Eine Ära geht zu Ende — 60 Jahre Schnellboote

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.

Marineforum

00-header

Vizead­mi­ral a.D. Hans Frank war in unter­schiedlich­sten Ver­wen­dun­gen vom I. Wachof­fizier bis zum Kom­man­deur der Schnell­boot­flot­tille bei den Schnell­booten einge­set­zt. In sein­er Let­zten Ver­wen­dung war er Stel­lvertreter des Gen­er­alin­spek­teurs der Bun­deswehr in Bonn, gle­ichzeit­ig Inspek­teur der Zen­tralen Mil­itärischen Dien­st­stellen (ZMilDBw) und Beauf­tragter für Reservis­te­nan­gele­gen­heit­en der Bundeswehr.

Vorbe­merkung: mehr his­torische Fotos aus der Samm­lung des DMI in der gedruck­ten Aus­gabe  dieses Heftes

S‑Boote spiel­ten bere­its bei den Über­legun­gen zur Wieder­be­waffnung der Bun­desre­pub­lik eine wichtige Rolle, so forderte die NATO schon 1955 40 Boote für die Ostsee.

Am 29. Juni 1956 wur­den in Kiel die ersten drei STUR­M­MÖWE-Boote für das Schnell­boot- Lehrgeschwad­er in Dienst gestellt. Allerd­ings waren die Boote bere­its unter britis­ch­er Flagge gefahren und hat­ten unter Kptlt. a.D. H.H. Klose Aufk­lärung in der Ost­see betrieben. Wenig später fol­gten für das jet­zt soge­nan­nte 1. Schnell­boot­geschwad­er (1. SG) zwei weit­ere Boote des gle­ichen Typs, die für den Gren­zschutz gebaut wor­den waren. Das war der Anfang.

Der 'Tiger'-Sprung vor Tyborön
Der ‘Tiger’-Sprung vor Tyborön

Dann liefen ab Mitte 1957 die ersten neuen Boote der JAGUAR-Klasse zu. Jew­eils 10 Boote mit einem Ten­der wur­den dem 3. und 5. SG zugeteilt. Die bau­gle­ichen, aber mit anderen Motoren aus­ges­tat­teten SEEADLER-Boote gin­gen zum 2. SG und 10 Boote der ZOBEL-Klasse, leicht mod­i­fiziert mit verän­dert­er Brücke und ABC-Schutz, bilde­ten das 7. SG, während das 1. SG außer Dienst gestellt wurde. Inner­halb von sechs Jahren waren damit die geforderten 40 S‑Boote einsatzbereit.

Ihr Auf­trag sollte bis zum Ende des Kalten Krieges unverän­dert bleiben: Abwehr von Lan­dun­gen des Warschauer Pak­tes in dem Rück­en der europäis­chen Vertei­di­gung und Ver­hin­derung des Auf­brechens der Ostseeausgänge.

Das war in den ersten Jahren nicht ein­fach, denn die Boote waren nur mit dem ver­al­teten Tor­pe­do G7a aus­gerüstet. Massenein­sätze von Tor­pe­dos, koor­diniert mit der Tor­pe­do-Tak­tis­chen-Rechen­scheibe, soll­ten Erfolge brin­gen. Erst die Ein­führung des draht­ge­lenk­ten Tor­pe­dos auf den mod­i­fizierten ZOBEL-Booten erlaubte tak­tis­che Ansätze außer­halb der geg­ner­ischen Artilleriereichweite.

Ab 1972 liefen die Boote der TIGER-Klasse zu, zuerst für das 3. SG und ab 1974 für das 5. SG. Mit diesen jet­zt Flugkör­pern tra­gen­den Booten erweit­erten sich die tak­tis­chen Möglichkeit­en. Zusam­men mit den ab 1976 zulaufend­en Booten der ALBA­TROS-Klasse und ab 1982 denen der GEPARD-Klasse, deren automa­tisiertem Gefechts- und Infor­ma­tion­ssys­tem (AGIS), dem Datenüber­tra­gungssys­tem Link 11, der Kom­bi­na­tion von Flugkör­pern und draht­ge­lenk­ten Tor­pe­dos bzw. Minen, verbessert­er Flu­gab­wehr sowie Anla­gen zur elek­tro­n­is­chen Kampf­führung war die Möglichkeit gegeben, auch auf dem Gefechts­feld Ost­see wieder tak­tisch offen­siv zu operieren.

Schnellboot-Fahren ...
Schnell­boot-Fahren …

Die Auflö­sung des Ost-West-Kon­flik­tes und die deutsche Vere­ini­gung bewirk­ten auch Verän­derun­gen für die Schnell­bootswaffe. Im Okto­ber 1994 bezog die Flot­tille den neuen Stützpunkt Warnemünde. Einen Monat später fol­gte das 2. SG und im Dezem­ber 1995 das 7. SG.

Dann fol­gte die Reduzierung der Bun­deswehr, zuerst auf 370.000 dann auf 340.000 Mann und es ging weit­er abwärts. Auch die Schnell­boote zahlten ihren Trib­ut. 1998 stellte das 3. und 2002 das 5. SG außer Dienst. 2006 traf es dann das 2. SG, gle­ichzeit­ig wurde nach fast 50 Jahren die Schnell­boots­flot­tille zusam­men mit den anderen Boots­flot­tillen aufgelöst.

Aber nicht nur Stan­dortverän­derun­gen und Reduzierun­gen waren mit dem Ende des Kalten Krieges ver­bun­den – auch das Ein­satzpro­fil änderte sich. 2002 über­nah­men S‑Boote und Ten­der für sechs Monate zusam­men mit Ein­heit­en ander­er Län­der die Kon­trolle des Seege­bi­etes am Horn von Afri­ka gegen dort operierende Pirat­en. Von Okto­ber 2003 bis Mai 2004 waren Boote in der Straße von Gibral­tar einge­set­zt, um den inter­na­tionalen Schiffsverkehr gegen ter­ror­is­tis­che Angriffe zu schützen. Im Okto­ber 2006 begann der mar­itime Anteil von UNIFIL mit der Überwachung des Seev­erkehrs vor dem Libanon. Bis 2016 soll­ten Boote des 7. SG hier, abwech­sel­nd mit anderen Ein­heit­en, unter der Flagge der Vere­in­ten Natio­nen einge­set­zt sein.

Jet­zt ist auch dieser Ein­satz been­det und für das 7. SG mit seinen noch verbliebe­nen Booten heißt es am 16. Novem­ber 2016 endgültig „Hol nieder Flagge und Wim­pel“. Dann wer­den nur noch die Mil­itärgeschichtliche Samm­lung in Warnemünde sowie S 71 „Gepard“ im Deutschen Marine­mu­se­um in Wil­helmshaven Zeug­nis able­gen von 60 Jahren deutsch­er Schnellboote.

die 143er verabschieden sich - und werden verabschiedet
die 143er ver­ab­schieden sich — und wer­den verabschiedet