Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Dänemark ist das drittgrößte NATO-Land und das zwölftgrößte in der Welt überhaupt, erklärte der dänische Diplomat Peter Taksøe-Jensen bei der Vorstellung seiner umfassenden Untersuchung zu den Herausforderungen für die Außen- und Sicherheitspolitik seines Landes im Mai dieses Jahres. Ein Blick auf die Landkarte zeigt zunächst ein anderes Bild, aber Taksøe hatte mehr Grönland, die Färöer sowie die sie umgebenden Inseln im Polarmeer im Sinn als die eher bescheidene Landmasse an den Ostseeausgängen.
Er wählte dieses Bild, um die Aufmerksamkeit auf eine der wichtigsten Herausforderungen zu lenken, vor dem das Königreich steht: seiner Rolle als arktische Großmacht gerecht zu werden. Die Streitkräfte wenden jährlich rund 120 Millionen Euro oder etwa vier Prozent ihres Budgets für arktische Aufgaben auf, dies wird sich im Planungszeitraum 2018–2022 auf etwa gleichem Niveau halten.
Diese bereits ausgedehnten Flächen werden noch größer werden, wenn die UN-Festlandsockelkommission die Ansprüche des Königreiches in der einen oder anderen Form anerkannt hat, und die Grenzen in Einvernehmen mit den Nachbarn gezogen worden sind. Allein für den Anerkennungsprozess bei der UNO wird mit acht bis zehn Jahren gerechnet, während über Russlands Ansprüche spätestens 2017 entschieden wird. Das Jahrzehnt juristischer Unsicherheit ist die unbekannte Größe, in der geänderte Realitäten die Empfehlungen der Analyse wertlos machen können.
Generell unterstreichen sowohl die Analyse als auch die verantwortlichen Politiker, dass Dänemark sich nicht bedroht fühlt durch Russlands arktische Ambitionen. Eingeschränkt wird diese Aussage jedoch durch den Zusatz, dass dies nur solange gilt, wie die arktische Großmacht Nr. 1 die Einhaltung internationaler Normen als den eigenen Interessen am besten dienlich ansieht. In diesem Sinne wäre es gut gewesen, wenn auf dem NATO-Gipfel in Warschau eine Erweiterung der Luftraumüberwachung von Keflavik beschlossen worden wäre, um die Wichtigkeit der arktischen Flanke zu unterstreichen.
Gegenwärtiger Stand und Empfehlungen
Die dänische Regierung beauftragte 2013 die Streitkräfte, eine umfassende Analyse ihrer arktischen Aufgaben und Herausforderungen für die nächsten zehn Jahre zu erarbeiten. Die Analyse beschäftigte sich mit folgenden Hauptthemen:
- Überwachung,
- Kommando, Kommunikation und Kontrolle sowie
- Verfügbare operative Einheiten
Das arktische Kommando hat maximal fünf Schiffe zur Disposition in den grönländischen und färöischen Gewässern. Als Faustregel gilt, dass ein Schiff bei den Färöern operiert, drei sich in grönländischen Gewässern aufhalten und eines zur Wartung bzw. Erholung der Mannschaft in Dänemark ist. Empfohlen wird, Mittel für eine zusätzliche Besatzung bereitzustellen, um entweder die Aufenthaltszeiten der Inspektionsschiffe zu verlängern, bzw. die neuen Fregatten, die über keine Eisklasse verfügen, im Sommerhalbjahr bei den Färöern einzusetzen.
Die Inspektionsschiffe haben eine Größe, Bewaffnung und Aufgabenstellung (Souveränitätshandhabung, SAR, Seeüberwachung, Fischereikontrolle, Bekämpfung von Umweltkatastrophen sowie Krankentransport), die sie de facto zu Küstenwacheinheiten machen. Am zivilen Charakter der meisten Aufgaben wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ein operatives Plus wird es geben, wenn ab 2018 ein drittes Inspektionsschiff der KNUD-RASMUSSEN-Klasse zur Verfügung steht, das ein älteres Schiff ersetzen wird. Gleichzeitig werden die Inspektionsschiffe mit einem Feuerleitsystem ausgestattet. Eingeschätzt wird, dass die Überwachung über und unter Wasser, zu Lande und des Luftraumes aufgrund der geografischen Ausdehnung, der Küstenform und der notwendigen Ressourcen für die komplette Kontrolle lückenhaft und zu Lande sporadisch ist. Weder in Grönland noch auf den Färöern gibt es Bodenradar, Marine und Luftwaffe verfügen über keine Möglichkeiten der U‑Boot-Ortung und die Abweisung von Luftraumverletzungen ist nur möglich, falls zeitweise in Keflavik stationierte dänische Flugzeuge eingesetzt werden können. Zudem ist die arktische Luftraumüberwachung in Friedenszeiten alleinige dänische Angelegenheit. Im Fall sehr grober Souveränitätsverletzungen müssten Verstärkungen aus Dänemark abgewartet werden, bevor gehandelt werden kann.
Empfohlen wird deshalb, die Luftraumüberwachung deutlich zu steigen. Für die Luftstreitkräfte wird empfohlen, ihre Flugstunden mit Challenger- und teils Hercules- Flugzeugen von heute 120 Tagen pro Jahr kräftig zu erhöhen und ihre Sensor- und Radarkapazität zu verbessern. Gelegentlich sollen auch F 16-Jäger wie schon bei Versuchsflügen 2014 Flagge zeigen, während der Neuaufbau einer Radarstation auf den Färöern erst geprüft werden soll, falls die internationale Situation sich verschärft.
Erwogen wird die Verbesserung der Fähigkeit, zeitweilige Feldflugplätze einzurichten und zivile Daten zu nutzen, um sowohl den Flugverkehr wie Luftraum umfassender zu überwachen. Der Marine werden ab 2017 zwei Hubschrauber Sea Hawk zugeführt; ihre Kapazitäten werden sich damit verdoppeln. Die Nutzung von Kurzstreckendrohnen wird erwogen, während bei der Langdistanzüberwachung auf fehlende Erfahrung und technische sowie juristische Probleme hingewiesen wird.
Zu Lande soll die Sirius-Patrouille des Heeres, die winterliche Hundeschlittentouren an der unbewohnten Nordostküste Grönlands durchführt, künftig auch Sommertouren durchführen und dazu per Flugzeug abgesetzt werden. Auch einige Einheiten des Heeres und der freiwilligen dänischen Heimwehr, die für zeitweilige Einsätze in der Arktis vorgesehen sind, sollten Sommerpatrouillen zu Lande und per Boot durchführen. Das würde die Präsenz an den langen, unbewohnten Küstenstrecken verstärken und den Einheiten gleichzeitig arktisches Training sichern.
Gleichzeitig sollte ein Korps freiwilliger Grönland-Wächter aufgebaut werden. Hier sollen grönländische Fischer und Jäger lokale Informationen zu Ölaustritten oder Souveränitätsverletzungen als Ergänzung zur Luftüberwachung liefern. Die permanente Stationierung von Heereinheiten ist auch künftig nicht vorgesehen.
Angemahnt wird die Einführung der systematischen Satellitenüberwachung der arktischen Territorien und Verbesserung der Kommunikation über Satelliten. Die Daten sollen über US-amerikanische Satelliten, Deutschlands militärische Satellitenkapazität und teilweise zivile Anbieter eingeholt werden. Um die künftig von Schiffen, Flugzeugen, Satelliten und Schneeschuh-Soldaten einströmenden Informationen in ein Echtzeit-Lagebild umsetzen zu können, müssen jedoch erst entsprechende Datenverbindungen und Bearbeitungsmöglichkeiten aufgebaut und Personal dafür beim Arktischen Kommando eingestellt werden. Auch der Bau einer grönländischen Satellitenempfangsstation wäre notwendig. Ziel der maritimen Überwachung ist es, wenigstens einmal am Tag einen Satellitenüberflug über die wichtigsten grönländischen Schifffahrtsgebiete zu haben.
Für alle Aufgaben gilt, dass Dänemark eine verstärkte zivile und militärische Zusammenarbeit mit den arktischen NATO-Küstenstaaten sowie Großbritannien bei den Färöern anstrebt, um Informationen und Ressourcen zu teilen. Dies soll entweder über zweiseitige Abkommen oder das Arktische Küstenwachforum koordiniert werden. Kooperiert werden soll auch mit Russland, solange es um SAR- und Umweltaufgaben geht.
Zusammenfassung
Dänemark wird seine Überwachung und Präsenz in der Arktis erhöhen, ohne dass diese als offensiv betrachtet werden können. Viele der arktischen Aufgaben der Streitkräfte werden weiterhin zivilen Charakter haben. Bewaffnete Konflikte in der Arktis und um die Arktis werden nicht erwartet, während der Zusammenarbeit mit NATO-Partnern bzw. den Arctic Five großes Gewicht beigemessen wird.