NAH-/MITTELOST
Die militärische/sicherheitspolitische Lage im Nahen-/Mittleren Osten bleibt von der Bekämpfung des islamistischen Terrors, den Bürgerkriegen in Syrien und Jemen sowie dem andauernden politischen Konflikt mehrerer arabischer Staaten mit dem Emirat Katar bestimmt.
KATAR
Im Streit einer von Saudi-Arabien angeführten Gruppe arabischer Staaten mit dem Emirat Katar stehen Protokollfragen und die Egos der maßgeblichen politischen Führer einer für alle Parteien gesichtswahrenden Lösung im Wege. Keine Seite lässt auch nur ansatzweise Kompromissbereitschaft erkennen. Nach einem von Katar ausgesprochenen „Lob“ für den Iran ist ein formeller Ausschluss des Emirats aus dem Golf-Kooperationsrat nicht mehr auszuschließen. Die gegen Katar verhängte Blockade (Schließung von Luftraum und Landgrenzen) besteht weiter.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
ISLAMISTISCHER TERROR IN SYRIEN UND IRAK
Bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors in Syrien und Irak bleibt eine international übergreifende Koalition weiterhin Fernziel. Unverändert bestimmen divergierende Eigeninteressen zahlreicher Staaten sowie die Spaltung zwischen Schiiten und Sunniten die Entwicklung.
SYRIEN — IRAK: US-geführte Koalition (Operation „Inherent Resolve“)
Eine US-geführte multinationale Koalition setzt mit Operation „Inherent Resolve“ Luftschläge gegen islamistische Terrorgruppen in Irak und Syrien fort. Ziele sind Kommandozentren (Führungspersonen), Stützpunkte, Depots und von Islamisten kontrollierte Öl-Anlagen, daneben aber auch logistische Straßentransporte und Gruppen verlegender Kämpfer. Viele Angriffe dienen der direkten Unterstützung (Close Air Support) irakischer Truppen und syrischer (kurdischer) Oppositionsmilizen. Zum Einsatz kommen US-Trägerkampfflugzeuge und landgestützt von Flugplätzen der Golfstaaten, Jordaniens und der Türkei operierende Kampfflugzeuge und Drohnen der Streitkräfte zahlreicher Staaten. Die britische Royal Air Force nutzt ihre Basis in Akrotiri (Zypern).
Der US-Flugzeugträger „Nimitz“ setzt im Persischen Golf den Einsatz seiner Kampfflugzeuge gegen IS-Ziele in Irak und Syrien fort. Der am 1. Juni mit dem Auslaufen aus Everett (Washington) begonnene Einsatz der „Nimitz“ Carrier Strike Group (CSG) soll länger als die ursprünglich geplanten sechs Monate bis über das Jahresende hinaus dauern. Seit dem 24. August ist der im Rahmen der nationalen französischen Operation „Chammal“ in der Golfregion eingesetzte französische Flugabwehr-Zerstörer „Jean Bart“ in die „Nimitz“ CSG integriert.
Die Anfang September in der Region eingetroffene „America“ Amphibious Ready Group der US Navy (mit dem amphibischen Träger „America“, den Docklandungsschiffen „San Diego“ und „Pearl Harbor“ sowie der eingeschifften 15th Marine Expeditionary Unit) ist vor Dschibuti und im Golf von Aden weiterhin in die rein nationale amphibische Übung „Alligator Dagger“ eingebunden.
Im Verband mitgeführte Jagdbomber AV-8B Harrier und Kampfhubschrauber des US Marine Corps können bei Bedarf auch über Land (z.B.gegen islamistische Terrorgruppen im Jemen oder in Somalia) eingesetzt werden.
SYRIEN: Russland – Türkei
Russland gibt der Bekämpfung des IS in Syrien offiziell Priorität, macht allerdings unverändert keinen wirklichen Unterschied zwischen Islamisten und Oppositionsrebellen; außerhalb von erklärten „De-Eskalationszonen“ (s.u. Bürgerkrieg) gelten alle gleichermaßen als “Terroristen”. Nach wie vor erfolgen russische Luftangriffe auch in Gebieten, in denen keine islamistischen Milizen aktiv sind.
Die Türkei bekämpft zwar auch IS, scheint aber in ihrem allgemeinen Kampf gegen Terrorismus der „Neutralisierung“ von Kurden deutlich größere Priorität zu geben. Bei verstärkten Operationen in grenznahen Gebieten Nordsyriens gab es auch schon direkte Gefechtsberührungen zwischen türkischen Soldaten und von den USA im Kampf gegen IS (mit „embedded“ Special Forces) unterstützten kurdischen Milizen. Die türkische Regierung hat den Irak öffentlich gewarnt, das am 25. September geplante Referendum zu einer unabhängigen kurdischen Region zuzulassen.
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BÜRGERKRIEG IN SYRIEN (Fortschreibung)
Karte: IHS MonitorIn den auf Initiative von Russland, Syrien, dem Iran und der Türkei erklärten „De-Eskalationszonen“ herrscht weiterhin vergleichsweise Ruhe. Andernorts gehen die Kämpfe weiter; islamistische Milizen bleiben ohnehin grundsätzlich von allen Feuerpausen ausgenommen. Bei der aktuellen (13.–15. September) Gesprächsrunde der Bürgerkriegsparteien in Astana (Kasachstan) gibt es bzgl. der formellen Einrichtung einer vierten „De-Eskalationszone“ bei Idlib nur zähe Fortschritte. Die Kämpfe bei Idlib sollen aber allmählich abflauen.
Russland sieht in den „De-Eskalationszonen“ die Basis für ein Ende des Bürgerkrieges. Sie zwängen Oppositionsmilizen zur räumlichen Trennung von islamistischen Terrorgruppen, und dies eröffne Chancen für politischen Dialog. In den Zonen vereinbarte Feuerpausen konnten teilweise auch schon in formelle regionale Waffenstillstände überführt werden. Russland strebt eine unabhängige Überwachung von deren Einhaltung an, kann aber ohne UN-Mandat noch keine nicht im syrischen Bürgerkrieg involvierten Länder zur Entsendung von Friedenstruppen bewegen. So werden vorerst nur russische Militärpolizisten eingesetzt.
Maritime Aspekte
Im östlichen Mittelmeer operiert weiterhin das von der russischen Schwarzmeerflotte geführte Ständige Mittelmeergeschwader (MedSqn) der russischen Marine. Kampfeinheiten sind zurzeit die Fregatten „Admiral Essen“ und „Pytliviy“ (Zuverlegung am 13. September) der Schwarzmeerflotte sowie die zwei in der Ostsee für die Schwarzmeerflotte gebauten, neuen U‑Boote „Velikiy Novgorod“ und „Kolpino“ (KILO-III-Klasse), die ihre Überführungsfahrt ins Schwarze Meer für einen vorübergehenden Einsatz bei der MedSqn unterbrochen haben.
Nicht unerwartet, haben nach der Fregatte „Admiral Essen“ (5. September) nun am 14. September auch die beiden U‑Boote aus dem östlichen Mittelmeer heraus insgesamt sieben Marschflugkörper Kalibr auf IS-Ziele bei Deir-al-Zour in Ostsyrien geschossen.
Angeblich konnten etwa 50 auf der Fregatte „Admiral Essen“ eingeschiffte, auch westliche Journalisten die Schüsse beobachten. Neben dem solchermaßen öffentlich unterstrichenen Willen zur Vernichtung von IS (in Syrien) und der erneut demonstrierten Fähigkeit zur Bekämpfung von Landzielen von See her, dürfte das Schießen für die beiden U‑Boote auch Teil der Zertifizierung ihrer Waffensysteme gegewesen sein. Beide hatten im Gegensatz zu den anderen U‑Booten ihrer Klasse keine Waffenerprobungen im Nordflottenbereich durchgeführt. Vermutlich werden sie nun in den nächsten Tagen ihren Marsch ins Schwarzmeer fortsetzen.
Die auch als „Syrian Express“ bezeichnete Lieferung von Rüstungsgütern nach Syrien und Nachschub für die dort eingesetzten russischen Truppen wird fortgesetzt, aber mit deutlich reduziertem Umfang. Während bis etwa Ende Juli wöchentlich mehrere Landungsschiffe oder von der Russischen Marine speziell für die Transporte gekaufte Frachter den Bosporus passierten, werden zurzeit nur noch sporadisch Passagen erkannt. Zuletzt war ein Landungsschiff am 3. September durch die türkischen Meerengen von einem Transport nach Syrien ins Schwarzmeer zurückgekehrt. Gründe für das reduzierte „Optempo“ sind nicht bekannt; da sich am Bedarf wenig geändert haben dürfte, mag man vielleicht „Kräfteüberdehnung“ vermuten.
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HURRIKAN “IRMA”
Nach Hurrikan „Irma“ sind in der Karibik – von Barbados bis nach Florida – Hilfsaktionen und Aufräumarbeiten angelaufen.
Schadensaufklärung hat gezeigt, dass Infrastruktur vielerorts flächendeckend zerstört ist. In der Region präsente Seestreitkräfte haben erste Nothilfe gebracht, und mit Hilfe der Soldaten konnten vielerorts auch schon Flugplätze für Flugbetrieb mit zumindest militärischen Transportflugzeugen wieder in Betrieb genommen werden. Flugzeuge bieten allerdings nur begrenzte Transportkapazität. Den Großteil von Hilfsgütern, insbesondere dringend benötigtes schweres Räumgerät und Baumaschinen, können nur Schiffe bringen. Auf vielen der betroffenen kleinen und kleinsten Inseln gibt es keine für einen Umschlag größerer Frachtmengen geeigneten Häfen, und so sind in der nun anlaufenden zweiten Phase der HADR (Humanitarian Assistance/Desaster Relief) Operationen vor allem amphibische Einheiten gefragt, die ihre Ladung direkt an einem Strand absetzen können.
Die nur kleinen Marinen/Sicherheitskräfte der betroffenen Inseln verfügen über keine für solche Einsätze geeigneten Schiffe, aber sie sind europäischen (Kolonial-)Staaten oder den USA hoheitlich verbunden. Diese haben Einheiten ihrer Marinen denn auch schon direkt nach dem Tropensturm ins Katastrophengebiet beordert. Vielerorts konnte mit begrenzten Mitteln wie z.B. dem Bordhubschrauber der niederländsichen Fregatte „Zeeland“ eine Notversorgung mit Medikamenten, Wasser und Nahrungsmitteln erreicht werden, und die Besatzungen halfen, Strom‑, Wasserversorgungs- und Kommunikationsanlagen notdürftig instandzusetzen und Infrastruktur für nachfolgende Hilfeleistungen wieder betriebsbereit machen.
Erstversorgung durch Bordhubschrauber der niederländischen Fregatte ‘Zeeland
Erster Nothilfe folgt nun groß angelegte weitere Hilfe. Das größte Kontingent hat natürlich die US Navy auf den Weg gebracht. Mehr als US 20.000 Soldaten sind in die HADR-Operationen in Florida (Schwerpunkt Florida Keys) und auf den US Virgin Islands im Einsatz oder auf dem Weg dorthin, um die Bevölkerung zu versorgen, Infrastruktur wieder instandzusetzen, oder wo nötig Menschen zu evakuieren. Zu den eingesetzten Einheiten gehören der Flugzeugträger „Abraham Lincoln“, drei amphibische Träger („Wasp“, „Kearsarge“, „Iwo Jima“), zwei Docklandungsschiffe, ein großer Einsatzgruppenversorger sowie weitere Kampfschiffe. Der Flugzeugträger und die amphibischen Schiffe können mit zahlreichen großen Transporthubschraubern, Schwenkflügel-Flugzeugen Osprey und Landungsbooten riesige Mengen an Material, Gerät schnell vor Ort schaffen und bieten großen Kontingenten Hilfspersonal eine Basis.
Auch Frankreich, Großbritannien und die Niederlande bringen nun größere Einheiten auf den Weg, aber im Gegensatz zur US Navy müssen diese in etwa zehntägigen Transitfahrten aus Europa über den Atlantik nachgeführt werden. In Frankreich ist am 12. September der mit Hilfsgütern und schwerem Gerät beladene Hubschrauberträger „Tonnerre“ aus Toulon ausgelaufen; Ziel ist die Insel „Saint Martin“. Bei der britischen Royal Navy hat am gleichen Tag der Hubschrauberträger „Ocean“ seine Beladung in Gibraltar abgeschlossen und Kurs auf die britischen Virgin Islands genommen.
Nach Deutlichwerden der Zerstörungen auf Sint Maarten hat die niederländische Marine am 13. September ihr Joint Support Ship „Karel Doorman“ aus der gerade begonnenen, multinationalen Ostseeübung „Northern Coasts 2017“ (s.u.) zurückgezogen. Das Schiff soll in den Niederlanden Ladung übernehmen und dann ins Katastrophengebiet verlegen.
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INDONESIEN
Am 12. September hat die indonesische Marine im spanischen Vigo ihr neues Segelschulschiff „Bima Suci“ übernommen und in Dienst gestellt.
Die 111m lange, etwa 2.000 ts verdrängende Dreimastbark (26 Segel mit insgesamt 3.350 m² Segelfläche) war im Dezember 2015 bei der spanischen Freire-Werft in Vigo auf Kiel gelegt worden. Sie soll die seit 1963 als Segelschulschiff der Marine eingesetzte, deutlich kleinere „Dewaruci“ ersetzen. Während letztere etwa 70 Kadetten an Bord nehmen kann, bietet der Neubau Platz für 120.
Schon vor der Indienststellung waren 119 Kadetten an Bord eingezogen. Sie sollen nach Abschluss letzter Segelvorausbildung im Rahmen einer ersten Auslandsausbildungsreise die „Bima Suci“ von Vigo nach Surabaya überführen.
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ITALIEN
Im Zuge des allmählichen Ersatzes älterer Schiffe durch Neubauten der BERGAMINI-Klasse hat die italienische Marine ihre Fregatte „Aliseo“ ausgemustert.
Am 8. September wurde im Beisein von Marinechef Admiral Valter Girardelli bei einer Abend-Flaggenparade in Tarent nach 34 Dienstjahren letztmalig die Seekriegsflagge eingeholt. Die „Aliseo“ war als fünftes Schiff der insgesamt acht nach Mittelmeer-Winden benannten MAESTRALE-Klasse im September 1983 an die italienische Marine übergeben worden.
Die 3.200 ts verdrängenden Mehrzweckfregatten können mit ihrer Ausrüstung und Bewaffnung (u.a. See- und Luftziel-FK) eine Vielzahl von Aufgaben wahrnehmen, sind mit Bordhubschrauber, Rumpfsonar und variablem Tiefensonar vor allem aber für U‑Jagd optimiert. Nach dem Ende des Kalten Krieges kamen sie zunehmend in Maritime Security Operationen zum Einsatz.
Die „Aliseo“ legte im Laufe ihrer Dienstzeit“ insgesamt mehr als 600.000sm zurück, besuchte dabei 70 verschiedene Häfen. Operative Einsätze sahen sie u.a. im Persischen Golf (Golfkrieg), nach den Terroranschlägen von New York (2001) in der US-geführten multinationalen Anti-Terror-Operation „Enduring Freedom“ im Arabischen Meer und bei der Pirateriebekämpfung vor Somalia. Zuletzt war die Fregatte in der nationalen Search & Rescue Operation „Mare Nostrum“ vor Libyen in die Rettung von Flüchtlingen und Migranten eingebunden. Schon im September 2016 war sie in den Bereitschaftszustand einer „reduzierten Verfügbarkeit“ versetzt worden und hatte seitdem in Tarent an der Pier gelegen. Nun ist sie ihrem bereits Ende 2015 außer Dienst gestellten Schwesterschiff „Maestrale“ in den „Ruhestand“ gefolgt.
Die Zukunft der „Aliseo“ bleibt vorerst offen. Einiges spricht dafür, dass die italienische Marine sie (wie auch andere auszumusternde Schiffe) zur Aufbesserung des Budgets gern als Gebrauchtschiff weiter verkaufen möchte. So wurde im Mai 2016 bei der Rüstungsmesse „Seafuture & Maritime Technologies“ in La Spezia eine Fregatte der MAESTRALE-Klasse auch schon bei einer „Gebrauchtschiffs-Schau“ präsentiert. Potentielle Kunden konnten das Schiff dort nicht nur „zum Anfassen“ begutachten, sondern auch gleich mit italienischen Firmen wie z.B. Fincantieri mögliche Kosten für Grundinstandsetzungen und Umbauten diskutieren. In Italien werden ausgemusterte Marineschiffe, für die sich ein Käufer gefunden hat, vom Verteidigungsministerium zunächst an Fincantieri verkauft, die dann als Zwischenhändler allein (wenngleich im Rahmen der Gesetze für Weitergabe von Rüstungsgütern) für den Wiederverkauf zuständig ist. Bleibt also abzuwarten, ob die „Aliseo“ demnächst zu Fincantieri transferiert wird.
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NORDKOREA (Fortschreibung)
Auch nach dem jüngsten Atomwaffentest vom UN-Sicherheitsrat am 11. September noch einmal verschärfte Sanktionen scheinen Nordkorea nicht wirklich zu berühren.
Raketentest vom 15 Sep In offiziellen Erklärungen wurden der UN-Sicherheitsrat (incl. China und Russland!) als “Marionette der USA” und seine Beschlüsse als “illegal” abgetan und Vergeltung angekündigt. Am 15. September gab es dann mit einem neuen Raketentest eine erste aktive Reaktion. Von einer Position in der Nähe des internationalen Flughafens von Pyongyang wurde eine (straßen-mobile) Mittel-/Langstreckenrakete über die japanische Insel Hokkaido hinweg 3.700km weit in den Pazifik geschossen. Mit diesem Test über die bisher größte Entfernung hat Nordkorea unterstrichen, dass die US-Insel Guam in Reichweite liegt. Möglicherweise in Furcht von einem peinlichen, vor allem aber die norkoreanische Position noch weiter stärkenden Fehlschlag haben sowohl Japan als auch die USA erneut darauf verzichtet, die Rakete mit ihren — offiziell in Stellung gebrachten — Abwehrsystemen abzufangen.
Ob der zu einer Dringlichkeitssitzung einberufene UN-Sicherheitsrat die bisher verhängten Sanktionen noch einmal verschärft, bleibt abzuwarten. Zuletzt hatte der Rat die Ölimporte des Landes gedeckelt (effektive Reduzierung maximal etwa 30 Prozent), Textil-Exporte und Beschäftigung neuer (vorhandene dürfen bleiben) nordkoreanischer Gastarbeiter im Ausland verboten und — relativ vage — zu “Unterbindung des Schmuggels” nach Nordkorea aufgerufen.
Die einstimming mit China und Russland beschlossenen Maßnahmen blieben allerdings deutlich hinter einem von den USA eingebrachten Resolutionsentwurf zurück, der u.a. ein formelles Embargo für sämtliche Öl- und Gasprodukte gefordert hatte und die US Navy überdies zur „aktiven Überwachung“ dieses Embargos ermächtigen sollte. Dem mochten die Vetomächte Russland und China nicht zustimmen. Beide verurteilen zwar Nordkoreas provokative Aktionen, scheinen aber tatsächlich nur wenig bereit, aktiv zum Ende der Krise beizutragen. Sie sehen eine Lösung unverändert nur in einer beiderseitigen Aufgabe („dual suspension“) von Positionen. Nordkorea solle seine Atomwaffen- und Raketenprogramme einfrieren (entgegen aller bereits beschlossenen UN-Sanktionen aber nicht abrüsten!) während Südkorea und die USA auf jegliche weitere bilaterale Manöver verzichten und damit ungeachtet aller nordkoreanischen Drohungen ihre Fähigkeiten zur Verteidigung im Bündnis reduzieren sollten.
Auch nach dem neuen Raketentest wird keine wesentliche Änderung dieser Haltung erwartet. Wirklich erfolgversprechende Vorschläge zu einer politischen Lösung sind so nicht in Sicht — und „militärische Optionen“ denn auch nicht vom Tisch. Angesichts möglicher Blockierung des US Sicherheitsrates durch die Vetos Chinas und Russlands spekulieren Medien denn auch schon über einseitige US-Maßnahmen, bis hin zur Erklärung einer kompletten Seeblockade Nordkoreas.
Der in Japan stationierte US-Flugzeugträger „Ronald Reagan“ ist am 8. September zu einer Fortsetzung seiner für vier Wochen unterbrochenen „West Pacific Patrol“ aus seinem Heimatstützpunkt Yokosuka (bei Tokio) ausgelaufen. Der zuletzt „südlich Japans“ gemeldete Flugzeugträger solle „die kollektiven maritimen Sicherheitsinteressen der USA und ihrer Verbündeten in der Pazifikregion schützen und verteidigen“.
In San Diego (Kalifornien) steht die „Theodore Roosevelt“ Carrier Strike Group für einen demnächst zu beginnenden, langfristig geplanten Routine-Einsatz bereit, kann aber jederzeit sehr kurzfristig in einem so genannten „Surge Deployment“ auslaufen.
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RUSSLAND (WEISSRUSSLAND)
Am 14. September hat die bilaterale russisch-weißrussische Übung „Zapad 2017“ begonnen.Grafik: MoD Russia
„Zapad 2017“ soll „Bezug auf die aktuellen Entwicklungen in den Grenzregionen zu NATO-Staaten“ (erhöhte Präsenz von NATO-Truppen) nehmen. Ausrichter der strategischen Übung aller Teilstreitkräfte beider Länder ist der russische Militärbezirk (MB) West, der als „Vereinigtes Strategisches Kommando“ (VSK) für die Region vom Kaliningrad Oblast bis zur Barentssee zuständig ist. Während die Nordflotte seit 2014 nicht mehr Teil des MB West ist, sondern mit Blick auf die Arktis zum VSK Nord gehört, ist die Baltische Flotte dem MB West unterstellt. Das VSK-Nord nimmt nicht an „Zapad 2017“ teil, hat aber am 14. September mit einer eigenen größeren Übung begonnen, zu der eine „Strike-Group“ um den Kreuzer „Petr Velikiy“ in die Barentssee ausgelaufen ist. Wie in Russland (und schon in der früheren Sowjetunion) durchaus üblich, könnte diese Übung auf übergeordneter, strategischer Ebene (russischer Generalstab) durchaus mit „Zapad 2017“ gekoppelt sein.
Offiziell sind am noch bis zum 20. September dauernden „Zapad 2017“ insgesamt 12.700 Soldaten beteiligt, darunter 5.500 nach Weißrussland verlegte russische Soldaten. In den Baltischen Staaten argwöhnt man eine deutlich höhere Beteiligung, spricht ohne dies auch nur ansatzweise belegen zu können von „bis zu 100.000“ und sieht in der Übung überdies den möglichen Auftakt zu einer vermehrten Stationierung russischer Truppen an ihren Landesgrenzen. Russland betont dagegen einen rein defensiven Charakter; „Zapad 2017“ solle am Ende eines längeren Ausbildungsprozesses lediglich den Stand der Interoperabilität russischer und weißrussischer Streitkräfte überprüfen und richte sich gegen kein anderes Land. Das Übungsgeschehen werde sich auf jeweils drei russische und weißrussische Land-Truppenübungsplätze konzentrieren.
Die Übung erfolgt vor dem Hintergrund eines fiktiven Szenarios, bei dem extremistische Gruppen zur Verübung von Terroranschlägen nach Russland (Kaliningrad Oblast) und Weißrussland eindringen und dabei Unterstützung/Nachschub über Land, aus der Luft und auch von See her erhalten. Ein fast identisches Szenario war auch schon Basis für „Zapad 2013“ gewesen.
In „Zapad 2017“ sind denn auch Elemente der Baltischen Flotte eingebunden. Für die Baltische Flotte begann die Übung mit einer Alarmierung, bei der alle seeklaren Schiffe und Boote aus ihren Stützpunkten ausliefen. Im späteren Übungsverlauf sollen „zehn Kriegsschiffe“ von See her in einer Blockade-Aktion den Einsatz von Special Forces in einer Anti-Terroroperation sichern und die Flucht von Terroristen über See verhindern. Erwartet werden vor allem amphibische Landungen von Kommandotruppen, mit Sicherung durch Minenabwehrkräfte. Unter dem Szenario wahrscheinlich sind aber auch Teilübungen, wie sie bereits bei „Zapad 2013“ durchgeführt wurden. Damals „vernichteten“ FK-Korvetten in simulierten FK-Schlägen mehrere „Terroristenschiffe, die eine Landung an der Küste versuchten“ (um ihre Kumpane zu evakuieren).
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SCHWEDEN (multinational)
Auch in diesem Jahr steht „Northern Coasts“ („NoCo“) auf dem Übungsplan der Ostseemarinen.
Das erste „NoCo“ wurde 2007 als so genanntes „Einladungsmanöver“ von der Deutschen Marine geplant und durchgeführt. Auch für alle nachfolgenden „NoCo“ blieb Deutschland als Einladungsnation federführend zuständig, aber die Rolle des Planers und Gastgebers wechselte in jährlicher Rotation zwischen Deutschland, Dänemark, Finnland und Schweden, das nach zuletzt 2013 nun wieder an der Reihe ist.
„Northern Coasts“ ist eine multinationale Übung mit maritimem Schwerpunkt, die vor allem darauf zielt, die Durchführung multinationaler maritimer Operationen auf Einheits- und Verbandsebene zu trainieren und zu verbessern. Eine besondere Herausforderung bietet dabei die Heterogenität der aus den Teilnehmern zu bildenden Verbände. Jeweils mehrere Nationen müssen innerhalb einer Einsatzgruppe eng zusammenarbeiten.
fiktive Geographie bei ‘NoCo 17’ (Grafik: Deutsche Marine)Kern der Übungshauptphase ist regelmäßig internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung auf der Basis eines Mandates der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union, wobei sich die Übungslage an einer fiktiven krisenhaften Entwicklung in einer fiktiven Geographie orientiert. In diesem Jahr dient „NoCo“ u.a. auch dem Nachweis einer „vorläufigen Einsatzfähigkeit“ (Initial Operation Capability) der 2015 bilateral von Schweden und Finnland beschlossenen Swedish-Finnish Naval Task Group. „NoCo“ ist nicht — wie in vielen Medien dargestellt — eine „NATO-Übung“, sondern steht im Rahmen der NATO Initiative „Partnership for Peace“ (PfP) grundsätzlich allen interessierten Marinen offen; so nehmen denn regelmäßig auch die Marinen Finnlands und Schwedens teil, ja übernehmen sogar die Gastgeberrolle. Für die russische Baltische Flotte kam eine Teilnahme bisher nie in Frage, obwohl sie an „NoCo“ doch immerhin so interessiert ist, dass regelmäßig ein Spezialschiff zur Fernmelde-/elektronischen Aufklärung das Übungsgeschehen hautnah beobachtet.
An „NoCo 17“ nehmen insgesamt 57 Schiffe und Boote aus 16 Marinen teil. Gastgeber Schweden bringt sechs Einheiten ein, darunter ein U‑Boot. Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, und Polen sind überwiegend mit Schnellbooten und Minenabwehreinheiten (einige davon im NATO-Verband SNMCMG‑1) vertreten, stellen aber auch einige Fregatten. Als Nicht-Ostseemarinen sind Kanada und Portugal mit Fregatten im NATO-Verband SNMG‑1 mit von der Partie. Im Gegensatz zu früheren „NoCo“ sind die britische Royal Navy und die US Navy diesmal nicht dabei.
Die Übung begann am 8. September mit dem Eintreffen der Teilnehmer in Karlskrona. Dort standen über das Wochenende gegenseitiges Kennenlernen sowie abschließende Übungsvorbesprechungen auf dem Programm. Am 11. September liefen die Einheiten dann zu ersten Seephasen aus. Im Rahmen von „Combat Enhancement Training“ (CET) und „Force Integration Training“ (FIT) werden gut eine Woche lang in einem detaillierten Katalog festgelegte Aufgaben („Serials“) nacheinander abgearbeitet. Höhepunkt der Übung wird dann eine abschließende 3–4‑tägige „Operational Phase“, für die das fiktive Szenario zwar eine Ausgangslage und Hintergrundinformationen vorgibt, die im Verlauf dann aber eine möglichst realistische Eigendynamik (mit völlig offenem Ausgang) entwickeln soll. Am 21. September soll „Northern Coasts 2015“ mit einer Übungsnachbesprechung zu Ende gehen.