Thorsten Kähler
Die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sich derzeit an drei durch den Deutschen Bundestag mandatierten Einsätzen im Mittelmeer. Darüber hinaus unterstützen deutsche Marineschiffe auf Grundlage eines Beschlusses des NATO-Rates Griechenland und die Türkei im Rahmen der Teilnahme an den Ständigen Einsatzverbänden der NATO in der Bewältigung der Flüchtlingskrise in der Ägäis. Derzeit hat die Deutsche Marine zwei Fregatten und eine Korvette mit rund 450 Soldatinnen und Soldaten im Mittelmeer im Einsatz. Hierzu kommen ein Logistikkontingent auf Zypern und Stabsoffiziere im UNIFIL Hauptquartier im Libanon. Soweit die Faktenlage.
Was ist nun das spezifische Interesse am Mittelmeer? Haben wir vor unserer eigenen Haustür, insbesondere in der Ostsee, nicht schon genügend Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung, die unsere ungeteilte Aufmerksamkeit erfordern? An dieser Stelle lohnt es sich, von Europa nach außen zu blicken. Wir stellen fest, dass wir an drei Seiten von Wasser umgeben sind. Die See bietet uns Schutz und zugleich Gestaltungsoptionen zur Umsetzung unserer nationalen Interessen.
Dieser Artikel wird mit freundlicher Genehmigung der „MarineForum – Zeitschrift für maritime Fragen“ veröffentlicht.
Deutschland ist Produzent von Hochtechnologieerzeugnissen. Unsere Produkte verkaufen wir mit großem Erfolg in alle Welt. Um erfolgreichen Handel betreiben zu können, bedarf es sicherer Handelswege. Durch das Mittelmeer verläuft eine bedeutende Achse des weltweiten Handels. Zugleich ist das Mittelmeer die Seegrenze zum afrikanischen Kontinent und zum Krisenbogen vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer. Unkontrollierte Massenmigration, länderübergreifende organisierte Kriminalität, Terrorismus sind Entwicklungen, die auch Deutschland betreffen und auf die wir reagieren müssen.
Deutschland ist Mitglied der NATO, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen. Es existiert eine internationale Erwartungshaltung, dass Deutschland sich neben dem Beitrag zur Landes- und Bündnisverteidigung militärisch auch zur Bewahrung von Frieden, Sicherheit und Stabilität engagieren muss. Ein Deutschland ausschließlich als nichtmilitärische Friedensmacht würde außerhalb unserer Landesgrenzen auf Unverständnis und Ablehnung stoßen. Allerdings sind wir als souveräne Nation frei zu entscheiden, an welchen multinationalen Missionen wir uns beteiligen wollen.
Deutsche maritime Präsenz im Mittelmeer hat es schon während des ersten Golf- Krieges, des Zerfalls des Vielvölkerstaates Jugoslawien und als Folge der Terroranschläge vom September 2001 gegeben. Sie setzt sich mit den aktuellen Einsätzen und Operationen fort, deren Rational nachfolgend kurz beschrieben werden soll.
Unser langjähriges Engagement vor der Küste des Libanon im Rahmen der Operation UNIFIL (United Nations Interim Forces In Lebanon) der Vereinten Nationen hat den Seegrenzen des Landes eine stabile Sicherheitslage in einer instabilen Region gebracht. Durch Unterstützung der libanesischen Streitkräfte mit Ausrüstung und Ausbildung soll das Land langfristig in die Lage versetzt werden, seine Seegrenzen selbst zu schützen. Die Deutsche Marine ist hieran maßgeblich beteiligt.
Nach dem Untergang eines Flüchtlingsschiffes mit mehr als 500 Toten zwischen Tunesien und Sizilien am 19. April 2015 hat die deutsche Politik ein Zeichen humanitärer Hilfe gesetzt. Der auf dem Rückweg von einer Umrundung Afrikas befindliche Einsatzausbildungsverband der Marine wurde beschleunigt in das Seegebiet vor Libyen und Tunesien beordert. Auftrag: In Seenot geratene Flüchtlinge vor dem Tod zu bewahren. Aus der humanitären Hilfe ist die „Operation Sophia“ der Europäischen Union mit einem wesentlich erweiterten Aufgabenspektrum geworden. Inzwischen geht es um weit mehr als humanitäre Hilfe. Es geht um die Bekämpfung der Schleuserkriminalität auf Hoher See, die Unterbindung von Waffenschmuggel bis hin zur Ausbildung der libyschen Küstenwache.
Keine Aufgabe deutscher Marinestreitkräfte ist es, Flucht und unkontrollierte Migration zu verhindern. Deren Ursachen kann nur durch Schaffung akzeptabler Lebensumstände in den Heimatländern begegnet werden.
Die Präsenz von Schiffen einer Ständigen Einsatzgruppe der NATO in der Ägäis, um die Einhaltung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei an der Nahstelle zwischen der griechischen Inselwelt und dem türkischen Festland zu unterstützen, ist politisch hoch priorisiert. Auch hier sind Schiffe der Deutschen Marine im Einsatz.
Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage liegt also auf der Hand. Es sind nüchterne politische und sicherheitspolitische Überlegungen, die unsere maritime Präsenz im Mittelmeer begründen. Unser Engagement mit Verbündeten und Partnern unter dem Kommando der NATO, der Europäischen Union und der Vereinten Nationen ist sichtbares Zeichen eines gemeinsamen Beitrages für die Sicherheit in der Region und für Europa. Es dient damit unseren nationalen Interessen. Natürlich vergessen wir darüber nicht unsere Verpflichtungen im Norden und in der Ostsee. Der Neubau von fünf für die Randmeerkriegsführung optimierten Korvetten setzt ein deutliches Zeichen.