Das Wirtschaftswachstum Russlands konzentriert sich zunehmend auf den europäischen Teil des Staates, insbesondere um die Hauptstadt Moskau und St. Petersburg — das Tor zur Ostsee.
Einzelne Wirtschaftszentren:
Moskau
Moskau ist nicht nur die Hauptstadt sondern das wirtschaftliche Herz des Riesenreiches. Etwa 10 Mio. Menschen leben im Stadtgebiet Moskaues, und noch einmal vier Millionen wohnen in den Randbezirken und Schlafstädten rund um Moskau — etwa 7 % der gesamten Einwohnerschaft des Landes. Darunter befinden sich 74 Dollar-Milliardäre (nur 71 sollen es in New York sein). Das druchschnittliche Einkommen der Moskauer (oder Moskowiter) liegt mit über 26.500 Dollar dreifach über dem russischen Landesdurchschnitt. Das ist sicher auch dem großzügigen Sozialprogramm des (ehemaligen) Moskauer Bürgermeisters Luschkow zu verdanken, der mit kommunalen Mitteln die Renten und Löhne von Staatsbediensteten deutlich aufstockte — und trotzdem vor seiner Entlassung durch den russichen Präsidenten noch einen Haushaltsüberschuss von 3,2 Mrd. Euro (Januar bis Juli 2010) verbuchen konnte. Die Moskowiter erwirtschaften über 20 % des gesamten russichen BIP. Nominell rund 280 Mio. Dollar (BIP der Region Moskau 2009) stellen die russische Hauptstadt in eine Ebene wie ganz Südafrika, und dementsprechend werden über 35 % der ausländischen Direktinvestitionen in Moskau getätigt. Moskau soll also nicht ohne Grund zu einem globalen Finanzzentrum und der Rubel zu einer führenden regionalen Reservewährung ausgebaut werden (der russische Präsidenten Dmitri Medwedew Anfang Juni 2008 auf dem 12. Internationalen St. Petersburger Wirtschaftsforum). In “Moscow City” wird eine Hochhausmetropole mit fünfzehn z.T.über 600 m hohen Wolkenkratzern aus dem Boden gestampft. Alleine sieben der Türme sollen mehr als 260 m hoch werden — und damit die Frankfurter Commerzbank, die über Jahre das höchste Bürogebäude Europas, war, überragen. Die globale Finanzkrise 2008 wird das Bautempo verringern — aber über die Jahre hin kaum eine Reduzierung der gigantischen Pläne mit sich bringen.
Volvo ist in Kaluga - etwas südöstlich von Moskau — präsent, und auch Volkswagen hat sich Kaluga als Standort für seine neue Produktionsstätte auserkoren, 370 Mio. Euro investiert, und montiert seit Ende November 2007 hier Autos für den russischen Markt, der Fahrzeuge aus Japan und Europa aufsaugt wie ein trockener Schwamm. Die nächsten Investitionen in Höhe von über 600 Mio. Euro sind bereits (Stand 2008) in Auftrag. Bis zu 150.000 Passat und Skoda Octavia sollen hier entstehen. Moskau, die Hauptstadt der russischen Oligarchen, hat aber auch die größte Zahl an Neuzulassungen von Fahrzeugen der oberen Preissegmentklasse aller europäischen Hauptstädte. Besonders Merceds-Benz mit seiner S‑Klasse dominiert den russischen Markt der Nobelkarossen.
Im Zentralen Aerohydrodynamischen Institut (Zagi) am östlichen Stadtrat haben Andrej Tupolew und Artjom Mikojan die russische Flugzeugindustrie geschaffen, deren Produkte wie die Tupolew Tu-144 (die zwei Monate vor der Concorde ihren Jungfernflug absolvieren konnte) mit den westlichen Flugzeugschmieden durchaus konkurrenzfähig waren — und sind. Heute wird hier Suchojs Superjet 100 gefertigt, der Kernstück einer erneuerten Flugzeugindustrie werden soll.
Externer Link:
Eurasisches Magazin: Russlands Hauptstadt platzt aus allen Nähten
Wo ein Land wirtschaftlich auf eine Stadtregion hin so zentriert ist wie Russland auf Moskau bleibt für die anderen Regionen nicht mehr viel übrig — dennoch lohnt sich auch ein Blick auf diese anderen Regionen, auf das weite, flache, verschlammte und verarmte Land genauso wie auf die kleineren regionalen Wirtschaftszentren, die neben der Hauptstadt einen (vergleichbar zaghaften) Ansatz von Blüte zeigen.
Kaliningrad
Das einstige preussische Königsberg, von dem über Jahrhunderte hin der Deutsche Orden in den slawischen Osten Europas vorstieß — und das 1701 die Krönung des ersten preußischen Königs erlebte — wurde in den Kämpfen des zweiten Weltkriegs (“Festung Königsberg”) durch das Trommelfeuer von 30 sowjetischen Divisionen und zwei Luftflotten fast völlig zerstört. In den Ruinen wurden Russen angesiedelt, die einstige “Perle am Pregel” erhielt Neubauten im Plattenbaucharme der Sowjetaera.
Mit dem Aufschwung der russischen Wirtschaft erhielt die von der EU umschlossene Enklave Russlands einen neuen Antrieb — auch als “Russlands Tor zur EU”. Von 2004 bis 2006 erreichte das Wirtschaftswachstum gute 10 %, im Jahr 2006 sogar 20 %. Ein Zeichen für den wirtschaftlichen Wohlstand einer Gesellschaft ist die Autodichte — und Kaliningrad hat die zweithöchste Autodichte Russlands. Die mit knapp 500.000 Einwohnern kleine Region leidet an Energie- und Arbeitskräftemangel für die blühende Werft- und Automobilindustrie (BMW, General Motors). Deshalb will Russlands Regierung russische Heimkehrer aus den inzwischen unabhängigen Sowjetrepupliken in die Region locken und den Wirtschaftsprozess mit Subventionen und Steuervorteilen ankurbeln. Die Regierung der Sonderwirtschaftszone versucht dazu, zahlungskräftige Touristen mit Luxushotels und Spielhallen anzulocken.
Neureiche Russen haben die Möglichkeiten des Gebietes für Urlaub und Geschäfte entdeckt. Anstelle der Plattenbautristesse tritt die Rekonstruktion ganzer historischer Viertel — bis hin zum Neubau der 1969 gesprengten Schloßruine, der alten “Zwingburg” der Deutschen Ritter und Preußen.
Dennoch ist die Region auch in anderer Hinsicht interessant: das Militär überlegt, eigene Abwehrraketen zu stationieren, falls die USA die umstrittenen Pläne zur Installation des Raketenabwehrsystems in Polen und Tschechien umsetzt.
St. Petersburg
Die europäischte aller russischen Städte gehört zu den Wirtschaftszentren Russlands — und einer der “Automobilstandorte” Russlands. Der US-Automobilhersteller General Motors montiert bereits den Crossover Chevrolet Captiva in der Stadt und wird Investitionen von rund 300 Millionen Dollar vornehmen, um in dem im Bau befindliche GM-Werk in Sankt Petersburg 70 000 preiswerte Fahrzeuge im Jahr für den russischen Markt zu montieren.
Krim
Die Krim — diesen Absatz haben wir am 12. April eingefügt — ist hin- und hergerissen zwischen den verschiedensten Ethnien. Schon in der Antike haben Griechen die Nordküste des Schwarzen Meeres besiedelt — und Griechen wie Römer, Byzanz und Slawen haben dort Ruinen hinterlassen. Goten und Tartaren hatten die Krim besiedelt und Teile ihres Volkes dort gelassen. Erst Katharina die Große lies die Halbinsel von den Osmanen erobern. Aber bis heute haben sich turktartarische Bewohner, enge Verwandten der Türken, auf der klimatisch begünstigten Halbinsel gehalten. Erst Chrustchow ordnete die Krim seiner ukrainischen Heimat zu — durch eine Verwaltungsumstrukturierung, von der niemand erwartete, dass damit eine der größten Krisen dieses Jahrhunderts angelegt werden sollte.
Der Weinbau der Zaren begann auf der Krim, in Jalta befindet sich ein traditionsreiches Weinforschungsinstitut, Krimsekt ist seit etwa 1900 ein bekanntes Qualitätsprodukt — und Russland erweitert heute seine 60.000 Hektar Rebanbauflächen mit der Annexion der Krim um 30.000 Hektar Weinberge.
Die Krim — das ist der Sehnsuchtsurlaubsort der Russen, die hier mediterranes Klima finden, einen Ausgleich zu den langen und kalten eurasischen Wintern.
Siehe auch unser Dossier zur Ukraine
Am Ural
Südural — Tatarische und Baschkirische Autonome Region:
An den Ufern der mittleren Wolga liegt Kazan, die alte tatarische Festung, in einem Gebiet das schon die Wolga-Bulgaren als Kern eines türkischen Großreiches betrachteten. Die Wolga-Bulgaren hatten sich bereits hundert Jahre vor der Bekehrung der Ostslawen durch die Ruriken in Kiew zum Islam bekannt. Unter den Mongolen und deren türkisch-islamischem Nachfolgereich, der Goldene Horde, war Kazan Hauptstadt des von den Mongolen unterworfenen und später von den islamischen Tataren beherrschten russischen Gebietes. Die Tataren begnügten sich dabei mit einer nominellen Oberherrschaft. Die Tributeintreibung durch russische Fürsten — insbesondere den Großfürsten von Moskau — erlaubte diesen letztendlich, so viel Kraft zu schöpfen, dass mit dem Fall der Tatarenfestung Kazan (Iwan der Schreckliche) die Eroberung der zentralasiatischen Gebiete und auch Sibiriens eingeleitet werden konnte. Der goldene Dreizack auf blauem Hintergrund — das Symbol der Goldenen Horde — ist auch heute noch ein Symbol der tatarischen Eigenständigkeit.
Bei den Tataren — sie sprechen einen Dialekt, der eine relativ gute Verständigung mit den heutigen Türken erlaubt — hat die Idee von einem panturanischen Zusammenschluss einigen Wiederhall gefunden. Ein erster Schritt allerdings — der Zusammenschluss mit den ehtnisch nahe verwandten Baschkiren — ist bereits am Widerstand der Nachbarn (Hauptstadt Ufa) gescheitert. Und die Aktivisten des “alltatarischen Gesellschaftlichen Zentrums”, das nach wie vor die Unabhängigkeit von Moskau anstrebt und die Eroberung der Haupstadt Kasan durch Iwan den Schrecklichen als traumatisierendes Fiasko versteht befinden sich unter ständiger Kontrolle des russischen Geheimdienstes.
Diese nationale Schwärmerei mancher Tataren stößt auch sonst nicht auf viel Gegenliebe. Da sind einmal die vielen Russen, die knapp die Hälfte der Bevölkerung der tatarischen AR bilden, und da sind die Regierungen in Russland selbst. Fast 100 % der Industrie — insbesondere die Erdöl- und Ergasförderung — steht im Eigentum der russischen Staatskonzerne. Und die Industrie — wie etwa die Laswagenfabrik “Kamaz” — ist nicht nur auf den russischen Markt ausgerichtet, sondern arbeitet zu etwa 70 % für die Rüstung des Landes.
Während im russischen Kreml noch der Sieg über die Tataren von Kazan verherrlicht wird hat sich seit dem Zusammenbruch der atheistischen Sowjetunion ein Wandel vollzogen. Auch hier wetteiferten — wie in den turanischen Nachfolgestaaten der UdSSR in Zentralasien — Saudis, Pakistaner, Ägypter, Iraner und Türken um den Neubau von Moscheen. Die ausländischen Lehrer an der islamischen Universität von Kasan werden aber zunehmend durch eigene Dozenten ersetzt, die (unter der Kontrolle des russischen Staates) einen gemäßigten, jadidistisch geprägten Islam vertreten — einen “Euro-Islam”? Tatsächlich stehen sich Christen und heimische Muslime nicht konfrontativ gegenüber. Direkt neben der Kathedarale von Kasan im tatarischen Kreml wurde 2005 eine der größten islamischen Moscheen Europas errichtet, die Kul-Scharif-Moschee. Der weiß-türkise Prachtbau erinnert mit seiner zentralen Kuppel, den aufgeschnittenene Bögen auf den Seitenwänden über den Sockelgeschossen und den vier Minaretten entfernt an einen modernen Nachbau der Hagia Sophia — und bezieht sich damit architektonisch eher auf die Türkei als auf zentralasiatische Vorbilder. Und 30 % aller Ehen der Region sind Mischehen — zwischen (überwiegend russisch-orthodoxen) Christen und tatarischen Muslimen.
Westsibirien
Von Chelabinsk und Jekatarinburg am Ural über Omsk bis Novosibirsk (3.200 km östlich von Moskau) mit seiner Stahl- und Chemie-Industrie erstreckt sich der westsibirische Industriegürtel zwischen der Taiga im Norden und der eurasischen, kasachischen Steppe im Süden.
Bereits die Zaren haben mit der Erschließung Sibiriens begonnen und mit der transsibirischen Eisenbahn (Transsib) das heute noch wichtige Rückgrat für die Erschließung Südsibirens bis hin nach Wladiwostok in die Taiga getrieben. Aufschwung erhielt die Industriealisierung Westsibiriens durch Hitlers Angriff auf Russland. Die von der deutschen Wehrmacht bedrohten Industrien im Westen des Reiches wurden im Eiltempo nach Westsibirien verlagert. Beim Spitzentreffen mit der EU in Chanty-Mansijsk am Zusammenfluss von Irtysch und Ob) Ende Juni 2008 wurde den EU-Repräsentanten gezeigt, dass Russland genau über die Schätze verfügt, die Europa zu seiner Entwicklung braucht.
Heute sind vor allem die Öl- und Gasfelder Westsibiriens für die gesamte (nicht nur) russische Wirtschaft von Bedeutung. Von dem lang gezogenen Meeresarm “Obskaya Guba” an der Karasee erstreckt sich das gigantische Westsibirische Feld über Surgut bis fast nach Tomsk. Eine Pipeline erschließt nahezu die gesamte Ausdehnung des Ölfeldes, und führt von Tomsk — mit einem Abzweig zum Ölfeld von Krasnojarsk — über Nowosibirks und Omsk nach Kasachstan, wo seit 2006 über eine weitere Pipeline Erdöl in die chinesischen Ölfelder in Xinjiang und von dort weiter bis Shanhai gepumpt werden kann. Russlands Gazprom hat mit der China National Petroleum Corp. (CNPC), dem chinesischen Staatskonzern, inzwischen die Lieferung von rund 70 Mrd. cbm Erdgas aus Krasnojarsk vereinbart. Zusätzlich stehen die Öl- und Gaspipelines zur Verfügung, mit denen Westeuropa vom sibirischen Reichtum profitiert. Eine Eisenbahnstrecke am Ostrand des Ural soll die Polarregion mit der Transsib verbinden. In dem Gebiet werden Straßen, Kraftwerke, neue Industriegebiete und Städte entstehen — und die Bevölkerung jährlich um 10 % anwachsen lassen.
Der autonome Bezirk von Chanty-Mansijsk am Mittellauf des Ob verfügt (Stand 2008) nur über 1,5 Mio. Einwohner — aber mit jährlich 280 Mio. Tonnen über etwa 60 % der rusischen Ölförderung. In Neftejugansk am Ob hat Rosneft (vorher: Yukos) ein Herzstück seiner Förderkapazitäten. Gegenüber auf der “anderen Flußseite” in Surgut hat sich der Öl- und Gaskonzern Surgut Neftegas die Vorkommen gesichert. Und die Region soll weiter ausgebaut werden.
Nördlich der Region Chanty-Mansijsk schließt sich der autonome Bezirk Jamalo-Nenjeck mit seinen Erdgasfeldern an.
Nahe von Nowosibirsk - eine Fahrtstunde mit dem Auto — befindet sich eines der einstmals hochgeheimen Forschunszentren Russlands. Während der Zeit des “kalten Krieges” wurde der Standort durch Moskau extrem gefördert. Rund 60.000 Wissenschaftler waren in der Sowjetzeit in der Forschungsstadt “Akademikgorodok” tätig. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR verließ ein großer Teil der akademischen Elite das Land — etwa 1/3 des Microsoft-Personals in Kalifornien soll nach russischen Angaben in Akademgorodok studiert haben. Heute kommen viele Wissenschaftler mit ihren Erfahrungen — und Firmenkontakten — zurück. Microsoft, Intel, Oracle, Hewlett Packard oder Samsung und russische Firmen haben Niederlassungen in der Stadt gegründet. Die Vernetzung von Ausbildung, Forschung und Industrie an einem Standort mit hoher Lebensqualität auf engstem Raum bietet enormen Perspektiven und Entwicklungschancen. Junge Akademiker werden direkt vom Studium angeworben, und können wegen der guten Verdienstmöglichkeiten und wegen der für russische Verhältnisse guten Versorgung des Ortes ein hervorragendes Wirtschaftspotential auch für die investierenden Unternehmen bilden.
Krasnojarsk ist nach Nowosibirsk und Imsk mit fast einer Million Einwohnern die drittgrößte Stadt Sibiriens. Hier — im geographischen Zentrum zwischen Europa und Südostasien, zwischen Südostasien und Nordamerika (Polroute) will die Fluggesellschaft Krasair (Air Union) bis zum Jahr 2015 ein neues Luftdrehkreuz für die Strecken Los Angeles — Dehli oder London-Singapur errichten und damit den Golfemiraten Konkurrenz machen. Mit dem Verbot von Überflügen durch die russische Regierung für Lufthansa Cargo — die Gesellschaft hatte im Oktober 2007 in Astana (Kasachstan) mit knapp 50 wöchentlichen Verbindungen eine der größten Frachtdrehkreuze der Gesellschaft — soll auch eine erste westliche Airline nach Krasnojarsk (oder ersatzweise Nowosibirsk) gezwungen werden.
Hinter Irkutsk (5.500 km östlich von Moskau) — dem einstige Verbannungsort der Zaren für russische Adelige (Paris des Ostens) — und dem Baikalsee teilt sich die Transsibirische Eisenbahn. In Ulan Ude, wo die mongolischen Burjäten im ehemaligen Zarenreich leben, führt eine Trasse über die Mongolei (Ulaanbator) nach Peking, eine weitere nach Osten — nach Wladiwostok.
Und von Taischet — weit nordwestlich von Irkutsk — führt eine Ölpipeline in weitem Bogen nördlich um den Baikalsee herum bis nach Skoworodino an der russisch-chinesischen Grenze — und ab Januar 2011 über eine neue Pipeline bis nach Daquing, dem unter Mao wichtigsten Öl-Förderzentrum in der nunmehr chinesischen Mandschurei. 15 Mio. Tonnen Öl sollen diese Pipeline jährlich passieren, und ab 2015 will Russland eine Gaspipeline nach China in Betrieb nehmen, die jährlich 30 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren soll. Der Energie- und Rohstoffhungrige chinesische Nachbar wird zu einem für Russland immer wichtigeren Kunden. Das folgende Ostsibirien liegt zunehmend im Interessensgebiet Chinas.
Ostsibirien
Wenn Russland den Osten von Osteueropa bildet, dann liegt Ostsibirien — richtig: am Ende der Welt. Russland ist der am weistesten nach Osten vorgeschobene Staat des eurasischen Kontinents. Jenseits der Bering-Straße beginnt mit dem (ehemals russischen) Alaska Amerikas “Wilder Westen”.
Ostsibirien hat aber die Interessen der Welt erregt. Dies hängt unter anderem mit einem starken Interesse der asiatischen Raffinerien am ostsibirischen Öl zusammen, das seit 2010 durch die Ölpipeline Ostsibirien – Pazifik gepumpt wird. Dieses Öl zeichnet sich durch eine sehr hohe Qualität aus. Zudem ist es sehr konkurrenzfähig, weil die sich im Fernen Osten befindlichen Ölvorkommen eine strategisch wichtige Lage für die asiatischen Länder haben. Die ostsibirische Ölsorte WSTO verdrängt allmählich die anderen Sorten auf den asiatischen Märkten. Im ersten Jahr der Inbetriebnahme (2010) der Pipeline zum russischen Hafen Kosjmino handelt es sich um einen nicht so großen Lieferumfang. In diesem Jahr würden nur rund 15 Millionen Tonnen Öl geliefert — so Alexander Stock vom Beratungsunternehmen 2K Audit — Delowyje Konsultazii/Morison International. Dabei werde das russische Öl teilweise auf den US-Markt kommen. In diesem Jahr kann also Russland nur zwischen 1,1 und 1,2 Prozent des APAC-Markts kontrollieren. Russland erwartet sich aber In den nächsten Jahren über fünf Prozent dieses Markts zu bekommen, der derzeit hauptsächlich von Saudi Arabien beliefert wird.
Eine der Wirtschaftsschmieden der Region ist die Industriestadt Chabarowsk, nur 20 Kilometer von der chinesischen Grenze am Amur entfernt. Am 21. und 22. Mai fand ausgerechnet im Fernen Osten Russlands ein EU-Russland-Gipfel statt, nicht ohne Symbolik. Tatsächlich gibt es in Chabarowsk eine ganze Reihe von Betrieben, die mit europäischen Investitionen modernisiert – wie die Ölraffinerie der Stadt — oder völlig neu gebaut wurden. Hier wird im Sukhoi-Flugzeugwerk der Superjet 100 mit seinen 98 Sitzplätzen und einer Reichweite von 4.400 Kilometern zusammen genietet, der Stolz und die erhoffte Zukunft der zivilen russischen Luftfahrtindustrie — und ein Partnerschaftsprojekt mit westlichen Herstellern. So ist das italienische Luft- und Raumfahrtunternehmen Alenia Aeronautica mit 25 Prozent plus einem Anteil an dem Superjet-Hersteller SCAC beteiligt. Eine enge Geschäftsverbindung der Russen gibt es auch mit der französischen Triebwerk-Firma Snecma, die in einem Joint Venture mit dem russischen Unternehmen NPO Saturn die Triebwerke für den Superjet produziert. Insgesamt 15.000 Arbeiter und Ingenieure sind bei Sukhoi beschäftigt und produzieren hauptsächlich Kampfflugzeuge. Der zivilie Sektor mit seinen 640 Mitarbeitern, die in dem eigens zum Bau des Superjets gegründet Sukhoi-Tochterunternehmen SCAC beschäftigt sind, mutet dagegen marginal an. Aber Moskau hat mit diesem Projekt “alle Eier in einen Korb gelegt”. Der Superjet scheint die letzte Chance zu sein, wieder an die hohen Produktionszahlen der sowjetischen Passagierjetproduktion anknüpfen zu können.
Keine Stadt repräsentiert den russischen Drang nach Osten so sehr wie Wladiwostok, die Hafenstadt und Marinebasis gegenüber Japan, die geographisch weiter östlich liegt als jeder Hafen Chinas, der “Wirtschaftsmacht des fernen Ostens”. Bis 1991 wurden in der “geschlossenen Stadt” am Pazifik sowjetische Waffen gebaut, vor allem auch Schiffe für die Pazikfikflotte der Sowjets — eine Flotte, die nun vor sich hin rostend im Hafen dümpelt. Neun Stunden dauert der Flug von Moskau bis Wladiwostok. Eine Woche brauchen die Personenzüge auf der berühmten Transsibirischen Eisenbahn für die über 9200 km lange Strecke aus Moskau, und die Güterzüge sind doppelt so lange unterwegs, um Waren entlang diesem “Rückgrat Sibirens” zu transportieren. Ganze 14 Tage brauchte ein Güterzug mit 102 Containern aus China bis nach Duisburg. Er legte dabei mehr als 10.000 Kilometer zurück. Die Strecke führte durch China, die Mongolei, Russland, Weißrussland, Polen und Deutschland. Das ist immer noch wesentlich schneller als der zeitraubende Umweg mit dem Schiff über den indischen Ozean. Am 20. November 2006 wurde daher zwischen den Bahngesellschaften von Russland, China und Deutschland eine Vereinbarung getroffen, mit der künftig im “fahrplanmäßigen eurasischen Güterverkehr die Route von Schanghai über Peking, Wladiwostok, Irkutsk, Nowosibirsk, Omsk, Jekaterinenburg, Kasan, Moskau, Brest, Warschau, Berlin bis Duisburg befahren werden” soll (Quelle: Die Bahn erschließt den Kontinent Eurasien — (www.eurasischesmagazin.de)). Russland investiert auch hier: auf der “russischen Insel” (Russkij) vor Wladiwostok — einem ehemaligen militärischen Sperrgebiet — plant Moskau ein gewaltiges Universitäts- und Kongresszentrum. 15 Milliarden Euro will Moskau investieren — unter anderem für zwei gewaltige Brücken, mit denen die Insel mit dem Festland verbunden werden soll. Bis zum Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftszusammenarbeit (Apec) im Jahr 2012 soll das Kongresszentrum mit Hotels, einem gewaltigen Ozeanarium und Sportstätten fertig sein und danach eine “Förderale Universität” für 50.000 Studenten aufnehmen. Woher diese Studenten in der menschenleeren Region kommen sollen bleibt allerdings zunächst noch offen.
Dennoch breitet sich Resignation in der Region aus. “Moskau hat uns aufgegeben” lautet der rsignierte Stoßseufzer von Händlern, die mit Zollerhöhungen und der Rubalabwertung zu kämpfen haben. Die Rüstungsbetriebe schlossen mit dem Kollaps der Sowjetmacht, und die immensen Subventionen, die von Moskau in die Region gepumpt wurden, versiegten. In den ersten 15 Jahren nach dem Zusammenbruch ist die Bevölkerung durchschnittlich um 1/4 geschrumpft. Manche Gebiete haben sogar bis zu 80 % der Einwohner verloren. Stattdessen öffneten sich die Grenzen insbesondere nach China.
Hunderte von Russen und Chinesen überqueren bereits jetzt täglich die Grenze, um bepackt mit Billigwaren aus Chinas Nordostprovinz die Versorgungslage in Russlands “fernem Osten” aufzubessern. Entlang der Transsib breiten sich die Kleinhändler mit ihren Angeboten bis Moskau aus. Die rund 120 Millionen Chinesen, die seit der zaristischen Herrschaft über die Mandschurei (chinesisch Heilongjiang) in Chinas Nordostprovinz sesshaft geworden sind, dominieren auch optisch immer mehr den Grenzverkehr mit den nur noch rund 6 Mio. Russen, die sich entlang der chinesischen Grenze zwischen Wladiwostok, Chabarowks und Biagowichtschensk am Amur angesiedelt haben.
Die billigen, fleißigen und zuverlässigen Arbeiter aus dem Reich der Mitte bescheren Russlands Ostgebieten einen neuen Aufschwung. Über die Grenze und die zur Zarenzeit errichtete Eisenbahnlinie, die knapp hinter der mongolischen Grenze über Harbin direkt nach Wladiwostok führt, kommen immer mehr sibirische Rohstoffe zu den hungrigen Chinesen, die daran gehen, das ehemals notleidende Industrierevier, den Rostgürtel der Mandschurei mit aller Macht zu modernisieren. Der Hafen von Wladiwostok und Nachodka soll ausgebaut werden, um den Warenexport der Chinesen zu erleichtern — denn die Bahn- und Schiffspassage von der Mandschurei nach Japan und in die USA ist über diese Häfen allemal kürzer und schneller als über Chinas Häfen am Gelben Meer. Die beiden russischen Häfen sind an den Grenzen der Ladekapazität angelangt. Vor der Küste stauen sich die Transporter, die japanische und koreanische Kraftfahrzeuge für den Privatmarkt und andere Güter anlanden wollen. Eine Karawane von emsigen Einzelhändlern transportiert die Waren — bis hin zu Kraftfahrzeugen mit z.T. abenteuerlichen Konstruktionen — über die einzige Autostraße entlang der südrussischen Grenze sowie über die Bahn in den russischen Westen. Wladiwostok ist zum Einfalltor für japanische und koreanische Gebrauchtwagen geworden, die jährlich zu hundertausenden Exemplaren aus den nahen Ursprungsländern angeschifft werden.
Sachalin — sibirische Rohstoffe für die Welt:
Dabei profitiert Russland auch von den zunehmenden Interessen der westlichen Industriestaaten an sibirischen Rohstoffen.
Eines dieser Interessenfelder der rohstoffhungrigen westlichen Industrien liegt auf Sachalin. Seit internationale Öl- und Gas-Konzerne auf der Insel Öl- und Gas fördern, wird die Modernisierung der veralteten Infrastruktur auf Sachalin zu einer immer driängenderen Aufgabe. Utopisch anmutende Projekte wie der Bau einer Brücke zum russichen Festland — und eine Verbindung nach Japan — sollen Sachalin sogar zum Kern eines neuen eurasischen Transportkorridors zwischen Russland und Japan machen.
Exxon Mobil (Sachalin I) und Shell (Sachalin 2) haben seit den Neunziger Jahren enorme Summen investiert, um die dort vermuteten Felder mit fossilen Energievorkommen zu erschließen. Mit dem Vorwurf, gegen russische Umweltgesetze verstoßen zu haben, konfrontierte Russland die westlichen Konzerne 2006 mit massiven Anschuldigungen, die bis zum Entzug der Förderlizenzen — zu Gunsten der staatlichen Konzerne Gazprom und Rosneft — führen könnten.
Sachalin II — bis zum Jahresende 2006 mit einem Investitionsvolumen von knapp 20 Mrd. $ zu etwa 80 % fertig gestellt — soll zwei maritime Förderinseln, einen eigenen Hafen, eine Gasverflüssigungsanlage und entsprechende Pipelines zum Abtransport des gewonnenen Erdgases umfassen. Im Dezember 2006 gelang es der russischen Staatsfirma Gazprom, 50 % plus 1 Aktie an dem Konsortium zu erwerben, das von Shell (55 %) und den japanischen Firmen Mitsui und Mitsubishi gehalten wurde. Der anteilige Verlust von rund 10 Mrd. $ Investitionsvolumen wird allerdings durch einen Kaufpreis von 7,45 Mrd. $, den Gazprom als Entschädigung aufbringt, weitgehend wett gemacht — zumal die massiv steigenden Gas- und Ölpreise auch die Gewinnmargen in die Höhe treiben. Eine anvisierte Jahresproduktion von knapp 10 Mio. t. Flüsiggas und täglich 150 Mio. Barrel Öl lässt die Investitionen kaum zu einem Verlustgeschäft werden.
Sachalin III soll dagegen mit chinesischen Investoren entwickelt werden. Das russische Staatsunternehmen Rosneft hat im März 2007 die Gründung eines Joint Ventures mit der chinesischen Gesellschaft Sinopec bekanntgegeben, die das Projekt Sachalin‑3 betreiben soll. Die dortigen Vorräte werden auf 169,4 Millionen Tonnen Öl und 258,1 Milliarden Kubikmeter Gas geschätzt. Die geologischen Erkundungsarbeiten wird Sinopec — obwohl nur zu 25,1 Prozent am gemeinsamen Unternehmen beiteiligt — mit 75 Prozent finanzieren.
Nordpolarmeer:
Wer von Wladiwostok noch weit in den russischen Osten vordringt kommt zur Beringstraße. Und der Konflikt mit den USA um die Wirtschaftsgrenzen im Norden dieser Meeresstraße, die Ostsibirien von Alaska trennt — und das Nordpolarmeer mit dem Pazifik verbindet — ist symptomatisch für eine Region, die im letzten Jahrhundert Tummelplatz von Forschern und Militär war, mit zunehmender Erderwärmung aber immer mehr ins Blickfeld der Wirtschaft und damit auch der Politik gerät. Russland möchte seine Wirtschaftszone über die Hälfte des Nordpolarmeeres festschreiben lassen — und gerät bereits in den Randbereichen, an der Behring-Straße mit den USA und an der Barentssee mit Norwegen — in Konflikte mit seinen Nachbarn.
Infrastruktur:
Die Verbindung einer so riesigen Landmasse stellt eines der größten Probleme des Landes dar. Natürliche Verkehrsverbindungen — wie große Flüsse — können hauptsächlich im europäischen Teil Russlands genutzt werden. Im sibirischen Osten dagegen — wo die Flüsse in Süd-/Nordrichtung verlaufen, im langen Winter zugefroren sind und die Verkehrsströme im Süden des Waldgürtels, der Taiga — in Ost-/West-Richtung orientiert sind, bieten die Flüsse nur eine geringe Unterstützung für den Warentransport. Dauerfrostböden, Schneeverwehungen im Winter und aufgeweichte Schlammpisten im Sommer, in denen der Straßenverkehr oft zum erliegen kommt … wie soll dieses Land zu einem kraftvollen Wirtschaftsraum zusammenwaschen? Schon ausserhalb der Ballungszentren verlieren sich die Straßen oft in ausgewaschenen Pisten, das — wenn auch in seiner Ausdehnung gewaltige — Bahn- und Straßennetz ist längst nicht so dicht wie im Westen Europas.
Russland versucht, durch gewaltige Investitionen den Verkehrsfluss zu beschleunigen. Rund 14 Billionen Rubel (mehr als 375 Milliarden Euro) sollen von 2008 bis 2015 in den Ausbau der Infrastruktur für Eisenbahn, Autoverkehr, Seeverkehr, Binnenschifffahrt und ziviler Flugverkehr fließen (Quelle). “Die Regierungsexperten gehen davon aus, dass der Gütertransit nach der Umsetzung des Programms um 40 Prozent wachsen würde — von 30,1 Millionen Tonnen im Jahr 2009 auf 42,7 Millionen Tonnen zum Jahr 2015. In den sechs Jahren sollen 1800 Kilometer Schnellstraßen und 4.100 km Eisenbahn gebaut und 116 Start- und Landepisten modernisiert werden.” Alleine die Russische Eisenbahn AG (RZD) wird von 2007 bis 2030 zehn Billionen Rubel (mehr als 286 Milliarden Euro) in den Ausbau und die Modernisierung des heimischen Bahnnetzes stecken (Quelle). Auch westliche Hersteller — wie SIEMENS, das seinen ICE nach Russland verkaufen möchte — wittern hier gute Marktchancen.
Während die russische Fernostflotte im Marinehafen vor sich hin rostet stapeln sich auf dem zivilen Umschlagplatz die Waren, um durch das “Nadelör Transsib” den Weitertransport zu ermöglichen. Die Auslastung ist mehr als “ausreichend”. Die politische Annäherung zwischen Nord- und Südkorea erlaubt zugleich weitere Höhenflüge. Südkorea möchte über den Norden der geteiliten Halbinsel Anschluss an die Transsib und Trans-China-Eisenbahn gewinnen und damit die Transportwege nach Europa deutlich effizienter gestalten. Verwegene Enthusiasten denken sogar an eine durchgehende Bahnverbindung über die russische Sachalin-Insel bis nach Japan — und das alles über die jetzt schon verstopfte Transsib?
Wie gut, dass die Sowjets schon vor Jahren nördlich des Baikal-Sees eine Entlastungsstrecke gebaut haben — die Baikal-Amur-Magistrale (BAM), die bei Komsomolsk den Amur überquert und in Sovjestkaja Gavan einen weiteren Hafenanschluss am Nordende des japanischen Meeres — gegenüber Sachalin — bedient. Die BAM erschließt eine ganze Reihe wichtiger Rohstoffvorkommen (z.B. der Titan- und Vanadiumstätte Chinaiskij und der Kupferstätte Udokansij) und wird auch deshalb seit 2001 revitalisiert. Russlands Präsident Putin soll selbst den Ausbau der BAM zur “Chefsache” gemacht haben — unter anderem soll ein neuer Eisenbahnzweig von der BAM in Richtung Jakutsk, mindestens bis Tommot, gebaut werden. Besonders wichtig ist der schon angefangene Bau einer 320 km langen Strecke bis zum Kohlenrevier Enginskij. Die dort erkundeten Kohlereserven reichen selbst bei intensiver Nutzung hundert Jahre. Das Eisenbahnministerium plant auch einen Streckenzweig zum Kohlerevier Nerjungrinskij.
Bereits während der Sowjetzeiten hat sich ein breit gefächertes Flugverkehrsnetz entwickelt. Die Aeroflot war zu Sowjet-Zeiten mehrere Jahrzehnte mit mehr als 10.000 Flugzeugen lang die größte Fluggesellschaft der Welt. Man sollte damals das ganze Land flächendeckend versorgen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Umstieg aus der Planwirtschaft erhielt auch diese Fluggesellschaft erhebliche Umstellungsprobleme. Die sowjetische Aeorflot zerfiel in rund 200 meist winzige Fluggesellschaften.
Aeroflot, eigentl. Aeroflot – Russische Luftfahrtlinien (russisch Аэрофлот – Российские авиалинии / Transkription Aeroflot – Rossiskije awialinii) war — und ist — die größte russische Fluggesellschaft mit einem Marktanteil von (2007) etwa 1/4 des russischen Flugverkehrs. Neben dieser Rest-Aeroflot beherrschen heute mit jeweils 12 % Marktanteil S 7 Airlines und Airunion — ein Zusammenschluss von Krasair mit Omskavia, Samara Airlines, Domodevo Airlines und Sibaviatrans — den russischen Markt. Die überwiegend noch mit (spritfressenden) Antonow‑, Illjuschin- und Tupolew ausgerüstete Fluggesellschaft gehen zunehmend dazu über, moderne westliche Flugzeuge zu erwerben.
Dabei bedient sich Aeoroflot eines “Tricks”. Um hohe Importsteuern für im Ausland hergestellte Flugzeuge zu vermeiden, lässt Aeroflot ihre Airbus- und Boeing-Flugzeuge auf den Bermuda-Inseln registrieren. Diese haben daher die entsprechende Luftfahrzeug-Kennung VP‑B… anstelle der Kennung RA-… für in Russland registrierte Flugzeuge.Derzeit verfügt die Aeorflit über folgende Flotte (Stand: Juli 2007)[1]
- Airbus A319 8
- 12 Airbus A320
- Airbus A321 7
- Antonow An-24V 1
- Antonow An-26A 4
- 11 Boeing 767-300
- Iljuschin Il-62M 7
- Iljuschin Il-76T 1
- Iljuschin Il-76TD 1
- 10 Iljuschin Il-86
- Iljuschin Il-96-300 6
- 11 Tupolew Tu-134A
- Tupolew Tu-154B 1
- 28 Tupolew Tu-154M
- Aeroflot Cargo[2]
- McDonnell Douglas DC-10-40CF 4
- Airbus A321 8
- 10 Airbus A330
- 22 Airbus A350 XWB (Lieferung vorgesehen für 2014–17) [6]
- 22 Boeing 787
- Iljuschin Il-96-300 6
- Iljuschin Il-96-400T 6
- McDonnell Douglas MD-11F 6
- 45 Suchoi Superjet 100 RRJ95[7]
Quellen:
- ↑ aerotransport.org: Aeroflot Flotte 2. Juli 2007
- ↑ aerotransport.org: Aeroflot Cargo Flotte 2. Juli 2007
- ↑ Airbus: Order & Deliveries 31. Mai 2007
- ↑ aerotransport.org: Aeroflot Flotte 2. Juli 2007
- ↑ aerotransport.org: Aeroflot Cargo Flotte 2. Juli 2007
- ↑ Aeroflot_A350:„A350-Bestellung-Pressemitteilung“ (22. März 2007)
- ↑ RIA Novosti: Aeroflot will 15 weitere Sukhoi Superjet-100 bestellen 22. Mai 2007
- ↑ Russland-Aktuell:„Aeroflot entscheidet sich für Airbus und gegen Boeing“ (23. Februar 2007)
Weitere Kaufverträge mit Airbus und Boing sind bereits unterzeichnet. Auch Airunion will bis 2010 alle alten sowjetischen Spritfresser durch Airbus, Boing — und Neubauten von Antonow und Tupolew ersetzen und seinen Flugzeugbestand von 70 auf 140 Flugzeuge ausweiten. Dies ist aber nur ein kleiner Teil des Marktes — insgesamt, so schätzen russische Experten, müssen von 2007 bis 2025 rund 1000 Flugzeuge ersetzt werden.
Damit wird — wenn Russland nicht selbst wieder konkurrenzfähige Verkehrsflugzeuge herstellen kann — zumindest ein großer Anteil der Modernisierung der russischen Luftverkehrsflotte den Bestand der amerikanischen und europäischen Luftfahrtindustrie sichern. Zur Blüte der sowjetischen Flugzeugindustrie wurden jährlich mehr als 100 neue Verkehrsflugzeuge in Betrieb genommen. Der Zusammenbruch des Staates führte zum Ruin — im Jahr 2006 wurden nur noch 8 Flugzeuge neu in Betrieb genommen. Die Regenerierung der russischen Flugzeugbauer hängt vor allem von zwei Faktoren ab: dem Stand der Technologie, der vor allem auch aus der Rüstungsindustrie bezogen wird, und den Aufträgen der (halbstaatlichen) Luftverkehrsgesellschaften, die dafür entsprechende Mittel benötigen. Über beides, so scheint es, wird Russland dank seiner begehrten Bodenschätze sehr schnell wieder im Übermaß verfügen können. Dabei soll auch mit westlicher Hilfe modernstes know-how erworben werden. In Woronesch und Irkutsk werden Komponenten für den Airbus A 310 gefertigt — und die Triebwerke für den Superjet 100 wurden gemeinsam mit dem französichen Triebwerksspezialisten Snecma Moteurs entwickelt. Die italienische Finmeccanic-Tochter Alenia hat zudem 25 % der Verkehrsflugzeugsparte von Sukhoi erworben — mit der Vereinbarung, dass Alenia die Wartung des Superjet im Ausland übernehmen werde.
Ende Mai 2008 konnte auch der Superjet — der erste seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion neu gebaute russische Passagierjet — seinen “Jungfernflug” absolvieren. Der “Superjet” in der Größenordnung von 75 bis 95 Passagieren soll sich im Markt für Regionaljets etablieren — einen Markt, den auch Embraer (Brasilien) sowie Mombardier (Kandada) und China für sich erobern wollen. Russlands Luftfahrtindustire hofft natürlich vor allem auf den riesigen eigenen Markt, der einen Ersatz der sowjetischen Spritfresser (Tu-134, Yak-42) durch moderne Typen vorsieht. Rund 300 Flugzeugverkäufe werden alleine hier erwartet. Darüber hinaus sollen 500 Superjets im Ausland abgesetzt werden. Bis 2010 sollen schon jährlich über 60 Maschinen das Werk verlassen.
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BSP von Russland — Russlands wirtschaftliche Entwicklung (www.defence-forum.net)
Externer Link:
Handelsblatt: “Russlands wirtschaftliche Kraftfelder” eine interaktive Karte: www.handelsblatt.com