»Große Schnellboote«
Schnellboote haben meist den Auftrag, vor der (eigenen) Küste Überwasserseekrieg zu führen. Bewaffnet sind sie dazu zunächst mit Torpedos und Rohrwaffen, seit den 60er Jahren (sowjetische OSA) auch mit Seezielraketen. Obwohl sie bei Abstützung auf einen Tender auch aus vorgeschobenen Positionen heraus operieren können, bleiben Einsatzradius und operative Möglichkeiten doch begrenzt.
Einen ersten Schritt aus dieser Begrenztheit macht in den 70er Jahren die israelische Marine mit Entwicklung der SA’AR‑4. Ein Waffenmix von Seeziel-FK über Rohrwaffen zur See- und Luftzielbekämpfung bis hin zu U‑Jagdfähigkeit sowie eine ausgeklügelte Elektronik machen aus den SA’AR‑4 ein »Waffensystem«, bei dem auf 450 ts die Kampfkraft deutlich größerer Zerstörer oder Fregatten komprimiert ist. Zugleich beweisen die Boote mit Fahrten rund Afrika und über den Atlantik erstaunliche Seefestigkeit und Ausdauer.
Israelische SA’AR‑4 Bildquelle: Flottes de Combat |
Dies sind eindeutig keine normalen Schnellboote mehr, und die SA’AR‑4 werden denn auch bald als Korvetten bezeichnet. Andere Marinen folgen dem Beispiel und beschaffen zwischen 400 ts und 1.000 ts große Boote, die meist zwar noch für Überwasserseekriegführung optimiert sind, zugleich aber in Einsatzspektrum, Seeausdauer und Aktionsradius deutlich erweiterte Funktionen haben. Internationale Werften springen auf den Trend auf und bieten solche Boote schnell auch auf dem Exportmarkt an.
Interessenten sind – bis heute – Marinen, die
- solche Boote im Rahmen Landesverteidigung als dezidierte Anti Surface Warfare (ASUW)-Komponente in Ergänzung einer ausgewogenen Flotte benötigen;
- sich zur Landesverteidigung auf kampfkräftige kleine FK-Träger als zentrales Element einer Kleinbootmarine stützen;
- konzeptionell, logistisch, finanziell oder personell mit dem Erwerb großer Schiffe an ihre Grenzen stoßen, aber dennoch kampfstarke Einheiten mit erweiterten Einsatzoptionen wünschen.
Singapurs VICTORY-Korvette Bildquelle: austr. Marine | Schwedische VISBY Bildquelle: Kockums |
So entstehen (um nur einige Beispiele zu nennen) in der Sowjetunion FK-Korvetten TARANTUL und NANUCHKA. Dänemark entwickelt die FLYVEFISKEN-Klasse, die mit standardisierten Einsatzmodulen (StanFlex-Konzept) flexibel einer ganzen Reihe von Aufgaben angepasst werden kann. In den 80er Jahren baut Lürssen mit den Typen FPB 57 und FPB 62 Boote für den Export in den Mittleren Osten, die teils sogar eine Landeplattform für leichte Hubschrauber bieten. In Singapur dient FPB 62 als Designvorlage für die Korvetten der VICTORY-Klasse. In Schweden entsteht schließlich die futuristisch anmutende VISBY-Klasse.
Solche Boote sind grundsätzlich in der Lage, auch abseits heimischer Küsten zu operieren – mit Verlegung entweder auf eigenem Kiel oder als Decklast von Spezialfrachtschiffen. Sie haben denn auch weiterhin eine Zukunft für Marinen, die zwar grundsätzlich auf die eigenen Gewässer fokussiert bleiben (Landesverteidigung), dabei aber über bloße Schnellboote hinaus gehende Einsatzoptionen wünschen und sich (z.B. im Rahmen von Krisenoperationen) auch regional engagieren wollen.
Bildquelle: Marineforum |
Trotz aller erweiterten Einsatzoptionen sind mit den »großen Schnellbooten« Grunddefizite bei »Verweildauer im Einsatzgebiet« und »Verlegbarkeit über große Distanzen« nicht beseitigt. Sie stoßen immer noch relativ schnell an ihre Grenzen; vor allem das Einwach-System belastet die Besatzungen bei längeren Einsätzen.