Unsichtbarer Riese” — Indienststellung der USS “Zumwalt” — Sidney E. Dean

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.

Marineforum

header

Namensgeber Admiral Elmo Zumwalt (Foto: US Navy)
Namensge­ber Admi­ral Elmo Zumwalt (Foto: US Navy)

Am 15. Okto­ber erfol­gt die Indi­en­st­stel­lung der USS „Zumwalt“ (DDG 1000). Der Lenkwaf­fen­z­er­stör­er ist das Typ­schiff ein­er neuen, aus lediglich drei Ein­heit­en beste­hen­den Klasse der US-Navy. Mit 16.000 Ton­nen Ver­drän­gung, 188 Meter Länge und 25 Meter Bre­ite ist das neue Schiff rund 60 Prozent schw­er­er als ein ARLEIGH BURKE-Zer­stör­er und TICON­DERO­GA-Kreuzer. Auch in klein­er Stück­zahl stellt die ZUMWALT-Klasse den mod­ern­sten Zer­stör­ertyp der US-Navy dar. Unterkün­fte beste­hen für ins­ge­samt 186 Per­so­n­en. Das Schiff ist aus­gerichtet, neben der Stan­dard­be­satzung auch den Führungsstab eines Ein­satzver­ban­des sowie einen Spezialkräftezug aufzunehmen. Der Stel­len­wert der neuen Zer­stör­er ist daraus ersichtlich, dass das Kom­man­do keinem Fre­gat­tenkapitän, son­dern einem Kapitän zu See über­tra­gen wird.

Die ZUMWALT-Klasse wird zwar als Mehrzweck­kampf­schiff eingestuft, ist aber primär für Ein­sätze in den Litoral­gewässern aus­gerichtet; ihre Haup­tauf­gabe ist die Bekämp­fung von Landzie­len mit weitre­ichen­den Geschützen und Abstandswaf­fen. In der frühen Pla­nungsphase des Pro­gramms zu Beginn der 1990er Jahre wurde das angestrebte Schiff inof­fiziell als „Land-Attack Destroy­er“ beze­ich­net. Dies deck­te sich mit dem nach Ende des Kalten Krieges entwick­el­ten Ein­satzkonzept, dass Feuerun­ter­stützung für amphibis­che Kräfte und Heer­e­strup­pen als Schw­er­punkt setzte.

Bere­its nach einem Jahrzehnt wurde das Ein­satzkonzept für schwere Kampf­schiffe aber wieder zugun­sten der Hochseeein­sätze verän­dert. Dies war ein Grund dafür, dass die ursprünglich geplante Beschaf­fung von 32 Schif­f­en wieder­holt zurück­gestuft wurde – zuerst auf 24, dann auf sieben und 2008 schließlich auf nur drei Ein­heit­en. Diese drastis­che Beschnei­dung der Beschaf­fung begün­stigte einen drama­tis­chen Anstieg der ver­an­schlagten Kosten pro Schiff – von 750 Mil­lio­nen 1994 auf 4,4 Mil­liar­den heute. Ein­schließlich Entwick­lungskosten sum­miert sich das ZUMWALT-Pro­gramm auf ins­ge­samt 22,5 Mil­liar­den Dol­lar. Der Kos­te­nanstieg hat allerd­ings auch noch weit­ere Ursachen. Alle wesentlichen Aspek­te des Schiffs bauen auf inno­v­a­tive – bis hin zu exper­i­mentelle – Tech­nolo­gien und Konzepte.
Elek­trisch-betrieben­er „Tarnkap­pen­z­er­stör­er“

Als erstes serien­mäßig hergestelltes Über­wasserkriegss­chiff der Neuzeit fährt die ZUMWALT-Klasse voll­ständig unter elek­trischem Antrieb. Die Schiff­ss­chrauben wer­den durch zwei Drehstrom-Induk­tion­s­maschi­nen (Advanced Induc­tion Motor – AIM) angetrieben. Zwei Rolls Royce MT-30 Gas­tur­binen (jew­eils 35 MW) sowie zwei Rolls Royce Hil­f­s­tur­binen (jew­eils vier MW) erzeu­gen zusam­men acht­mal so viel Elek­triz­ität wie das Kraftwerk der ARLEIGH BURKE-Klasse.

Bei mit­tlerer Fahrt (20 Knoten) beansprucht das Antrieb­ssys­tem 20 MW Energieleis­tung. Es bleiben 58 Megawatt Energieleis­tung übrig, die für den Betrieb von Waf­fen, Sen­soren und anderen Sys­te­men aufge­wandt wer­den kön­nen. Ein weit­er­er Vorteil: das elek­trische Antrieb­ssys­tem kommt ohne Umset­zungs­getriebe aus, wodurch die Lärm­sig­natur wesentlich reduziert wird.

DDG-1000 bei erster Probefahrt (Foto: US Navy)
DDG-1000 bei erster Probe­fahrt (Foto: US Navy)

Stealth“ ist ein wesentlich­es Merk­mal der ZUMWALT-Klasse. Die Außen­haut der Auf­baut­en beste­ht aus radarab­sorbieren­dem Ver­bund­stoff. Sämtliche Auf­baut­en sind in ein ein­heitlich­es Deck­shaus inte­gri­ert, um die Anzahl der Eck­en, Kan­ten und Flächen zu min­imieren. Auch die eigen­tüm­liche, nach unten­hin aus­ladende Form des Schiffes wurde bewusst gewählt, um die Radarsig­natur zu reduzieren. Zusam­mengenom­men bewirken diese Maß­nah­men, dass USS „Zumwalt“ im Ver­gle­ich zur ARLEIGH BURKE-Klasse eine 98-Prozent kleinere Radarsig­natur besitzt. Auf dem Radarschirm wirkt DDG 1000 wie ein 15-Meter langes Boot, bestätigten kom­merzielle Fis­ch­er, denen das Schiff während der Seeer­probung begeg­nete. Im Sinne der Verkehrssicher­heit wird das Schiff in dicht­be­fahre­nen Gewässern und bei schlechter Sicht met­al­lene Reflek­toren über dem Deck hochziehen, um zivile Schiffe frühzeit­ig vorzuwarnen.

Ursprünglich soll­ten sämtliche Sen­soren und Kom­mu­nika­tion­san­ten­nen in der Außen­haut des Deck­shaus­es inte­gri­ert wer­den, um die Radarsig­natur noch weit­er zu reduzieren. Let­z­tendlich wurde beschlossen, einen kleinen Mast auf dem Deck­shaus anzubrin­gen. Hier wer­den die Kom­mu­nika­tion­san­ten­nen unterge­bracht. Auch seitlich des Deck­shaus­es sollen mehrere kleine, durch runde Umman­telung geschützte Sen­soren geführt wer­den. Die Designän­derung erfol­gte primär, um Kosten zu sparen, soll allerd­ings nach Aus­sage der Navy die Leis­tung steigern und Gewicht einsparen.
Waf­fen – heute und morgen 

Das Radarsys­tem bleibt, ähn­lich der Kon­fig­u­ra­tion der ARLEIGH BURKE-Klasse, im Deck­shaus inte­gri­ert. Die ZUMWALT-Klasse ver­fügt allerd­ings nicht über das Aegis-Führungssys­tem. Ein SPY‑3 Mul­ti­funk­tion­sradarsys­tem (MFR) überwacht sowohl den Luftraum als auch die Meere­sober­fläche und dient gle­ichzeit­ig als Feuer­leitradar. Allerd­ings ist die Leis­tungs­fähigkeit des Radars eingeschränkt, wenn gle­ichzeit­ig sämtliche Funk­tio­nen durchge­führt wer­den. Ursprünglich sollte zwecks Luftraumüberwachung zusät­zlich das SPY‑4 Radarsys­tem geführt wer­den, doch wurde das zweite Sys­tem 2010 aus Kosten­grün­den gestrichen.

Das im Bug mon­tierte duale AN/SQQ-90 Sonarsys­tem beste­ht aus einem Hochfre­quen­z­sonar für Minenor­tung und einem Mit­tel­fre­quen­z­sonar für die U‑Boot-Jagd und zur Erfas­sung von Tor­pe­dos. Zusät­zlich kann auch ein Schlepp­sonar für die Minenor­tung einge­set­zt wer­den. Für Minen- und U‑Jagd führt die ZUMWALT-Klasse zwei MH-60R Hub­schrauber. Alter­na­tiv kön­nen  ein beman­nter und drei unbe­man­nte Helikopter mit­ge­führt werden.

 Advanced Gun System AGS (Foto: US Navy)
Advanced Gun Sys­tem AGS (Foto: US Navy)

Zwei als Advanced Gun Sys­tem (AGS) beze­ich­nete 155-mm-Geschütze wer­den auf dem Vordeck geführt. Dieses „fort­geschrit­tene Geschützsys­tem“ wurde gezielt für die ZUMWALT-Klasse entwick­elt und wird auf kein­er anderen Schiff­sklasse geführt. Das gle­iche gilt für die Spezial­mu­ni­tion Long- Range Land Attack Pro­jec­tile (LRLAP), die sich nur durch AGS ver­schießen lässt. Das „weitre­ichende Pro­jek­til zur Bekämp­fung von Landzie­len“ wird unter Ein­satz eines Rake­ten­treib­satzes ver­schossen und besitzt eine offizielle Reich­weite von min­destens 116 Kilo­me­ter. Durch Ein­satz von GPS und einem Trägheit­snav­i­ga­tion­ssys­tem erzielt das Geschoß eine Tre­f­fer­ge­nauigkeit von +/- 20 Meter. Die Höhen­ver­stel­lung des Geschützrohrs umfasst einen Bogen zwis­chen +70 und ‑5 Grad. Dies ermöglicht einen steilen Flug­winkel des Geschoss­es ein­schließlich ein­er beina­he ver­tikalen End­flug­phase; hier­durch kön­nen Ziele im urba­nen Raum bekämpft wer­den, selb­st wenn größere Gebäude die Direk­t­flug­bahn zwis­chen Schiff und Ziel verstellen.

Der elf Kilo schwere Sprengkopf hat die dreifache Zer­störungskraft eines 5‑Zoll Geschoss­es und kann wahlweise über dem Ziel oder beim Auf­schlag detonieren. Die unter dem Vordeck gele­ge­nen Geschütz­magazine fassen zusam­men 600 LRLAP. Die Geschütze kön­nen eine ständi­ge Feuerkadenz von zehn Schuss pro Minute aufrechthal­ten. Während des Nor­mal­be­triebs wer­den die Geschützrohre im Inneren der Geschütztürme geführt, um die Radarsig­natur zu minimieren.

Das zweite Stand­bein des Offen­si­varse­nals bilden achtzig VLS-Silos, die in Vier­ergrup­pen ent­lang der Bor­d­wand ein­ge­lassen sind. Diese Anord­nung ver­min­dert die Gefahr, dass ein Feindtr­e­f­fer eine Ket­ten­ex­plo­sion der Bor­d­waf­fen aus­löst. In diesem Sinne sind die dem Schiff­sin­neren zuge­wandten Wände der VLS-Silos aus Panz­er­stahl gefer­tigt und zehn Zen­time­ter dick­er als die zur Bor­d­wand aus­gerichtete Seite. Im Falle eines feindlichen Tre­f­fers soll so die Energie der Explo­sion vom Schiff weg geleit­et wer­den. In den VLS-Silos sollen die üblichen Waf­fen zur Bekämp­fung von See- und Landzie­len (Anti-Ship Rock­et ASROC; Tom­a­hawk Land Attack Mis­sile; kün­ftig Long-Range Anti-Ship Mis­sile LRASM) sowie Flu­gab­wehrwaf­fen vom Typ SM‑2, SM‑6 und RIM-162 ESSM (Evolved Sea Spar­row Mis­sile) geführt werden.

Die ZUMWALT-Klasse ist von Anfang an darauf aus­gerichtet, auch nach Indi­en­st­stel­lung neue Tech­nolo­gien aufzunehmen. Die momen­tan über­schüs­sige Energiepro­duk­tion lässt erwarten, dass – voraus­sichtlich im Ver­lauf des kom­menden Jahrzehnts – auch Schienengeschütze und defen­sive wie offen­sive Laser­waf­fen aufgenom­men wer­den. Die Schienen­waffe dürfte an Stelle eines der AGS-Geschütze auf dem Vordeck mon­tiert werden.
„Cap­tain Kirk auf die Brücke“ 

Schiffscomputer in störungssicheren EME-Containern (Foto: US Navy)
Schiff­s­com­put­er in störungssicheren EME-Con­tain­ern (Foto: US Navy)

Bere­its in der gegen­wär­ti­gen Kon­fig­u­ra­tion besitzt die „Zumwalt“ nach Aus­sage der Navy die dreifache Kampfkraft der ARLEIGH BURKE-Klasse. Hierzu trägt nicht nur die Bewaffnung, son­dern auch das inte­gri­erte Führungssys­tem bei. Ein hohes Maß an Automa­tisierung ermöglicht die Führung durch eine 158-köp­fige Besatzung. Com­put­er­an­schlüsse sind über das gesamte Schiff verteilt, sodass die Besatzung von beina­he jedem Stan­dort des Schiffes Zugang zu den Führungssys­te­men hat.

Primär soll die Führung weit­er­hin von der Brücke und von der Ein­satzzen­trale (Ship Mis­sion Cen­ter – SMC) erfol­gen. Die auf der zweit­en Etage des Deck­shaus­es gele­gene, großzügig aus­ges­tat­tete Brücke soll ständig von ein­er dreiköp­fi­gen, auss­chließlich aus Offizieren beste­hen­den Wach­mannschaft beset­zt wer­den. Vier zusät­zliche Arbeit­splätze ste­hen zur Ver­fü­gung. Jed­er Arbeit­splatz ist mit bre­it­en Kon­solen und mehreren Bild­schir­men aus­ges­tat­tet. Hinzu kom­men acht Groß­bild­schirme, die ober­halb der bre­it­en Sicht­fen­ster der Brücke ange­bracht sind. Sen­sor­dat­en, Überwachungs­bilder aus dem Schiff­sin­neren, tech­nis­che Dat­en über Schiff­ssys­teme, Satel­liten­bilder sowie externe Videoüber­tra­gun­gen kön­nen hier angezeigt wer­den, um ein opti­males tak­tis­ches Lage­bild zu schaf­fen. Die Ausstat­tung wird oft mit der Brücke auf dem Raum­schiff Enter­prise ver­glichen (Ironie des Schick­sals: Der erste Kom­man­dant von DDG 1000 ist Cap­tain James Kirk).

Die zweistöck­ige SMC-Ein­satzzen­trale befind­et sich im Inneren des Deck­shaus­es, auf der (von oben gese­hen) zweit­en und drit­ten Etage. Auf der unteren (drit­ten) Etage sind neun­zehn Arbeit­splätze in vier Rei­hen unterge­bracht. Die ersten bei­den Rei­hen dienen der Waf­fen­führung ein­schließlich der elek­tro­n­is­chen Kampf­führung. Die bei­den hin­teren Rei­hen wer­den durch Führung­sof­fiziere und schiff­stech­nis­ches Per­son­al beset­zt. Über diesem Haup­traum befind­et sich auf der zweit­en Etage, hin­ter der Brücke, ein geson­dert­er Raum für Stab­sper­son­al (etwa Flot­ten­nachrich­t­en­di­enst oder Admi­ralsstab). Eine zweite, kleinere Ein­satzzen­trale befind­et sich achtern im Schiff. Von dort wird im Gefecht die Schadens­bekämp­fung geleit­et. Die kleinere Zen­trale kann im Not­fall auch die kom­plette Schiffs­führung übernehmen.

Einsatzzentrale (Ship Mission Center) der ZUMWALT-Klasse (Modell) (Foto: US Navy)
Ein­satzzen­trale (Ship Mis­sion Cen­ter) der ZUMWALT-Klasse (Mod­ell) (Foto: US Navy)

Die erste Ein­satz­fahrt von DDG 1000 erfol­gt erst 2019. Trotz der offiziellen Indi­en­st­stel­lung im Okto­ber 2016 (und der anschließen­den Ver­legung zum neuen Heimat­stan­dort San Diego im Dezem­ber oder Jan­u­ar) wird ein Großteil der Waf­fen­sys­teme erst im Ver­lauf von 2017 instal­liert und aktiviert. Die Gefechtssys­teme wer­den 2018 vor der kali­for­nischen Küste aus­giebig erprobt, ehe der eigentliche Flot­ten­di­enst im Fiskal­jahr 2019 aufgenom­men wird. Die Indi­en­st­stel­lung der bei­den Schwest­er­schiffe DDG 1001 (USS „Michael Man­soor“) und DDG 1002 (USS „Lyn­don B. John­son“) erfol­gt in zwei­jähri­gen Abstän­den. Sämtliche Ein­heit­en sollen der Paz­i­fik­flotte zugeteilt werden.