Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
(Dr. Oliver Daum hat im Bereich internationales Seerecht/Seekriegsrecht promoviert und ist gegenwärtig Rechtsreferendar in Kiel. Zugleich ist er freier Mitarbeiter am Institut für Sicherheitspolitik an der Christian- Albrechts-Universität zu Kiel)
Unbemannte Wasserfahrzeuge (UWF) spielen in der öffentlichen Diskussion um künstliche Intelligenzen eine eher untergeordnete Rolle. Die Medien werden von fliegenden „Killerdrohnen“ oder selbstfahrenden Google-Autos dominiert. Doch daneben schreitet auch die Entwicklung von wassergehenden Robotern voran. UWF werden für die Erstellung von topografischen Profilen des Meeresbodens, für die Erforschung der Meeresumwelt, für die Wartung von Ölplattformen, Schiffen und Häfen sowie bei der Suche und Hebung von Schiffswracks verwendet.
Ursprünglich wurden UWF jedoch allein für militärische Zwecke entwickelt. Dies mag kaum verwundern, denn auch gegenwärtig liegt eines der Hauptanwendungsfelder von UWF im militärischen beziehungsweise polizeilichen Bereich: Sie werden zur nachrichtendienstlichen Aufklärung, zur Minenräumung, zur Force Protection oder zur Bekämpfung des Menschen- und Drogenhandels sowie des Terrorismus eingesetzt. Die UWF werfen allerdings neben technischen, politischen und gesellschaftlichen Fragen auch rechtliche auf.
So wird in diesem Beitrag beispielsweise geklärt, ob unbemannte Wasserfahrzeuge „Schiffe“ sind. Die Einordnung entscheidet darüber, ob UWF den Regeln des internationalen Seerechts unterworfen sind oder nicht. Sollten UWF als Schiffe gelten, stellt sich die Frage, ob sie auch Kriegs- oder Staatsschiffe im rechtlichen Sinne darstellen können oder lediglich zivile Schiffe sind. Diese Unterscheidung ist von weitreichender Bedeutung. Denn nur Kriegs- und Staatsschiffe genießen den völkerrechtlichen Immunitätsschutz vor Zugriffen fremdstaatlicher Behörden. Darüber hinaus verfügen Kriegsschiffe über besondere Befugnisse, die ebenfalls erläutert werden. Zentral ist auch Frage, ob die Freiheit der Hohen See und etwaige Durchfahrtsrechte in fremden Küstenmeeren und Meerengen auch für UWF gelten.
Diesen Aspekten wird vorliegend nachgegangen; sie bilden zugleich die Gliederungspunkte des Beitrages. Zuvor werden jedoch Aufgaben und Erscheinungsformen der UWF im Überblick dargestellt.
Unterschiedliche Grade an Autonomie
Ging es bei der Erfindung der Maschinen im 19. Jahrhundert noch darum, dem Menschen die Arbeit zu erleichtern, steht mit dem Einsatz von Robotern die Übernahme der menschlichen Arbeit im Vordergrund. So erledigen militärisch genutzte UWF Arbeiten im Bereich der 3‑Ds: „dull, dirty and dangerous“. Gemeint sind damit Aufgaben, die den Menschen aufgrund ihrer wiederholenden Tristesse an den Rand der Konzentrationsschwäche oder sogar in Lebensgefahr bringen können. Ein Beispiel für ein UWF im Bereich der 3‑Ds ist das Remote Multi-Mission Vehicle des Rüstungskonzerns Lockheed Martin, das zur Minenbeseitigung eingesetzt wird.
Da Roboter auch vermehrt anstelle des Menschen in Gefechte geschickt werden sollen, stehen die Konstrukteure vor der komplexen Aufgabe, den Roboter autonom Entscheidungen treffen zu lassen, die bislang nur vom Menschen getroffen werden. In diesem Zusammenhang ist besonders an die Frage zu denken, ob ein Gefechtsroboter einen Schuss abfeuern oder ob sich das besagte Google-Auto bei einer unvermeidlichen Kollision beispielsweise zugunsten der Kinder oder der Eltern entscheiden soll. Dass künstliche Intelligenzen in humanbedürftigen Situationen die richtige Entscheidung treffen, ist die Herausforderung der gegenwärtigen Epoche der Technik – und der Ethik.
Der Grad an Autonomie, mit dem UWF ihre Aufgaben erfüllen, differenziert zugleich zwischen verschiedenen UWF. Zum einen gibt es ferngesteuerte UWF, die keine eigenständigen Aktionen ausführen. Vielmehr wird das UWF mittels Kabel‑, Funk oder Digitalverbindung von einem Operateur bedient. Erinnert sei an dieser Stelle an ferngesteuerte Autos, mit denen Kinder spielen. Sollte es im Umgang mit dem ferngesteuerten UWF zu Rechtsverletzungen und infolgedessen zu Schadensersatzansprüchen kommen, haftet der Operateur (das Kind übrigens nicht, wenn es unter sieben Jahre alt ist).
Zum anderen gibt es semi-autonome und voll-autonome UWF. Semi-autonome UWF erledigen innerhalb vorprogrammierter Parameter ihre Aufgaben selbstständig. Durch Sensoren und Kameras sind sie in der Lage, ihre Umwelt zu erfassen und die Aufgaben zu erfüllen. Gleichzeitig überwacht ein Operateur den Arbeitsablauf und greift gegebenenfalls kontrollierend ein. Diese Kontrollmöglichkeit besteht bei voll-autonomen UWF nicht mehr. Sie erkennen, verarbeiten und entscheiden autonom. Der Vorteil liegt auf der Hand: Denn es müsste kein Mensch mehr zur Überwachung abgestellt werden. Voll-autonome UWF können auch in Einsatzfeldern verwendet werden, in denen eine ununterbrochene Kommunikation zum Vehikel technisch noch nicht möglich ist. Zu denken ist dabei an ein UWF, das im Marianengraben – dem mit circa 11.000 Meter tiefsten Punkt der Weltmeere – operiert.
Allerdings gehen mit voll-autonomen UWF auch die Entscheidungsfähigkeit betreffende Herausforderungen einher, die oben bereits angedeutet wurden. Bei semi- und voll-autonomen UWF ist zudem unklar, wer für etwaige Rechtsverletzungen haften würde. In Betracht kommt jeder, der Teil der Kette ist: Der Betreiber des UWF (z. B. die Marine), der Operateur, weil er seiner Kontrollpflicht nicht nachkam, die Herstellerfirma, die ein fehlerhaftes Produkt herstellte und verkaufte oder sogar der Softwareentwickler, der ein fehlerhaftes Programm entwickelt hat.
Die Erscheinungsformen von UWF variieren je nach Einsatzfeld und Erfordernissen. UWF agieren und operieren ober- und unterhalb der Wasseroberfläche. Die US-amerikanische Firma 5G Marine Systems hat sich auf Oberwasserfahrzeuge spezialisiert. Diese Fahrzeuge werden regelmäßig zu Transportzwecken oder als Patrouillenboote eingesetzt. Zur Minenbekämpfung als auch zum Aufspüren feindlicher Schiffe werden hingegen überwiegend Unterwasserfahrzeuge verwendet. Nicht zu vergessen sind schließlich Roboter, die ihre Aufgabe auf dem Meeresboden verrichten sollen.
Die Unterscheidung von UWF nach ihrem modus operandi, also ob diese oberhalb oder unterhalb der Wasseroberfläche eingesetzt werden, erinnert an die unterschiedlichen Regelungen von Schiffen und U‑Booten bei den Durchfahrtsrechten im Seerechtsübereinkommen von 1982 (SRÜ). Zum Beispiel sichert das Recht der Transitdurchfahrt allen Schiffen zu, durch internationale Meerengen (wie die Straße von Gibraltar) fahren zu dürfen. Dabei können Schiffe die Meerengen in ihrem normalen Modus durchfahren. Das gilt auch für U‑Boote, die internationale Meerengen auch untergetaucht durchqueren können.
In Küstenmeeren ist dies anders. Zwar sichert hier das sog. Recht der friedlichen Durchfahrt Schiffen ebenfalls zu, fremde Küstenmeere zu durchfahren. U‑Boote und andere Unterwasserfahrzeuge müssen dabei aber über Wasser fahren und ihre Flagge zeigen. Die unterschiedliche Regelung ist zurückzuführen auf das erhöhte Sicherheitsinteresse unmittelbar vor der eigenen Küste, welches jedem Küstenstaat zugestanden wird.
Sollten also UWF als Schiffe nach dem SRÜ betrachtet werden, hätte das zur Folge, dass auch hier zwischen der Ober- und Unterwassergängigkeit unterschieden werden könnte.
Ab wann ist ein Schiff ein Schiff?
Neben Durchfahrtsrechten enthält das SRÜ auch Schutzvorschriften zugunsten der Meeresumwelt sowie Regelungen zur friedlichen Streitbeilegung und es teilt die Weltmeere in verschiedene Zonen ein. Das SRÜ ist ein umfassendes Regelwerk und wird daher oftmals als „Verfassung der Meere“ gelobt.
Deshalb erscheint es geradezu erstaunlich, dass das SRÜ „Schiff“ als einen der zentralen Begriffe der Seeschifffahrt nicht erläutert. Es herrschen zwar verschiedene Definitionen vor, aber diese legen mitunter voneinander abweichende Schwerpunkte. Dadurch entsteht eine nicht zu unterschätzende Unsicherheit darüber, ob – im Falle eines Falles – ein internationales Gericht der eigenen Definition auch folgen würde. Beispiele für Streitigkeiten, ab wann ein Schiff ein Schiff ist, gibt es auf nationaler Ebene freilich zuhauf.
Sicher ist gleichwohl, dass UWF keine Torpedos sind. Zwar bestehen äußerlich zum Teil große Ähnlichkeiten, auch haben weder Torpedo noch UWF eine Crew. Aber Torpedos werden zum einmaligen Angriff auf ein militärisches Objekt verwendet, wohingegen UWF mehrfach und zu zivilen wie militärischen Zwecken verwendet werden.
Die Frage, ob ein unbemanntes Wasserfahrzeug ein Schiff ist oder nicht, ist eine grundsätzliche Frage, über die man geteilter Meinung sein darf. Es gibt noch keine internationale Gerichtsentscheidung, die diese Frage mit der nötigen Autorität beantwortet hat. Sofern einer sehr weiten Definition gefolgt würde, wonach ein Schiff ein von Menschen gebautes (auch unterwassergängiges) Vehikel ist, das fähig ist, die See zu überqueren, wären UWF als Schiffe einzuordnen. Für die Zwecke dieses Beitrages wird denn auch davon ausgegangen, dass UWF als wassergehende Einheiten dem Schiffsbegriff unterfallen.
Wenn nun UWF Schiffe sind, dann kann weiter geklärt werden, ob militärisch genutzte UWF auch Kriegsschiffe im Sinne des SRÜ sind. Eine Folge wäre, dass UWF aufgrund der staatlichen Immunität vor Zugriffen fremder Behörden geschützt wären. Ein Schiff ist ein Kriegsschiff, wenn es (1) den Streitkräften eines Staates zugeordnet wird, es (2) unter dem Befehl eines Offiziers steht, der als solcher in einer nationalen Liste der (Marine-) Streitkräfte aufgenommen ist und (3) die Besatzung den Regeln der militärischen Disziplin unterliegt. Zu prüfen ist also, ob UWF diese Kriterien erfüllen.
Ein Kriegsschiff ohne Crew?
Bei ferngesteuerten und semi-autonomen UWF ist es durchaus möglich, dass die Vehikel unter den Befehl eines Offiziers gestellt werden. Bei voll-autonomen UWF ist dies bereits anders zu beurteilen. Aber das große Problem ist die Besatzung. Es liegt in der Natur der Sache, dass UWF keine Crew haben. Das nährt Bedenken, UWF als Kriegsschiffe zu kategorisieren.
Die Beantwortung der Frage, ob UWF Kriegsschiffe sind, verkompliziert sich zum beispielsweise in Anbetracht des oben erwähnten Remote Multi-Mission Vehicle von Lockheed Martin. Das genannte UWF wird von einem Kriegsschiff aus gestartet, an dessen Bord sich auch die Steuer- und Kommunikationseinheit befindet. Das führt dazu, dass das UWF einen vom Mutterschiff abgeleiteten Status besitzt. Das UWF hat dann aber keinen eigenen Status und kann daher auch kein eigenes Kriegsschiff im Sinne des SRÜ sein. Auf der anderen Seite gibt es UWF, die von der Küste aus gestartet werden.
Ein von einem Mutterschiff abgeleiteten Status gibt es daher nicht. Der Operateur, der in diesen Fällen ein eingetragener Offizier sein könnte, befindet sich aber im Landesinneren und nicht an Bord des UWF. Deshalb lässt sich auch hier mangels internationalem Staatenkonsens und gerichtlicher Entscheidung nicht mit abschließender Sicherheit behaupten, bei von der Küste aus startenden UWF handele es sich um Kriegsschiffe.
Es bestehen also berechtigte Zweifel daran, UWF mangels Besatzung als Kriegsschiffe gemäß des SRÜ zu kategorisieren. Nichtsdestotrotz wird vorliegend davon ausgegangen, dass UWF dem Begriff des Kriegsschiffes unterfallen, wenn sie zu militärischen Zwecken eingesetzt werden. Das führt dazu, dass UWF auch das Recht der friedlichen Durchfahrt in fremden Küstenmeeren zusteht. Die für U‑Boote und andere Unterwasserfahrzeuge geltende Pflicht, im Küstenmeer über Wasser zu fahren und dabei ihre Flagge zu zeigen, ist jedoch aus tatsächlichen Gründen für unterwasserfahrende UWF nicht denkbar. Die Regel könnte nur für diejenigen UWF Anwendung finden, die sowohl oberhalb als auch unterhalb der Wasseroberfläche fahren könnten.
UWF könnten auch als Waffen- oder Spionagesysteme in fremden Küstenmeeren eingesetzt werden. Dann wäre die Durchfahrt aber nicht mehr friedlich und ihr Durchfahrtsrecht könnte suspendiert werden. Die Suspendierung des Durchfahrtsrechts könnte auch das Mutterschiff treffen, wenn es ein bewaffnetes oder spionierendes UWF in fremden Küstenmeeren lediglich aussetzt.
Beim Recht der Transitdurchfahrt durch internationale Meerengen bestehen keine Bedenken. Hier können alle UWF in ihrem normalen Modus durchfahren. Im Gegensatz zum Küstenmeer dürfen Mutterschiffe UWF ins Wasser setzen und an Bord nehmen, wenn dies für die eigene Sicherheit erforderlich ist. Auf der Hohen See und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone bestehen weder für Mutterschiff noch für UWF entsprechende Vorgaben. Sie sind nur an die allgemeinen Beschränkungen gebunden, andere Schiffe in der Ausübung ihrer Schifffahrtsfreiheit nicht zu beeinträchtigen und – zu Zeiten des Friedens – keine Kriegshandlungen vorzunehmen.
UWF zur Piratenbekämpfung untauglich
Kriegsschiffen steht neben dem Immunitätsschutz auch die Befugnis zu, in Zeiten eines bewaffneten Konflikts militärische Angriffe zu starten, wodurch sie selbstverständlich auch Ziel dergleichen sein können. In diesem Zusammenhang wird vom sog. Recht des Kriegführenden gesprochen. Für militärisch genutzte UWF gilt dies selbstverständlich auch: Sofern mit ihnen aktiv militärische Angriffe vorgenommen werden, dürfen auch UWF angegriffen und zerstört werden. Was die Bekämpfung der Piraterie angeht, so steht es ebenfalls nur Kriegsschiffen zu, vermeintliche Piratenschiffe aufzubringen und zu kontrollieren. Zur Pirateriebekämpfung sind UWF allerdings für sich genommen untauglich. Roboter können (noch) kein Schiff boarden und Piraten dingfest machen. Sie können nur als Hilfseinheit für ein mit Besatzung versehenes Mutterschiff fungieren.
Die obigen Ausführungen stehen allesamt vor dem Hintergrund, dass UWF militärisch genutzt werden. Wenn UWF hingegen zu anderen staatlichen, zum Beispiel wissenschaftlichen Zwecken genutzt werden, gelten die Ausführungen hinsichtlich des völkerrechtlichen Immunitätsschutzes und der Durchfahrtsrechte entsprechend. Ausgenommen sind selbstredend das Recht des Kriegführenden und das Recht, Piratenschiffe zu bekämpfen. Rein privat genutzte UWF genießen natürlich auch die Durchfahrtsrechte des SRÜ, wenn eine ausreichende Verbindung zum Flaggenstaat besteht.
Das SRÜ ist auch als ‘UNCLOS III’ bekannt. Die UN-Seerechtskonferenz dauerte von 1973 bis 1982 und war die dritte ihrer Art. Dem Abkommen liegt zugrunde, dass Schiffe eine Crew haben. Dass die Integrität des SRÜ 30 Jahre später mit unbemannten Wasserfahrzeugen konfrontiert sein würde, haben die verhandelnden Staatenvertreter zum damaligen Zeitpunkt nicht absehen können. Andernfalls wäre es wohl zu einer die UWF erfassenden Regelung im Vertragswerk gekommen.
An der zunehmenden Präsenz von unbemannten Fahrzeugen auf und in den Weltmeeren besteht unterdessen kein Zweifel mehr. Die Experten auf dem 35. Deutschen Schifffahrtstag im September 2016 in Kiel waren sich einig darüber, dass bereits 2020 die Jungfernfahrt des ersten unbemannten Frachters kommen wird. In Anbetracht dessen sind die Staaten gut beraten, einen umfassenden Rechtsrahmen zu schaffen, in dem neben statusrechtlichen auch die haftungsrechtlichen Fragen von unbemannten Wasserfahrzeugen geklärt werden.