Das neue geopolitische Schachbrett — Die Arktis

Von Jörg-Diet­rich Nackmayr

Als eine wesentliche Folge des Kli­mawan­dels schmilzt das Eis der Nord­hal­bkugel ras­ant. In nur 2 Jahrzehn­ten wird das ark­tis­che Nord­meer in den Som­mer­monat­en kom­plett eis­frei sein. Ein neuer Ozean ist dann schiff­bar, halb so groß wie Afri­ka und direkt in Europas Nach­barschaft. Dies verkürzt die Han­del­swege zwis­chen Asien und Europa bzw. Nor­dameri­ka drastisch. Dort lagern bis zu 30% der bish­er noch nicht geförderten, weltweit­en Gas­re­ser­ven, 16% des weltweit­en Öls sowie riesige Vorkom­men min­er­alis­ch­er Ressourcen. Hier siedeln bish­er nur sehr wenige Men­schen und suchen die anges­tammten indi­ge­nen Bevölkerun­gen Wege in die staatliche Unab­hängigkeit, ins­beson­dere in Grön­land. Im Hohen Nor­den sind nicht alle Gren­zlin­ien ein­vernehm­lich gezo­gen. Immer noch har­ren Gebi­et­sansprüche ein­er abschliessenden Klärung, auch wenn die Anrain­er öffentlich das Gegen­teil behaupt

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en. Die Kon­trolle des Nord­pols ist nur die Spitze des Eis­bergs, um im Bild der Ark­tis zu bleiben. Dies ist ggw. der größte offene Dis­put nördlich von 66 Grad. Kana­da, Däne­mark und Rus­s­land haben jew­eils Ansprüche angemeldet. Und das ist nicht die einzige offene Ter­ri­to­ri­al­frage. Da sind die unentsch­iedene Sou­veränität der Hans Insel in der Nord West Pas­sage, oder das im Spitzber­gen Ver­trag von 1920 zu Mißver­ständ­nis­sen ein­ladende Regime auf dieser großen Insel­gruppe auf 77° 50‘ N / 19°, 50‘ O. Das andauernde diplo­ma­tis­che Fin­ger­hakeln zwis­chen Rus­s­land und

Nor­we­gen spricht Bände. Darunter fällt auch die anläßlich des diesjähri­gen SAPAT Manövers geübte Beset­zung Spitzber­gens, die von nor­wegis­chen Medi­en berichtet wurde.

Dieser Artikel wird mit fre­undlich­er Genehmi­gung der „Marine­Fo­rum – Zeitschrift für mar­itime Fra­gen“ veröf­fentlicht.
Marineforum

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Bish­er ist die Ark­tis ein Raum des Friedens und der Koop­er­a­tion. Was aber passiert, wenn die auf Schieds­gerichtsver­fahren und Kon­sens­find­ung aus­gelegte ark­tis­che Kon­flik­tlö­sungsar­chitek­tur eines Tages nicht mehr funk­tion­ieren sollte? Mit dem 1996 gegrün­de­ten Ark­tis­chen Rat, in dem die acht Ark­ti­san­rain­er ihre Inter­essen regeln, gibt es ein poli­tis­ches Instru­ment. Einen echt­en Kon­flikt musste dieses Gremi­un bish­er nicht schlicht­en. Insofern muss die Frage gestellt wer­den, ob es auch für solche Her­aus­forderun­gen adäquat aufgestellt ist. Neben den acht Ark­ti­san­rain­ern und der indi­ge­nen Bevölkerung drän­gen weit­ere Beobachter in den Ark­tis­chen Rat. Zwar müssen diese vor ihrer Auf­nahme die Alleinzuständigkeit der Anrain­er anerken­nen, aber schon hört man ins­beson­dere aus Chi­na unver­hohlen Kri­tik an dieser Regelung. Das Reich der Mitte argu­men­tiert, ein für die gesamte Men­schheit so wichtiges Gebi­et („glob­al com­mons“) wie die Ark­tis könne nicht nur von den Anrain­ern Dank auss­chließlich­er Nutzungsrechte aus­ge­beutet wer­den, son­dern müsse allen Men­schen gle­icher­maßen offen stehen.

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Während auf der einen Seite die in der Ark­tis präsen­ten Natio­nen eine beispiel­hafte Forschungsko­op­er­a­tion entwick­elt haben, wobei Deutsch­land mit dem Alfred Weg­n­er Insti­tut, 1100 Mitar­beit­ern und 128 Mio. Euro Jahre­se­tat das größte Ark­t­is­forschungsro­gramm der Welt betreibt, set­zt gle­ichzeit­ig aber kaum bemerkt von der Öffentlichkeit und von vie­len Regierun­gen eine Remil­i­tarisierung der Ark­tis ein. Rus­s­land hat in den ver­gan­genen Jahren neben einem ark­tis­chen Kom­man­do diverse Flughäfen und Ver­sorgungssta­tio­nen wieder­eröffnet. Die Rote Armee übt mit­tler­weile regelmäßig kom­plexe mil­itärische Szenar­ien auf Korpsebene. Und der West­en schaut noch nicht ein­mal genauer hin, wohl auch man­gels eigen­er Ressourcen und Fähigkeiten.
Es ist also ange­bracht, Fra­gen zur Sicher­heit­sar­chitek­tur in der Ark­tis zu stellen. Deshalb ist der Münch­n­er Sicher­heit­skon­ferenz dafür zu danken, dem The­ma Arc­tic Secu­ri­ty in einem Round­table während der Münch­n­er Sicher­heit­skon­ferenz im Feb­ru­ar 2017 weltweite Aufmerk­samkeit ver­schafft zu haben. An diesem Round­table nah­men drei Flag­gof­fiziere sowie der Autor in deutsch­er Marine­u­ni­form teil und doku­men­tierten damit, dass auch hierzu­lande ein gesteigertes Inter­esse an der Ark­tis beste­ht, das spätestens seit der Historisch-Taktischen

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Tagung der Marine 2016 offen­sichtlich ist, die unter dem sprechen­den Leit­the­ma, „Kalt, aber heiss, die Nord­flanke“ stand. Wenige Monate später wur­den die aktuellen sicher­heit­spoli­tis­chen Entwick­lun­gen im Hohen Nor­den auch auf der Kiel Con­fer­ence 2016 unter dem The­ma „Cool Dis­pas­sion or Hot-But­ton Top­ic. The High North“ disku­tiert. Die dort begonnene Befas­sung mit der Ark­tis set­zt nun das NATO Cen­tre of Excel­lence for Oper­a­tions in Con­fined and Shal­low Waters in Kiel (COE CSW) im Rah­men ein­er im Som­mer 2017 geschlosse­nen Koop­er­a­tion mit der Münch­n­er Sicher­heit­skon­ferenz (MSC) fort, die neben dem The­ma ‚Arc­tic Secu­ri­ty‘ auch das Gebi­et der ‚mar­iti­men Sicher­heit’ umfasst. Als erste Maß­nahme des Koop­er­a­tionspro­jek­tes hat das COE CSW die MSC am 12. Okto­ber 2017 bei einem weit­eren ‚Arc­tic Secu­ri­ty Round­table‘ in Reyk­javik unterstützt.
Exakt 31 Jahr nach ihrem berühmten Tre­f­fen in Islands Haupt­stadt, bei dem Ronald Rea­gan und Michail Gor­batschow das Ende der poli­tis­chen Eiszeit zwis­chen West und Ost ein­leit­eten, standen im dama­li­gen Kon­feren­zort Höf­di Haus erneut Fra­gen des glob­alen poli­tis­chen Kli­mas im Mit­telpunkt. Heute haben die Fol­gen des meterol­o­gis­chen Kli­mawan­dels das Poten­tial, die beste­hende Wel­tord­nung zu verän­dern. Dieser Frage gin­gen 40 hand­ver­lesene, sicher­heit­spoli­tis­che Entschei­der und Experten unter der the­ma­tis­chen Dif­feren­zierung hin­sichtlich Koop­er­a­tions- und Kon­flik­t­felder in der Ark­tis nach. Es wurde Chatham House Rule vereibart. Drei generelle Erken­nt­nisse kön­nen aber fest­ge­hal­ten werden.

  1. Was in der Ark­tis passiert, hat seine Ursachen oft ausser­halb der Region. Die Ark­tis war seit dem Ersten Weltkrieg ein Ort der Stel­lvertreterkon­flik­te, ja sog­ar Kriege. Ihre extremen kli­ma­tis­chen Bedin­gun­gen und geografis­che Abgeschieden­heit waren der Grund, warum diese Kon­fronta­tio­nen bish­er vor allem am Rand der Ark­tis stat­tfan­den. Auch heute deuten sich bere­its wieder poten­tielle Kon­flik­te an. Die geopoli­tis­che Bedeu­tung des Hohen Nor­dens ist dabei offen­sichtlich. Die Geschichte ist voller Beispiele dafür, was passiert, wenn ein poli­tis­ches und ökonomis­ches Vakkum gefüllt wird. Dies kann, muss aber nicht friedlich ver­laufen. Immer wieder schlägt Koop­er­a­tion in Konkur­renz und diese schliesslich lei­der häu­fig in Kon­flikt um. Die bish­erige friedliche Entwick­lung muß sich nicht zwangsläu­fig friedlich fort­set­zen. Darauf als alleinige Hand­lung­sop­tion zu ver­trauen, wäre naiv und fahrlässig.
  2. Entwick­lun­gen in der Ark­tis bleiben nicht auf diese Region begren­zt, son­dern haben Auswirkun­gen weit darüber hin­aus bis hin zu ein­er glob­alen Dimen­sion. Das gilt zuerst für den Kli­mawan­del und seine Fol­gen, die in allen Regio­nen der Erde meß- und bere­its heute schon spür­bar sind. Dies kann gle­icher­maßen auch für poli­tis­che und wirtschaftliche Entwick­lun­gen angenom­men wer­den. Man muss kein Seher sein, um zu erken­nen, dass das Auftreten raum­fremder Mächte, die Unab­hängigkeits­be­we­gung in Grön­land, die verkürzten Seefahrt­srouten, die ungek­lärten Gren­zfra­gen und die dem Welt­markt zu erschließen­den Ressourcen das geopoli­tis­che Tableau bee­in­flussen werden.
  3. Das Inter­na­tionale Recht ist bis­lang das all­seit­ig akzep­tierte Fun­da­ment der Inter­na­tionalen Beziehun­gen und soll der Kom­paß für die Entwick­lun­gen auch in der Ark­tis sein. Ist dieser von allen Beteiligten geäußerte aber nicht über­all auch umge­set­zte Kodex ver­läßlich, ins­beson­dere in Zeit­en zunehmender Span­nun­gen? Wie sollen offen­sichtliche Dop­pel­stan­dards bew­ertet werten, wenn einzelne Län­der mit Inter­essen in der Ark­tis das Inter­na­tionale Recht beispiel­sweise im Süd­chi­ne­sis­chen Meer oder auf der Krim und in der Ostukraine ganz offen­sichtlich nicht zum Maßstab des eige­nen Han­delns nehmen. Welche Auswirkun­gen hat dieses Ver­hal­ten auf andere Regio­nen? An diesem Punkt wur­den die Auf­fas­sung­sun­ter­schiede der Teil­nehmer sehr offen­sichtlich. Eine Lösung für dieses Dilem­ma wurde noch nicht gefun­den. Der Dia­log muss und wird also weitergehen.
    Das wach­sende Inter­esse an der Ark­tis ist somit nachvol­lziehbar und der durch die MSC beförderte Diskurs nicht nur zu begrüßen, son­dern im Sinn ein­er fort­ge­set­zten Befriedung der Region auch geboten. Deswe­gen wird der näch­ste Arc­tic Secu­ri­ty Round­table mit Unter­stützung des COE CSW im Feb­ru­ar 2018 auf der Münch­n­er Sicher­heit­skon­ferenz fortgesetzt.

 

Zum Autor: Als aktiv­er Reserve­of­fizier unter­stützt Fre­gat­tenkapitän Jörg-Diet­rich Nack­mayr das COE CSW bei sicher­heit­spoli­tis­chen Fragestel­lun­gen und bringt seine Exper­tise ins­beson­dere im Bere­ich der Arkis ein. Er lebt seit 2013 in Island.

Kurz­fas­sung
Das neue geopolitische Schachbrett - Die Arktis
Artikelüber­schrift
Das neue geopoli­tis­che Schachbrett — Die Arktis
Erk­lärung
Ein neuer Ozean ist dann schiff­bar, halb so groß wie Afri­ka und direkt in Europas Nach­barschaft. Dies verkürzt die Han­del­swege zwis­chen Asien und Europa bzw. Nor­dameri­ka drastisch. Dort lagern bis zu 30% der bish­er noch nicht geförderten, weltweit­en Gas­re­ser­ven, 16% des weltweit­en Öls sowie riesige Vorkom­men min­er­alis­ch­er Ressourcen. 
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