Seit dem Ende des Kalten Krieges musste sich das Einsatzspektrum konventioneller U‑Boote signifikant ändern. Während der bipolaren Bedrohung lag der Schwerpunkt im Bereich Anti Surface Warfare (ASuW), der Bekämpfung von Überwassereinheiten sowie in der Anti Submarine Warfare (ASW), der Abwehr von U‑Booten. Vorrangiges Ziel war es, ein definiertes Seegebiet für eine gegnerische Nutzung unzugänglich zu machen (Sea Denial). In der Folge verlagerte sich der Schwerpunkt auf die Überwachung und Aufklärung, Intelligence-Surveillance-Reconnaisance (ISR) und Indication and Warning (IW) sowie auf die Unterstützung von Spezialkräften, Special Operation Forces Support (SOFS). Ähnlich wie die Seemine ist das U‑Boot ein taktisches Seekriegsmittel, das gegnerische Kräfte bindet, die operative Geografie verändern kann und aufgrund seines Ansatzes einen direkten Einfluss auf der operativen oder sogar strategischen Ebene der Kriegsführung haben kann.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen” veröffentlicht.
Im Folgenden werden die Anforderungen und notwendigen Fähigkeiten, die sich aus der Veränderung des Einsatzspektrums für konventionelle U‑Boote ergeben haben, näher erörtert. Zuerst wird die Entwicklung und Nutzung konventioneller U‑Boote in der Vergangenheit beschrieben, dann die heutigen und – soweit möglich – für die Zukunft absehbaren Einsatzerfordernisse betrachtet. Abschließend werden die notwendigen zukünftigen Fähigkeiten und daraus resultierenden Einsatzmöglichkeiten konventioneller U‑Boote abgeleitet.
U‑Boot-Einsatz im letzten Jahrhundert
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden erstmalig U‑Boote in nennenswerter Zahl von verschiedenen Marinen beschafft. Diese Einheiten waren nach heutigen Maßstäben einfache Tauchboote, die im Überwassermarsch operierten und zum Torpedoangriff oder zum Entweichen tauchen konnten. Die Aufgabe dieser Boote war die Versenkung gegnerischer Einheiten durch einfache, geradeaus laufende Torpedos. Man kann diese Einsätze aus heutiger Sicht als ASuW bezeichnen. Besonders im Zweiten Weltkrieg wurde durch die Alliierten ein beträchtlicher Aufwand betrieben, um der U‑Boot-Bedrohung im Atlantik und Pazifik Herr zu werden. Entweder wurde versucht, Seegebiete mit erhöhter U‑Boot-Gefährdung zu meiden oder es musste eine erhebliche Anzahl an Einheiten zum Schutz der eigenen Versorgungsrouten über See eingesetzt werden.
Die Weiterentwicklung der Radartechnik und der Einsatz von Seefernaufklärern zur U‑Boot-Suche hatten zur Folge, dass neben neuen Taktiken und Verfahren zum Eigenschutz von U‑Booten auch nach technischen Lösungen gesucht wurde, um deren erfolgreichen Einsatz zu verbessern. Durch die daraus folgende Entwicklung des Schnorchels wurde der entscheidende Schritt vom Tauchboot zum vollwertigen Unterseeboot vollzogen.
Deutsche U‑Boote Typ 206A (Foto: Michael Nitz) |
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieben konventionelle U‑Boote Bestandteil der Flotten aller größeren Marinen. In der bipolaren Bedrohung des Kalten Krieges hatten konventionelle U‑Boote weiterhin einen klar umrissenen Auftrag. Dieser bestand im Wesentlichen darin, Landungsverbände oder hochwertige Ziele zu bekämpfen. U‑Boote operierten in der Regel als Einzelfahrer. Eine Einbindung in einen Verband erfolgte aufgrund der eingeschränkten Kommunikation mit einem dauerhaft getauchten U‑Boot und der geringen Geschwindigkeit unter Wasser meist nicht.
Neben der Fähigkeit, ASuW zu betreiben, waren konventionellen U‑Boote in der Lage, verdeckt Minen zu legen. U‑Boot Jagd war in der Regel nicht möglich, jedoch hatten die Boote die Fähigkeit zur U‑Boot-Abwehr. Die Ursache hierfür ist die geringe Auffassreichweite der verfügbaren passiven Sensoren gegenüber anderen U‑Booten sowie die nur kurzfristig verfügbare relativ hohe Geschwindigkeit unter Wasser, die für eine pro-aktive U‑Jagd unabdingbar ist. Aktivsonare wurden zumeist nur reaktiv im Falle einer Ortung durch ein anderes U‑Boot eingesetzt.
Die Sensorik und die Bewaffnung waren in erster Linie für ASuW entwickelt worden. ISR war eingeschränkt durchführbar, da die Aufklärungsmittel, in der Regel Sehrohr und Radarwarnempfänger, lediglich geringe Reichweiten und nur einfache Analysen ermöglichten. Zudem waren die Kommunikationsmöglichkeiten auf Schreib- und Sprechfunk begrenzt, sodass Aufklärungsergebnisse in erster Linie taktisch dem U‑Boot selbst zur Verfügung standen und nicht in vollem Umfang weitergeleitet werden konnten. Eine begrenzte Übermittlung von Daten in annähernder Echtzeit wurde erst mit der Einführung der Satellitenkommunikation (SATCOM) ermöglicht.
Aus technischer Sicht hat sich das konventionelle U‑Boot seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts deutlich weiterentwickelt. Die Einführung des außenluftunabhängigen Antriebs sei hier beispielgebend erwähnt. Vom grundsätzlichen Design hat sich dieses Waffensystem in seiner Geschichte jedoch kaum gewandelt. Konventionelle U‑Boote verfügen querschnittlich über Schwergewichtstorpedos, entweder drahtgelenkt oder als Fire-and-Forget Waffe konfiguriert, um Über- und Unterwasserziele zu bekämpfen, die erforderliche passive und aktive Sensorik zur notwendigen Zieldatenermittlung und Zieldatenanalyse und ein modernes Feuerleitsystem. Die akustische Signatur moderner Boote ist signifikant reduziert worden, der Antrieb im getauchten Marsch erfolgt mittels moderner Elektromotoren, die ihre Energie aus weiterentwickelten, leistungsfähigen Batterien oder aus außenluftunabhängigen Energieerzeugern, wie zum Beispiel Brennstoffzellen, erhalten. Zusätzlich verfügen die Boote über Dieselaggregate und Schnorchel.
Die Führung von und Kommunikation mit U‑Booten gestaltet sich auch heute noch schwierig. Das Boot ist zwar in der Lage, von sich aus mit nahezu allen Fernmeldestellen über Wasser in Verbindung zu treten, umgekehrt ist dieses jedoch nur eingeschränkt möglich. Nur Längstwellen dringen aus dem elektromagnetischen Spektrum in eine geringe Wassertiefe ein und ermöglichen eine Kontaktaufnahme zu einem getauchten U‑Boot. Die Vormarschgeschwindigkeit von konventionellen getauchten U‑Booten liegt meist zwischen 8–10 kn, die Geschwindigkeit in einem Einsatzgebiet liegt zwischen 4–6 kn. Moderne konventionelle U‑Boote sind heute hervorragende weiterentwickelte ASuW Einheiten mit verbesserten Fähigkeiten zur U‑Boot-Abwehr. Sie sind in der Lage, ihren Auftrag durchhaltefähig durchzuführen.
Zukünftige Anforderungen
U31 der Klasse 212A (Foto: HDW) |
Kampfschwimmer steigt aus U‑Boot aus (Foto: PIZ M) |
Über welche Fähigkeiten müssen konventionelle U‑Boote also verfügen, um in gegenwärtigen und absehbar zukünftigen Operationen erfolgreich eingesetzt werden zu können?
Konventionelle und nuklear angetriebene U‑Boote haben im Kalten Krieg und in mehreren lokal begrenzten Konflikten erfolgreich Sea Denial betrieben und umfangreiche Kräfte gebunden, die zur ASW und zum Schutz eigener Einheiten eingesetzt werden mussten und somit nicht für andere Operationen zur Verfügung standen. Über die Fähigkeit zum ASuW muss ein U‑Boot weiterhin verfügen. Dieses gilt im gleichen Maße für die Möglichkeit, andere U‑Boote zu detektieren und zu bekämpfen, um sich in einem Konflikt selbst verteidigen zu können. Jedoch ist es fraglich, ob ein U‑Boot hierfür über meist 6 oder mehr Torpedorohre und eine entsprechende Zuladung an Schwergewichtstorpedos verfügen muss oder ob ein Fähigkeitsgewinn durch Einrüstung anderer Komponenten zulasten einer großen Torpedobeladung erzielt werden kann.
Das Aufgabenspektrum der Seestreitkräfte hat sich in den letzten beiden Dekaden deutlich erweitert. Gleiches gilt für den Einsatz konventioneller U‑Boote. Der Einsatz in z.B. lokal begrenzten Krisen und Konflikten erfordert die Anwendung operativ flexibler Parameter. Eine Verlagerung des Einsatzgebietes von der offenen See in die küstennahen Gewässer mit den dort vorhandenen Einsatzbedingungen, geringerer Wassertiefen, erhöhten Schiffsverkehrs unter der Küste, komplexerer Schallausbreitung – damit erschwerter Detektion aber auch Counterdetektion in der Wassersäule sowie ggf. das Operieren unter erhöhter Luftbedrohung in der Reichweite landgestützter Einheiten stellen bestimmte Anforderungen an das Fähigkeitsprofil dort einsetzbarer U‑Boote. Die maximale Größe der hier operierenden U‑Boote steht stets in Abhängigkeit zur benötigten Mindestwassertiefe und zur Manövrierfähigkeit in flachem Wasser. Das nuklear getriebene U‑Boot stößt hier sehr schnell an seine operativen Grenzen.
Aktuelle Einsatzszenare sehen konventionelle U‑Boote überwiegend in der Intelligence-Surveillance-Reconnaissence (ISR) Rolle, der Gewinnung von Informationen mittels akustischer, elektromagnetischer, optischer und optronischer Sensoren, zur Indication and Warning (IW), dem gezielten Einsatz einer Einheit zur Gewinnung einer für eine Operation essenziellen Information sowie zur Unterstützung von Spezialkräften, Special Operation Forces Support (SOFS), zum Beispiel als verdeckt operierendes Verbringungsmittel, eingesetzt.
Hierbei ist zu bemerken, dass ein U‑Boot, in Abhängigkeit der taktischen Lage als verdeckt operierende Einheit und damit integraler Bestandteil eines Informationsverbunds, wertvolle Informationen bereitstellen kann. Zusätzlich ist das Boot situationsabhängig in der Lage, von ISR oder IW zur ASW oder ASuW zu wechseln. Das konventionelle U‑Boot operiert hier weniger als »Einzelfahrer«, sondern agiert als integraler Bestandteil einer Task- Group oder ‑Force.
Um in diesen Einsätzen wirken zu können, bedarf ein U‑Boote bestimmter Fähigkeiten, die im Folgenden näher bestimmt werden. Da das Einsatzgebiet die maximale Größe des U‑Bootes limitiert, gilt es, den verfügbaren Raum im Boot effektiv zu nutzen. Der Schwergewichtstorpedo als »klassische« Hauptbewaffnung wird weiterhin benötigt, zur Selbstverteidigung und um Sea Denial erfolgreich durchsetzen zu können. Die Erfahrung zeigt, dass der Nutzen von U‑Booten für eine Operation von der Fähigkeit abhängt, in nahezu Echtzeit große Datenmengen zu versenden oder zu empfangen. Für einen U‑Boot-Kommandanten sind bestimmte Lageinformationen notwendig, um sein Boot im Sinne des Auftrages effektiv einzusetzen. Für einen Operationsführer können die vom U‑Boot gesammelten Informationen essenziell für weitreichende Entscheidungen die Gesamtoperation betreffend sein.
Dieser Fakt und die sichere Führung eines U‑Bootes, als integraler Bestandteil eines Verbandes, bedingen die Fähigkeit zur sicheren, breitbandigen Zweiwegekommunikation und die Möglichkeit zur Teilhabe an Über- und Unterwassernetzwerken. Die Entscheidung über das Exponieren des Bootes durch die Nutzung von Ausfahrgeräten wie Sehrohr oder Antennen oder durch akustische und elektromagnetische Ausstrahlungen wird der Kommandant immer in Abhängigkeit der taktischen Lage und des Auftrages, Wirkung vor Deckung oder Deckung vor Wirkung, treffen.
Beim Einsatz von Spezialkräften ist der verfügbare Raum auf küstennah einsetzbaren U‑Booten ebenfalls eine kritische Größe. Es muss eine bestimmte Anzahl Personen zusätzlich zur Besatzung über eine begrenzte Zeit untergebracht werden, sicher eingesetzt und schnell in ausreichender Zahl verbracht werden können. Beim SOF-Support kommt den verfügbaren Sensoren und den Effektoren eine besondere Bedeutung zu. Hier gilt es, den Einsatzkräften ein genaues Lagebild bereitzustellen. Neben den Informationen akustischer, elektromagnetischer, optischer und optronischer Sensoren kann die Nutzung von Kleindrohnen im Küstenbereich die Fähigkeiten eines U‑Bootes erweitern. Die Fähigkeit zur begrenzten Feuerunterstützung abgesetzter Spezialkräfte, ggf. mittels landzielfähiger Kleinflugkörper, würde das Einsatzprofil abrunden.
Resümee
Die zukünftigen Anforderungen beschränken sich im Wesentlichen auf drei Bereiche. Ein modernes konventionelles U‑Boot muss zukünftig in der Lage sein, den Anmarsch in das Operationsgebiet zügiger als bislang durchzuführen, seinen Einsatzschwerpunkt und seine Position in kurzer Zeit um einige Hundert Seemeilen verlagern zu können, um zeit- und zielgerecht einsetzbar zu sein. Dies bedingt die Fähigkeit, einen schnellen getauchten Transit durchführen zu können sowie die Möglichkeit der Verladbarkeit auf ein CONDOCK Schiff. Die Verbandsfähigkeit und damit die Verwendungsbreite des U‑Bootes hängt direkt mit der durchhaltefähigen höheren Geschwindigkeit zusammen.
Des Weiteren ist die Führungsfähigkeit den zukünftigen Forderungen anzupassen. Dies beinhaltet vor allem die Kommunikation zum U‑Boot hin und die Bandbreite der Anbindung. Zeitverzüge, die u.a. durch den Umweg der Führung von Land entstehen, sind nicht hinnehmbar. Der Befehlshaber in See muss das U‑Boot führen können (direct support).
Der dritte Bereich umfasst die Bewaffnung bzw. die Art der Bewaffnung sowie die Möglichkeit der flexibleren Ausrüstung. Die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes von Schwergewichtstorpedos hat sich deutlich verringert, ergo kann die Torpedobewaffnung für zu erwartende Einsatzszenare signifikant reduziert werden, sodass durch Verringerung der mit dem Torpedo verbundenen Technik (z.B. signifikant kleinerer Rohrsatz) mehr Ausrüstungsmöglichkeiten für den jeweiligen Einsatz geschaffen werden können.
Das konventionelle U‑Boot behält also seine Fähigkeiten in den Bereichen AsuW und ASW bei gleichzeitiger deutlicher Aufwertung seiner Fähigkeiten als Seekriegsmittel im Verband, im Lagebildaufbau sowie im Bereich spezialisierter Operationen.
U‑29 getaucht (Foto: PIZM) |
Es ist absehbar, dass auch in Zukunft das konventionelle U‑Boot seinen Platz in den Flotten haben wird. Dieses wird auch durch die zunehmende Verbreitung moderner Einheiten weltweit deutlich. Der Einsatzschwerpunkt dieser U‑Boote hat sich jedoch von einem Waffenträger mit eher offensivem Charakter zu einer im Verband unterstützenden Plattform mit der Fähigkeit zum offensiven Wirken gewandelt. Für zukünftige Einsatzerfordernisse muss der operative Planer das konventionelle U‑Boot in einem deutlich breiteren taktisch operativen Spektrum einsetzen. Operative Planer sowie die schiffbaulichen Vertreter müssen die technische Realisierbarkeit für die vorab skizzierten Einsatzerfordernisse bestimmen. Hier sind die Marinen als Bedarfsträger und die Industrie als Bedarfsdecker aufgefordert, im engen Dialog zusammenzuarbeiten.
Zum Autor
Fregattenkapitän Frank Thiede ist im Center of Excelence, Combined and Shallow Waters als Referent für Unterwasserkriegsführung eingesetzt