Talsohle ist noch nicht durchschritten — Marine im Prozess des Umdenkens

Ansprache des Inspek­teurs der Marine bei der 57. His­torisch Tak­tis­chen Tagung (HiTa­Ta) der Marine
Als ich let­ztes Jahr zur HiTa­Ta an dieser Stelle stand, wusste ich – wusste jed­er von Ihnen – dass uns mit dem 60. Jahr des Beste­hens der Deutschen Marine ein her­aus­fordern­des, in Teilen sog­ar schwieriges Jahr bevorste­hen würde.

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.

Marineforum

Erneut sahen wir ein hohes Oper­a­tionstem­po auf uns zukom­men. Gle­ichzeit­ig wussten wir: Mit der unaufhalt­sam voran­schre­i­t­en­den Außer­di­en­st­stel­lung der Fre­gat­ten F122, der Außer­di­en­st­stel­lung der let­zten Schnell­boote und der Auflö­sung des 7. Schnell­boot­geschwaders würde der Flot­tenbe­stand empfind­lich klein­er wer­den, wür­den der Marine viele ihrer „Arbeit­spferde“ fehlen. Und damit würde die Beanspruchung des verbleiben­den Mate­ri­als, vor allem aber unser­er Besatzun­gen noch weit­er zunehmen.

Und es war völ­lig klar, dass die Ein­führung der Sol­date­nar­beit­szeit- verord­nung (SAZV) uns vor vielfältige neue Her­aus­forderun­gen stellen würde. Wir wussten, zumin­d­est ahn­ten wir, was auf uns zukom­men würde. Für weit­ere Über­raschun­gen wäre tat­säch­lich auch kein Raum mehr geblieben: Die Marine würde im Jahr 2016 am Lim­it segeln, das war uns allen klar. Trotz oder ger­ade wegen unser­er Sor­gen, wie lange unsere Marine diese Beanspruchung noch aushal­ten kann, haben wir nicht ein­fach unser Leid geklagt, den Kopf nicht in den Sand gesteckt. Wir sind die Prob­leme und Her­aus­forderun­gen des Jahres ange­gan­gen: Schritt für Schritt, Prob­lem für Prob­lem sind wir unaufgeregt und pro­fes­sionell zu Lösun­gen gekommen.

Ein­sicht in die Beson­der­heit­en und Erfordernisse der Flotte wächst

In vie­len Bere­ichen, dessen bin ich mir völ­lig bewusst, sind diese Lösun­gen unvol­lkom­men – viele Lösun­gen liegen auch nicht allein in unser­er Hand.

Bei der Sol­date­nar­beit­szeitverord­nung ist es uns gelun­gen, den Kern der Marine, die Seefahrt, von vorne­here­in als Aus­nah­metatbe­stand zu ver­ankern und inzwis­chen – nach eini­gen Anlauf­schwierigkeit­en – auch Hafen­liegezeit­en im Aus­land in diesen Aus­nah­metatbe­stand mit aufzunehmen. Den­noch bleibt der admin­is­tra­tive Aufwand für die gesamte Marine zu hoch und herrscht unverän­dert zu viel Hand­lung­sun­sicher­heit. Es zeich­net sich auch ab, dass einige Auf­gaben, die aktuell im Grund­be­trieb durchge­führt wer­den müssen, vom SAR-Dienst ange­fan­gen bis zur Durch­führung von All­ge­meinen Grun­daus­bil­dun­gen, noch spez­i­fis­ch­er Lösun­gen bedürfen.

Wenn ich let­ztes Jahr an gle­ich­er Stelle aber noch davon sprach, dass die „SAZV unabän­der­lich“ sei, stelle ich heute fest: Trotz aller zu erwartenden Frik­tio­nen war es richtig, die SAZV einzuführen. Sie hat uns gezwun­gen, viel aufmerk­samer auf unseren Umgang mit unser­er wertvoll­sten Ressource – der Arbeit­szeit unser­er Män­ner und Frauen – zu acht­en. Ganz prak­tisch hat erst die SAZV uns dazu gebracht, seit Langem bekan­nte Prob­leme, wie beispiel­sweise die ger­ade für ohne­hin knappes tech­nis­ches Per­son­al viel zu hohe Wach­be­las­tung, drastisch zu reduzieren.

Was ger­ade noch für unmöglich gehal­ten wurde, was im vor­let­zten Jahr noch aus der Sicht viel­er die Sicher­heit und den Fortbe­stand der Flotte gefährdet hat, musste … und kon­nte plöt­zlich möglich gemacht wer­den, Anlauf­schwierigkeit­en inbe­grif­f­en. Die ersten Schritte zur Ein­rich­tung des See­mannsheims in Wil­helmshaven mit der Bere­it­stel­lung der Ebkeriegekaserne für nicht unterkun­ft­spflichtige Sol­dat­en der Schiffe aus Für­sorge­grün­den – nicht etwa, weil ein Recht­sanspruch beste­ht – ließen dabei erken­nen, dass auch außer­halb der Marine die Ein­sicht in die Beson­der­heit­en und Erfordernisse der Flotte wächst.

Der für viele von uns natür­lich auch emo­tion­al bit­teren Außer­di­en­st­stel­lung der Fre­gat­ten und Schnell­boote stand – nach 5 Jahren mit dem lang ersehn­ten Abschluss der Fähigkeit­san­pas­sung – die Rück­kehr der „Meck­len­burg-Vor­pom­mern“ in den oper­a­tiv­en Dienst gegenüber. Mit der Indi­en­st­stel­lung von U36, dem zweit­en Boot des zweit­en Los­es U212A, kon­nten wir sog­ar einen Neuzu­gang verbuchen.

Den­noch ist der Umfang der Flotte angesichts der Auf­trags- und Instand­set­zungslage unzure­ichend. Oft­mals wird, hin­ter vorge­hal­tener Hand, in Blogs unter Pseu­do­nym, gefordert, die Marine, der Inspek­teur, müsse angesichts der Belas­tun­gen auch endlich ein­mal pri­or­isieren, klarstellen, was nicht mehr geht.

Das tue ich. Ich habe bere­its vor zwei Jahren die klare Pri­or­isierung aus­ge­sprochen: Ein­sätze, ein­satz­gle­iche Verpflich­tun­gen, Maß­nah­men zur Nach­wuchs­gewin­nung. Wir pri­or­isieren und wir machen unmissver­ständlich deut­lich, worauf wir verzicht­en müssen und welche Kon­se­quen­zen dies für die Marine hat.

Das heißt unter anderem: kein EAV (Ein­satz- Aus­bil­dungsver­band) mehr. Das heißt auch, und auch aus mein­er Sicht viel zu häu­fig: Für das Erre­ichen der unverän­dert angestrebten höch­sten Ein­satzbere­itschaftsstufe bleibt nicht aus­re­ichend Zeit und die Ein­heit muss mit ein­er Aus­bil­dung in den Ein­satz gehen, die sie eben für diesen Ein­satz, aber zu nicht mehr in die Lage versetzt.

Dies sind schmer­zliche Ein­schnitte: Sie betr­e­f­fen unser Alle­in­stel­lungsmerk­mal, die Befähi­gung zum Kampf, sie schränken die Attrak­tiv­ität des Dien­stes auf unseren Schif­f­en und Booten ein. Aber eines stelle ich unmissver­ständlich fest: Die Ein­satz­forderun­gen unser­er poli­tis­chen Führung müssen wir erfüllen, solange und soweit dies ver­ant­wort­bar ist. Das ist der Kern unser­er rai­son d’être – wir sind Sol­dat­en, dafür sind wir da, unab­hängig davon, welche Fol­gen wir daraus für die Fähigkeit­en der Marine auf die weit­ere Sicht ableiten.

Unverän­dert große Sor­gen machte uns im Jahr 2016 die Entwick­lung des Per­son­albe­standes unser­er Marine oder bess­er, unser­er Flotte. Denn tat­säch­lich ist der numerische Per­son­albe­stand in der Marine dur­chaus zufrieden­stel­lend. Erst wenn ich ins Detail sehe, wenn ich von den aggregierten Zahlen auf die einzel­nen Ver­bände, Schiffe und Boote sehe, wird das Prob­lem deut­lich – das brauche ich den meis­ten von Ihnen nicht zu erk­lären. Der gesamten Flotte fehlt das gle­iche Per­son­al und das heißt vor allem Unterof­fiziere und Porte­pee­un­terof­fiziere (PUO) der tech­nis­chen Ver­wen­dungsrei­hen. Jedes Fehl führt dabei direkt zu ein­er noch stärk­eren Belas­tung der Verbleiben­den. Springer­tum, fehlende Teamko­hä­sion in der Aus­bil­dung, man­gel­nde Plan­barkeit und damit – abnehmende Attrak­tiv­ität der Seefahrt – dro­hen zu ein­er Abwärtsspi­rale zu werden.

Sicher­heit­spoli­tis­che Lage ver­spricht keine Atempause

Die Entwick­lun­gen der sicher­heit­spoli­tis­chen Lage ver­sprechen uns keine Atem­pause. Chi­na ver­fol­gt weit­er­hin seine Gebi­et­sansprüche im Paz­i­fik kon­fronta­tiv und erzeugt zunehmend Unruhe bei seinen Nach­barn. Vielmehr aber stellt Chi­na damit auch glob­al die Frei­heit der Meere und das Prinzip friedlich­er Kon­flik­t­bei­le­gung infrage – das geht auch uns unmit­tel­bar an.

Rus­s­land hat zweifel­los jedes Recht, seine Marine ins Mit­telmeer zu entsenden. Der Ein­satz des Flugzeugträgers „Kuznetsov“ im Rah­men der rus­sis­chen Inter­ven­tion in Syrien war aber genau wie der Ein­satz mod­ern­er Landzielflugkör­p­er als poli­tis­ches und nicht sehr fre­undlich­es State­ment an unsere Adresse gerichtet – und ist auch so angekommen.

Und die Sicher­heit­slage im so tre­f­fend genan­nten südlichen Krisen­bo­gen hat nichts von ihrer Brisanz ver­loren und wird uns mit ihren Fol­gen, vor allem mit dem unge­broch­enen Drang von Flüchtlin­gen und Migranten über das Mit­telmeer, weit­er beschäfti­gen. Sie alle steck­en viel zu tief in den Pla­nung­sprozessen für das begin­nende Jahr 2017, Sie wis­sen eben­so wie ich, dass nicht zu erwarten ist, dass das Oper­a­tionstem­po merk­lich nach­lassen wird. Und die schreck­lichen Ereignisse vom 19. Dezem­ber in Berlin haben uns nach­drück­lich gezeigt, dass wir Teil dieser unsicheren Welt sind und uns nicht einigeln können.

Und auch ist uns allen klar, dass wed­er neue Schiffe noch neue Besatzun­gen in unsere Stützpunk­te geza­ubert wer­den. Die Pri­or­isierung hat also weit­er­hin Bestand und die Marine wird auch dieses Jahr, wird auch 2017 am Lim­it segeln: Die Tal­sohle ist noch nicht durchschritten.

Aber die Lage heute, hier bei der HiTa­Ta 2017, ist den­noch eine ganz andere als vor einem Jahr!

Prozess des Umdenkens

Im Rauschen der Infor­ma­tions­flut ist für viele unterge­gan­gen, dass die Vertei­di­gungspoli­tik Deutsch­lands im Jahr 2016 eine Zäsur erfahren hat, die in eine Rei­he zu stellen ist mit dem NATO-Dop­pelbeschluss und der Ein­forderung ein­er Friedens­div­i­dende nach der deutschen Wiedervereinigung.

In Reak­tion auf Rus­s­lands völk­er­rechtswidrige Annex­ion der Krim, der rus­sis­chen Inter­ven­tion in der Ost-Ukraine und in Syrien und der Aggres­sion islamistis­chen Ter­rors in Europa ist ein Prozess des Umdenkens in Gang gekom­men, der im Bünd­nis zu den Beschlüssen von Warschau und in Deutsch­land zum Weißbuch geführt hat. Es wurde erkan­nt, dass die unter­stellte 10-jährige Reak­tion­szeit zum Wieder­erstarken unser­er Vertei­di­gungs­bere­itschaft nicht aus­re­icht – und dass vor allem lei­der wohl der Start­punkt der 10 Jahre ver­passt wor­den war.

Das Weißbuch stellt die Lan­des- und Bünd­nisvertei­di­gung gle­ich­w­er­tig neben das inter­na­tionale Krisen­man­age­ment, das uns aktuell in den Ein­sätzen im Mit­telmeer und am Horn von Afri­ka bindet. Aber noch mehr: Erst­mals wird die strate­gis­che Bedeu­tung der See­verbindungswege und Deutsch­lands Ver­ant­wor­tung für die Frei­heit der Meere klar her­aus­gestellt – eine Forderung der Marine seit vie­len Jahren.

Das heißt ein­er­seits, dass unsere Ableitun­gen zu den drei strate­gis­chen Hand­lungsräu­men der Marine – der Nord­flanke, dem südlichen Krisen­bo­gen und dem Indik – richtig waren und poli­tisch bestätigt wer­den. Da heißt aber auch, dass das Auf­gaben­pro­fil ger­ade der Marine noch anspruchsvoller wird. Noch anspruchsvoller, wo wir doch schon so hart am Wind segeln?

Ja, aber dieses Umdenken erschöpft sich nicht in der Papier­form großer Ansprüche. Erst­mals seit 1990 wach­sen deutsche Stre­itkräfte wieder! Die von der Min­is­terin ein­geleit­eten Trendwen­den in den Bere­ichen Finanzen, Mate­r­i­al und Per­son­al – die auf­trags­gerechte Ausstat­tung der Bun­deswehr – und das aus­drück­liche Beken­nt­nis der Kan­z­lerin zum 2% Ziel der NATO als Ziel­marke auch für Deutsch­land. Dies hät­ten wir uns vor einem Jahr noch nicht zu erhof­fen gewagt, das ist in Europa einmalig!

Wir mögen noch immer ein Tal durch­schre­it­en – aber anders als vor einem Jahr sehen wir jet­zt den Weg aus dem Tal heraus!

Dass auch die Marine ganz beson­ders von diesen Trendwen­den prof­i­tiert, ist der Lohn unseres Ein­satzes, ist direk­tes Ergeb­nis Ihrer aller Leis­tungs­fähigkeit, Belast­barkeit und auch Opfer­bere­itschaft – Ihrer und die Ihrer Frauen und Männer!

Die Marine hat in schwierig­sten Zeit­en eben nicht jeden neuen Ein­satz dazu genutzt, neue Wün­sche zu for­mulieren und pressewirk­sam zu fordern und zu kri­tisieren. Die Marine hat pro­fes­sionell und ruhig, aber mit absoluter Zuver­läs­sigkeit die ihr gestell­ten Aufträge aus­ge­führt und sich damit quer durch alle Frak­tio­nen und auch in der Gesellschaft ins­ge­samt große Anerken­nung erwor­ben. Und wir spüren diese Anerken­nung, die Marine ist im Aufbruch!

Mit unzäh­li­gen und mühevollen Gesprächen über ein dreivier­tel Jahr hin­weg ist es uns gelun­gen – ich sprach es bere­its kurz an – mit der Ebkeriegekaserne den nicht unterkun­ft­spflichti­gen Seefahrern in Wil­helmshaven eine erschwingliche mil­itärische Unterkun­ft zu bieten. Die damit gezeigte Bere­itschaft der poli­tis­chen Leitung, auch jen­seits eines Recht­sanspruchs aus Für­sorge zu helfen, ist Anerken­nung des Alle­in­stel­lungsmerk­males und der beson­deren Leis­tun­gen der Besatzun­gen unser­er Flotte.

Wil­helmshaven gle­icht mit den umfan­gre­ichen Neubaut­en für Unterkun­fts- und Stab­s­ge­bäude ein­er Baustelle. Ich wün­schte allerd­ings, ich kön­nte das gle­iche von Eck­ern­förde behaupten.

Das Mate­r­i­al der Marine

Der Fähigkeit­ser­halt der MPA (Mar­itime Patrol Air­craft) ist bis 2035 sichergestellt. Die MKS180 (Mehrzweck­kampf­schiff 180) sind in der Auss­chrei­bung; und trotz der Verzögerun­gen bei der Ange­bot­ser­ar­beitung wird weit­er­hin ein Ver­tragss­chluss noch dieses Jahr angestrebt. Wir müssen alle gemein­sam dafür kämpfen, dass es nicht zu weit­eren Verzögerun­gen kommt, und die Schiffe ab Mitte des näch­sten Jahrzehnts auch wirk­lich zulaufen. Der Fähigkeit­ser­halt der Fre­gat­ten F123 ist bis dahin – und ich betone: bis dahin – gesichert.

Die „Baden-Würt­tem­berg“ absolviert – bis­lang dur­chaus erfol­gre­ich und mit von ihrem Schiff begeis­terten Besatzun­gen – ihren Funk­tion­snach­weis, ein­schließlich des ersten Crewwech­sels. Die Bedeu­tung der F125 – ich muss dies eigentlich nicht erneut beto­nen – liegt darin, dass wir erst­mals ein Schiff in die Flotte übernehmen, das ganz gezielt auf unsere in die Zukun­ft gerichteten Betriebs- und Besatzungskonzepte aus­gerichtet ist.

Und Anfang Dezem­ber 2016 wurde erfol­gre­ich der Erst­flug des Sea Lion absolviert, der ab 2019 endlich den Sea King ablösen und ab 2023 erset­zen wird. Damit find­et dann eine viel zu lange und schmerzhafte Entwick­lung ihr Ende, in der auch die Marine keine glück­liche Rolle gespielt hat. Aber damit es dazu kommt, liegt noch ein Alle­manns­man­över vor uns: Der Zeit­plan an sich ist bere­its sehr ambi­tion­iert. Gle­ichzeit­ig gilt es aber, den SAR-Betrieb (Search and Res­cue) aufrecht und unsere betagten Seekönige in der Luft zu hal­ten. Und ich bin froh, dass die Marine jet­zt geschlossen hin­ter dem Sea Lion steht.

Das Per­son­al der Marine

Mit der Trendwende Per­son­al sind die fes­ten Per­son­alober­gren­zen grund­sät­zlich aufge­hoben. Das gibt uns die Möglichkeit, dort Dien­st­posten zu fordern, wo bis­lang nur von Reduzierung die Rede war: Mehrbe­satzun­gen, Werft­grup­pen, Inter­na­tionale Aus­bil­dung am AZU (Aus­bil­dungszen­trum Uboote). Das ist keine Ein­ladung zu Wün­sch-Dir-was. Es ist aber die Chance, im Sinne der „auf­gaben­gerecht­en Ausstat­tung“ mit guten Begrün­dun­gen unter­legte Forderun­gen zu artikulieren und sich nicht mehr auf alle Zeit­en mit dem Man­gel abfind­en zu müssen. Natür­lich aber sind weit­ere Dien­st­posten nur Dien­st­posten und wir müssen das Per­son­al find­en, dass zur Marine will und zu uns passt.

Die Ein­stel­lungszahlen an der Mari­neschule wer­den 2017 auf über 300 steigen und die Schulen der Marine – auch und vor allem die MTS (Marinetech­nikschule) – sind gut gefüllt. Gemein­sam gehen wir mit der zen­tralen Nach­wuchs­gewin­nung der Bun­deswehr neue und erfol­gre­iche Wege, um junge Men­schen für die Marine zu begeistern.

Erst­mals waren mit der Per­son­al­werbe­maß­nahme „Die Rekruten“ Wass­er, BGA (Bord- und Gefecht­sanzug) und graue Schiffe zu sehen. „Die Rekruten“ ist bin­nen kürzester Zeit zum erfol­gre­ich­sten You Tube-Chan­nel über­haupt gewor­den und hat dazu geführt, dass sich Mil­lio­nen Men­schen mit dem Dienst in der Marine auseinan­derge­set­zt haben. Mal schauen, ob und wie sich dies auf die Bewer­berzahlen auswirken wird.

Und dann ist da natür­lich das zweite Los K130. Allein daraus ließe sich eine HiTa­Ta- Rede spin­nen. Diese Schiffe soll die Marine bekom­men – wohlge­merkt über die 130 Mrd. € der Trendwende Finanzen hin­aus –, weil sie ihren Auf­trag erfüllt und an den richti­gen Stellen, mit dem richti­gen Ton und zur richti­gen Zeit auf die Preiss­childer hinweist.

Jet­zt dür­fen wir nicht gle­ich selb­st wieder in Frage stellen, ob es uns gelin­gen wird, diese neuen Ein­heit­en zu beset­zen. Das tun andere ohne­hin. Ich sehe es so: Diese Schiffe wer­den eben nicht die Beset­zungsnot ver­stärken, son­dern sie wer­den es uns ermöglichen, wieder Reser­ven zu schaf­fen und uns auch wieder stärk­er um den ver­nach­läs­sigten Raum der Nord­flanke zu küm­mern. Sie wer­den uns helfen, die Abwärtsspi­rale zu durch­brechen. Wir wer­den diese Schiffe schnell in Fahrt brin­gen müssen.

Deswe­gen brauchen wir eben auch das zweite Los und nicht noch eine Klein­serie von fünf Schif­f­en, die dann wieder Anlauf­schwierigkeit­en und Kinderkrankheit­en haben. Aus­bil­dung, Instand­set­zung, Logis­tik und Ein­satz sind mit einem zweit­en Los K130 bess­er und effizien­ter zu bewälti­gen. Die K130 ist ein gutes Schiff, das sich in den ver­gan­genen Jahren bewährt hat!

Die Marine ist im Aufbruch!

Auf­bruch bedeutet aber auch, nicht immer zu wis­sen, was der näch­ste Schritt sein wird. Auf­bruch bedeutet Unsicher­heit. Nach über 25 Jahren Schrumpfen müssen wir das Wach­sen erst wieder ler­nen. Die Vorschriften­land­schaft, die auf Papi­er geban­nte Bun­deswehr, wird abse­hbar die näch­sten Jahre mit der Entwick­lung der Real­ität nicht stand­hal­ten können.

Das ver­langt ger­ade Ihnen, den Führern der Marine, mehr ab, und hier knüpfe ich an das an, was der StvIn­spM und Befh­Flotte (Stel­lvertreter Inspek­teur der Marine und Befehlshaber der Flotte und Unter­stützungskräfte) ger­ade von Ihnen gefordert hat. Führen heißt auch, Vor­gaben kri­tisch zu hin­ter­fra­gen, führen heißt – im Sinne des Auf­trags – voranzuge­hen, auch wenn es keine Hand­lungsan­weisung gibt – dieses Han­deln dann aber auch per­sön­lich zu verantworten.

Vor einem Jahr habe ich zu ver­schiede­nen Anlässen gesagt: Empören Sie sich, wenn Ihnen etwas nicht gefällt! Beim Empören darf es aber nicht bleiben.

Erken­nen Sie Hand­lungs­be­darf – wohlge­merkt Hand­lungs­be­darf in Ihrem Zuständigkeits­bere­ich. Artikulieren Sie, wenn Ihre Möglichkeit­en zur Abhil­fe nicht aus­re­ichen. Beteili­gen Sie sich mit Ihrer Exper­tise lei­den­schaftlich an der Diskus­sion um die beste Lösung – aber vertreten Sie dann bitte auch die entsch­iedene Lösung mit all Ihrer Kraft, selb­st dann, wenn Sie eigentlich die Faust in der Tasche ballen woll­ten. Das ver­ste­he ich unter Loy­al­ität, das ver­lange ich von Ihnen.

Nehmen Sie Unzulänglichkeit­en nicht ein­fach hin – sehen Sie aber bitte auch nicht über­all nur die Unzulänglichkeit! So befreiend es manch­mal ist, in die Klage über die Müh­sal der Welt einzus­tim­men. Geholfen hat es noch nie. Und natür­lich ist es immer span­nend, sich gegen­seit­ig mit schar­fer Kri­tik an den unhalt­baren Zustän­den und den Unzulänglichkeit­en der Lösungsver­suche zu übertr­e­f­fen. Aber das macht alles nur noch schlimmer.

Ja, wir kön­nen kri­tisieren, dass „Die Rekruten“ für uns, die wir teils seit Jahrzehn­ten in unser­er Marine dienen, nicht ser­iös sind. Aber der Wurm muss dem Fisch schmeck­en – und beto­nen wir doch, dass erst­mals getan wird, was wir immer gefordert haben: mod­ern für die Marine zu werben.

Ja, viele haben – im guten Glauben, der Marine damit zu helfen – kri­tisiert, ein 2. Los K130 wäre nicht die mod­ern­ste am Markt ver­füg­bare Tech­nolo­gie. Aber statt in diese Kri­tik einzus­tim­men, soll­ten wir darauf ver­weisen, dass „mod­ern­ste Tech­nolo­gie“ lei­der sel­ten gle­ich in See bestanden hat, dass ein neues Design und die immer zu erwartenden Kinderkrankheit­en nur die Ein­führung verzögern wür­den. Dass wir dann die Schiffe viel zu spät bekom­men wür­den, und dies gle­ichzeit­ig mit dem Zulaufen der MKS180 – was wed­er die Marine, noch die Beschaf­fung­sor­gan­i­sa­tion und auch nicht die Indus­trie leis­ten könnten.

Und ja, die Ebkeriegekaserne ist natür­lich beileibe kein Hotel­stan­dard – das ist eine Fre­gat­te 122 aber auch nicht. Wir kön­nen kri­tisieren, das sei für einen Meis­ter Mitte Dreißig doch wohl kaum attrak­tiv. Wir kön­nen aber auch her­ausstellen, dass es gelun­gen ist, die Wach­stärken zu reduzieren, ohne diesen Meis­ter zu zwin­gen, sich am Markt für viel Geld eine Woh­nung zu mieten, die er dann wegen der Seefahrt kaum bewohnt.

Lassen Sie uns alle mehr über das reden, was gelingt und weniger über das, was uns zu 100% noch fehlt. Das muss ins­beson­dere auch unsere Außenkom­mu­nika­tion bes­tim­men. Dann fühlen wir uns nicht nur bess­er. Dann erscheint es vor allem auch für die, die noch nicht bei uns sind, lohnenswert­er und attrak­tiv­er, zur Marine zu stoßen. Kein­er kann bess­er für die Marine wer­ben, als wir selb­st. Vieles liegt hier in unser­er Hand. Die drei ange­sproch­enen Trendwen­den ste­hen für Auf­bruch, den es nun zu unter­füt­tern gilt. Dabei müssen wir aber auch akzep­tieren, dass eine Organ­i­sa­tion von der Größe der Bun­deswehr und unsere Marine Zeit brauchen wer­den für die große Kursän­derung. Das ist, als ob man einen Super­tanker wen­den will. Wir wer­den ver­mut­lich an der einen oder anderen Stelle noch mal zurückziehen, weil wir es nicht in einem Schwung schaffen.

Auch wer­den Stan­dard­rud­er­la­gen nicht immer aus­re­ichen. Es wird Zeit und einen lan­gen Atem brauchen – von der Poli­tik, aber auch von uns. Wenn wir über Attrak­tiv­ität reden, dann müssen wir noch bess­er ler­nen, Vielfalt und Unter­schiede zu akzeptieren.

Was für den Fam­i­lien­vater attrak­tiv ist, ist für den jun­gen und noch unge­bun­de­nen Sol­dat­en noch lange nicht attrak­tiv. Der eine begrüßt die Freizeit, die ihm die SAZV bringt. Der andere beklagt die finanziellen Ein­bußen, weil die Wach­be­las­tung reduziert wird. Wir müssen diese Vielfalt nicht nur aushal­ten, wir müssen sie gemein­sam gestal­ten. Wir müssen akzep­tieren, dass es keinen einzig richti­gen Weg geben kann, um diesen Prozess zu durch­laufen. Der Wille und die Fähigkeit, zu gestal­ten, das ist der Grund, warum wir Offiziere sind.

Der Auf­bruch erfordert, dass wir ihn gemein­sam angehen

Seien es die Vorschriften, die wir anfassen müssen, weil sie nicht mehr in unsere Zeit passen, seien es Ver­fahren, die nicht mehr zur Zielset­zung passen, sei es die Soll-Org (Soll-Organ­i­sa­tion). die nicht zum in die Zukun­ft gerichteten Ein­satz- und Aus­bil­dung­spro­fil passt. Wir alle müssen den Anspruch haben, über die Gren­zen, die wir uns in den aller­meis­ten Fällen, ver­mut­lich irgend­wann aus guten Grün­den, selb­st geset­zt haben, hin­auszuge­hen und die Gren­zen neu zu definieren. Es darf nicht passieren, dass wir wieder erst von außen gezwun­gen wer­den müssen zu han­deln. Den näch­sten „Gamechange“ müssen wir voraus­denken – und vorwegnehmen.

Die demografis­che Entwick­lung in Deutsch­land und der soziale Wan­del in der Infor­ma­tion­s­ge­sellschaft sind von uns nicht zu bee­in­flussen. Der Wet­tbe­werb um qual­i­fiziertes Per­son­al wird noch zunehmen. Wir kön­nen nun die Zahl offen­er Stellen bekla­gen – oder wir kön­nen die Marine des Jahres 2040 bere­its jet­zt voraus­denken. Ange­fan­gen von der Konzep­tion unser­er kün­fti­gen Kampf­schiffe, über unsere Aus­bil­dungs­land­schaft bis hin zu der Art, wie wir bere­its heute unsere Schiffe beset­zen und betreiben.

Diesen Auf­bruch müssen wir kom­mu­nizieren. Ohne über Prob­leme und Sor­gen hin­wegzuge­hen oder diese schön zu reden, aber mit dem Willen, Lösun­gen anzuerken­nen und zu würdi­gen. Wir dür­fen nicht nach­lassen, in unser­er Kom­pe­tenz für die beste Lösung zu kämpfen und diese dann auch loy­al zu vertreten.

Unsere Män­ner und Frauen müssen im Bilde sein, über das, was in und mit der Marine geschieht. Daher appel­liere ich an Sie: Sprechen Sie miteinan­der und sprechen Sie vor allem mit Ihrem unter­stell­ten Bere­ich! Infor­ma­tion ist wichtig und richtig, ohne angemessene Kom­mu­nika­tion greift sie aber möglicher­weise zu kurz. Vieles ist deut­lich ein­fach­er zu ertra­gen, wenn man weiß, wohin der Weg führen wird, und es ist unsere Auf­gabe, diesen Weg aufzuzeigen und zu erk­lären. Beziehen Sie Posi­tion, lassen Sie Fra­gen und Kri­tik zu und erk­lären Sie – das ist meine Erwartung­shal­tung an Sie!

Damit der Auf­bruch unser­er Marine gelingt, müssen wir uns den Elan, das Engage­ment, die Diszi­plin und Hal­tung, die die Grund­lage für diesen Auf­bruch geschaf­fen haben, erhal­ten – trotz aller Belas­tun­gen und Widrigkeit­en mit dem Blick nach vorn, der uns jet­zt eröffnet wurde!

Ohne Ihre Hingabe wären die neuen Entwick­lun­gen undenkbar. Ich danke Ihnen für Ihre Arbeit und wün­sche uns viel For­tune bei allem, was in diesem Jahr vor uns ste­ht. Vor allem danke ich Ihnen allen für das Ver­trauen und die Loy­al­ität, die Sie mir ent­ge­gen­brin­gen. Ich bin davon überzeugt: Die Fun­da­mente unser­er Marine sind solide, gemein­sam wer­den wir darauf die Zukun­ft der Marine aufbauen.

Zum Schluss gilt mein beson­der­er Dank dem Befehlshaber der Flotte für eine her­vor­ra­gend organ­isierte und anre­gende 57. HiTa­Ta. Ich danke ins­beson­dere den Vor­tra­gen­den, aber auch den Men­toren und allen helfend­en Hän­den im Hin­ter­grund für die investierte Arbeit „neben der Arbeit“ – eine bessere Bestä­ti­gung für meine Zuver­sicht für die Zukun­ft der Marine als diese HiTa­Ta kann ich mir nicht wünschen.

Wir beken­nen uns zu unser­er Geschichte

Und damit möchte ich auch meinen Dank an die MOV/MOH (Marine-Offizier-Vere­ini­gung e.V./Marine-Offizier-Hilfe e.V.) verbinden für die Stiftung der Büste von Admi­ral Johan­nes­son, den Begrün­der der His­torisch Tak­tis­chen Tagung. Wie passend.

Die Umgestal­tung der Aula, in der diese Büste ihren Platz find­en wird, ste­ht für genau das: für unseren Auf­bruch, mit Zuver­sicht, Tatkraft und Kam­er­ad­schaft und ein­er offen und lei­den­schaftlich geführten Diskus­sion. Wie es eben unsere Art in der Marine ist.

Vor genau zwei Jahren, anlässlich der Hi- TaTa 2015 in Warnemünde, habe ich den Auf­trag zur Neuaus­rich­tung unser­er Aula gegeben und zur bre­it­en Diskus­sion dazu ein­ge­laden. Die außeror­dentliche Res­o­nanz dieser Diskus­sion, ob mit Wort­beiträ­gen oder Spenden, zeugt davon, wie wichtig uns allen dieser geschicht­strächtige Raum unser­er Alma Mater ist. Das klare Votum, wie in unsere Aula unsere Geschichte, die Geschichte der Marine eines freien und demokratis­chen Deutsch­lands, einge­bracht wer­den sollte, zeugt davon, dass es mündi­ge Staats­bürg­er sind, die das Offizier­sko­rps der Deutschen Marine bilden.

Wir machen es uns nicht ein­fach. Wir sparen Sper­riges, Belas­ten­des und Belastetes nicht aus. Wir beken­nen uns zu unser­er Geschichte und set­zen uns kri­tisch mit ihr auseinan­der. Nur so wer­den wir dem Anspruch an einen mil­itärischen Führer und eines Staats­bürg­ers in Uni­form gerecht. Ich freue mich, dass wir, dank der Unter­stützung der MOV/MOH, nun diesem kri­tis­chen Geist eines mündi­gen Offizier­sko­rps mit der Auf­stel­lung der Büste Admi­ral Johan­nes­sons in der Aula der Offizierss­chule der Deutschen Marine Aus­druck ver­lei­hen kön­nen. Ein Jahr nach mein­er Entschei­dung, genau hier an diesem Ort, für die neue Gestal­tung kommt damit diese Phase der Erneuerung unser­er Aula zu einem Abschluss.

Und wir brechen nun gemein­sam auf in ein neues Jahr – und in eine neue Phase der Entwick­lung unser­er Marine. Vor allem aber: Arbeit­en Sie weit­er so erfol­gre­ich für unsere Marine.