Für das Abfangen von verdächtigen Kontakten auf See stehen ständig Einheiten der libanesischen Marine in Bereitschaft, die so genannten Quick Reaction Units. Diese sind allerdings aufgrund ihrer geringen Größe bei höherem Seegang stark eingeschränkt. Damit ist ein Abfangen von Waffenschmugglern in See, vor allem bei den im Winter vorherrschenden Bedingungen, zeitweise nur schlecht möglich.
Diese Fähigkeitslücke wird zurzeit durch die Einheiten der Maritime Task Force geschlossen. Ob und wann diese Lücke durch die libanesische Marine ausgefüllt werden kann, ist unklar. Es gibt aktuelle Planungen zur Übernahme neuer Einheiten, die von den Vereinigten Staaten von Amerika finanziert und gebaut werden. Die erste Einheit ist für Anfang 2012 avisiert. Ob weitere Einheiten geliefert werden, ist noch ungewiss. Aus eigenen Ressourcen wird die libanesische Marine zurzeit dagegen nur unzureichend alimentiert. Der Schwerpunkt der libanesischen Streitkräfte liegt ganz eindeutig im Bereich der Landstreitkräfte. Da seit Kurzem aber offenbar große Rohstoffvorkommen im Bereich des östlichen Mittelmeeres, auch vor der libanesischen Küste, vermutet werden, kann der notwendige Schutz eigener Ressourcen in der ausschließlichen Wirtschaftszone zukünftig aber durchaus ein Umdenken bewirken.
Mit Blick auf die für uns maßgebliche Erfüllung der UN-Resolution 1701 und den Auftrag, Waffenschmuggel in den Libanon zu verhindern, ist die zurzeit noch vorhandene Lücke nur von sekundärer Bedeutung. Denn durch eine frühzeitige Entdeckung von Fahrzeugen auf See durch die Küstenradarstationen kann die Heranführung von Kräften an Land oder aus der Luft in eine etwaige Anlandezone ermöglicht werden. Ein potenzieller Waffenschmuggel ist auch so zu unterbinden. Eine dauerhafte Präsenz in den Küstengewässern übersteigt die Ressourcen der libanesischen Marine zum jetzigen Zeitpunkt und wohl auch zukünftig bei Weitem und ist zur Erfüllung der UN-Resolution auch nicht notwendig.
Durchhaltefähigkeit und Nachhaltigkeit
Der Auftrag kann demnach schon jetzt durch die libanesische Marine zumindest größtenteils erfüllt werden. Aber ist die jetzige Organisation auch durchhaltefähig? Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, neben einer dem Auftrag angemessenen materiellen Ausstattung, gut ausgebildetes Personal auf allen Ebenen.
Der Ausbildungsstand variiert in den unterschiedlichen Dienstgradgruppen und Bereichen erheblich. Die Offiziere sind meist im westlichen Ausland ausgebildet worden. Ihr Ausbildungsstand ist, genau wie Sprachkenntnisse, hervorragend. Damit verfügt die libanesische Marine über das Potenzial, eigenständig eine nachhaltige Ausbildungsstruktur zu schaffen. Noch sind diese Offiziere aber häufig in vielen Nebenaufgaben gebunden.
Auch die Ausbildungslandschaft ist mit der in Deutschland nicht vergleichbar. Die einzige maritime Schule, die Jounieh Naval School nahe Beirut, verfügte in der Vergangenheit nicht über einen festen Lehrkörper. Die Unterrichte wurden durch diejenigen Offiziere aus den Streitkräften durchgeführt, die gerade zur Verfügung standen. So konnte es durchaus vorkommen, dass jeden Tag ein neuer Ausbilder im gleichen Fach vor den Kadetten und Unteroffizieranwärtern stand. Dass in einer solchen Situation eine stringente Erziehung und Ausbildung des Personals nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Das Ergebnis ist, dass der Ausbildungsstand des Unteroffizierkorps im Durchschnitt bei Weitem nicht dem der Offiziere entspricht. Es gibt eine Spitzengruppe von hervorragenden Unteroffizieren, auf die jede Marine stolz wäre.
Aber es gibt eben auch diejenigen, und das ist die Mehrzahl, die deutlich mehr und bessere Ausbildung und einer stärkeren Dienstaufsicht bedürfen. Dies führt dazu, dass die Offiziere, genau wie die starken PUO und Unteroffiziere, immer mehr Aufgaben an sich heranziehen. Diese starke Gruppe wird immer mehr belastet, am Ende über- lastet. Zeit für Ausbildung und Dienstaufsicht bleibt auf der Strecke. Die Situation hat sich über die letzten Jahre verfestigt. Zudem war in der Vergangenheit das »on the job training« an Bord in den Küstenradarstationen üblich, auch aufgrund der Rahmenbedingungen an der Schule.
Insgesamt eine Situation, die nachhaltige Ausbildung durch libanesisches Personal nicht beförderte. Eine langfristige Nachhaltigkeit kann nur erzielt werden, wenn Wissen und Engagement auf eine breite Basis gestellt werden. Dazu ist es notwendig, durch Ausbildung und Erziehung ein einheitliches Niveau herzustellen. Um dieses zu verändern, wird die Ausbildung jetzt verstärkt zentralisiert. Dies ist keine neue Idee, aber dieses Projekt hat in den vergangenen Monaten signifikant Fahrt aufgenommen.
Zentralisierte Ausbildung
Click to enlarge |
Im Rahmen der »Flagtalks« zwischen dem Befehlshaber der libanesischen Marine und dem UN-Marinebefehlshaber wurde Einigung erzielt, eine Roadmap Ausbildung zu entwickeln. Diese Roadmap hat das Ziel, die notwendigen Meilensteine zu identifizieren, um die libanesische Marine in die Lage zu versetzen, ab Juli 2012 eigenständig eine nachhaltige Ausbildung betreiben zu können. Der UN-Marineverband, und hier nahezu ausschließlich deutsche Offiziere und Unteroffiziere, unterstützen die Entwicklung und Umsetzung des Vorhabens im Rahmen eines Programms »Train the Trainers«. Einerseits werden hierbei zukünftige Ausbilder ausgebildet, anderseits wird mit Know-How der Offiziere die Entwicklung von Lehrgängen angegangen.
Der erste Kurs für gerade aus der Grundausbildung kommendes Personal für die Küstenradarstationen wurde im Oktober durchgeführt. Dies hat es bisher so nicht gegeben. Im Vorfeld hat die libanesische Marine einen Offizier fest an die Schule versetzt, der die Lehrgänge plant und mit beigestelltem Personal durchführt. Weitere Lehrgänge sind für die nächste Zukunft fest eingeplant.
Ebenfalls wird die Besatzungsausbildung nun zentralisiert angegangen. Die Schwerpunkte dieser Ausbildung liegen in den Bereichen Signalkunde, Sprechfunkverfahren und Seemannschaft. Die Ausbildungsinhalte sind vor allem von der libanesischen Marine entwickelt worden. Wir unterstützen hier, gleichwohl lässt sich die Ausbildung in diesem Bereich nur schwer aus den Erfordernissen der UN-Resolution ableiten. Insofern bilden wir hier bereits wünschenswerte, aber sicher nicht mehr notwendige, Inhalte aus.
Fazit
Auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass unser Beitrag zur UN-Mission UNIFIL auf der Stelle tritt. In der Langzeitbetrachtung ist aber festzustellen, dass ein langer Weg in die richtige Richtung zurückgelegt wurde. Gerade in den letzten Monaten ist beachtliche Fahrt aufgenommen worden. Die Fähigkeiten der libanesischen Marine waren, vor allem qualitativ, nie so umfangreich wie heute. Auch hinsichtlich der Ausbildung der libanesischen Kräfte ist Beachtliches durch die libanesische Marine, mit Unterstützung des UN-Marineverbandes, geleistet worden. Die Zielsetzung, Mitte 2012 die Ausbildungslandschaft in der libanesischen Marine so gestaltet zu haben, dass sie durchhaltefähig ist, ist realistisch.
Jetzt kommt es vor allem darauf an, das Moment aufrechtzuerhalten. Der operativ richtige Weg zu einem verantwortungsvollen Ausstieg aus dem Einsatzgebiet wurde früh richtig erkannt. Aber dieser brauchte Zeit und war nicht frei von Rückschlägen. Die große Beharrlichkeit aller handelnden Personen und Institutionen hat sich ausgezahlt.
Ob und wann das Engagement beendet wird, ist aber letztendlich eine politische Frage. Denn ganz sicher ist die internationale Präsenz ein Wert an sich als neutrale Kraft in dieser hochsensiblen Region. Dies wird bei jeder Entscheidung selbstverständlich ebenfalls zu berücksichtigen sein. Die Rohstofffunde in dieser Region haben die Situation jedenfalls politisch nicht einfacher gemacht.
Zum Autor
Lars Schümann ist Kommandeur 1. Korvettengeschwader und war vom 03.08. bis 03.11.2011 CTG 500.03 (national) und CTG 448.03 (UN) UNIFIL