Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
von Hajo Lippke
(Dr. Hajo Lippke ist Politikwissenschaftler und Fachmann für Rüstungs- und Verteidigungspolitik in Berlin.)
Seit der Flugzeugträger im Laufe des Zweiten Weltkriegs das Schlachtschiff als stärkstes Seekriegsmittel abgelöst hat, ist diese Schiffsklasse der unangefochtene König der maritimen Kriegsführung. Keine andere Einheit kann ein derart breites Spektrum an Fähigkeiten abbilden, und die militärische Schlagkraft eines vollausgestatteten Flugzeugträgers der US-Navy übersteigt die zahlreicher Staaten um ein Vielfaches.
Bereits die Flugzeugträger der imperialen japanischen Flotte und der US-Navy im Pazifik stellten einen Meilenstein der Seekriegsführung dar. Entscheidende Gefechte zwischen den verschiedenen Flottenverbänden wurden nun über so große Distanzen geführt, dass die mitfahrenden Schlachtschiffe und Kreuzer auf eine reine Defensivrolle beschränkt wurden, die gegen U‑Boote und angreifende Flieger gerichtet war. Die Weiterentwicklung von Flugzeug- und Trägertechnologie und ‑design führte zu einer weiteren Stärkung des Flugzeugträgers, der in der Defensivrolle seinen schwimmenden Schutzverband durch weitreichende Frühwarnaufklärung und Kampfpatrouillen sowie vorgeschobene U‑Jagd aus der Luft unterstützte. Damit war ein Trägerverband in der Lage, um sich herum eine „Blase“ zu etablieren, in die kein Gegner unentdeckt und ggf. unbekämpft eindringen konnte.
In der Offensivrolle sorgten die Frühwarn- und Aufklärungskapazitäten, Fähigkeiten zur elektronischen Kampfführung sowie die offensiven Jagd- und Bomberkapazitäten für ein eindrucksvolles Arsenal, das sich in zahlreichen Expeditionskampagnen bewährt hat. Dabei reichte das Spektrum der Einsatzreichweite von Operationen in direkter Nähe zum Gegner – wie von der „Yankee Station“ im Golf von Tonkin gegen Nordvietnam – bis zu weit entfernten Schlägen gegen Ziele in Afghanistan aus dem Arabischen Meer heraus, die mehrere Luftbetankungen für die Jagdbomber erforderlich machten. Mit der zunehmenden Verwendung von Präzisionsmunition wie GPS- oder Laser-gelenkten Bomben und Flugkörpern ist die Effektivität von Einsätzen in den vergangenen Jahren signifikant gestiegen. Inzwischen wird nicht mehr die Anzahl von Einsätzen gemessen, die zur Zerstörung eines Ziels notwendig ist, sondern die Anzahl der Ziele, die mit einem Einsatz bekämpft werden können.
Als Unterstützungselement einer „Amphibious Readiness Group“ kann ein Flugzeugträger einer amphibischen Landungstruppe während des Anmarschs auf See und während der Landungsoperation Luftunterstützung bieten. Damit trägt er dazu bei, nicht nur eine zeitlich begrenzte Präsenz aus der Luft über dem Hoheitsgebiet eines Gegners zu etablieren, sondern eine strategische Landnahme und Dauerpräsenz zu ermöglichen.
Trotzdem wird das Waffensystem „Flugzeugträger“ zunehmend kritisch betrachtet, insbesondere angesichts der enormen Summen, die für Beschaffung und Betrieb einer solchen schwimmenden Luftwaffenbasis aufgewendet werden müssen – allein die täglichen Betriebskosten eines US-Flugzeugträgers sollen bei rund 2,5 Mio. US-Dollar liegen, die einer kompletten Carrier Strike Group bei 6,5 Mio. US-Dollar. Trotz der hohen Kosten und trotz des erhöhten Bedrohungsdrucks moderner Waffensysteme werden Flugzeugträger aber auch weiterhin der entscheidende Faktor für Machtausübung und ‑projektion auf und von See sein.
Denn das Einsatzspektrum eines Flugzeugträgers beschränkt sich nicht nur auf die bereits geschilderte Machtprojektion. Die Beschreibung „100.000 Tonnen Diplomatie“ verdeutlicht eindrücklich, dass allein die Anwesenheit eines Flugzeugträgers in einer bestimmten Region ein starkes politisches Signal darstellt, das durch einen Verband kleinerer Kriegsschiffe oder gar „Einzelfahrer“ so nie erreicht werden kann. Diese Form der außenpolitischen „Schwerpunktsetzung“ ist von diversen US-Administrationen eingesetzt worden, um eigene Interessen wie z.B. die Unterstützung von lokalen Alliierten zu unterstreichen. Und selbst bei humanitärer Hilfe spielen Flugzeugträger durch ihre eingeschifften Lufttransportkapazitäten eine wesentliche Rolle, wenn sie beispielsweise bei Naturkatastrophen wie Hurrikan Katrina 2005 an der US-Ostküste, dem Erdbeben 2010 auf Haiti oder dem fatalen Tsunami 2011 in Japan eingesetzt wurden.
Dazu kommt, dass im Prinzip jede dieser Aufgaben eigenständig, das heißt ohne zusätzliche Unterstützung anderer Systeme, ausgeführt werden kann. Ein Flugzeugträger verfügt über seine eigene AWACS-Flotte, eigene Maschinen mit Luftbetankungsfähigkeit (wenngleich die Kapazitäten in den vergangenen Jahren sehr reduziert wurden und jetzt nur noch auf dem s.g. „Buddy-Prinzip“ beruhen, welches die Offensivkapazitäten einschränkt) sowie Flugzeuge für die elektronische Kampfführung und Transport- und Spezialaufgaben.
Wandel der Bedrohung
Auch zukünftig werden Flugzeugträger eine sehr große Bandbreite an Aufgaben wahrnehmen und in vielen dieser Bereiche das militärische und sicherheitspolitische „Non-plus-Ultra“ darstellen. Um diese Fähigkeiten optimal darstellen zu können, müssen aber einige Anpassungen, insbesondere bei der Ausstattung und Einsatzdoktrin, vorgenommen werden, da sich die Einsatz- und Bedrohungslage kontinuierlich ändert.
Ein wichtiges Einsatzgebiet für Träger der US-Navy ist der Westpazifik. Herauszustellen ist dort natürlich die Rolle der Volksrepublik China. Insbesondere die aktuellen militärischen Bemühungen von Seiten Chinas sind geeignet, die Operationen von US-Flugzeugträgern im westlichen Pazifik stärkeren Risiken auszusetzen. Eine strategische Herausforderung ist dabei vor allem die Entwicklung von weitreichenden ballistischen Raketen, die als „Carrier Killer“ durch ihre Flugbahn und Geschwindigkeit in der Lage sein sollen, den Schutzschirm eines Trägerverbandes zu durchbrechen und den Träger durch einen gezielten Treffer schwer zu beschädigen oder zu versenken. Das Ziel dieser „A2/AD“-Strategie (Anti-Access/Area-Denial) ist es, ein bestimmtes Gebiet einer derartigen Bedrohung auszusetzen, dass es als Operationsgebiet für den Gegner prinzipiell nicht in Frage kommt oder ihn nicht tragbaren Risiken aussetzt.
Inwiefern ABM-Maßnahmen eine erfolgversprechende Verteidigung gegen diese Form der Bedrohung darstellen können, wird sich erst im Laufe der Zeit und Entwicklung dieser Systeme zeigen. Auf der anderen Seite wird es aber für chinesische Entwickler notwendig sein, entsprechende Aufklärungs- und Zielerfassungssysteme zu verwirklichen, die in der Lage sind, eine Trägergruppe zuverlässig zu detektieren und zu verfolgen. Es wäre aber töricht, aufgrund dieser geografisch bzw. politisch eingrenzbaren Bedrohung (es dreht sich hier schließlich ausschließlich um einen möglichen Konflikt mit der Volksrepublik China) das Ende der Flugzeugträgerwaffe postulieren zu wollen.
Aufgrund der notwendigen Bewegungsfreiheit einer Trägergruppe, die Platz zum Manövrieren (insbesondere für Flugoperationen) benötigt, sind Randmeerlagen und eng umschlossene Seegebiete wie beispielsweise Persischer Golf, Ostsee oder Schwarzes Meer keine geeigneten Operationsgebiete. Insbesondere die dort üblichen kurzen Distanzen zwischen Küste und potenziellem Operationsgebiet erleichtern das Aufspüren der großen Trägergruppe und machen sie gegenüber überraschend auftretenden Gegnern verwundbar. Der dort ebenfalls zahlreich vorhandene zivile Schiffsverkehr erschwert zusätzlich die Unterscheidung zwischen „Freund“ und Feind“ und verkürzt die möglichen Reaktionszeiten gegen feindliche Aktionen. Es ist daher davon auszugehen, dass Flugzeugträgeroperationen nur in angrenzenden Seegebieten mit größerem Bewegungsspielraum stattfinden werden, was natürlich eine entsprechende Fähigkeit zu weitreichenden Operationen erfordert; dazu im nächsten Abschnitt mehr.
Eine tatsächlich relativ weit verbreitete Bedrohung sind konventionelle U‑Boote. Die Zahl an Booten dieses Typs hat global zugenommen, und in nicht wenigen Fällen sind sie konkrete Antwort auf eine Flugzeugträgerrüstung in der Region (insbesondere die chinesische Trägerrüstung hat zahlreiche U‑Boot-Beschaffungen bzw. Projektierungen in Asien zur Folge gehabt, wie z.B. in Vietnam, Singapur, Australien, Indonesien). Diese Waffen sind gegen einen im weiten Ozean und mit hoher Geschwindigkeit operierenden Trägerverband nur eine geringe Gefahr, aber ideal in der Defensivrolle, wenn sie lautlos im Küstenvorfeld oder an „Choke Points“, quasi als mobiles und intelligentes „Minenfeld“, ein Seegebiet sperren.
Gerade auf diesem Gebiet hat die US-Navy aber in den vergangenen Jahren das Problem durch eigene Untätigkeit verstärkt. Lange Zeit war die U‑Jagd eines ihrer Standbeine; insbesondere während der Blockkonfrontation, als die atlantischen Seewege zwischen Nordamerika und Europa durch die sowjetische U‑Boot-Waffe bedroht wurde. Mit dem Zerfall des Ostblocks und der – im wahrsten Sinne des Wortes – „Erosion“ der russischen U‑Boot-Waffe zur Jahrtausendwende verlor auch die U‑Jagd in der US-Navy ihre Bedeutung, mit der Folge, dass Kompetenz und Material abgebaut wurden. Insbesondere die Außerdienststellung der S‑3 Viking U‑Jagd-Flugzeuge im Jahr 2009 hat dabei die Fähigkeit, weit entfernt von der Trägergruppe eigenständig U‑Jagd zu betreiben, stark reduziert. Die jetzige luftgestützte U‑Jagd muss entweder von unterstützenden Maschinen von Landbasen aus erfolgen oder durch Bordhubschrauber, die bekanntlich eine geringere Geschwindigkeit und Reichweite haben.
Nach einigen „peinlichen“ Trainingsvorfällen mit konventionellen U‑Booten (man erinnere sich beispielsweise an das Bild der USS „Enterprise“, die aus nächster Nähe von einem deutschen U‑Boot der Klasse 206A durchs Sehrohr fotografiert worden war) hat die US-Navy im Bereich der Ausbildung reagiert. Inzwischen werden regelmäßig verbündete Marinen eingeladen, die mit einem konventionellen U‑Boot in Manövern gegen US-Trägerverbände fahren und so diese Fähigkeit der US-Navy, die während des Kalten Krieges wesentliches Element der amerikanischen Seekriegsführung war, wieder zu einem belastbaren Mittel machen reaktivieren sollen.
Anpassung an neue Herausforderungen
Die aktuelle und zukünftige Bedrohungslage in den Randmeerlagen sowie die A2/AD-Kapazitäten der chinesischen Volksbefreiungsmarine werden eine Kernfähigkeit des Flugzeugträgers noch stärker fordern: Er muss außerhalb der Reichweite der gegnerischen Systeme bleiben und seine fliegenden Systeme über große Distanzen einsetzen können. Idealerweise entzieht er sich der Detektion des Gegners beziehungsweise schaltet seine Offensivkapazitäten frühzeitig aus.
Eine mögliche Antwort ist die Stationierung unbemannter Kampfflugzeuge an Bord von Flugzeugträgern. Die X‑47B Kampfdrohne hat während der Erprobung der US-Navy bereits demonstriert, dass sie zur Betankung in der Luft sowie Start und Landung auf einem Flugzeugträger fähig ist. Die Weiterentwicklung dieses Systems zur Serienreife würde die derzeit bestehende und auch nach der Einführung der F‑35C andauernde Reichweitenlücke schließen. Sie wären sogar teilweise in der Lage, längere Zeit über potenziellen Zielen zu kreisen. Zusammen mit einer entsprechenden Aufklärungs- und Überwachungskapazität könnten so reaktionsschnell Ziele attackiert werden, ohne den Träger allzu stark zu exponieren.
Eine weitere Reaktionsmöglichkeit wäre die Stationierung von Anti-Satelliten-Systemen an Bord des Flugzeugträgers oder Eskorteinheiten seiner Kampfgruppe, um gegnerische Aufklärungs- und Überwachungssatelliten eigenständig und kurzfristig ausschalten zu können und so dem Gegner die Erkundung der Position und Absicht des Verbandes zu verwehren. Dies könnten beispielsweise (derzeit noch in der Entwicklung befindliche) blendende Lasersysteme sein; kinetische Wirkmittel, die den Satelliten im Weltraum treffen und zerstören, wären dagegen nicht geeignet, da die durch einen Treffer entstehende Trümmerwolke bereits kurzfristig auch eigene Satellitensysteme beschädigen könnte – mit der Folge eines Kaskadeneffekts.
Derzeit noch in der Entwicklung befindliche Systeme wie beispielsweise Über- und Unterwasserdrohnen werden Operationen in begrenzten Gewässern zukünftig noch stärker erschweren. Es ist zu erwarten, dass durch Drohnen und durch sie verbrachte Sensoren eine verbesserte Aufklärung erfolgt. Mobile Relaisstationen leiten die Aufklärungsdaten weiter, und der Gegner kann frühzeitig reagieren. Die darauf folgenden Sättigungsattacken durch Schwärme von unbemannten Systemen sowie ballistischen Raketen werden zukünftig eine große Herausforderung darstellen. Die Verteidigung einer Trägergruppe muss in diesem Falle zum einen darin bestehen, sich möglichst lange einer Detektion zu entziehen und bereits frühzeitig die gegnerischen Sensoren und Waffensysteme zu neutralisieren. Hier ist neben umfassenden Aufklärungsmöglichkeiten die bereits angesprochene Reichweite der Bordgeschwader sowie gegebenenfalls der Marschflugkörperbewaffnung der Begleiteinheiten ein Schlüssel zum Erfolg.
Zum anderen ist zukünftig in der direkten Verteidigung gegen im Angriff befindliche Schwärme ein effektiver und vor allem durchhaltefähiger Waffeneinsatz notwendig – es müssen also entsprechend zahlreiche Abwehrsysteme und Munitionsvorräte vorhanden sein. Angesichts der aktuellen Entwicklung, dass zahlreiche Systeme, insbesondere aber auch Effektoren, zwar qualitativ immer hochwertiger, damit aber auch exorbitant teurer werden, muss hier ggf. ein Umdenken stattfinden. Bei Beibehaltung des aktuellen Trends der teuren, aber wenigen Waffensysteme kann es sonst passieren, dass keine nachhaltigen Munitionsvorräte mehr an Bord sind und eine Sättigungsattacke des Gegners mit „billigen“ Mitteln zu schweren Verlusten und damit zum Erfolg führt.
Die bereits angesprochene stärkere Verbreitung von U‑Booten (und ggf. zukünftig auch unbemannten Unterwasserfahrzeugen mit Offensivmitteln an Bord) wird eine Verstärkung der U‑Jagd-Kapazitäten notwendig machen. Tatsächlich hatte die US-Navy Pläne, Kipprotorflugzeuge des Typs V‑22 Osprey nicht nur für Transportaufgaben, sondern auch als U‑Jäger einzusetzen. Diese Pläne ruhen aber derzeit, und es ist nicht abzusehen, ob und wann sie jemals realisiert werden sollen. Auf diesem Gebiet besteht allerdings dringender Handlungsbedarf, auch um einer möglichen zukünftigen Bedrohung durch unbemannte Unterwassersysteme begegnen zu können.
Ein derzeit noch gar nicht absehbares Feld stellt die Bedrohung durch „Cybermaßnahmen“ dar. Zunehmend vernetzte Systeme bieten auch vermehrt Einfallstore für Schadsoftware, ein Systemausfall hat in einem Netzwerk auch stärkere Konsequenzen als in einem Einzelsystem. Dabei müssen entsprechende „Angriffe“ gar nicht mal zu einem kompletten Systemausfall führen, um Erfolg zu haben. Es würde reichen, wenn ein eingeschmuggeltes Programm kurzfristig das AIS-System des Trägers dazu bringt, unverschlüsselt die Position zu versenden. Damit wäre ein wesentliches Aufklärungsziel erreicht, und gegnerische Maßnahmen könnten ergriffen werden. Auch der Trend, sich von automatisierten Systemen oder bestimmten Netzwerken und Systemen abhängig zu machen, bspw. GPS, Kommunikations- oder Logistiknetzwerken, eröffnet einem Gegner auf diesem Feld neue und möglicherweise sehr effektive Optionen, Operationen nachhaltig zu stören.
Die technischen und politischen Entwicklungen in der Marinekriegsführung sind einem stetigen und augenscheinlich immer schnelleren Wandel ausgesetzt. Die zukünftige Bedeutung und Rolle der Flugzeugträger steht und fällt mit ihrer Anpassungsfähigkeit an die neuen Bedrohungen und Herausforderungen. In den vergangenen Dekaden haben die Träger der US-Navy bereits ihre Wandlungsfähigkeit sowie eine große Bandbreite an Fähigkeiten bewiesen – mit diesen Eigenschaften werden sie auch zukünftig das stärkste Seekriegsmittel darstellen.