Heinz Schulte ist Mitglied des Vorstandes Deutsches Maritimes Institut (DMI)
Der erste Lehrsatz lautet: Das Politische unterliegt stetem Wandel wie jähen Wendungen – und in Berlin ist alles politisch. Der zweite Lehrsatz lautet: Militärische Beschaffung – unabhängig von Planungszyklen und Finanzvorgaben – unterliegt dem Politischen. Der dritte Lehrsatz: Da es grundsätzlich kein Geld gibt, gibt es immer Geld – wenn es politisch gewollt ist! Damit ist der Rahmen für die vermeintliche Kontroverse um die Beschaffung von fünf Korvetten K130 gesetzt. Zur Einstimmung ein köstliches wie zutreffendes Zitat, dessen Autorenschaft der parlamentarisch erfahrene Haushälter Johannes Kahrs nicht von sich weist: „Können wir jetzt die Sachebene verlassen und politisch werden?“
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Wir haben recht früh aus parlamentarischen Kreisen – auch aus Reihen des Verteidigungsausschusses (!) – von der Absicht erfahren, Finanzmittel für ein zweites Los Korvette K130 in die abschließende Bereinigungssitzung für den Haushalt 2017 im November einzubringen. Der Vorwurf, die beiden haushaltspolitischen Sprecher der Großen Koalition, Kahrs (SPD) und Eckhard Rehberg (CDU), hätten die Korvette in parlamentarischen Hinterzimmern still und heimlich aufgelegt, ist nicht zu halten: Jene mit Zugang zu den „Küstengangs“ der Großen Koalition hatten Kenntnis! Es kann kein Zweifel bestehen, dass Kahrs und Rehberg sich bei der Kanzlerin, den Ministern für Finanzen und Verteidigung sowie dem Vorsitzenden der SPD und Wirtschaftsminister abgesichert haben. Richtig ist, dass der Verteidigungsausschuss als zuständiges parlamentarisches Gremium mit dem Vorhaben nicht befasst war.
Der Vorgang ist ein Lehrstück, wie „Unter den Linden“ Politik tatsächlich gemacht wird. Über die reine Lehre vom formal korrekten Ablauf eines Beschaffungsprozesses gemäß Customer Product Management sollen andere sich echauffieren.
Die Dinge nahmen ihren Lauf mit der – in Berliner Kreisen keineswegs überraschenden – Ankündigung des BMVg, das Schlüsselvorhaben für die Marine de facto bis nach der Bundestags-Wahl zu verschieben: „Beim Beschaffungsvorhaben MKS 180 wird ein endverhandelter Vertrag rund ein halbes Jahr später, voraussichtlich Ende 2017, vorliegen.“ Über die MKS 180 werden also die nächste Bundesregierung und ein neuer Bundestag – möglicherweise im Lichte einer veränderten Werftenlandschaft – entscheiden. Es war diese Ankündigung, die das zweite Los K130 ausgelöst hat. Bekanntlich ist Papier geduldig und folgende Erfahrung hat alle politischen Wirren überdauert: „Nennen Sie mir die gewünschte Antwort, und ich formuliere die Frage!“
In einer gemeinsamen Stellungnahme haben Kahrs und Rehberg sich wie folgt positioniert: „Um den neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen im Ostseeraum, im Mittelmeer und in globaler Hinsicht nachzukommen, beabsichtigt die Koalition deshalb die Ersatzbeschaffung von fünf neuen Korvetten für die Deutsche Marine.“ Den Ball hat das BMVg in einer Unterrichtung für das Parlament aufgenommen. Die ursprüngliche Bedarfsforderung Ende 1997 umfasste 15 Korvetten in drei Losen (als Nachfolger der insgesamt 40 Schnellboote): „Der geplante Bestand an Korvetten wurde ab 2004 jedoch sukzessive reduziert.“ Und dann folgt der Schlüssel, der den schwergängigen Tresor des Finanzministers geöffnet hat: „Diese Festschreibung folgte keiner konzeptionellen Herleitung, sondern war den nicht ausreichenden finanziellen Ressourcen des Einzelplan 14 geschuldet.“ Und da ist er, der oben aufgeführte dritte Lehrsatz!
Halten wir fest und schauen nach vorn: Die Finanzierung des zweiten Loses ist keineswegs im luftleeren Raum entstanden, sondern war von Anfang auf höchster politischer Ebene abgesichert. Die Tatsache, dass der Verteidigungsausschuss mit dem Vorhaben nicht offiziell befasst war, sollte dessen Mitglieder anregen, selbstkritisch über Einfluss und Gravitas ihres Ausschusses nachzudenken. Gleichzeitig hat sich wieder bestätigt, dass die parlamentarische Königsdisziplin die Haushaltskontrolle ist.
Angesichts der Zeitenwende (amerikanische Präsidentschaft/BREXIT) kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem zweiten Los ein drittes („Trump“-Klasse) folgt. Eine politische Beschaffungsentscheidung ist kein Kindergeburtstag, auf dem jedes Kind mit einem kleinen Präsent nach Hause geht: Wenn die Marine was bekommen hat, dann …! Nach der Bundestagswahl wird auf der Autobahn in Richtung „Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttosozialprodukts“ beschleunigt. Gleichzeitig bleiben erhebliche Bedenken, ob die Streitkräfte in der jetzigen Verfasstheit und mit Blick auf einen komplexen, kaum beweglichen Beschaffungsgang überhaupt in der Lage sind, eine substanzielle Erhöhung der Verteidigungsausgaben kurzfristig zu verkraften.
Am Ende steht die Erkenntnis, dass die Bereitstellung der Haushaltsmittel das eine, der eigentliche Bauauftrag das andere ist. Aus Berliner Perspektive liegen die Vorhaben zweites Los K130 und MKS 180 im Päckchen an der Beschaffungspier.