. Real­is­tisch ist vielmehr eine Kom­bi­na­tion aus einem schiffs­festen Basisan­teil ergänzt um einen vari­ablen, mis­sion­sspez­i­fis­chen Ergänzung­steil. Für den schiffs­festen Anteil bedeutet dieses eine hohe inhärente Flex­i­bil­ität, d.h. möglichst uni­verselle und nicht auf spezielle Anwen­dun­gen opti­mierte Sys­temkom­po­nen­ten. Diese Erken­nt­nis deckt sich mit dem Ansatz der US-Navy bei dem Lit­toral Com­bat Ship (LCS). Auf der per­son­ellen Seite spiegelt sich dieses Konzept in ein­er Stammbe­satzung von etwa 70 Soldatinnen/Soldaten und ein­er mis­sion­sspez­i­fis­chen Ein­schif­fungskom­po­nente von etwa 50 Soldatinnen/ Sol­dat­en wider. 

In Verbindung mit ein­er entsprechen­den Ausle­gung der Plat­tform wird über die Mis­sions­flex­i­bil­ität auch die Aufwuchs­fähigkeit für eine spätere Erweiterung des Fähigkeitsspek­trums in Rich­tung höher­w­er­tiger Fähigkeit­en sichergestellt. 

Pro­jek­t­man­age­ment

Grund­sät­zlich beste­ht bei allen neuen Pro­jek­ten die Her­aus­forderung, eine Lösung zu find­en, die ein­er­seits der Forderungslage möglichst weit­ge­hend gerecht wird und ander­er­seits haushaltsverträglich ist, d.h. nach Umfang und Verteilung der benötigten Haushaltsmit­tel in der zukün­fti­gen Bun­deswehr- und Haushalt­s­pla­nung berück­sichtigt wer­den kann. Die für die Korvette 131 bish­er angestell­ten Vorun­ter­suchun­gen haben recht deut­lich aufgezeigt, dass dieses auf kon­ven­tionelle Weise kaum zu real­isieren sein wird. Jedoch eröffnet der mit der Korvette 131 ver­bun­dene Neuansatz beim Fähigkeit­spro­fil und der Nutzung­sori­en­tierung auch für die Real­isierung des Pro­jek­tes aus­sicht­sre­iche Per­spek­tiv­en, einen Lösungsraum für die sich prinzip­iell wider­strebende Ten­den­zen zu erar­beit­en. Hierzu gehören unter anderem: 

In der Analysephase: 

  • Frühzeit­ige Ein­bindung qual­i­fiziert­er Anbi­eter der Werft- und Systemindustrie
  • Frühzeit­ige Erar­beitung inno­v­a­tiv­er und opti­miert­er Konzepte für die Auf­gaben in der Nutzung: Ein­satz, Betrieb, Instand­hal­tung, Instand­set­zung, Mate­ri­al­be­wirtschaf­tung, Kon­fig­u­ra­tions­man­age­ment, Obsoleszenz-Man­age­ment, Sys­tempflege und ‑änderung.
  • Design to Bud­get für Beschaf­fungs- und Nutzungskosten mit frühzeit­iger Opti­mierung der wesentlichen Kostentreiber.

Bei der Projektierung: 

  • Nutzung der Wet­tbe­werb­ssi­t­u­a­tion zum Vorteil des öAG auf möglichst vie­len Ebenen.
  • Abbau der entwurfs­bes­tim­menden Real­isierungsrisiken im Rah­men ein­er Pro­jek­tierung im Wet­tbe­werb getren­nt nach a) Plat­tform und b) Einsatzsystem.

Bei der Einführung: 

  • Real­isierung des Pro­jek­tes in inkre­mentellen Schritten

Für einen Großteil der pro­jek­trel­e­van­ten The­men und Auf­gaben müssen inno­v­a­tive Konzepte erar­beit­et wer­den. So soll mit der Korvette 131 beispiel­sweise für die soft­waregestützten Man­age­ment­tools ein durchgängiges, medi­en­bruch­freies Toolkonzept real­isiert wer­den, das auss­chließlich mark­tetablierte Stan­dard-Tools umfasst und den gesamtem Lebensweg abdeckt (Anforderungs­man­age­ment à Entwurf à Kon­struk­tion à Doku­men­ta­tion à Materialbewirtschaftung). 

Frühzeit­ige Ein­bindung der Indus­trie

Eines der inno­v­a­tiv­en Ele­mente des Pro­jek­t­man­age­ments für die Korvette 131 ist die Ein­bindung der Indus­trie bere­its in ein­er sehr frühen Phase. Hier­durch soll ver­hin­dert wer­den, dass durch einge­fahrene Wege und Denken in etablierten Schema­ta zu frühzeit­ig und/oder unre­al­is­tis­che Fes­tle­gun­gen getrof­fen wer­den, die den Lösungsraum und damit den Wet­tbe­werb unnötig einschränken. 

Qual­i­fizierte und inter­essierte Anbi­eter der Werft- und Sys­te­mindus­trie haben die Gele­gen­heit erhal­ten zu einem ver­traulichen Dia­log unter Wahrung ihrer intellek­tuellen Rechte. Für die bei­den Teil­bere­iche Plat­tform und Ein­satzsys­tem wur­den und wer­den jew­eils tech­nisch-wirtschaftliche Lösungskonzepte disku­tiert, die die oper­a­tiv­en Forderun­gen des Bedarf­strägers so weit wie möglich erfüllen und dabei unter vorgegeben Rah­menbe­din­gun­gen real­isier­bar und betreib­bar sind. Maßstab für die Beurteilung der Konzepte ist die Max­imierung der Forderungser­fül­lung in Verbindung mit der Ein­hal­tung definiert­er Bud­gets für die Beschaf­fung und die Nutzung (Design to Budget). 

Entsprechend diesem Kerngedanken ist die Korvette 131 nicht zwangsläu­fig immer nur als eine Ein­heit im Sinne eines Schiffes oder ein­er Plat­tform zu ver­ste­hen. Denkbar sind vielmehr auch sys­te­mori­en­tierte Ansätze, bei dem die oper­a­tiv­en Auf­gaben­stel­lun­gen der Marine auch durch einen Ver­bund unter­schiedlich­er Fahrzeuge (Sys­tem of Sys­tems, z.B. Mut­ter­schif­fkonzept [große Träger­plat­tform mit mis­sion­sspez­i­fis­chen Kle­in­fahrzeu­gen]) erbracht wer­den kann. Vor diesem Hin­ter­grund ist die konkrete Aus­prä­gung der tech­nis­chen Lösung, d.h. die Anzahl und der Typ der Fahrzeuge sowie deren tech­nis­che Merk­male (z.B. Rumpf­form, Ver­drän­gung) weit­ge­hend freigestellt. 

Die in den erfreulich bre­it geführten Diskus­sio­nen gewonnenen Erken­nt­nisse wer­den in die nach­fol­gende Pro­jek­tierung im Wet­tbe­werb ein­fließen. Bish­er konzen­tri­eren sich diese auf inno­v­a­tive Ansätze für die Aspekte: 

  • Grund­sät­zliche Konzeption/Operation
  • Tren­nung von Bau und Entwurf
  • Rumpf­for­men und Antriebskonzepte
  • Struk­tur, Aus­gestal­tung und Betrieb der Einsatzsysteme
  • Nutzungsunterstützung

Team GlobDef

Seit 2001 ist GlobalDefence.net im Internet unterwegs, um mit eigenen Analysen, interessanten Kooperationen und umfassenden Informationen für einen spannenden Überblick der Weltlage zu sorgen. GlobalDefence.net war dabei die erste deutschsprachige Internetseite, die mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik außerhalb von Hochschulen oder Instituten aufgetreten ist.

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