Streitkräfte
Zu Zeiten des “Kalten Krieges” war die Ukraine das westliche Bollwerk der Sowjetunion. Die Streitkräfte waren mit den stärksten und leistungsfähigsten Systemen bestückt. Dementsprechend beherbergte die Ukraine am Tag der Unabhängigkeit — nach dem Zerfall der UdSSR — eine der stärksten Streitkräfte Europas. Und mit knapp 15 % der sowjetischen Rüstungsindustrie war auch eine beträchtliche Technologie in der Ukraine geblieben. Alleine zwölf Typen der zwanzig sowjetischen Interkontinentalraketen wurden im ostukrainischen Dnipropetrowsk geplant und gebaut.
Luftwaffe:
In der Luftwaffe wurden vier Luftarmeen, zehn Luftwaffendivisionen und etwa 2.800 Flugzeuge — darunter rund 1700 Kampfflugzeuge, und über 40 strategische Bomber — sowie 150.000 Soldaten von dem neuen Staat übernommen, der mit seinen nur etwas über 50 Millionen Einwohnern wie de gesamte Sowjetunion in einer extrem problematischen wirtschaftlichen Situation war- Sieben Hubschrauberregimenter mit fas 600 Mi‑2. Mi‑6, Mi‑8, Mi-26 und über 250 Mi-24 bildeten das Rückgrat der Lufttransportflotte.
Dementsprechend wurden ab dem 17. März 1992 — ab dem Tag, andem die neuen Kommandostrukturen im Stab der 24. Luftarmee aufgebaut wurden — mit einer massiven Truppenreduzierung begonnen. Bis 1996 wurden die meisten veralteten Flugzeuge der Typen MiG-21, MiG-25, MiG-27, Jak-28, Su-17, Tu 22 und Tu-22 M 2 stillgelegt. Lediglich die Su-24 und Su-24 M (über 200 Stück), SU-27 (knapp 70 Stück), MiG-29 (über 230 Exemplare) sowie Su-17 M 4 R und Su-24 MR Aufklärer blieben im Dienst, sowie eine Division Fernbomber vom Gyp Tu-22 M 3. Die Hubschrauberflotte wurde neu gebildeten Armeebrigaden (Heeresflieger) zugeordnet und ab 1998 begann die Ausmusterung der Mi‑2 und Mi‑6. Bereits 1999 war die Luftwaffe auf 60.000 Personen reduziert. Da die Ukraine auf ihre Atomwaffen verzichtete, blieben auch die verbliebenen Tu-95 MS und Tu-160 ohne eigentliche Aufgabe. Deren Vernichtung wurde mit den USA, die Transferierung gleichzeitig mit Russland verhandelt.
Nach der Transferierung von 8 Tu-160, 3 Tu-95 MS und 575 Marschlfugkörpern CH-55 SM an Russland (Frühjahr 2000) wurden schließlich — von den USA finanziert — elf Tu-160, 23 Tu-95 MS und 483 Ch-22 Marschflugkörper verschrottet. 2001 wurden die restlichen MiG-23 MLD, Tu-22 M3 und ältere Su-24 ausser Dienst gestellt. Gleichzeitig begann die Ukraine, wenige Verbände mit QRA-Aufgaben (Quick Reaction Alert) aufzubauen um wenigstens einige Einheiten mit hoher Qualifikation bereithalten zu können. Dazu wurde die Ukraine in drei Luftverteidigungszonen “Süd”, “Zentrum” und “West” aufgeteilt.
Da der Abbau an Personal und Fluggerät weiter hing verfügte die Ukraine im Jahr 2010 nur noch über 46.000 Mann, 208 Kampf- und 39 Transportflugzeuge (im Wesentlichen ca. 40 Su-24 M und MR, Su-28. MiG-29 und Su-27 UB, An-26, Mi‑8 und Mi-24 Helikopter) sowie ein halbes Hundert S‑300-Fla-Rakentenkomplexe. Dabei werden die alten Maschinen zunehmend auch durch selbst verbesserte Modelle (L‑39 Ma. Su-25 M1 und Su-25 UBM 1) ersetzt.
Bis 2015 soll der Bestand auf 26 Su-28, 64 MiG-29 24 Su-24 M, 12 Su-24 MR, 24 Su-25 sowie 40 L.39 zur Pilotenausbildung reduziert werden.
Da die Ukraine mit den Flugzeugwerken in Jewpatoria, Kiew, Konotow, Lugansk, Luzk, Lwiw, Mykolayiw, Odessa, Saparoshe, Sewastopol und Tschuguiw (“Awiajoinremont”) neben Russland als “Fabrikationskern” der ex-sowjetischen Luftwaffe gelten kann, wurde zugleich ein von Russland unabhängiges Service-Zentrum eingerichtet, das inzwischen viele Länder weltweit mt Service- und Wartungsaufgaben sowie der Überholung und Modernisierung sowjetischer Flugtechnik betreut. Selbst Kunden wie Indien, aber auch Aserbaidschan, Kasachstan und Vietnam nehmen den Ukrainischen Service in Anspruch. Dabei werden auch umfassende Modernisierungen etwa für MiG-29, Su-25, L‑39 und Mi-24 angeboten.
Marine:
In der Marine zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei der Luftwaffe. Bei der Aufteilung der ex-sowjetischen Schwarzmeerflotte, deren Hauptstützpunkt Sewastopol auf ukrainischem Territoirum liegt, legte die Ukraine großen Wert darauf, auch einige der “großen Pötte” zu erhalten — obwohl deren Erhaltung und vor allem die Einsatzmöglichkeit weit jenseits der ukrainischen Bedürfnisse und Möglichkeiten liegen.
Dementsprechend gering ist die reale Einsatzfähigkeit der ukrainischen Flotte, die ihre Tage überwiegend in den Häfen des Landes verbringt.
Der Verkauf der halb fertig gestellten “Varjag” an China (1998) ist genauso symptomatisch wie der Versuch (seit 2005) den Raketenkreuzer “Ukraina” zu verkaufen wie die Indienststellung des einzigen ukrainischen U‑Bootes (Foxtrott-Klasse) nach zwanzigjähriger Werftliegezeit Anfang 2011.
Anlässlich der Sezession der Krim wurde ein Großteil der ukrainischen Flotte in den Häfen dort zunächst blockiert und später von der russischen Marine übernommen. Um jede Eskalation zu einem bewaffneten Konflikt zu vermeiden, verbot die ukrainische Marineführung von Beginn an jeden Waffengebrauch. Am 19. März übernahmen pro-russische Kräfte zunächst das ukrainische Marinehauptquartier in Sewastopol, danach sämtliche noch in Häfen und Stützpunkten auf der Krim liegenden Schiffe und Boote der ukrainischen Marine und die Kasernen der Marineinfanterie. Nach einer am 26. März veröffentlichten Liste sind der ukrainischen Marine in ihrem nunmehr einzigen Stützpunkt Odessa ganze zehn Einheiten verblieben. Einzige „Kampfeinheit“ neben der Fregatte HETMAN SAGAYDACHNIY (die aus einem Überseeeinsatz gar nicht mehr auf die Krim zurück gekehrt ist), ist ein Wachboot der ZHUK-Klasse; der Rest sind kleine Hilfsfahrzeuge wie z.B. Taucher- und Schulboote.
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Verteidigung und Sicherheit:
Im Zuge der Unabhängigkeit der Ukraine beginnt das Land auch, sich von seiner traditionellen Waffenpartnerschaft mit Russland zu lösen. Die Ukrainische Regierung unter Präsident Viktor Juschtschenko erklärt inzwischen ganz offen, sich der NATO anschließen zu wollen — was beim russischen Bären alles andere als auf Begeisterung stößt. Aber auch 2/3 der ukrainischen Bevölkerung sollen — nach unabhängigen Umfragen — gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine sein.
Allerdings steht Russland kein “Veto-Recht” hinsichtlich der Aufnahme des Landes in der NATO zu, dies kann nur von der NATO und dem Aufnahmeland alleine und eigentständig entschieden werden.
Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der NATO und der Ukraine bilden die NATO-Ukraine-Charta vom Juli 1997 und der NATO-Ukraine-Aktionsplan vom November 2002. In diesem Rahmen finden regelmäßige Konsultationen auf allen Ebenen statt. Beim NATO-Außenministertreffen in Vilnius im April 2005 wurde die Aufnahme eines Intensivierten Dialogs über die ukrainischen Beitrittsaspirationen vereinbart.
Gemeinsame Übungen mit der NATO (NATO-Antiterror-Operation Active Endeavour im Mittelmeer 2007) gehören inzwischen zunehmend zum Programm der Streitkräfte. 2011 erfolgte die erste Übung zwischen der Ukrainischen und NATO-Luftwaffen (Safe Skies).
Mit der Krise um die Krim gerät auch die ukrainische Rüstungsindustrie in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Tatsächlich ist ein großer Teil der russischen Streitkräfte von ukrainischen Zulieferern abhängig. So sollen alle russischen Hubschrauber mit Triebwerken von Motor Sich ausgerüstet sein, und die Kriegsschiffe mit Gasturbinen von Zorya-Mashproekt aus Mykolajiw an der ukrainischen Schwarzmeerküste.
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Ukraine; Ukraine — Rüstungsindustrie und Exporte