Die amphibischen Kriegsschiffe der US-Navy sind unterteilt in amphibische Träger und Docklandungsschiffe. Amphibische Träger besitzen (mit wenigen Ausnahmen) ein Flutdeck zur Führung von Landungsbooten und Luftkissenfahrzeugen, doch steht das großräumige Flugdeck (Kapazität für mehr als 30 Hubschrauber und Kampfflugzeuge) im Mittelpunkt der Kampfleistung. Docklandungsschiffe besitzen hingegen ein wesentlich kleineres Flugdeck. Der Schwerpunkt der Transportleistung zur Unterstützung amphibischer Landungen liegt hier beim Flutdeck (Well Deck).
Die USN unterhält zwei Kategorien Docklandungsschiffe: LPD (Landing Platform – Dock) und LSD (Landing Ship – Dock). Beide Kategorien besitzen sowohl ein Flutdeck wie ein Hubschrauberdeck, sind jedoch schwerpunkmäßig für unterschiedliche Aufgaben ausgerichtet.
LPD besitzen ein größeres Flugdeck und einen Flugzeughangar zur Wartung von Hubschraubern und MV-22 Osprey. Im Falle einer amphibischen Landung transportieren LPD primär Truppen und leichtere Fahrzeuge/Ausrüstung einschließlich amphibischer Schützenpanzer. Sie sind ausgerichtet, gegebenenfalls als Führungsschiff eines Verbandes oder eines militärischen beziehungsweise humanitären Einsatzes auf See oder an Land zu fungieren; sie können aufgrund der Führungs- und Kommunikationsausstattung (C4I) auch als Führungsschiff für Spezialkräfte eingesetzt werden.
Im Gegensatz zur LPD-Kategorie sind die heute im Dienst befindlichen LSD aufgrund ihrer minimalen C4I-Ausstattung und des Fehlens eines Flugzeughangars nur begrenzt für eigenständige Einsätze zu verwenden. Ihre Stärke liegt in der Fähigkeit, die schweren Fahrzeuge eines Marine Corps Kampfverbandes in den Einsatz zu transportieren. An Bord befinden sich auch Wartungseinrichtungen für Fahrzeuge und Landungsboote.
Amphibische Träger, LPD und LSD ergänzen einander. Folglich besteht eine amphibische Bereitschaftsgruppe (Amphibious Readiness Group – ARG) in der Regel aus drei Schiffen.
Nachfolger für LSD erforderlich
Derzeit unterhält die US-Navy eine einzige LPD-Klasse (LPD 17-SAN ANTONIO-Klasse) und zwei LSD-Klassen (LSD 41-WHIDBEY ISLAND-Klasse und LSD 49-HARPERS FERRY- Klasse), wobei LSD 49 eine Variante der LSD 41 darstellt. Die Beschaffung der 2006 eingeführten SAN ANTONIO-Klasse dauert an; diese Klasse soll bis circa 2060 bei der Flotte bleiben. Die zwölf im Dienst befindlichen LSD wurden zwischen 1985 und 1998 in Dienst gestellt. Die Ausmusterung der auf 40 Dienstjahre ausgerichteten Schiffe beginnt 2025. Sie sollen durch eine einzige neue Schiffsklasse ersetzt werden. Bis zur Erteilung einer offiziellen Klassenbezeichnung wird das künftige Docklandungsschiff als LX‑R designiert. Der Buchstabe „X“ bedeutet, dass das Schiff sich noch in der Planungsphase befindet. „R“ bedeutet, dass das Schiff als „Replacement“, als Nachfolgertyp bestehender Schiffsklassen, gedacht ist.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Die Navy beschloss 2016 förmlich, die LPD 17 Klasse als Grundlage für LX‑R heranzuziehen. Im Vergleich zur Entwicklung eines völlig neuen Schiffs spart der nun eingeschlagene Kurs sowohl Geld wie Zeit; das Risiko technischer Verzögerungen wird minimiert, wenn auch nicht vollständig ausgeschlossen. Auch die logistischen Kosten einschließlich Wartung und Ausbildung sind durch die Verwendung einer bewährten Grundlage günstiger. Verschiedene Systeme und Ausstattungsmerkmale der LPD 17 Klasse, die auf einem LSD überflüssig wären, werden aus dem neuen Design ausgelassen. um Kosten zu sparen und um Raum für neue, LSD-relevante Ausstattung zu schaffen.
Marine Corps Major General Chris Owens, Leiter der Abteilung für expeditionäre Kriegsführung im TSK-gemeinsamen Führungsstab, erklärte, dass die LX‑R Klasse eine weitaus breitere Aufgabenpalette als die bisherigen LSD besitzen wird. „Als wir die LSD 41 einführten, bestand unsere Einsatztaktik darin, ARG-Verbände in der Regel geschlossen einzusetzen. Dies entsprach dem Einsatzbedarf gegen Ende des Kalten Krieges. Die heutigen Einsatzszenarien sind wesentlich vielfältiger und zahlreicher“, sagte Owens Ende 2016 in einem Interview.
Die traditionelle Aufgabe amphibischer Schiffe, Marineinfanteristen – gegebenenfalls unter feindlichem Feuer – anzulanden, bleibt die Kernaufgabe einer ARG; diese Fähigkeit wird auch weiterhin im Mittelpunkt des Leistungsspektrums der künftigen LX‑R Klasse stehen. Allerdings umfasst das Aufgabenspektrum nun auch Einsatzformen – etwa Bekämpfung von Piraten, Terroristen und Insurgenten – die vor drei Jahrzehnten nur nachgeordneten Stellenwert besaßen.
Dies bedeutet, dass die drei Schiffe einer ARG in der Lage sein müssen, sich zu trennen, um eigenständig verschiedene Aufgaben innerhalb des Operationsgebietes zu übernehmen. Dies dürfte vor allem im weitläufigen, durch Insel- und Archipelgruppen gekennzeichneten Pazifikraum der Fall sein, erklärte General Owens. Folglich muss LX‑R auch in der Lage sein, mit Schiffen aus Partnernationen zu operieren und gegebenenfalls die Führung eines multinationalen Verbandes oder die Koordinierung von Hilfsmaßnahmen nach einer Naturkatastrophe zu übernehmen.
Leistungsmerkmale
Aus diesem Grund wird LX‑R – im Vergleich zu den LSD 41/49 Klassen – sowohl leistungsfähigere Führungstechnologie als auch die doppelte Flugzeugkapazität besitzen. Zwei CH-53 Hubschrauber oder zwei MV-22 Schwenkrotorflugzeuge oder vier Kampfhubschrauber sollen gleichzeitig starten und landen; der Stellplatz auf dem Flugdeck reicht für vier MV-22. Der Flugzeughangar auf der LX‑R Klasse wird eine CH-53 oder MV-22 aufnehmen und warten können. Zusätzliche C4I Ausrüstung erlaubt es der neuen Schiffsklasse, trotz räumlicher Trennung von Hunderten von Meilen weiterhin mit den anderen Einheiten des Verbandes zu koordinieren und die Führung gelandeter Kräfte zu übernehmen, erklärte Owens.
Foto: US Navy
In vielerlei Hinsicht wird die Leistung des neuen Schiffs zwischen der LPD 17 Klasse und den heutigen LSD liegen.
- Der von der LPD 17 Klasse übernommene Rumpf ist 210 Meter lang und 32 Meter breit und somit größer als die heutigen LSD (186 x 26 Meter).
- Die Verdrängung von 23.500 Tonnen ist – aufgrund der Entfernung eines Teils der Kernausstattung – geringer als die der LPD 17, aber rund 7.000 Tonnen schwerer als heutige LSD.
- Das Flutdeck wird zwei Luftkissenfahrzeuge fassen. Dies entspricht sowohl der LPD 17 wie der LSD 49 Klasse. Die LSD 41 Klasse fasst hingegen vier Luftkissenfahrzeuge.
- LX‑R wird 650 Marineinfanteristen an Bord führen können: 150 weniger als LPD 17, aber 150 mehr als die LSD-41/LSD-49 Einheiten.
- Die Stellfläche für Fahrzeuge fällt 760 Quadratmeter größer aus als auf der HARPERS FERRY-Klasse.
- Die ständigen Sanitätseinrichtungen sind halb so groß wie auf der LPD 17 Klasse und umfassen einen OP-Raum sowie zwölf Belegbetten. Allerdings können palettierte und modulare
- Sanitätsanlagen in verschiedenen Nutzräumen des Schiffs schnell und kurzfristig eingerichtet werden.
- Das elektronische Kampfsystem wird aufgerüstet, vor allem mit Blick auf die Abwehr von Seezielflugkörpern.
- Die defensive Bordbewaffnung wird voraussichtlich aus zwei 25- oder 30-mm-Geschützen, zwei RAM-Flugabwehrsystemen sowie zehn Maschinengewehren (12,5 mm) bestehen.
- Der äußerlich auffälligste Unterschied zur LPD 17 Klasse: Die beiden achteckigen AEMSTürme (Advanced Enclosed Mast/Sensor) werden durch konventionelle Sensorenmasten ersetzt. Dies stellt grundsätzlich einen Rückschritt dar. Die AEMS-Türme bewirken eine Reduzierung der Radarsignatur.
Beschaffung
Die Firmen Huntington Ingalls Industries (HII) und General Dynamics/NASSCO wurden 2016 gemeinschaftlich beauftragt, den Vorentwurf des neuen Schiffs auf Basis der LPD 17 Klasse zu erstellen. Diese Firmen besitzen die einzigen US-Werften, die in der Lage sind, amphibische Schiffe zu bauen. HII soll 75 Prozent, GD/NASSCO 25 Prozent der Design-Arbeit leisten. Die Navy will 2019 entscheiden, welche Werft den Zuschlag für den Bau der Schiffe erhält; es wird auch nicht ausgeschlossen, dass der Bau abwechselnd durch beide Firmen durchgeführt wird.
Bislang galt das Ziel, die Beschaffung 2020 einzuleiten. Nun möchte die Navy das Projekt um ein Jahr vorziehen, falls zusätzliche Mittel zu diesem Zweck bewilligt werden. Durch Vorbeschaffung von Baumaterialien und Anhebung des Etats sollte es möglich sein, den Bau der ersten Einheiten noch Ende 2019 (offiziell zum Beginn des Fiskaljahrs 2020) einzuleiten. Anschließend soll ab 2022 mindestens ein Schiff jährlich auf Kiel gelegt werden. Die Auslieferung des Typschiffs soll 2025 oder 2026 erfolgen. Die Beschaffungskosten werden auf durchschnittlich 1,4 Milliarden Dollar pro Schiff veranschlagt.
Das Beschaffungsziel umfasst offiziell noch elf Einheiten, dürfte jedoch auf dreizehn Einheiten erhöht werden. Dies wäre im Einklang mit dem vorgesehenen Ausbau der amphibischen Flotte auf 38 Einheiten und würde ein ausgewogenes Verhältnis (1:1) zu der LPD 17 Flottille bewirken.
Das Pentagon erwartet von LX‑R laut General Owens eine wesentliche Leistungssteigerung im Vergleich zu den aktuellen LSD: „LX‑R gibt uns ein größeres Schiff, das mehr bietet, nicht nur hinsichtlich der Größe und Aufnahmekapazität sondern auch hinsichtlich des Flugbetriebs, der Sanitätseinrichtung, und – heutzutage eventuell am allerwichtigsten angesichts des Trends zu räumlich getrennten Einsätzen – die Führungsausstattung, die den gegenwärtigen LSD fehlt.”