Sidney E. Dean
Deutsche und US-amerikanische Experten erprobten im vergangenen September in der Ostsee verschiedene Minensuchsysteme und ‑verfahren. Es war die erste gemeinsame Übung im Rahmen eines bilateralen Ansatzes mit der Projektbezeichnung ALMOND, wahlweise auch ALMOND‑U (ALlied MunitiONs Detection Underwater). ferngelenktes Schleppfahrzeug Focus 2 dient als Trägerplattform für Erprobung von Unterwassersensoren (Foto: MacArtney)Als US-Partner fungiert die in Panama City (Florida) angesiedelte Naval Surface Warfare Center (NSWC) Dienststelle. Deutscher Partner ist die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) in Eckernförde. Die WTD 71 gehört zum Geschäftsbereich des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
„Weltweit mangelt es an zuverlässigen Verfahren für die Unterwasserortung und Neutralisierung von nicht-explodierter Munition sowie für die Suche nach eingegrabenen Grundminen und anderen schwerortbaren Minen in einem komplexen Umfeld“, erklärte NSWC-Physiker Dr. Jesse Angle. Er verwies auf den hohen Stand der technologischen Forschung sowohl in Deutschland wie in den USA hinsichtlich der Entwicklung von Systemen zum Aufspüren von nicht-explodierter Munition (UneXploded Ordnance – UXO) und Seeminen. „Wir legen die beste amerikanische und deutsche Suchausrüstung zusammen, sodass beide Länder daraus lernen können und von den Entwicklungen im jeweiligen anderen Land Nutzen ziehen“, sagte Angle.
Das ALMOND Projekt wurde im Januar 2015 auf Initiative der US-Navy eingeleitet. Ziel des Projekts ist die Auswertung neuartiger Ansätze für die unbemannte, autonome Unterwassersuche und ‑vermessung. Sowohl ausländische wie in den USA entwickelte Technologie und Konzepte für die Erfassung, Ortung und Einordnung von Unterwassersprengsätzen und Munition jeglicher Art werden einbezogen. Internationale Arbeitstagungen und Seeübungen sind die bevorzugten Foren für den Vergleich der Einsatzsysteme und für den offenen Austausch der Fachkenntnisse.
Als unmittelbares Ergebnis der Kooperationsreihe soll ein detaillierter technischer Bericht erstellt werden. Der Bericht wird die Ergebnisse der Seeerprobung erläutern; die verwendeten Sensoren, Trägerfahrzeuge, Auswertungsverfahren sowie die Entwicklungstrends hinsichtlich Hardware und Software bewerten und Vorschläge hinsichtlich des Übergangs zu neuen Such- und Auswertungsverfahren sowie hinsichtlich künftiger Ausrüstungsbeschaffung erstellen. Seitens der US-Navy besteht das langfristige Ziel, ein ausgereiftes expeditionäres Minensuchsystem unter Einbindung der zuverlässigsten amerikanischen wie europäischen Technologie zu erstellen.
Erster Meilenstein
Seit Beginn des bilateralen Projekts wurde die Zusammenarbeit der beteiligten Dienststellen systematisch erweitert und vertieft. Die erste Arbeitstagung erfolgte Anfang 2015 in den USA, um die Prioritäten und Ziele der jeweiligen Partner festzustellen. Im gleichen Jahr begleiteten amerikanische beziehungsweise deutsche Beo
bachter die Seeerprobung neuer Technologie im jeweiligen Partnerland; bei diesen Veranstaltungen wurden bis zu 26 verschiedene unbemannte Systeme vorgestellt. Anfang 2016 erfolgte eine Arbeitstagung in Deutschland; die teilnehmenden Wissenschaftler diskutierten schwerpunktmäßig Verfahren zur Vermessung des Meeresbodens und tauschten Erkenntnisse hinsichtlich der Verwertung von Vermessungsdaten aus.
Die nun im September letzten Jahres durchgeführte Übung in der Ostsee wird seitens der US-Partner als „erster bedeutender Meilenstein“ des Programms bewertet. Die Übung wurde an Bord des deutschen Forschungsschiffes RV „Elisabeth Mann Borgese“ sowie des kleinen Mehrzweckbootes „Mittelgrund“ (Y 864) durchgeführt. Als Übungsgebiet wurde ein Areal mit einem bekannt hohem Aufkommen an Weltkriegsmunition am Meeresboden gewählt.
„Während der Vermessungsübung wurde eine regelrechte Datenflut hinsichtlich einer Vielzahl verschiedener Munitionsvorkommen eingeholt“, erklärte Dr. Angle. Hinsichtlich des Nutzens für seine eigene Dienststelle sagte er: „Es wurden neue Lagerstätten erschlossen. Wir sammelten Erfahrungen in einem neuen Einsatzumfeld. Diese Erfahrungen werden in die Entwicklung künftiger Fähigkeiten einfließen. Wir arbeiten mit den Deutschen
erfolgreich Seite an Seite, wobei beide Teams ähnliche Daten sammelten. Dies wird einen sinnvollen Vergleich der technischen Systeme, der Einsatzkonzepte und ‑verfahren, der Datenverarbeitung, und [der Auswertungsverfahren] ermöglichen“.
Die anschließende Auswertung der Übungsergebnisse erfolgte getrennt auf nationaler Ebene. Im Februar dieses Jahres trafen sich die Beteiligten zu einer weiteren Arbeitstagung in den USA. Auf dieser Tagung – deren Ergebnisse zu Redaktionsschluss noch nicht vorlagen – wurden die jeweiligen Lehren aus der Übung ausgetauscht, analysiert und diskutiert und die nächste Phase des ALMOND Projekts geplant.
Nutzlastträger im Vergleich
Im Rahmen der ALMOND-Übung in der Ostsee wurden sowohl akustische, magnetische und elektrooptische Sensoren sowie Sonarsysteme, die gegenwärtig bei den deutschen beziehungsweise den US-amerikanischen Streitkräften in der Erprobung stehen, im Einsatz unmittelbar verglichen. Die Sensoren waren auf verschiedenen Unterwasserfahrzeugen montiert. Zu den beteiligten Trägersystemen zählen:
- ein vom NSWC mitentwickeltes REMUS 600 UUV (Unmanned Underwater Vehicle) (3,25 Meter lang; breit gefächerte Nutzlastfähigkeit einschließlich Videokameras und Sonar; Tauchtiefe 600 Meter; maximale Einsatzdauer 24 Stunden; autonomer Einsatz);
- ein Sea Otter MK II UUV der Firma ATLAS ELEKTRONIK (3,65 Meter lang; Sensoren-Nutzlastkapazität 160 Kilo; Tauchtiefe bis 600 Meter; maximale Einsatzdauer > 20 Stunden; bei Bedarf Echtzeitübertragung der Sensordaten an das Trägerschiff per Glasfaserkabel);
- ein Schleppfahrzeug Focus 2 der dänischen Firma MacArtney (1,85 Meter hoch; breit gefächerte Nutzlastfähigkeit einschließlich Videokameras und Sonar; Tauchtiefe bis 400 Meter; Übertragung der Sensordaten an das Trägerschiff per Glasfaserkabel).