Heinz Dieter Jopp/Klaus Mommsen
Im Russland Präsident Putin‘s erkennbare Bestrebungen, die Stellung der alten Sowjetunion als Supermacht wiederzubeleben, führen zwangsläufig zu Konfrontationen mit den USA und der NATO und wecken Erinnerungen an den Kalten Krieg.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Die neue Rivalität hat auch eine deutliche maritime militärische Komponente. Leider gehört für Russland zum Ausdruck des neuen Selbstwertgefühls offensichtlich auch ein Verhalten, das in krassem Widerspruch zum 1972 mit der damaligen Sowjetunion geschlossenen „Incidents at Sea“-Abkommen steht. Um eigene regionale Machtansprüche zu unterstreichen, werden in Demonstration militärischer Stärke NATO-Kriegsschiffe im Tiefstflug überflogen, und russische Kriegsschiffe kreuzen den Kurs von NATO-Kriegsschiffen und zwingen diese zu abrupten Ausweichmanövern.
Von Kooperation zu neuem Misstrauen
Russland ist primär kontinentale Landmacht, aber zu seinem Anspruch auf Anerkennung als global operierende Supermacht gehört wirtschaftlich (Seehandel) wie militärisch (Machtprojektion) zwangsläufig auch ungehinderter Zugang zu den Weltmeeren. Am Pazifik und im äußersten Norden des Atlantik ist dieser gegeben; Machtprojektion in die für Russlands strategische Interessen wichtigeren Richtungen West (Europa) und Südwest (Mittelmeer/ Nah-Mittelost) fand und findet an von NATO-Staaten beherrschten Meerengen jedoch seine Grenzen – in der Ostsee an den Dänischen Meerengen, im Schwarzen Meer am Bosporus.
Ostsee und Schwarzes Meer sind wie für die frühere sowjetische auch für die heutige russische Marine als rückwärtiger Raum unverzichtbar. Auch die dort nicht beheimateten Flotten sind auf eine Nutzung der konzentrierten Werftkapazitäten angewiesen. Im Konfliktfall sah und sieht das NATO- Konzept eine sofortige und effektive Sperrung dieser Meerengen vor. Nicht von ungefähr war die Sowjetunion daran interessiert, Ostsee und Schwarzmeer als quasi ureigenes Territorium bis unmittelbar vor diese Meerengen zu beherrschen und so militärische Optionen zu wahren, möglichst schnell und möglichst weit „vorne“ zu handeln.
Der frühere „Warschauer Pakt“ beherrschte die Ostsee bis weit nach Westen, und auch das Schwarze Meer war bis an die türkischen Hoheitsgewässer de facto sowjetisches Binnenmeer; noch heute setzt hier der Vertrag von Montreux der Präsenz von Nicht-Anrainermarinen sehr enge Grenzen.
Der Zerfall des Ostbündnisses und der UdSSR hat für Russland diese günstige strategische Situation beendet. In beiden Randmeeren hat es nicht nur frühere Vasallen, sondern auch den weitaus größten Teil seiner früheren Küsten (Sowjetrepubliken) verloren. Mehr noch: Die NATO füllte schnell die Lücke, drängte mit ihrer Osterweiterung in die frühere Pufferzone und rückte direkt an die russischen Landesgrenzen heran.
Dabei hatte 1990 der US-Außenminister noch zugesagt, das Bündnis werde (bei sowjetischer Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung) „seinen Einflussbereich nicht einen Zoll weiter nach Osten ausdehnen“. In der auf eine „stabile, gleichberechtigte Partnerschaft“ zielenden NATO- Russland-Grundakte (1997) verzichtet die NATO auf eine „Stationierung von Kampftruppen“ in den neuen Partnerländern, es sei denn, dies werde „für den Fall der Verteidigung gegen eine Aggressionsdrohung und für Missionen zur Stützung des Friedens“ notwendig.
Russland, das mit seiner Marine in beiden Randmeeren auf Partnerschaft setzte, ja bis vor wenigen Jahren sogar an NATO-Übungen teilnahm, sieht diese Versprechungen durch die NATO-Osterweiterung gebrochen. In Moskau will man sogar ein Bestreben der NATO erkennen, die Osterweiterung noch weiter voranzutreiben, Russland militärisch einzuschließen und so seinen Einfluss an die eigenen Landesgrenzen zurückzudrängen.
Stärke des Rechts statt Recht des Stärkeren
Aus Sicht des Westens, und damit auch der NATO, hat Russland dagegen im Georgienkonflikt (2008) und mehr noch in der Ukraine-Krise mit der Annexion der Krim das partnerschaftliche Verhältnis nachhaltig belastet, wenn nicht zerstört. Während Russland die Annexion der Krim mit historischer Zugehörigkeit der Halbinsel und der Notwendigkeit des Schutzes der russischen Bevölkerung vor den Auswirkungen eines „westlich gesteuerten Putsches“ begründet, sieht man in der NATO völkerrechtswidriges, aggressives Verhalten. Diese Sicht wird verstärkt durch Bruch von OSZE-Prinzipien (u.a. freie Wahl von Bündnissen, staatliche Integrität, Nichteinmischung in innerstaatliche Angelegenheiten) oder dem rücksichtslosen Einsatz des russischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung im Syrienkonflikt.
Der in der russischen Verfassung geforderte Schutz russischer Staatsangehöriger im „Nahen Ausland“ (gemeint sind hier die ehemaligen Sowjetrepubliken) sowie unverhohlene Drohungen russischer Politiker nähren Befürchtungen, dass Russlands Appetit noch nicht gesättigt sein könnte, und Präsident Putin vor allem in den Randmeeren eine Wiederherstellung des früheren sowjetischen Einflusses anstrebt.
Solchen Tendenzen will die NATO (in enger Zusammenarbeit mit der EU) nunmehr entschlossen entgegentreten. Diese Entschlossenheit ist nicht zuletzt auch durch die schwerpunktmäßige Verlagerung von politischen wie militärischen Interessen der USA nach Asien dringend geboten. Grenzen der Entschlossenheit werden leider zurzeit noch durch die unterschiedliche Sichtweise der Mitgliedsstaaten zu möglichen Bedrohungen gesetzt. Die NATO-Gipfel von Wales und Warschau verdeutlichten, dass sich ehemalige WP-Staaten wie Polen, Estland, Lettland und Litauen vor allem durch Russland bedroht fühlen, während sich die Mittelmeeranrainer Spanien, Frankreich, Italien und Griechenland eher durch den islamistischen Terrorismus bedroht sehen.
Obwohl es angesichts dieser Differenzen, aber auch der Ungewissheit über die künftige Haltung des amerikanischen Präsidenten zur NATO geboten erscheint, eine politische (!) Diskussion auch im NATO-Rat zu führen, unterblieb diese bisher. Hier könnte kurzfristig die jüngste Vereinbarung zwischen NATO und EU zur stärkeren Zusammenarbeit eine gewisse Abhilfe schaffen, da die politischen Risiken und Herausforderungen in der EU diskutiert werden.
Ostsee: NATO „Sea Control“ gegen russisches „Sea Denial“
Die Auflösung des Warschauer Paktes und Zerfall der Sowjetunion haben Russland auf die Enklave Kaliningrad und den äußersten östlichen Finnbusen zurückgedrängt. Die Ostsee ist nicht mehr von Russland beherrschtes quasi „Binnenmeer“, hat aber ihre Bedeutung nicht verloren. Die dortigen Werften und Häfen sind für die zivile russische Seeschifffahrt wie für die Marine unverzichtbar. Die Ostsee ist für den russischen Seehandel das Tor in den Atlantik, und dieses gilt es offen zu halten.
Dabei ist man sich in Moskau der Grenzen machtpolitischer Ambitionen gegenüber Europa (und insbesondere der NATO) durchaus bewusst. In westlicher Richtung gibt es von Mitteleuropa bis über den Atlantik hinaus „nichts zu holen“, aber in Osteuropa erkennt man durchaus Einflussmöglichkeiten. Politisches Ziel ist, diese Einflüsse zu stärken und durch einen Puffer „wohl gesonnener“ (oder eingeschüchterter) Staaten die NATO von den eigenen Landesgrenzen fernzuhalten.
Erhöhte NATO-Präsenz in den Baltischen Staaten rechtfertigt für Russland einen zügigen Ausbau eigener militärischer Kapazitäten, denen in der Ostsee ein Küstenverteidigungskonzept mit erweiterten Fähigkeiten zu Anti-Access/Sea Denial zugrunde liegt. Es gilt, auch NATO-See- und Seeluftstreitkräfte möglichst fernzuhalten und vor den eigenen Küsten eine möglichst weit nach Westen reichende Pufferzone zu schaffen.
Zunehmend werden dabei Konzepte zu TSK-gemeinsamen „Joint“ Operationen realisiert. Die vom Militärbezirk West geführten Land‑, Luft- und Seestreitkräfte (Baltische Flotte) sollen mit in der Tiefe gestaffelten „Verteidigungslinien“ NATO-See- und Luftstreitkräfte in einem Konfliktfall möglichst weit westlich abfangen. Dazu stellt u.a. die Baltische Flotte ein neues Geschwader von mit landzielfähigen (ganz Mitteleuropa abdeckenden) Marschflugkörpern bestückten FK-Korvetten auf, stationiert moderne Marinejagdbomber bei Kaliningrad, rüstet Küstenverteidigungstruppen mit modernsten, mehrere hundert Kilometer weitreichenden Küsten-FK-Systemen aus, stellt neue Bataillone mit Spezialtruppen auf und beschafft neue Schiffe, die auch im Winter (Eis) im Finnbusen einsetzbar sind.
Für NATO und EU bietet sich gerade in der Ostsee auf operativer Ebene eine verstärkte, auch militärische Zusammenarbeit an, da die Sicherheitsinteressen der NATO und EU Mitgliedsstaaten gegenüber einer russischen Bedrohung nahezu deckungsgleich sind. Über die Einbindung Schwedens und Finnlands in ein gemeinsames Interessen- und Verteidigungsdispositiv können weite Räume der Ostsee für eigene Schiffsbewegungen ziviler wie militärischer Art genutzt und zugleich Russland deren Nutzung verwehrt werden.
Dabei bleibt das Augenmerk der NATO natürlich auf dem Hauptschauplatz einer militärischen Auseinandersetzung mit Russland, dem europäischen Festland. An den Flanken dürfte es wie schon in Zeiten des Kalten Krieges darauf ankommen, russische militärische Aktionen bereits in der Tiefe des Raumes zu bekämpfen.
Relativ neu sind jedoch Bündnisüberlegungen zu einer erfolgreichen Bekämpfung hybrider Kriegsformen, die sich ja unterhalb der Schwelle zur zwischenstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzung bewegen. Hier erscheint es sinnvoll, nationalstaatliche und Bündnisüberlegungen zwischen NATO und EU Mitgliedsstaaten zu synchronisieren und notwendige operative und taktische Planungen einschließlich des Mittelansatzes anzupassen.
Räumlich und zeitlich begrenzte Ausübung der Sea Control, wie sie seit Anfang 2017 auch wieder Eingang in das Denken der US-Navy gefunden hat, könnte ein erfolgversprechender Ansatz zur Vermeidung des Sea Denial durch Russland sein. Über die deutsche Initiative der Commanders Conference im Ostseeraum könnten unter anderem Vereinbarungen getroffen werden, Experten mit der Ausplanung von möglichen Szenarien zu beauftragen, um auf der Grundlage so gewonnener Erkenntnisse gemeinsame politische Entscheidungen treffen zu können.
Schwarzes Meer: Sprungbrett ins Mittelmeer und die Ozeane
Grundsätzlich gilt aus russischer Sicht für das Schwarze Meer das Gleiche wie für die Ostsee. Zu Sowjetzeiten war das Schwarze Meer de facto sowjetisches Binnenmeer. Der Zerfall der Sowjetunion hat für Russland nicht nur diese günstige strategische Situation beendet, sondern wie in der Ostsee hat sich die NATO in die Lücke gedrängt.
Der NATO-Vorstoß an die eigenen Landesgrenzen mit Beitritt der ehemaligen WP-Staaten Bulgarien und Rumänien sowie sich intensivierende Beziehungen zu den früheren Sowjetrepubliken („nahes Ausland“) Georgien und Ukraine begründen aus russischer Sicht einen zügigen Ausbau eigener militärischer Kapazitäten, ja im Falle der Ukraine sogar eine „präventive Intervention“ mit Annexion der „historisch russischen“ und in geostrategischer Position das Schwarze Meer beherrschenden Krim.
Mehr noch als der Ostsee kommt dem Schwarzen Meer aber auch aus übergreifenden strategischen Erwägungen eine besondere Bedeutung zu. An der Süd-/Südwestflanke Russlands hat die NATO nicht die dominierende Machtposition wie in Mittel-/Westeuropa. Im Mittelmeerraum und im Nahen-/Mittleren Osten kann Russland noch gezielt Machtpolitik betreiben und politisch wie militärisch Verbündete wie Syrien „pflegen“ oder gar neu gewinnen. Das Schwarzmeer hat dabei als maritimes Sprungbrett ins Mittelmeer und darüber hinaus bis in den Indischen Ozean zentrale Bedeutung. Nicht von ungefähr hat Russland in Syrien an der Seite des Assad- Regimes militärisch in den Bürgerkrieg interveniert, findet sich doch im syrischen Hafen Tartus der einzige Auslandsstützpunkt der russischen Marine.
Dass die NATO mit der Türkei den Bosporus kontrolliert (und im Konfliktfall schnell sperren kann), ist für Russland eher nebensächlich. Zum einen gibt es für den Fall eines bewaffneten Konfliktes mit der NATO sicher Operationspläne. Zum anderen aber hindert unterhalb eines solchen Konfliktes der mit der Türkei geschlossene Vertrag von Montreux die nicht im Schwarzmeer beheimatete NATO-Marinen, vor allem aber die US-Navy, an einer deutlich intensivierten Präsenz.
Anders als in der Ostsee, wo NATO-Seestreitkräfte bis direkt vor die russischen Küsten uneingeschränkte Bewegungsfreiheit haben, trägt der Vertrag von Montreux bereits zur Schaffung von Anti-Access/Sea Denial Fähigkeiten bei. Russland wird denn auch strikt darauf bedacht sein, jede Aufweichung dieses Abkommens zu verhindern.
Im Schwarzmeer soll ein vom Militärbezirk Süd TSK-übergreifend umzusetzendes Küstenverteidigungskonzept den potenziellen Seegegner auf Distanz halten. Der Krim kommt dabei mit dort stationierten See- und Seeluftstreitkräften, Luftraum- Verteidigungskräften, Küstenverteidigungskräften mit starker amphibischer Komponente und modernsten Küsten-FK-Batterien eine zentrale Rolle zu.
Die Schwarzmeerflotte hat zurzeit die höchste Priorität aller Flotten und wird zügig ausgebaut. Neue, für Randmeeroperationen optimierte und mit weitreichenden landzielfähigen Marschflugkörpern bestückte FK-Korvetten, FK-Fregatten und modernste U‑Boote sind im Zulauf.
Die neuen Fregatten und U‑Boote haben ihre Heimat zwar im Schwarzen Meer, aber mit ihrer Beschaffung zielt die russische Marine vor allem auch auf das Mittelmeer. Ein 2012 formell aufgestelltes und der Schwarzmeerflotte unterstelltes „Ständiges Mittelmeergeschwader“ soll permanente Präsenz in der für Russland wichtigen Region sicherstellen. Noch kann die Schwarzmeerflotte allein diese Präsenzaufgabe nicht bewältigen, aber mit Zulauf weiterer Neubauten wird sie in den kommenden Jahren zunehmend auf Unterstützung aus Nordflotte und Baltischer Flotte verzichten können.
Während die Ostseeanrainer von NATO und EU eine nahezu gleiche Risiko- und Bedrohungsperzeption haben, gehen die Meinungen von NATO und EU Partnern an der Südflanke mit Schwerpunkt im Mittelmeer teilweise stark auseinander, was sowohl Auswirkungen auf die Zufahrten zum Indischen Ozean über das Rote Meer als auch die Zufahrten zum Schwarzen Meer und die Nutzung des Schwarzen Meeres hat. Die eingefrorenen Konflikte in Georgien und Moldawien wie auch der weiter schwelende Konflikt in der Ukraine zwingen die NATO, mögliche Übergriffe der russischen Schwarzmeerflotte auf die Bündnispartner an den Küsten des Schwarzen Meeres durch eigene maritime Schutzoperationen zu verhindern oder zumindest einzuhegen. Dies dürfte über einen gemeinsamen Mitteleinsatz von Heeres‑, Luftwaffen- und Marinekräften allerdings auch künftig möglich sein. Insofern sind hier NATO- und EU-Überlegungen kongruent.
Die Forderung Rumäniens zur Schaffung einer SNMG-BlackSea erhält zurzeit in den Diskussionen der NATO nicht oberste Priorität. Wichtiger erscheint es im Bündnis, sich Klarheit über die weitere operative Ausdehnung der russischen Seestreitkräfte über Syrien und Zypern hinaus in Richtung Libyen zu verschaffen. Dort ist eher eine Präsenzverstärkung der NATO vor allem mit Seestreitkräften zu erwarten. Auch stellt der Vertrag von Montreux zur Passage der Dardanellen angesichts der derzeitigen Entwicklungen in der Türkei und dessen Signalen nach Russland ein deutliches politisches Hindernis dar, das keine kurzfristigen Entscheidungen zu einer ständigen Präsenz von NATO-Seestreitkräften im Schwarzen Meer erwarten lässt.
Problematischer stellt sich eine notwendige stärkere Zusammenarbeit zwischen NATO und EU im Mittelmeerbereich dar, da die EU weder eine gemeinsame Position zum Umgang mit Asylbewerbern bzw. illegal in die EU einreisende Migranten noch zum Umgang mit islamistischem Terrorismus in der Region hat. Der Schutz der Außengrenzen (Schengen) ist ebenso unsicher wie die Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Mitgliedsstaaten. Auch die als notwendig erachtete Rückführung von illegal eingereisten Wirtschaftsflüchtlingen wird bisher von den EU-Mitgliedsstaaten sehr unterschiedlich gehandhabt.
Die NATO, die die Seeverbindungslinien im Mittelmeer und deren Zugängen vor Behinderungen durch staatliche (RUS) und nicht-staatliche Akteure (IS, Piraterie, organisierte Kriminalität) schützen soll, bedarf einer Überarbeitung ihrer bisherigen Operationspläne durch den verstärkten Abfluss von maritimen Plattformen in den Westpazifik (USA), Bindung von maritimen Kräften durch den außerhalb der Bündnisstrukturen stattfindenden Kampf gegen islamistischen Terror oder auch Bindung zur Bekämpfung von Waffen- und Menschenschmuggel einschließlich der kriminellen Schleuser im Mittelmeer. Gerade hier fehlt die bereits angesprochene notwendige politische Diskussion in den NATO Gremien.
Eine eigene Rolle spielt hierbei der künftige Umgang mit dem langjährigen Bündnispartner Türkei, dessen Verbleib im Bündnis derzeit – wie bereits angesprochen – mit Fragezeichen zu versehen ist.
Fazit
Die neue politische wie militärische Rivalität entspringt vor allem einer völlig gegensätzlichen Bewertung der Entwicklung der letzten Jahre: NATO (und EU) erkennen im russischen Vorgehen gegen Georgien und mehr noch in der Annexion der Krim aggressives, völkerrechtswidriges Verhalten, das andere Regionalstaaten (ehemalige Sowjetrepubliken) alarmieren muss und einer unmissverständlich „Rote Linien“ aufzeigenden Antwort bedarf. Russland wiederum verurteilt gerade diese Antwort als Bruch der mit der NATO-Russland-Grundakte getroffenen Vereinbarungen und unterstellt der NATO die Absicht, es militärisch einzuschließen und so seinen Einfluss an die eigenen Landesgrenzen zurückdrängen zu wollen. Ob dies in Moskau tatsächlich so gesehen wird oder wider besseres Wissen nur als vorgeschobene Rechtfertigung eigenen, machtpolitisch motivierten Handelns dient, sei dahingestellt.
Tatsache ist, dass sowohl die Ostsee als auch das Schwarze Meer für Russland herausragende geostrategische Bedeutung haben. Nur über die beiden Randmeere ist der Zugang zu den Weltmeeren möglich, und nur über sie kann Russland seine Ambitionen als global agierende Großmacht verwirklichen. Für NATO und EU kommt es darauf an, Russland die Grenzen aggressiven und expansiven Verhaltens deutlich zu machen, ohne ihm dabei aber zugleich die Nutzung der Randmeere zu verwehren. Dass dies machbar ist, zeigt das gerade auf maritimer Ebene auf partnerschaftliche Kooperation ausgelegte Verhältnis in den ersten 15 Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion.
Eine Rückkehr zu von gegenseitigem Respekt geprägtem Umgang miteinander scheint durchaus möglich. Die Instrumente für gegenseitigen Meinungsaustausch werden zurzeit zwar nicht genutzt, sind aber weiterhin vorhanden. Vieles wird allerdings davon abhängen, wie der neue USPräsident die Position der USA in der NATO definiert. Sollte Donald Trump seine Wahlkampfankündigungen eines verminderten Engagements tatsächlich umsetzen, dürfte der russische Präsident Putin dies sofort als Chance begreifen, in „sich auftuende Lücken“ hineinzustoßen. Allerdings gaben die Äußerungen des designierten Außen- wie Verteidigungsministers der USA zum Fortbestand der NATO in ihren Befragungen im US-Senat Hoffnung, dass die Kohärenz des Bündnisses Bestand haben wird.