Mit dem Ende des Kalten Krieges begann eine Neuausrichtung der Seestreitkräfte der meisten Länder. Während des Ost-West-Konfliktes waren viele Seestreitkräfte auf die Verteidigung der heimischen Gewässer ausgerichtet – ihre Seeausdauer konnte daher begrenzt sein. Mit Niedergang der ehemaligen Sowjetunion und der einhergehenden Verbesserung des Ost-West-Verhältnisses setzte eine allgemeine Entspannung ein, die zu einem globalen Rückgang der Verteidigungsausgaben führte.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Klasse 216 Formgebung und Propulsion Click to enlarge |
Durch die Terroranschläge vom 11. September 2001schließlich wurde eine neue Bedrohung offensichtlich, die seither sicherheitspolitische Erwägungen bestimmt. Darüber hinaus sind neue Szenarien wie Bekämpfung von Piraterie und Schmuggel hinzugekommen.
Für die Marinen von heute bedeutet dies, dass insbesondere die Industrienationen Konflikte dort bekämpfen, wo sie entstehen und nicht mehr abwarten, bis die eigenen oder die Bündnisgrenzen bedroht sind.
Heute gibt es mit Indien und China neue Großmächte, die ihre Interessen durchsetzen und verteidigen werden. Aus diesem Grunde setzt im südost- bzw. ostasiatischen Raum ein massiver Aufrüstungsprozess ein. Allein China hat laut Untersuchungen des Leibniz Institutes seine Rüstungsaufwände von 23 Mrd. USD auf heute mehr als 63 Mrd. USD fast verdreifacht. Die angrenzenden Länder wie Indien, Japan, Südkorea aber auch Australien haben ihre Rüstungsausgaben erhöht. Ein britischer Admiral a.D. sagte kürzlich etwas scherzhaft: Nur der Umfang der Neubeschaffungsprojekte der indischen Marine sei jetzt schon größer als die bestehende britische Flotte.
Während das konventionelle U‑Boot heutiger Ausprägung für Länder mit lokalen Konfliktpotenzialen weiterhin ein hervorragendes Einsatzmittel zur Bindung überlegener Seestreitkräfte potenzieller Gegner darstellt, haben sich die Einsatzszenarien für viele Industrienationen deutlich verschoben. Gleichzeitig haben nukleare Boote deutliche Nachteile in Signatur und Lebenszeitkosten, von den politischen Restriktionen ganz abgesehen.
Die Fähigkeit des verdeckten Aufklärens fernab eigener Basen über lange Zeiträume, Verbringung und Unterstützung von Spezialeinheiten sowie überraschende Angriffe mit Landzielflugkörpern lassen dem U‑Boot heute eine wichtige Rolle innerhalb der Marinen und internationalen Verbänden zukommen.
Es ergeben sich neue Anforderungen an die U‑Boote, die über die Fähigkeiten der heutigen, kompakten U‑Boot-Klassen wie der Klasse 212A hinausgehen und weit reichende Einflüsse auf den Bootsentwurf mit sich bringen.
Die geforderte Missions- und Anforderungsvielfalt spiegelt sich in den neu geforderten Fähigkeiten für einen geeigneten U‑Boots-Entwurf wider:
- Große Reichweite
- Hohe Verlegegeschwindigkeit
- Lange Missionsdauern
- Große Waffenkapazität
- Flugkörper für See- und Landziele
- Erweiterte Aufklärungsfähigkeit
- Hoher Komfort für die Besatzung
Resultierend aus diesen Forderungen ergibt sich ein großer U‑Boot-Entwurf, der mehr als die doppelte Verdrängung der Klasse 212A aufweist. Dabei ist Bootsverdrängung keine Entwurfsanforderung, sondern vielmehr das Ergebnis der Summe aller geforderten Fähigkeiten.
Der folgende Text beschreibt die neue Klasse 216, einen Entwurf, der die Antwort auf die neuen Forderungen der Marinen der Industrienationen sein kann.
Geänderte Anforderungen erfordern maßgeschneiderte Lösungen
Die Klasse 216 ist eine Symbiose aus bewährter Technologie gepaart mit Innovationen aus jahrelanger Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Viele der Designansätze, Systeme und Komponenten haben sich über Jahre bewährt. Kombiniert mit neuen Technologien rüsten sie diese Bootsklasse für die Gegenwart und Zukunft.
Die im Vergleich zur Klasse 212A etwa 40 Prozent größere Bootslänge resultiert aus den größentreibenden Faktoren wie Antrieb, Energieerzeugungs- und Speicherungssystemen, flexibler Nutzlast, Waffenführungs- und Einsatzsystem und den großzügigen Wohnräumen. Der ermöglicht die Einrichtung von zwei begehbaren Ebenen, was einem separaten Wohn- und Freizeitbereich sowie eine moderne Anordnung der Plattform- und Waffenführungssysteme gestattet und es zulässt, dass die Operationszentrale nicht als Durchgang dient.
Die zu fordernde Missionszeit von über 80 Tagen bringt eine hohe physische und psychische Belastung der Besatzung mit sich. Deshalb wird in der Klasse 216 dem Komfort, der Ergonomie und der effektiven Systemnutzung durch Automation ein hoher Stellenwert beigemessen.
Der Druckkörper ist aus bewährtem, hochfesten HY80-Stahl, der sich durch seine Festigkeit, Zähigkeit und gute Schweißbarkeit auszeichnet. Aufgrund seiner Spant- und Hautdimensionierungen kommt der Druckkörper ohne Rahmenspanten aus, was in der Inneneinrichtung zu größerer Auslegungsfreiheit führt.
Ein druckfestes Schott zwischen dem Wohnbereich und der Operationszentrale — also den Räumen in denen sich die Mehrheit der Besatzung aufhält — unterteilt das U‑Boot im Falle eines unkontrollierbaren Wassereinbruches in zwei bis zur Zerstörungstauchtiefe druckfeste Abteilungen, die jeweils über Notausstiege und Andockmöglichkeiten für Tiefseerettungsfahrzeuge verfügen.
Die Lage des Turmes und die Auslegung der X‑Ruder begünstigen die Manövrierfähigkeit und das Bootshandling unter Gewährleistung ausreichender Kurs- und Lagestabilität. Kleine Wendekreise und schnelle Tiefenänderungen sorgen für gute Flachwassereigenschaften.
Ein Siemens Permasyn®-Fahrmotor erzeugt den Vortrieb, um eine Maximalgeschwindigkeit von über >20 kn zu erreichen. Dabei ist der Motor wesentlich kleiner und leichter als ein leistungsgleicher Gleichstrommotor konventioneller Bauart und erlaubt es, die Geschwindigkeit schnell und stufenlos zu steuern. Ein weiterer Vorteil des Motors ist die Laufruhe und die niedrige Drehgeschwindigkeit — somit niedrige Signaturen. Kleinere Permasyn®-Motoren kommen bereits auf U‑Booten der Klasse 212A und Klasse 214 erfolgreich zum Einsatz.
Energieerzeugungs- und Speicherungssysteme Click to enlarge |
Zwei Teilbatterien speichern die Energie für elektrische Verbraucher und die Vortriebsanlage. Die herkömmliche Bleibatterie, wie sie heute zum Einsatz kommt, wird hier durch eine Lithium-Ionen Batterie abgelöst, deren Vorteile in der größeren Energiedichte, kürzeren Ladedauer und einer verlängerten Lebensdauer liegen. Der Vergleich von Bleisäure- mit Lithium-Ionen Technologie bei gleichen Batterieraumabmessungen zeigt, dass sich der Fahrbereich in Schleichfahrt und speziell bei Hochstromentladung vervielfacht. Durch die Ladung über vier moderne Dieselgeneratoren und die Verwendung ernergieoptimierter Verbraucher reduziert sich die Schnorchelrate auf weniger als 5 Prozent für niedrige Geschwindigkeiten und setzt auch bei hoher Verlegegeschwindigkeit Maßstäbe.
Die Lithium-Ionen Batterie ist eine ideale Kombination zur Brennstoffzellen-Anlage (Air Independent Propulsion — AIP). Mit der Brennstoffzelle kann Klasse 216 vier Wochen verdeckt operieren, ohne zu schnorcheln. Der benötigte Sauerstoff für die PEM Brennstoffzellenmodule wird in flüssiger Form mitgeführt, während der benötige Wasserstoff aus Methanol durch Aufspaltung — so genannte Reformierung — in zwei unabhängigen Reformer-Anlagen hergestellt wird. Das prozessbedingt entstehende Abgas Kohlenstoffdioxid wird komprimiert und innerhalb der Bootsstruktur in Seewasser gelöst, ohne zu einer Signaturerhöhung zu führen.
»Flexible Payload« ist das Schlagwort, unter dem sich heute die Forderungen der Marinen nach einer flexiblen, an unterschiedlichste Missionen anpassbare Ausrüstung zusammenfassen lassen.
Kernstück des Flexible-Payload-Konzeptes der Klasse 216 ist das so genannte Vertical Multi-Purpose Lock (VMPL), eine druckfeste, vertikal angeordnete Großschleuse achterlich der schiffstechnischen Zentrale. Fünf verschiedene Nutzlastmodule sind für die Klasse 216 konzeptionell bewertet worden, um missionsabhängig das U‑Boot vorauszurüsten:
- Minenlegeeinrichtung
- Docking Station für unbemannte Unterwasserfahrzeuge
- 20 Mann Taucherschleuse
- Starteinrichtung für Marschflugkörper
- Zusätzlicher Kraftstofftank
Räumliche Anordnung der Flexible Payload Bereiche Click to enlarge |
Darüber hinaus befinden sich im Oberdeck zwei modulare Plattformen, die wahlweise Torpedoabwehrmodule oder eine Unterwasserfahrzeuggarage oder druckfeste Container für die Ausrüstung von Spezialkräften enthalten können. Der Übernahmegraben für Torpedos kann während des Einsatzes mit Modulen für Leichtgewichtstorpedos bestückt werden. Auch die Torpedo Transport- und Staueinrichtung ist flexibel ausgeführt, um neben der Lagerung von Reservetorpedos, Minen und Flugkörpern auch als Stauraum für Ausrüstung, Abfall oder aber auch als Schlafraum für Zusatzpersonal zu dienen.
Der im Turm angeordnete Mehrzweckmast »Triple M« der Firma Gabler Maschinenbau ist ein druckfester Container, der in Sehrohrtiefe über die Wasserlinie ausgefahren werden kann. Er kann missionsbezogen wahlweise mit einer Waffenstation, drei Flugdrohnen, einem Laserkommunikationsterminal oder zusätzlichen ESM-Funktionalitäten bestückt werden. Ein nahe der Operationszentral gelegener Raum kann flexibel für operationelle Belange, wie zum Beispiel als Lazarett, Besprechungsraum, erweiterter Wohnraum oder zusätzlicher Funkraum für Aufklärungsmissionen genutzt werden.