Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Klaus Mommsen
Im Inselreich Neuseeland spielt die See seit Jahrhunderten auch militärisch eine Rolle. So berichtet eine Chronik schon 1642 von einem Seegefecht des holländischen Seefahrers Abel Tasman mit einheimischen Maori. Dieser vermied danach einen Landgang, und so blieb die „Entdeckung“ des Inselreiches dem britischen Seefahrer James Cook (1769) vorbehalten. Als Großbritannien Neuseeland 1840 formell zu seiner Kolonie machte, wurde die Verteidigung der Inseln (und in mehreren Kriegen die Wahrung der Kolonialherrschaft gegen die Maori) Sache der Royal Navy.
Erste neuseeländische Kriegsschiffe wurden vier 1884 in Großbritannien gekaufte Torpedoboote, die allerdings nur zur Hafenverteidigung geeignet waren. See-Operationen blieben Sache der Royal Navy, aber 1909 entschloss sich die neuseeländische Regierung, diese aktiv zu unterstützen. Man bezahlte den Bau des Schlachtkreuzers „New Zealand“, der im Ersten Weltkrieg unter britischer Flagge aber mit teils neuseeländischer Besatzung auch in Europa (u.a. Skagerrak-Schlacht) kämpfte.
Während des Krieges ging man einen Schritt weiter und stellte mit dem „Naval Defence Act 1913“ erstmals eigene Seestreitkräfte auf. Die „New Zealand Division“ war zwar der „China Station“ der Royal Navy unterstellt, aber neuseeländische Politiker sahen in ihr doch den Kern einer künftigen eigenen Marine. Erstes Schiff wurde der von der Royal Navy ausgeliehene 35-jährige leichte Kreuzer „Philomel“. Er kämpfte vom Südpazifik bis ins Mittelmeer, war 1917 aber so „herunter gefahren“, dass er nur noch als Depotschiff und für Hafenausbildung taugte.
Die „New Zealand Division“ wuchs allmählich auf 14 Kampfschiffe auf, aber im Zweiten Weltkrieg fanden sich nur einige kleinere Fahrzeuge an der Heimatfront, leisteten dort z.B. Abwehrarbeit gegen deutsche Hilfskreuzer. Mehrere in Großbritannien erworbene Kreuzer kämpften – in die Royal Navy integriert – meist weit entfernt von der Heimat u.a. im Mittelmeer und im Atlantik, waren u.a. beteiligt, als die deutsche „Graf Spee“ vor Uruguay gestellt wurde. Die „New Zealand Division“ erwarb sich so viel Respekt, dass der britische König sie mitten im Krieg – am 1. Oktober 1941 – formell zur eigenständigen „Royal New Zealand Navy“ (RNZN) erklärte.
Im weiteren Kriegsverlauf wuchs die Flotte auf 60 Kampfschiffe an, die zunächst als Teil britischer Verbände zum Einsatz kam. Mit Kriegseintritt Japans wurden 1942 der Pazifik und Südostasien, aber auch Landesverteidigung für Neuseeland vorrangig. An den Küsten wurden Verteidigungsanlagen gebaut, defensive Minenfelder gelegt. Während die Royal Navy ihre Prioritäten weiter auf dem europäischen Kriegsschauplatz sah, schloss sich die RNZN der 7. US-Flotte an. Diese nutzte Neuseeland als logistische Basis für ihren Pazifikkrieg und investierte großzügig in den Ausbau des Marinestützpunktes Devonport. Einheiten der RNZN begleiteten die amphibischen Kampflandungen der USA, waren u.a. in Guadalcanal und Okinawa mit dabei. Ende 1944 kehrte auch die britische Royal Navy in den Pazifik zurück. Zwei neuseeländische Kreuzer schlossen sich sofort einem gemeinsamen Verband mit US-Navy und Royal Navy an.
Abgesehen von Landesverteidigung war die RNZN im Kriege in Verbänden der US-Navy und der Royal Navy immer „fremd“ geführt. Erst das Kriegsende brachte denn auch wirkliche Unabhängigkeit, und die Regierung sah die Chance einer Überprüfung der Flottenstärke. Nicht zuletzt wegen knappen Budgets entschied man, dass bei Priorisierung regionaler Aufgaben künftig zwei Kreuzer völlig ausreichend sein würden. Es sollten jedoch moderne Schiffe sein, die vor allem einen von Nachbar Australien geplanten Flugzeugträgerverband sinnvoll unterstützen konnten. Die vorhandenen Kreuzer waren zu alt oder zu groß, und man übernahm von der britischen Royal Navy zwei moderne leichte Kreuzer.
Bei vermehrtem Blick auf heimische Gewässer wurde der Auftrag der RNZN 1946 um Fischereischutz erweitert. Hier waren zunächst nur kleine Motorboote im Küstenvorfeld eingesetzt, aber mit Schaffung der 200-Meilen Wirtschaftszone in den 1970er Jahren sollte sich das Operationsgebiet weit auf See hinaus erweitern. 1947 brachte für die RNZN einen herben Rückschlag. Streit mit der Regierung um Gehälter mündete in Meutereien, in deren Folge gut 20 Prozent der Soldaten fristlos entlassen wurden. Einer der Kreuzer war mangels Besatzung nur noch in der Hafenausbildung nutzbar.
Auch wenn nun regionale Aufgaben mehr in den Fokus rückten, operierte die RNZN gemeinsam mit der Royal Navy noch immer auch fernab der Heimat im Mittelmeer. Der beginnende Kalte Krieg erforderte ein auf Konvoi-Sicherung und U‑Jagd setzendes neues Operationskonzept. 1948 beschaffte die RNZN in Großbritannien sechs dafür optimierte Fregatten der LAKE-Klasse. Obwohl sowjetische U‑Boote auch im Pazifik aktiv waren, wurden zwei dieser Fregatten zur „Sicherstellung gemeinsamer operativer Standards“ zunächst sofort wieder der britischen Mittelmeerflotte zugeteilt.
Erst der Koreakrieg (1950) gab den letzten Anstoß für ein regionales Operationskonzept. Die neuen Fregatten kehrten aus dem Mittelmeer zurück; zwei wurden den UN-Naval Forces angegliedert, weitere bedarfsweise abgestellt. Zugleich orientierte sich Neuseeland in seinen Allianzen neu. „Vorneverteidigung“ sollte nun nicht mehr heimatfern mit der Royal Navy in Europa, sondern mit klar regionaler Zielsetzung im Pazifik und vor allem auch Südostasien erfolgen.
Im ANZUS-Vertrag (1951) schloss Neuseeland mit Australien und den USA erstmals einen Beistandspakt ohne Großbritannien. Dies war jedoch beileibe keine Abkehr von der früheren Kolonialmacht, sondern nur Ausdruck neuer regionaler Prioritäten. Als 1954 (mit Neuseeland) die SEATO als pazifisches Gegenstück zur NATO gegründet wurde, war auch Großbritannien als Kolonialmacht auf der malaiischen Halbinsel vertreten.
Gleiches zeigte sich, als Australien, Neuseeland und Großbritannien zur Wahrung britischer Interessen in den südostasiatischen Kolonien (Malaya) 1957 das Anglo-Malayan Defence Agreement schlossen, das 1971 in das Five Power Defence Agreement (FPDA) zwischen Großbritannien, Australien, Neuseeland und den inzwischen unabhängigen (aber Commonwealth- Mitgliedern) Malaysia und Singapur mündete. An der Seite der Royal Navy war die RNZN auch in den Konflikt zwischen Indonesien und Malaysia (1960–66) eingebunden. Dies war aber der bis heute letzte „scharfe“ Kriegseinsatz der RNZN (am Vietnamkrieg war sie nur mit medizinischem Personal beteiligt).
Neuseeländische Land‑, Luft- und Seestreitkräfte bildeten gemeinsam mit Großbritannien und Australien in Südostasien eine „Commonwealth Strategic Reserve“, wobei in ablösendem Einsatz immer mindestens ein Kampfschiff der RNZN dort präsent war. In der Praxis waren bei den langen Transitwegen daher gleich zwei oder drei Schiffe gebunden – mit entsprechend großer Belastung. Erst 1974 wich die ständige Präsenz in Südostasien sporadischen Verlegungen, aber erst 1989 wurde die New Zealand Force South East Asia formell aufgelöst.
In den südostasiatischen Konflikten war küstennahe Bekämpfung von Guerilla zentrale Aufgabe; die größeren Kampfschiffe zeigten sich hier fehl am Platz. Nicht unerwartet beschloss die Regierung 1965 denn auch, die alten – inzwischen maroden – Kreuzer nicht durch Neubauten zu ersetzen. Schon einige Jahre zuvor hatte man sich für sechs moderne Fregatten als Kern der künftigen Flotte ausgesprochen und in Großbritannien auch schon je zwei Schiffe der ROTHESAY- und LEANDER-Klasse (samt Bordhubschraubern Wasp als erste Marinefliegerkomponente) bestellt. Sicher auch unter Kostenaspekten kam man nun zum Schluss, diese vier würden für eine „Blue Water Operational Combat Force“ genügen; als letztes der Schiffe wurde 1971 die „Canterbury“ in Dienst gestellt.
In den 1970er Jahren stellte sich Neuseeland an die Spitze regionaler Atomwaffengegner, schickte im Protest gegen französische Atomtests sogar Fregatten zum Mururoa-Atoll. 1984 kam es zum Streit mit den USA. Neuseeland verbot allen US-Schiffen mit Atomwaffen an Bord (damals fast alle Kampfschiffe) oder auch nur Nuklearantrieb (U‑Boote) das Einlaufen in seine Häfen. Die USA verboten RNZN-Schiffen das Anlaufen von Stützpunkten der US-Navy – und Neuseeland suspendierte schließlich den ANZUS-Vertrag mit den USA (blieb aber Australien verbunden). Erst nach gut 30 Jahren nähert man sich nun wieder an, und zu den Feierlichkeiten zum 75. Geburtstag der RNZN wird wohl auch ein Schiff der US-Navy erwartet.
geostrategische Lage (Quelle: Länderlexikon wikia)Als Ende der 1970er Jahre der Ersatz der älteren ROTHESAY-Fregatten notwendig wurde, entschied man sich nicht zuletzt aus logistischen Gründen für eine „All- LEANDER Naval Combat Force“ und bestellte zwei weitere britische Fregatten (einer inzwischen verbesserten Variante) dieses Typs. Beide wurden 1982 in Dienst gestellt, parallel dazu die beiden älteren LEANDER modernisiert.
Nach Ende der Einsätze in Südostasien konzentrierte die RNZN ihre Aktivitäten auf den Südpazifik, wo Neuseeland sich jetzt als stabilisierende Regionalmacht verstand. 1987 wurden drei Fregatten zu den Fidschi- Inseln verlegt, als man dort nach einem Militärputsch die Sicherheit neuseeländischer Staatsbürger bedroht sah. Drei Jahre später waren Fregatten vor Bougainville (Papua- Neuguinea) in einen multinationalen Kriseneinsatz eingebunden, und auch vor Ost-Timor (1999–2002) und den Salomonen (2000–2001) war die RNZN Teil internationaler Krisenbewältigung. Der 1988 in Dienst gestellte, nach einem zivilen Design in Südkorea gebaute Flottentanker „Endeavour“ unterstützte die Kampfschiffe im Einsatz.
Der Golfkrieg (1991) begründete aber auch wieder heimatferne Operationen. Zur Durchsetzung eines gegen den Irak verhängten Embargos verlegten Fregatten gelegentlich zur unter einem Mandat der Vereinten Nationen um die Arabische Halbinsel operierenden „Multinational Interception Force“. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 beteiligt sich die RNZN bis heute immer wieder mal mit Fregatten an der Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“. Permanente Abstellung von Kampfschiffen war und ist der kleinen Flotte allerdings unmöglich. Die RNZN operierte am Rande ihrer Kapazitäten; fehlende Mittel zwangen sie in den späten 1980er Jahren sogar zur Einstellung des Fischereischutzes.
Mitte der 1980er Jahre war die Nachfolge der zunehmend veraltenden LEANDER-Fregatten zu regeln. Erstmals wurde entschieden, keine Neubauten in Großbritannien zu bestellen, sondern mit Beteiligung neuseeländischer Zulieferer in Australien bauen zu lassen. 1989 wurden Verträge über zwei Fregatten der ANZAC-Klasse unterschrieben. Die in Williamstown (Australien) nach einem deutschen Design (MEKO 200 ANZ) gebauten Schiffe wurden Ende der 1990er Jahre in Dienst gestellt. Auf ihnen ersetzten moderne Bordhubschrauber Seasprite die alten Wasp. Die Marinefliegerkomponente wurde überdies durch landgestützte Seefernaufklärer P‑3B Orion verstärkt.
Seit Ausmusterung der alten „Canterbury“ (2005) sind „Te Kaha“ und „Te Mana“ einzige Fregatten der RNZN. Eine Option auf weitere ANZAC wurde aus Kostengründen immer wieder verworfen. Bei einem vom Südpazifik bis an die Antarktis reichenden Operationsgebiet und einem Aufgabenspektrum, das von Landesverteidigung und Küstenvorfeldüberwachung über Schutz der Wirtschaftszonen und regionalen SAR-Dienst bis zu heimatfernen Einsätzen und regionaler Krisenbewältigung reichte, wurde die Schere zwischen Auftrag und Mitteln immer größer.
Mit zwei Fregatten und einigen wenigen für küstennahe Operationen geeigneten kleineren Fahrzeugen war die Flotte deutlich überfordert. Zwar war 1995 mit Erwerb und Umbau eines zivilen Ro/Ro-Schiffes eine preiswerte Möglichkeit geschaffen worden, den wachsenden Transportbedarf zur Unterstützung von heimatfernen Einsätzen neuseeländischer Soldaten zu decken, aber dies war nur ein Provisorium.
Die wachsenden Defizite konnte schließlich auch die auf strikten Sparkurs bedachte Regierung nicht mehr ignorieren. In 2000 legte ein Weißbuch Vorgaben für die künftige Flotte fest. Eine weitere Fregatte sollte es zwar nicht geben, aber die Möglichkeiten zur Überwachung der Wirtschaftszonen, erneutem Fischereischutz und zum SAR-Dienst bis an den Rand der Antarktis sollten gestärkt und zusätzlich Fähigkeiten zum strategischen Seetransport, für regionale Krisenoperationen, humanitäre Hilfe nach Naturkatastrophen und zur Unterstützung ziviler Behörden (Polizei, Zoll, Umweltschutz) geschaffen werden.
Im Januar 2002 kündigte die Regierung in einem „Maritime Forces Review“ das Vorhaben „Protector“ an; umgerechnet etwa 350 Mio. Euro sollten in neue Schiffe/Boote investiert werden. 2004 erhielt die australische Tenix den Auftrag zum Bau von sieben neuen Einheiten. Größte wurde das 2007 als erster Neubau in Dienst gestellte amphibische Mehrzweckschiff „Canterbury“. Es vereint Fähigkeiten eines Docklandungsschiffes und eines Ro/Ro-Frachters und kann bis zu 250 ausgerüstete Soldaten in einen Einsatz transportieren und dort von See her mit u.a. mehreren Hubschraubern unterstützen. 2009 folgten vier kleinere 55-m-Boote, die als Inshore Patrol Vessel (IPV) Aufgaben wie Fischereischutz, Seegrenzsicherung, Umweltschutz, SAR-Dienst und Unterstützung von Polizei und Zoll im unmittelbaren Küstenvorfeld wahrnehmen sollten. 2010 schloss der Zulauf von zwei 85‑m Offshore Patrol Vessel (OPV) Vorhaben „Protector“ ab.
„Canterbury“ und die beiden im Fischereischutz bis in antarktische Gewässer operierenden OPV haben in zahlreichen Einsätzen die Erwartungen mehr als erfüllt. Mit den IPV ist man dagegen nicht zufrieden. Sie fahren nur sehr selten zur See, und die gegenwärtige Regierung spricht sogar von einem krassen Fehleinkauf (eigentlicher Grund dürfte aber Personalfehl sein). Aktuell zeichnet sich ab, zwei IPV zu verkaufen und dafür ein drittes (eis-verstärktes) OPV zu beschaffen. Neueste Vorhaben sind der Ersatz des alten Tankers „Endeavour“ durch einen bereits in Südkorea bestellten Antarktis-fähigen Flottenversorger und der Erwerb eines „Littoral Operations Support Vessel“, das von Tauchereinsatz über hydrografische Vermessungen bis zu internationalen Kriseneinsätzen eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen soll. Das neue Weißbuch 2016 sieht schließlich – langfristig – den Ersatz der ANZAC-Fregatten durch „global einsetzbare“ Neubauten und Ablösung der Seefernaufklärer P‑3B Orion durch dem „Bedarf in den Wirtschaftszonen angepasste“ Flugzeuge.
Aufgrund seiner „geostrategischen Randlage“ sieht Neuseeland auf absehbare Zeit keine konventionellen Bedrohungen, erkennt aber erhöhte Risiken durch asymmetrische Herausforderungen wie z.B. den internationalen Terrorismus. Risiken (vor allem für Wirtschaft/Seeverbindungen) werden auch in der instabilen Lage einiger benachbarter Inselstaaten im Südpazifik gesehen. Mit der Fregatten-Modernisierung, den im Rahmen von Vorhaben „Protector“ beschafften Einheiten und geplanten Ergänzungen sieht die Regierung die RNZN ausreichend gerüstet. Ein großes Problem ist allerdings die Personallage; zunehmend werden hoch qualifizierte Soldaten von der zivilen Wirtschaft abgeworben. Die Marine kann mit deren Gehältern nicht konkurrieren.