Deutschland — Fähigkeitsanpassung Fregatte 123

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Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen” veröf­fentlicht.

Marineforum

Fähigkeit­san­pas­sung Fre­gat­te 123 — Hochkom­plexe Sys­te­men­twick­lung für sicher­heit­skri­tis­che Anwen­dun­gen

Fregatte 123 BRANDENBURG (Foto: PIZM Ricarda  Schönbrodt)
Fre­gat­te 123 BRANDENBURG
Foto: PIZ Marine Ricar­da Schön­brodt
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Die vier Fre­gat­ten der BRAN­DEN­BURG-Klasse (F123) sind das Rück­grat der führungs­fähi­gen Über­wassere­in­heit­en der Deutschen Marine. Die Schiffe ste­hen seit etwa 15 Jahren im Dienst der Flotte und haben sich bei ein­er Vielzahl von inter­na­tionalen Ein­sätzen außeror­dentlich bewährt. Alters- und obsoleszenzbe­d­ingt haben jedoch wesentliche Teile des Führungs- und Waf­fenein­satzsys­tems (FüWES) sowie der Feuer­lei­tan­la­gen mit­tler­weile die Gren­ze der Ver­sorg­barkeit erre­icht. Der notwendi­ge Ersatz bzw. eine umfassende Erneuerung sind Teil des Pro­jek­tes »Fähigkeit­san­pas­sung F123«. 

Damit diese unverzicht­baren Ein­heit­en ohne eine lang­wierige Über­gangsphase zur Wieder­her­stel­lung der Ein­satzfähigkeit schnell­st­möglich der Flotte wieder zur Ver­fü­gung gestellt wer­den kön­nen, kommt bei der Sys­te­men­twick­lung erst­mals ein hoher ana­lytis­ch­er Stan­dard für die Qual­itätssicherung zur Anwendung. 

Fähigkeit­san­pas­sung Fre­gat­te 123

Die Fähigkeit­san­pas­sung F123 ist ein »wesentlich­es Großvorhaben« der deutschen Marinerüs­tung, mit dem nicht nur das FüWES erneuert wird, son­dern darüber hin­aus auch die Führungs­fähigkeit der Schiffe ins­ge­samt verbessert und die Flugkör­per­be­waffnung erneuert wer­den soll. Trotz der umfan­gre­ichen Umrüst­maß­nah­men bleiben die Schiffe während der Pro­jek­t­laufzeit in Dienst gestellt. Die gesamte Pro­jek­t­durch­führung und alle Arbeit­en an Bord haben sich daran zu orientieren. 

Die Real­isierung des Pro­jek­tes ist schrit­tweise in drei aufeinan­der auf­bauen­den Stufen vorgesehen: 

Stufe I (Laufzeit bis 2013)
In einem ersten Schritt find­et zunächst der Aus­tausch des alten FüWES SATIR F123 gegen das mod­erne Sys­tem SABRINA 21 statt. Dabei wird die bish­erige Zen­tral­rech­n­er­struk­tur durch ein voll verteiltes und redun­dantes Sys­tem mit offe­nen Schnittstellen erset­zt. Die Hard­ware (Arbeitsplätze/ Kon­solen, Serv­er) und auch die Soft­ware (Betrieb­ssys­tem, Ein­satz­soft­ware) wer­den voll­ständig aus­ge­tauscht. Im Hin­blick auf die Unter­stützung neuer Auf­gaben wer­den in diesem Zusam­men­hang sowohl führungsspez­i­fis­che Funk­tio­nen als auch bish­er nicht an das FüWES ange­bun­dene Unter­sys­teme (z. B. Feuer­leit­mod­ul, Mul­ti­sen­sor­plat­tform 600, Marinele­icht­geschütz 27-mm) funk­tion­al mit in die Ein­satz­soft­ware integriert. 

Zudem werden 

  • Anteile der Führungs-Infor­ma­tion­ssys­teme der Marine integriert,

  • Möglichkeit­en zum »On Board Train­ing« bereitgestellt, 

  • Inter­ak­tive Sim­u­la­tion­ss­chnittstellen real­isiert sowie

  • eine Aufwuchs­fähigkeit für zukün­ftige funk­tionale Erweiterun­gen geschaffen. 

Der Ver­trag über die Real­isierung der Stufe I der Fähigkeit­san­pas­sung wurde im Sep­tem­ber 2005 geschlossen. Haup­tauf­trag­nehmer ist das Kon­sor­tium »Fähigkeit­san­pas­sung « beste­hend aus den Fir­men Thales Ned­er­land (Hen­ge­lo) und Thales Defence Deutsch­land (Wilhelmshaven).Aktuell wird die Stufe I auf der ersten Ein­heit (FGS MECKLENBURG-VORPOMMERN) eingerüstet. 

Stufe II (2010 bis 2017)
Im zweit­en Schritt soll die Flugkör­per­be­waffnung zur Bekämp­fung von Luftzie­len regener­iert wer­den. Der hier­für derzeit an Bord vorhan­dene Flugkör­p­er RIM-7P NATO Sea Spar­row Mis­sile (NSSM) wird abse­hbar die Gren­ze ein­er wirtschaftlich noch vertret­baren Ver­sorg­barkeit erre­ichen. Er soll deshalb durch den leis­tungs­gesteigerten Nach­folge-Flugkör­p­er Evolved Sea Spar­row Mis­sile (ESSM) mit Fähigkeit­en zur eingeschränk­ten Ver­bands­flu­gab­wehr erset­zt wer­den. Im direk­ten Zusam­men­hang damit ste­ht auch der Aus­tausch der Senderöhren der Feuer­lei­tan­lage, die für eine Beleuch­tung der Ziele erforder­lich sind. Die Nachver­sorg­barkeit der hier­für bish­er ver­wen­de­ten Wan­der­fel­dröhren (Trav­el­ling Wave Tubes, TWT) ist zukün­ftig nicht mehr gegeben. Darüber hin­aus ist mit dieser Stufe die funk­tionale Inte­gra­tion des Fre­und­Feind-Ken­nungssys­tems NATO IFF Mode S vorgesehen. 

Die Stufe II soll auch schiff­stech­nis­che Aspek­te berück­sichti­gen. Aus Grün­den der Leck­sta­bil­ität kön­nen derzeit auf der Fre­gat­te 123 keine Änderungs­maß­nah­men durchge­führt wer­den, die Auswirkun­gen auf die Gewichts- und Momenten­bi­lanz haben. Vor dem Hin­ter­grund der noch verbleiben­den Rest­nutzungs­dauer (etwa 15 bis 20 Jahre) ist die Schaf­fung aus­re­ichen­der Sta­bil­ität­sre­ser­ven und damit ein zukun­ft­sori­en­tiert­er Erhalt der Hand­lungs­fähigkeit drin­gend geboten. Diese Reser­ven sollen über eine Ver­längerung des Hin­ter­schiffes geschaf­fen werden. 

Die Arbeit­en zur tech­nis­chen Spez­i­fika­tion des Leis­tung­sum­fanges für die Stufe II sind weit­ge­hend abgeschlossen. Die Arbeit­en kön­nen in Abhängigkeit der Finanzier­barkeit beauf­tragt werden. 

Stufe III (2013 bis 2016)
Der wesentliche Aspekt dieser abschließen­den Stufe der Fähigkeit­san­pas­sung F123 soll die Inte­gra­tion eines neuen schw­eren Seezielflugkör­pers im Aus­tausch für den ver­al­teten und nicht mehr ver­sorg­baren Flugkör­p­er MM38 Exo­cet sein. 

Tech­nis­che Lösung für Stufe I

Die tech­nis­che Lösung für das in der Stufe I an Bord einzurüs­tende neue FüWES SABRINA 21 basiert auf ein­er evo­lu­tionären Weit­er­en­twick­lung von bere­its bei der Deutschen Marine einge­führten Sys­te­men. Entsprechend dem Gedanken der Har­mon­isierung der Land­schaft der Marine- FüWES kom­biniert SABRINA 21 eine zu der Fre­gat­te 124 und der Korvette 130 analoge Soft­ware-Architek­tur mit mod­ern­er Hard­ware für die Kon­solen und das Net­zw­erk entsprechend dem Stand der Zeit aus der TAC­TI­COS-Fam­i­lie. Im Ergeb­nis kön­nen Soft­warekom­po­nen­ten aus Vorgänger­pro­jek­ten (Fre­gat­te 124, Korvette 130, Kampfw­ert­steigerung RAM-HAS) mit berück­sichtigt werden. 

Sys­te­men­twick­lung für kom­plexe IT-Sys­teme

Der Aus­tausch des FüWES eines im Dienst verbleiben­den Mari­neschiffes ist eine über­aus kom­plexe Maß­nahme, erhe­blich kom­plex­er als die Ein­rüs­tung eines FüWES im Rah­men eines Neubaupro­jek­tes. Die Bear­beitung der Fähigkeit­san­pas­sung F123 geschieht entsprechend dem für IT-Pro­jek­te des öffentlichen Auf­tragge­bers vorgeschriebe­nen Vorge­hens­mod­ell gemäß dem All­ge­meinen Umdruck AU 250 (V‑Modell).

Eine Vielzahl mod­ern­er Rüs­tung­spro­jek­te aber auch zivile Großpro­jek­te (z. B. das Maut­sys­tem) lei­den unter zum Teil erhe­blichen Verzögerun­gen und Mehrkosten. Ursache sind in sehr vie­len Fällen Defizite bei der Entwick­lung der Soft­ware und/oder deren Zusam­men­wirken mit der Hard­ware (Hard­ware + Soft­ware = Sys­tem). Für neues Wehr­ma­te­r­i­al resul­tieren hier­aus häu­fig lang­wierige Über­gangsphasen, in denen die prak­tis­che Ein­satzfähigkeit für konkrete Ein­sätze erst mühevoll, d. h. zeit- und kosten­in­ten­siv, hergestellt wer­den muss. 

Auch die Deutsche Marine hat bei ver­schiede­nen Vorgänger­pro­jek­ten entsprechende Erfahrun­gen machen müssen. Aus diesem Grund hat ins­beson­dere das Marineamt in Ros­tock eine Rei­he von Vor­gaben für die Qual­itätssicherung erar­beit­et, die bei der Entwick­lung von Soft­ware zukün­ftig zu berück­sichti­gen sind. Diese Vor­gaben sind in dem so genan­nten Kon­struk­tiv­en Qual­itäts­maßstab (KQM) und Ana­lytis­chen Qual­itäts­maßstab (AQM) zusam­menge­fasst. Ziel des KQM ist es, den Prozess der Entwick­lung von sicher­heit­skri­tis­ch­er Soft­ware durch verbindliche Vor­gaben für die Qual­itätssicherung so zu struk­turi­eren, dass für ein entsprechend diesen Vor­gaben entwick­eltes Pro­dukt unmit­tel­bar und risikoarm eine sichere Her­stel­lung der Ein­satzfähigkeit bis hin zu ein­er Freiga­be für den »schar­fen« Waf­fenein­satz erre­icht wird. Eine zeit- und kosten­in­ten­sive Über­gangsphase bei der Ein­führung in die Truppe soll so ver­hin­dert wer­den. Während der KQM Fehler ver­mei­dend aus­gerichtet ist, dient der AQM der Fehlerfindung. 

Team GlobDef

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