Osteuropa — Russland


Flagge Russland

 

Das Wirtschaftswach­s­tum Rus­s­lands konzen­tri­ert sich zunehmend auf den europäis­chen Teil des Staates, ins­beson­dere um die Haupt­stadt Moskau und St. Peters­burg — das Tor zur Ostsee.

Einzelne Wirtschaft­szen­tren:

Moskau
Moskau ist nicht nur die Haupt­stadt son­dern das wirtschaftliche Herz des Riesen­re­ich­es. Etwa 10 Mio. Men­schen leben im Stadt­ge­bi­et Moskaues, und noch ein­mal vier Mil­lio­nen wohnen in den Rand­bezirken und Schlaf­städten rund um Moskau — etwa 7 % der gesamten Ein­wohn­er­schaft des Lan­des. Darunter befind­en sich 74 Dol­lar-Mil­liardäre (nur 71 sollen es in New York sein). Das druch­schnit­tliche Einkom­men der Moskauer (oder Moskowiter) liegt mit über 26.500 Dol­lar dreifach über dem rus­sis­chen Lan­des­durch­schnitt.  Das ist sich­er auch dem großzügi­gen Sozial­pro­gramm des (ehe­ma­li­gen) Moskauer Bürg­er­meis­ters Luschkow zu ver­danken, der mit kom­mu­nalen Mit­teln die Renten und Löhne von Staats­be­di­en­steten deut­lich auf­s­tock­te — und trotz­dem vor sein­er Ent­las­sung durch den rus­sichen Präsi­den­ten noch einen Haushalt­süber­schuss von 3,2 Mrd. Euro (Jan­u­ar bis Juli 2010) ver­buchen kon­nte. Die Moskowiter erwirtschaften über 20 % des gesamten rus­sichen BIP. Nominell rund 280 Mio. Dol­lar (BIP der Region Moskau 2009) stellen die rus­sis­che Haupt­stadt in eine Ebene wie ganz Südafri­ka, und dementsprechend wer­den über 35 % der aus­ländis­chen Direk­t­in­vesti­tio­nen in Moskau getätigt. Moskau soll also nicht ohne Grund zu einem glob­alen Finanzzen­trum und der Rubel zu ein­er führen­den regionalen Reservewährung aus­ge­baut wer­den (der rus­sis­che Präsi­den­ten Dmitri Med­wedew Anfang Juni 2008 auf dem 12. Inter­na­tionalen St. Peters­burg­er Wirtschafts­fo­rum). In “Moscow City” wird eine Hochhaus­metro­pole mit fün­fzehn z.T.über 600 m hohen Wolkenkratzern aus dem Boden gestampft. Alleine sieben der Türme sollen mehr als 260 m hoch wer­den — und damit die Frank­furter Com­merzbank, die über Jahre das höch­ste Büro­ge­bäude Europas, war, über­ra­gen. Die glob­ale Finanzkrise 2008 wird das Bautem­po ver­ringern — aber über die Jahre hin kaum eine Reduzierung der gigan­tis­chen Pläne mit sich bringen.

Vol­vo ist in Kalu­ga - etwas südöstlich von Moskau — präsent, und auch Volk­swa­gen hat sich Kalu­ga als Stan­dort für seine neue Pro­duk­tion­sstätte auserko­ren, 370 Mio. Euro investiert, und mon­tiert seit Ende Novem­ber 2007 hier Autos für den rus­sis­chen Markt, der Fahrzeuge aus Japan und Europa auf­saugt wie ein trock­en­er Schwamm. Die näch­sten Investi­tio­nen in Höhe von über 600 Mio. Euro sind bere­its (Stand 2008) in Auf­trag. Bis zu 150.000 Pas­sat und Sko­da Octavia sollen hier entste­hen. Moskau, die Haupt­stadt der rus­sis­chen Oli­garchen, hat aber auch die größte Zahl an Neuzu­las­sun­gen von Fahrzeu­gen der oberen Preis­seg­men­tk­lasse aller europäis­chen Haupt­städte. Beson­ders Mer­ceds-Benz mit sein­er S‑Klasse dominiert den rus­sis­chen Markt der Nobelkarossen.

Im Zen­tralen Aero­hy­dro­dy­namis­chen Insti­tut (Zagi) am östlichen Stad­trat haben Andrej Tupolew und Artjom Miko­jan die rus­sis­che Flugzeug­in­dus­trie geschaf­fen, deren Pro­duk­te wie die Tupolew Tu-144 (die zwei Monate vor der Con­corde ihren Jungfer­n­flug absolvieren kon­nte) mit den west­lichen Flugzeugschmieden dur­chaus konkur­ren­zfähig waren — und sind. Heute wird hier Sucho­js Super­jet 100 gefer­tigt, der Kern­stück ein­er erneuerten Flugzeug­in­dus­trie wer­den soll.

Extern­er Link:
Eura­sis­ches Mag­a­zin:  Rus­s­lands Haupt­stadt platzt aus allen Nähten

Wo ein Land wirtschaftlich auf eine Stadtre­gion hin so zen­tri­ert ist wie Rus­s­land auf Moskau bleibt für die anderen Regio­nen nicht mehr viel übrig — den­noch lohnt sich auch ein Blick auf diese anderen Regio­nen, auf das weite, flache, ver­schlammte und ver­armte Land genau­so wie auf die kleineren regionalen Wirtschaft­szen­tren, die neben der Haupt­stadt einen (ver­gle­ich­bar zaghaften) Ansatz von Blüte zeigen.

Kalin­ingrad
Das ein­stige preussis­che Königs­berg, von dem über Jahrhun­derte hin der Deutsche Orden in den slaw­is­chen Osten Europas vorstieß — und das 1701 die Krö­nung des ersten preußis­chen Königs erlebte — wurde in den Kämpfen des zweit­en Weltkriegs (“Fes­tung Königs­berg”) durch das Trom­melfeuer von 30 sow­jetis­chen Divi­sio­nen und zwei Luft­flot­ten fast völ­lig zer­stört. In den Ruinen wur­den Russen ange­siedelt, die ein­stige “Per­le am Pregel” erhielt Neubaut­en im Plat­ten­baucharme der Sowjetaera. 

Mit dem Auf­schwung der rus­sis­chen Wirtschaft erhielt die von der EU umschlossene Enklave Rus­s­lands einen neuen Antrieb — auch als “Rus­s­lands Tor zur EU”. Von 2004 bis 2006 erre­ichte das Wirtschaftswach­s­tum gute 10 %, im Jahr 2006 sog­ar 20 %. Ein Zeichen für den wirtschaftlichen Wohl­stand ein­er Gesellschaft ist die Autodichte — und Kalin­ingrad hat die zwei­thöch­ste Autodichte Rus­s­lands. Die mit knapp 500.000 Ein­wohn­ern kleine Region lei­det an Energie- und Arbeit­skräfte­man­gel für die blühende Werft- und Auto­mo­bilin­dus­trie (BMW, Gen­er­al Motors). Deshalb will Rus­s­lands Regierung rus­sis­che Heimkehrer aus den inzwis­chen unab­hängi­gen Sow­je­tre­pu­p­liken in die Region lock­en und den Wirtschaft­sprozess mit Sub­ven­tio­nen und Steuer­vorteilen ankurbeln. Die Regierung der Son­der­wirtschaft­szone ver­sucht dazu, zahlungskräftige Touris­ten mit Luxu­sho­tels und Spiel­hallen anzulocken.

Neure­iche Russen haben die Möglichkeit­en des Gebi­etes für Urlaub und Geschäfte ent­deckt. Anstelle der Plat­ten­bautristesse tritt die Rekon­struk­tion ganz­er his­torisch­er Vier­tel — bis hin zum Neubau der 1969 gesprengten Schloßru­ine, der alten “Zwing­burg” der Deutschen Rit­ter und Preußen.

Den­noch ist die Region auch in ander­er Hin­sicht inter­es­sant: das Mil­itär über­legt, eigene Abwehrraketen zu sta­tion­ieren, falls die USA die umstrit­te­nen Pläne zur Instal­la­tion des Raketen­ab­wehrsys­tems in Polen und Tschechien umsetzt.

St. Peters­burg
Die europäis­chte aller rus­sis­chen Städte gehört zu den Wirtschaft­szen­tren Rus­s­lands — und ein­er der “Auto­mo­bil­stan­dorte” Rus­s­lands. Der  US-Auto­mo­bil­her­steller Gen­er­al Motors mon­tiert bere­its den Crossover Chevro­let Cap­ti­va in der Stadt und wird Investi­tio­nen von rund 300 Mil­lio­nen Dol­lar vornehmen, um in dem im Bau befind­liche GM-Werk in Sankt Peters­burg 70 000 preiswerte Fahrzeuge im Jahr für den rus­sis­chen Markt zu montieren.

Krim
Die Krim — diesen Absatz haben wir am 12. April einge­fügt — ist hin- und herg­eris­sen zwis­chen den ver­schieden­sten Eth­nien. Schon in der Antike haben Griechen die Nord­küste des Schwarzen Meeres besiedelt — und Griechen wie Römer, Byzanz und Slawen haben dort Ruinen hin­ter­lassen. Goten und Tartaren hat­ten die Krim besiedelt und Teile ihres Volkes dort gelassen. Erst Katha­ri­na die Große lies die Hal­binsel von den Osma­n­en erobern. Aber bis heute haben sich turk­tar­tarische Bewohn­er, enge Ver­wandten der Türken, auf der kli­ma­tisch begün­stigten Hal­binsel gehal­ten. Erst Chrustchow ord­nete die Krim sein­er ukrainis­chen Heimat zu — durch eine Ver­wal­tung­sum­struk­turierung, von der nie­mand erwartete, dass damit eine der größten Krisen dieses Jahrhun­derts angelegt wer­den sollte.

Der Wein­bau der Zaren begann auf der Krim, in Jal­ta befind­et sich ein tra­di­tion­sre­ich­es Wein­forschungsin­sti­tut, Krim­sekt ist seit etwa 1900 ein bekan­ntes Qual­ität­spro­dukt — und Rus­s­land erweit­ert heute seine 60.000 Hek­tar Reban­bau­flächen mit der Annex­ion der Krim um 30.000 Hek­tar Weinberge.

Die Krim — das ist der Sehn­sucht­surlaub­sort der Russen, die hier mediter­ranes Kli­ma find­en, einen Aus­gle­ich zu den lan­gen und kalten eura­sis­chen Wintern.

Siehe auch unser Dossier zur Ukraine

Am Ural
Südur­al — Tatarische und Baschkirische Autonome Region:
An den Ufern der mit­tleren Wol­ga liegt Kazan, die alte tatarische Fes­tung, in einem Gebi­et das schon die Wol­ga-Bul­gar­en als Kern eines türkischen Großre­ich­es betra­chteten. Die Wol­ga-Bul­gar­en hat­ten sich bere­its hun­dert Jahre vor der Bekehrung der Ost­slawen durch die Ruriken in Kiew zum Islam bekan­nt. Unter den Mon­golen und deren türkisch-islamis­chem Nach­fol­gere­ich, der Gold­ene Horde, war Kazan Haupt­stadt des von den Mon­golen unter­wor­fe­nen und später von den islamis­chen Tataren beherrscht­en rus­sis­chen Gebi­etes. Die Tataren beg­nügten sich dabei mit ein­er nominellen Ober­herrschaft. Die Trib­utein­trei­bung durch rus­sis­che Fürsten — ins­beson­dere den Großfürsten von Moskau — erlaubte diesen let­z­tendlich, so viel Kraft zu schöpfen, dass mit dem Fall der Tataren­fes­tung Kazan (Iwan der Schreck­liche) die Eroberung der zen­tralasi­atis­chen Gebi­ete und auch Sibiriens ein­geleit­et wer­den kon­nte. Der gold­ene Dreiza­ck auf blauem Hin­ter­grund — das Sym­bol der Gold­e­nen Horde — ist auch heute noch ein Sym­bol der tatarischen Eigenständigkeit.

Bei den Tataren — sie sprechen einen Dialekt, der eine rel­a­tiv gute Ver­ständi­gung mit den heuti­gen Türken erlaubt — hat die Idee von einem pan­tu­ranis­chen Zusam­men­schluss eini­gen Wieder­hall gefun­den. Ein erster Schritt allerd­ings — der Zusam­men­schluss mit den eht­nisch nahe ver­wandten Baschkiren — ist bere­its am Wider­stand der Nach­barn (Haupt­stadt Ufa) gescheit­ert. Und die Aktivis­ten des “all­tatarischen Gesellschaftlichen Zen­trums”, das nach wie vor die Unab­hängigkeit von Moskau anstrebt und die Eroberung der Haup­stadt Kasan durch Iwan den Schreck­lichen als trau­ma­tisieren­des Fiasko ver­ste­ht  befind­en sich unter ständi­ger Kon­trolle des rus­sis­chen Geheimdienstes.

Diese nationale Schwärmerei manch­er Tataren stößt auch son­st nicht auf viel Gegen­liebe. Da sind ein­mal die vie­len Russen, die knapp die Hälfte der Bevölkerung der tatarischen AR bilden, und da sind die Regierun­gen in Rus­s­land selb­st. Fast 100 % der Indus­trie — ins­beson­dere die Erdöl- und Ergas­förderung — ste­ht im Eigen­tum der rus­sis­chen Staatskonz­erne. Und die Indus­trie — wie etwa die Laswa­gen­fab­rik “Kamaz” — ist nicht nur auf den rus­sis­chen Markt aus­gerichtet, son­dern arbeit­et zu etwa 70 % für die Rüs­tung des Landes.

Während im rus­sis­chen Kreml noch der Sieg über die Tataren von Kazan ver­her­rlicht wird hat sich seit dem Zusam­men­bruch der athe­is­tis­chen Sow­je­tu­nion ein Wan­del vol­l­zo­gen. Auch hier wet­teifer­ten — wie in den turanis­chen Nach­folges­taat­en der UdSSR in Zen­tralasien — Saud­is, Pak­istan­er, Ägypter, Iran­er und Türken um den Neubau von Moscheen. Die aus­ländis­chen Lehrer an der islamis­chen Uni­ver­sität von Kasan wer­den aber zunehmend durch eigene Dozen­ten erset­zt, die (unter der Kon­trolle des rus­sis­chen Staates) einen gemäßigten, jadidis­tisch geprägten Islam vertreten — einen “Euro-Islam”? Tat­säch­lich ste­hen sich Chris­ten und heimis­che Mus­lime nicht kon­fronta­tiv gegenüber. Direkt neben der Kathedar­ale von Kasan im tatarischen Kreml wurde 2005 eine der größten islamis­chen Moscheen Europas errichtet, die Kul-Scharif-Moschee. Der weiß-türkise Pracht­bau erin­nert mit sein­er zen­tralen Kup­pel, den aufgeschnit­tenene Bögen  auf den Seit­en­wän­den über den Sock­elgeschossen und den vier Minaret­ten ent­fer­nt an einen mod­er­nen Nach­bau der Hagia Sophia — und bezieht sich damit architek­tonisch eher auf die Türkei als auf  zen­tralasi­atis­che Vor­bilder. Und 30 % aller Ehen der Region sind Mis­chehen — zwis­chen (über­wiegend rus­sisch-ortho­dox­en) Chris­ten und tatarischen Muslimen.

West­si­birien
Von Chelabin­sk und Jekatar­in­burg am Ural über Omsk bis Novosi­birsk (3.200 km östlich von Moskau) mit sein­er Stahl- und Chemie-Indus­trie erstreckt sich der west­si­birische Indus­triegür­tel zwis­chen der Taiga im Nor­den und der eura­sis­chen, kasachis­chen Steppe im Süden. 

Bere­its die Zaren haben mit der Erschließung Sibiriens begonnen und mit der transsi­birischen Eisen­bahn (Transsib) das heute noch wichtige Rück­grat für die Erschließung Süd­si­birens bis hin nach Wladi­wos­tok in die Taiga getrieben. Auf­schwung erhielt die Indus­trieal­isierung West­si­biriens durch Hitlers Angriff auf Rus­s­land. Die von der deutschen Wehrma­cht bedro­ht­en Indus­trien im West­en des Reich­es wur­den im Eil­tem­po nach West­si­birien ver­lagert. Beim Spitzen­tr­e­f­fen mit der EU in Chan­ty-Man­si­jsk am Zusam­men­fluss von Irtysch und Ob) Ende Juni 2008 wurde den EU-Repräsen­tan­ten gezeigt, dass Rus­s­land genau über die Schätze ver­fügt, die Europa zu sein­er Entwick­lung braucht.

Heute sind vor allem die Öl- und Gas­felder West­si­biriens für die gesamte (nicht nur) rus­sis­che Wirtschaft von Bedeu­tung. Von dem lang gezo­ge­nen Meere­sarm “Obskaya Guba” an der Karasee erstreckt sich das gigan­tis­che West­si­birische Feld über Surgut bis fast nach Tom­sk. Eine Pipeline erschließt nahezu die gesamte Aus­dehnung des Ölfeldes, und führt von Tom­sk — mit einem Abzweig zum Ölfeld von Kras­no­jarsk — über Nowosi­birks und Omsk nach Kasach­stan, wo seit 2006 über eine weit­ere Pipeline Erdöl in die chi­ne­sis­chen Ölfelder in Xin­jiang und von dort weit­er bis Shan­hai gepumpt wer­den kann. Rus­s­lands Gazprom hat mit der Chi­na Nation­al Petro­le­um Corp. (CNPC), dem chi­ne­sis­chen Staatskonz­ern, inzwis­chen die Liefer­ung von rund 70 Mrd. cbm Erdgas aus Kras­no­jarsk vere­in­bart. Zusät­zlich ste­hen die Öl- und Gaspipelines zur Ver­fü­gung, mit denen Wes­teu­ropa vom sibirischen Reich­tum prof­i­tiert. Eine Eisen­bahn­strecke am Ostrand des Ural soll die Polar­re­gion mit der Transsib verbinden. In dem Gebi­et wer­den Straßen, Kraftwerke, neue Indus­triege­bi­ete und Städte entste­hen — und die Bevölkerung jährlich um 10 % anwach­sen lassen.

Der autonome Bezirk von Chan­ty-Man­si­jsk am Mit­tel­lauf des Ob ver­fügt (Stand 2008) nur über 1,5 Mio. Ein­wohn­er — aber mit jährlich 280 Mio. Ton­nen über etwa 60 % der rusis­chen Ölförderung. In Nefte­ju­gan­sk am Ob hat Ros­neft (vorher: Yukos) ein Herzstück sein­er Förderka­paz­itäten. Gegenüber auf der “anderen Fluß­seite” in Surgut hat sich der Öl- und Gaskonz­ern Surgut Nefte­gas die Vorkom­men gesichert. Und die Region soll weit­er aus­ge­baut werden.

Nördlich der Region Chan­ty-Man­si­jsk schließt sich der autonome Bezirk Jama­lo-Nen­jeck mit seinen Erdgas­feldern an.

Nahe von Nowosi­birsk - eine Fahrt­stunde mit dem Auto — befind­et sich eines der ein­st­mals hochge­heimen Forschun­szen­tren Rus­s­lands. Während der Zeit des “kalten Krieges” wurde der Stan­dort durch Moskau extrem gefördert. Rund 60.000 Wis­senschaftler waren in der Sow­jet­zeit in der Forschungsstadt “Akademik­gorodok” tätig. Nach dem Zusam­men­bruch der UdSSR ver­ließ ein großer Teil der akademis­chen Elite das Land — etwa 1/3 des Microsoft-Per­son­als in Kali­fornien soll nach rus­sis­chen Angaben in Akadem­gorodok studiert haben. Heute kom­men viele Wis­senschaftler mit ihren Erfahrun­gen — und Fir­menkon­tak­ten — zurück. Microsoft, Intel, Ora­cle, Hewlett Packard  oder Sam­sung und rus­sis­che Fir­men haben Nieder­las­sun­gen in der Stadt gegrün­det. Die Ver­net­zung von Aus­bil­dung, Forschung und Indus­trie an einem Stan­dort mit hoher Leben­squal­ität auf eng­stem Raum bietet enor­men Per­spek­tiv­en und Entwick­lungschan­cen. Junge Akademik­er wer­den direkt vom Studi­um ange­wor­ben, und kön­nen wegen der guten Ver­di­en­st­möglichkeit­en und wegen der für rus­sis­che Ver­hält­nisse guten Ver­sorgung des Ortes ein her­vor­ra­gen­des Wirtschaftspo­ten­tial auch für die investieren­den Unternehmen bilden.

Kras­no­jarsk ist nach Nowosi­birsk und Imsk mit fast ein­er Mil­lion Ein­wohn­ern die drittgrößte Stadt Sibiriens. Hier — im geo­graphis­chen Zen­trum zwis­chen Europa und Südostasien, zwis­chen Südostasien und Nor­dameri­ka (Pol­route) will die Flugge­sellschaft Kra­sair (Air Union) bis zum Jahr 2015 ein neues Luft­drehkreuz für die Streck­en Los Ange­les — Dehli oder Lon­don-Sin­ga­pur erricht­en und damit den Golfemi­rat­en Konkur­renz machen. Mit dem Ver­bot von Über­flü­gen durch die rus­sis­che Regierung für Lufthansa Car­go — die Gesellschaft hat­te im Okto­ber 2007 in Astana (Kasach­stan) mit knapp 50 wöchentlichen Verbindun­gen eine der größten Fracht­drehkreuze der Gesellschaft — soll auch eine erste west­liche Air­line nach Kras­no­jarsk (oder ersatzweise Nowosi­birsk) gezwun­gen werden.

Hin­ter Irkut­sk (5.500 km östlich von Moskau) — dem ein­stige Ver­ban­nung­sort der Zaren für rus­sis­che Adelige (Paris des Ostens) — und dem Baikalsee teilt sich die Transsi­birische Eisen­bahn. In Ulan Ude, wo die mon­golis­chen Bur­jäten im ehe­ma­li­gen Zaren­re­ich leben, führt eine Trasse über die Mon­golei (Ulaan­ba­tor) nach Peking, eine weit­ere nach Osten — nach Wladiwostok.

Und von Tais­chet — weit nord­west­lich von Irkut­sk — führt eine Ölpipeline in weit­em Bogen nördlich um den Baikalsee herum bis nach Skoworodi­no an der rus­sisch-chi­ne­sis­chen Gren­ze — und ab Jan­u­ar 2011 über eine neue Pipeline bis nach Daquing, dem unter Mao wichtig­sten Öl-Förderzen­trum in der nun­mehr chi­ne­sis­chen Mand­schurei. 15 Mio. Ton­nen Öl sollen diese Pipeline jährlich passieren, und ab 2015 will Rus­s­land eine Gaspipeline nach Chi­na in Betrieb nehmen, die jährlich 30 Mil­liar­den Kubik­me­ter Gas trans­portieren soll. Der Energie- und Rohstoffhun­grige chi­ne­sis­che Nach­bar wird zu einem für Rus­s­land immer wichtigeren Kun­den. Das fol­gende Ost­si­birien liegt zunehmend im Inter­essens­ge­bi­et Chinas. 

Ost­si­birien
Wenn Rus­s­land den Osten von Osteueropa bildet, dann liegt Ost­si­birien — richtig: am Ende der Welt. Rus­s­land ist der am weis­testen nach Osten vorgeschobene Staat des eura­sis­chen Kon­ti­nents. Jen­seits der Bering-Straße begin­nt mit dem (ehe­mals rus­sis­chen) Alas­ka Amerikas “Wilder Westen”.

Ost­si­birien hat aber die Inter­essen der Welt erregt. Dies hängt unter anderem mit einem starken Inter­esse der asi­atis­chen Raf­fine­r­ien am ost­si­birischen Öl zusam­men, das seit 2010 durch die Ölpipeline Ost­si­birien – Paz­i­fik gepumpt wird. Dieses Öl zeich­net sich durch eine sehr hohe Qual­ität aus. Zudem ist es sehr konkur­ren­zfähig, weil die sich im Fer­nen Osten befind­lichen Ölvorkom­men eine strate­gisch wichtige Lage für die asi­atis­chen Län­der haben. Die ost­si­birische Ölsorte WSTO ver­drängt allmäh­lich die anderen Sorten auf den asi­atis­chen Märk­ten. Im ersten Jahr der Inbe­trieb­nahme (2010) der Pipeline zum rus­sis­chen Hafen Kosjmi­no han­delt es sich um einen nicht so großen Liefer­um­fang. In diesem Jahr wür­den nur rund 15 Mil­lio­nen Ton­nen Öl geliefert — so Alexan­der Stock vom Beratung­sun­ternehmen 2K Audit — Delowyje Konsultazii/Morison Inter­na­tion­al. Dabei werde das rus­sis­che Öl teil­weise auf den US-Markt kom­men. In diesem Jahr kann also Rus­s­land nur zwis­chen 1,1 und 1,2 Prozent des APAC-Mark­ts kon­trol­lieren. Rus­s­land erwartet sich aber In den näch­sten Jahren über fünf Prozent dieses Mark­ts zu bekom­men, der derzeit haupt­säch­lich von Sau­di Ara­bi­en beliefert wird.

Eine der Wirtschaftss­chmieden der Region ist die Indus­tri­es­tadt Chabarowsk, nur 20 Kilo­me­ter von der chi­ne­sis­chen Gren­ze am Amur ent­fer­nt. Am 21. und 22. Mai fand aus­gerech­net im Fer­nen Osten Rus­s­lands ein  EU-Rus­s­land-Gipfel statt, nicht ohne Sym­bo­l­ik. Tat­säch­lich gibt es in Chabarowsk eine ganze Rei­he von Betrieben, die mit europäis­chen Investi­tio­nen mod­ernisiert – wie die Ölraf­finer­ie der Stadt — oder völ­lig neu gebaut wur­den. Hier wird im Sukhoi-Flugzeug­w­erk der Super­jet 100 mit seinen 98 Sitz­plätzen und ein­er Reich­weite von 4.400 Kilo­me­tern zusam­men geni­etet, der Stolz und die erhoffte Zukun­ft der zivilen rus­sis­chen Luft­fahrtin­dus­trie — und ein Part­ner­schaft­spro­jekt mit west­lichen Her­stellern. So ist das ital­ienis­che Luft- und Raum­fahrtun­ternehmen Ale­nia Aero­nau­ti­ca mit 25 Prozent plus einem Anteil an dem Super­jet-Her­steller SCAC beteiligt. Eine enge Geschäftsverbindung der Russen gibt es auch mit der franzö­sis­chen Trieb­w­erk-Fir­ma Snec­ma, die in einem Joint Ven­ture mit dem rus­sis­chen Unternehmen NPO Sat­urn die Trieb­w­erke für den Super­jet pro­duziert. Ins­ge­samt 15.000 Arbeit­er und Inge­nieure sind bei Sukhoi beschäftigt und pro­duzieren haupt­säch­lich Kampf­flugzeuge. Der zivilie Sek­tor mit seinen 640 Mitar­beit­ern, die in dem eigens zum Bau des Super­jets gegrün­det Sukhoi-Tochterun­ternehmen SCAC beschäftigt sind, mutet dage­gen mar­gin­al an. Aber Moskau hat mit diesem Pro­jekt “alle Eier in einen Korb gelegt”. Der Super­jet scheint die let­zte Chance zu sein, wieder an die hohen Pro­duk­tion­szahlen der sow­jetis­chen Pas­sagier­jet­pro­duk­tion anknüpfen zu können.

Keine Stadt repräsen­tiert den rus­sis­chen Drang nach Osten so sehr wie Wladi­wos­tok, die Hafen­stadt und Marineba­sis gegenüber Japan, die geo­graphisch weit­er östlich liegt als jed­er Hafen Chi­nas, der “Wirtschafts­macht des fer­nen Ostens”. Bis 1991 wur­den in der “geschlosse­nen Stadt” am Paz­i­fik sow­jetis­che Waf­fen gebaut, vor allem auch Schiffe für die Pazik­fik­flotte der Sow­jets — eine Flotte, die nun vor sich hin ros­tend im Hafen düm­pelt. Neun Stun­den dauert der Flug von Moskau bis Wladi­wos­tok. Eine Woche brauchen die Per­so­nen­züge auf der berühmten Transsi­birischen Eisen­bahn für die über 9200 km lange Strecke aus Moskau, und die Güterzüge sind dop­pelt so lange unter­wegs, um Waren ent­lang diesem “Rück­grat Sibirens” zu trans­portieren. Ganze 14 Tage brauchte ein Güterzug mit 102  Con­tain­ern aus Chi­na bis nach Duis­burg. Er legte dabei mehr als 10.000 Kilo­me­ter zurück. Die Strecke führte durch Chi­na, die Mon­golei, Rus­s­land, Weißrus­s­land, Polen und Deutsch­land. Das ist immer noch wesentlich schneller als der zeitraubende Umweg mit dem Schiff über den indis­chen Ozean. Am 20. Novem­ber 2006 wurde daher zwis­chen den Bah­nge­sellschaften von Rus­s­land, Chi­na und Deutsch­land eine Vere­in­barung getrof­fen, mit der kün­ftig im “fahrplan­mäßi­gen eura­sis­chen Güter­verkehr die Route von Schang­hai über Peking, Wladi­wos­tok, Irkut­sk, Nowosi­birsk, Omsk, Jeka­ter­i­nen­burg, Kasan, Moskau, Brest, Warschau, Berlin bis Duis­burg befahren wer­den” soll  (Quelle: Die Bahn erschließt den Kon­ti­nent Eurasien — (www.eurasischesmagazin.de)). Rus­s­land investiert auch hier: auf der “rus­sis­chen Insel” (Russkij) vor Wladi­wos­tok — einem ehe­ma­li­gen mil­itärischen Sper­rge­bi­et — plant Moskau ein gewaltiges  Uni­ver­sitäts- und Kon­gresszen­trum. 15 Mil­liar­den Euro will Moskau investieren — unter anderem für zwei gewaltige Brück­en, mit denen die Insel mit dem Fes­t­land ver­bun­den wer­den soll. Bis zum Gipfel der Asi­atisch-Paz­i­fis­chen Wirtschaft­szusam­me­nar­beit (Apec) im Jahr 2012 soll das Kon­gresszen­trum mit Hotels, einem gewalti­gen Ozea­nari­um und Sport­stät­ten fer­tig sein und danach eine “Förderale Uni­ver­sität” für 50.000 Stu­den­ten aufnehmen. Woher diese Stu­den­ten in der men­schen­leeren Region kom­men sollen bleibt allerd­ings zunächst noch offen.

Den­noch bre­it­et sich Res­ig­na­tion in der Region aus. “Moskau hat uns aufgegeben” lautet der rsig­nierte Stoßseufz­er von Händlern, die mit Zoller­höhun­gen und der Rubal­ab­w­er­tung zu kämpfen haben. Die Rüs­tungs­be­triebe schlossen mit dem Kol­laps der Sow­jet­macht, und die immensen Sub­ven­tio­nen, die von Moskau in die Region gepumpt wur­den, ver­siegten. In den ersten 15 Jahren nach dem Zusam­men­bruch ist die Bevölkerung durch­schnit­tlich um 1/4 geschrumpft. Manche Gebi­ete haben sog­ar bis zu 80 % der Ein­wohn­er ver­loren. Stattdessen öffneten sich die Gren­zen ins­beson­dere nach China. 

Hun­derte von Russen und Chi­ne­sen über­queren bere­its jet­zt täglich die Gren­ze, um bepackt mit Bil­lig­waren aus Chi­nas Nor­dost­prov­inz die Ver­sorgungslage in Rus­s­lands “fer­nem Osten” aufzubessern. Ent­lang der Transsib bre­it­en sich die Klein­händler mit ihren Ange­boten bis Moskau aus. Die rund 120 Mil­lio­nen Chi­ne­sen, die seit der zaris­tis­chen Herrschaft über die Mand­schurei (chi­ne­sisch Hei­longjiang) in Chi­nas Nor­dost­prov­inz sesshaft gewor­den sind, dominieren auch optisch immer mehr den Gren­zverkehr mit den nur noch rund 6 Mio. Russen, die sich ent­lang der chi­ne­sis­chen Gren­ze zwis­chen Wladi­wos­tok, Chabarowks und Biagowichtschen­sk am Amur ange­siedelt haben. 

Die bil­li­gen, fleißi­gen und zuver­läs­si­gen Arbeit­er aus dem Reich der Mitte bescheren Rus­s­lands Ost­ge­bi­eten einen neuen Auf­schwung. Über die Gren­ze und die zur Zaren­zeit errichtete Eisen­bahn­lin­ie, die knapp hin­ter der mon­golis­chen Gren­ze über Harbin direkt nach Wladi­wos­tok führt, kom­men immer mehr sibirische Rohstoffe zu den hun­gri­gen Chi­ne­sen, die daran gehen, das ehe­mals notlei­dende Indus­tri­ere­vi­er, den Ros­t­gür­tel der Mand­schurei mit aller Macht zu mod­ernisieren. Der Hafen von Wladi­wos­tok und Nachod­ka soll aus­ge­baut wer­den, um den Waren­ex­port der Chi­ne­sen zu erle­ichtern — denn die Bahn- und Schiff­s­pas­sage von der Mand­schurei nach Japan und in die USA ist über diese Häfen alle­mal kürz­er und schneller als über Chi­nas Häfen am Gel­ben Meer. Die bei­den rus­sis­chen Häfen sind an den Gren­zen der Ladeka­paz­ität ange­langt. Vor der Küste stauen sich die Trans­porter, die japanis­che und kore­anis­che Kraft­fahrzeuge für den Pri­vat­markt und andere Güter anlan­den wollen. Eine Karawane von emsi­gen Einzel­händlern trans­portiert die Waren — bis hin zu Kraft­fahrzeu­gen mit z.T. aben­teuer­lichen Kon­struk­tio­nen — über die einzige Autostraße ent­lang der südrus­sis­chen Gren­ze sowie über die Bahn in den rus­sis­chen West­en. Wladi­wos­tok ist zum Ein­fall­tor für japanis­che und kore­anis­che Gebraucht­wa­gen gewor­den, die jährlich zu hun­der­tausenden Exem­plaren aus den nahen Ursprungslän­dern angeschifft werden.

Sachalin — sibirische Rohstoffe für die Welt:
Dabei prof­i­tiert Rus­s­land auch von den zunehmenden Inter­essen der west­lichen Indus­tri­es­taat­en an sibirischen Rohstoffen.

Eines dieser Inter­essen­felder der rohstoffhun­gri­gen west­lichen Indus­trien liegt auf Sachalin. Seit inter­na­tionale Öl- und Gas-Konz­erne auf der Insel Öl- und Gas fördern, wird die Mod­ernisierung der ver­al­teten Infra­struk­tur auf Sachalin zu ein­er immer driän­gen­deren Auf­gabe. Utopisch anmu­tende Pro­jek­te wie der Bau ein­er Brücke zum rus­sichen Fes­t­land — und eine Verbindung nach Japan — sollen Sachalin sog­ar zum Kern eines neuen eura­sis­chen Trans­portko­r­ri­dors zwis­chen Rus­s­land und Japan machen. 

Exxon Mobil (Sachalin I) und Shell (Sachalin 2) haben seit den Neun­ziger Jahren enorme Sum­men investiert, um die dort ver­muteten Felder mit fos­silen Energievorkom­men zu erschließen. Mit dem Vor­wurf, gegen rus­sis­che Umwelt­ge­set­ze ver­stoßen zu haben, kon­fron­tierte Rus­s­land die west­lichen Konz­erne 2006 mit mas­siv­en Anschuldigun­gen, die bis zum Entzug der Förder­l­izen­zen — zu Gun­sten der staatlichen Konz­erne Gazprom und Ros­neft — führen könnten.

Sachalin II — bis zum Jahre­sende 2006 mit einem Investi­tionsvol­u­men von knapp 20 Mrd. $ zu etwa 80 % fer­tig gestellt — soll zwei mar­itime Förderin­seln, einen eige­nen Hafen, eine Gasver­flüs­si­gungsan­lage und entsprechende Pipelines zum Abtrans­port des gewonnenen Erdgas­es umfassen. Im Dezem­ber 2006 gelang es der rus­sis­chen Staats­fir­ma Gazprom, 50 % plus 1 Aktie an dem Kon­sor­tium zu erwer­ben, das von Shell (55 %) und den japanis­chen Fir­men Mit­sui und Mit­subishi gehal­ten wurde. Der anteilige Ver­lust von rund 10 Mrd. $ Investi­tionsvol­u­men wird allerd­ings durch einen Kauf­preis von 7,45 Mrd. $, den Gazprom als Entschädi­gung auf­bringt, weit­ge­hend wett gemacht — zumal die mas­siv steigen­den Gas- und Ölpreise auch die Gewin­n­mar­gen in die Höhe treiben. Eine anvisierte Jahre­spro­duk­tion von knapp 10 Mio. t. Flüsig­gas und täglich 150 Mio. Bar­rel Öl lässt die Investi­tio­nen kaum zu einem Ver­lust­geschäft wer­den. 

Sachalin III
soll dage­gen mit chi­ne­sis­chen Inve­storen entwick­elt wer­den. Das rus­sis­che Staat­sun­ternehmen Ros­neft hat im März 2007 die Grün­dung eines Joint Ven­tures mit der chi­ne­sis­chen Gesellschaft Sinopec bekan­nt­gegeben, die das Pro­jekt Sachalin‑3 betreiben soll. Die dor­ti­gen Vor­räte wer­den auf 169,4 Mil­lio­nen Ton­nen Öl und 258,1 Mil­liar­den Kubik­me­ter Gas geschätzt. Die geol­o­gis­chen Erkun­dungsar­beit­en wird Sinopec — obwohl nur zu 25,1 Prozent am gemein­samen Unternehmen beit­eiligt — mit 75 Prozent finanzieren.

Nord­po­larmeer:
Wer von Wladi­wos­tok noch weit in den rus­sis­chen Osten vor­dringt kommt zur Beringstraße. Und der Kon­flikt mit den USA um die Wirtschafts­gren­zen im Nor­den dieser Meer­esstraße, die Ost­si­birien von Alas­ka tren­nt — und das Nord­po­larmeer mit dem Paz­i­fik verbindet — ist symp­to­ma­tisch für eine Region, die im let­zten Jahrhun­dert Tum­melplatz von Forsch­ern und Mil­itär war, mit zunehmender Erder­wär­mung aber immer mehr ins Blick­feld der Wirtschaft und damit auch der Poli­tik gerät. Rus­s­land möchte seine Wirtschaft­szone über die Hälfte des Nord­po­larmeeres festschreiben lassen — und gerät bere­its in den Rand­bere­ichen, an der Behring-Straße mit den USA und an der Bar­entssee mit Nor­we­gen — in Kon­flik­te mit seinen Nachbarn.

Infra­struk­tur:
Die Verbindung ein­er so riesi­gen Land­masse stellt eines der größten Prob­leme des Lan­des dar. Natür­liche Verkehrsverbindun­gen — wie große Flüsse — kön­nen haupt­säch­lich im europäis­chen Teil Rus­s­lands genutzt wer­den. Im sibirischen Osten dage­gen — wo die Flüsse in Süd-/Nor­drich­tung ver­laufen, im lan­gen Win­ter zuge­froren sind und die Verkehrsströme im Süden des Waldgür­tels, der Taiga — in Ost-/West-Rich­tung ori­en­tiert sind, bieten die Flüsse nur eine geringe Unter­stützung für den War­en­trans­port. Dauer­frost­bö­den, Schneev­er­we­hun­gen im Win­ter und aufgewe­ichte Schlammp­is­ten im Som­mer, in denen der Straßen­verkehr oft zum erliegen kommt … wie soll dieses Land zu einem kraftvollen Wirtschaft­sraum zusam­men­waschen? Schon ausser­halb der Bal­lungszen­tren ver­lieren sich die Straßen oft in aus­ge­wasch­enen Pis­ten, das — wenn auch in sein­er Aus­dehnung gewaltige — Bahn- und Straßen­netz ist längst nicht so dicht wie im West­en Europas.
Rus­s­land ver­sucht, durch gewaltige Investi­tio­nen den Verkehrs­fluss zu beschle­u­ni­gen. Rund 14 Bil­lio­nen Rubel (mehr als 375 Mil­liar­den Euro) sollen von 2008 bis 2015 in den Aus­bau der Infra­struk­tur für Eisen­bahn, Autoverkehr, Seev­erkehr, Bin­nen­schiff­fahrt und zivil­er Flugverkehr fließen (Quelle). “Die Regierung­sex­perten gehen davon aus, dass der Güter­tran­sit nach der Umset­zung des Pro­gramms um 40 Prozent wach­sen würde — von 30,1 Mil­lio­nen Ton­nen im Jahr 2009 auf 42,7 Mil­lio­nen Ton­nen zum Jahr 2015. In den sechs Jahren sollen 1800 Kilo­me­ter Schnell­straßen und 4.100 km Eisen­bahn gebaut und 116 Start- und Lan­de­pis­ten mod­ernisiert wer­den.” Alleine die Rus­sis­che Eisen­bahn AG (RZD) wird von 2007 bis 2030 zehn Bil­lio­nen Rubel (mehr als 286 Mil­liar­den Euro) in den Aus­bau und die Mod­ernisierung des heimis­chen Bahn­net­zes steck­en (Quelle). Auch west­liche Her­steller — wie SIEMENS, das seinen ICE nach Rus­s­land verkaufen möchte — wit­tern hier gute Marktchancen.

Während die rus­sis­che Fer­nos­t­flotte im Marine­hafen vor sich hin ros­tet  stapeln sich auf dem zivilen Umschlag­platz die Waren, um durch das “Nadelör Transsib” den Weit­er­trans­port zu ermöglichen. Die Aus­las­tung ist mehr als “aus­re­ichend”. Die poli­tis­che Annäherung zwis­chen Nord- und Süd­ko­rea erlaubt zugle­ich weit­ere Höhen­flüge. Süd­ko­rea möchte über den Nor­den der geteiliten Hal­binsel Anschluss an die Transsib und Trans-Chi­na-Eisen­bahn gewin­nen und damit die Trans­portwege nach Europa deut­lich effizien­ter gestal­ten. Ver­we­gene Enthu­si­as­ten denken sog­ar an eine durchge­hende Bah­n­verbindung über die rus­sis­che Sachalin-Insel bis nach Japan — und das alles über die jet­zt schon ver­stopfte Transsib?
Wie gut, dass die Sow­jets schon vor Jahren nördlich des Baikal-Sees eine Ent­las­tungsstrecke gebaut haben — die Baikal-Amur-Magis­trale (BAM), die bei Kom­so­mol­sk den Amur über­quert und in Sov­jestka­ja Gavan einen weit­eren Hafe­nan­schluss am Nor­dende des japanis­chen Meeres — gegenüber Sachalin — bedi­ent. Die BAM erschließt eine ganze Rei­he wichtiger Rohstof­fvorkom­men (z.B. der Titan- und Vana­di­um­stätte Chi­naiskij und der Kupfer­stätte Udokan­sij) und wird auch deshalb seit 2001 revi­tal­isiert. Rus­s­lands Präsi­dent Putin soll selb­st den Aus­bau der BAM zur “Chef­sache” gemacht haben — unter anderem soll ein neuer Eisen­bahnzweig von der BAM in Rich­tung Jakut­sk, min­destens bis Tom­mot, gebaut wer­den. Beson­ders wichtig ist der schon ange­fan­gene Bau ein­er 320 km lan­gen Strecke bis zum Kohlen­re­vi­er Engin­skij. Die dort erkun­de­ten Kohlere­ser­ven reichen selb­st bei inten­siv­er Nutzung hun­dert Jahre. Das Eisen­bah­n­min­is­teri­um plant auch einen Strecken­zweig zum Kohlere­vi­er Nerjungrinskij.

Bere­its während der Sow­jet­zeit­en hat sich ein bre­it gefächertes Flugverkehrsnetz entwick­elt. Die Aeroflot war zu Sow­jet-Zeit­en mehrere Jahrzehnte mit mehr als 10.000 Flugzeu­gen lang die größte Flugge­sellschaft der Welt. Man sollte damals das ganze Land flächen­deck­end ver­sor­gen. Mit dem Zusam­men­bruch der Sow­je­tu­nion und dem Umstieg aus der Plan­wirtschaft erhielt auch diese Flugge­sellschaft erhe­bliche Umstel­lung­sprob­leme. Die sow­jetis­che Aeor­flot zer­fiel in rund 200 meist winzige Fluggesellschaften.

Aeroflot, eigentl. Aeroflot – Rus­sis­che Luft­fahrtlin­ien (rus­sisch Аэрофлот – Российские авиалинии / Tran­skrip­tion Aeroflot – Rossiski­je awialinii) war — und ist — die größte rus­sis­che Flugge­sellschaft mit einem Mark­tan­teil von (2007) etwa 1/4 des rus­sis­chen Flugverkehrs. Neben dieser Rest-Aeroflot beherrschen heute mit jew­eils 12 % Mark­tan­teil S 7 Air­lines und Airunion — ein Zusam­men­schluss von Kra­sair mit Omskavia, Sama­ra Air­lines, Domod­e­vo Air­lines und Sibavi­a­trans — den rus­sis­chen Markt. Die über­wiegend noch mit (sprit­fressenden) Antonow‑, Illjuschin- und Tupolew aus­gerüstete Flugge­sellschaft gehen zunehmend dazu über, mod­erne west­liche Flugzeuge zu erwerben.

Dabei bedi­ent sich Aeo­roflot eines “Tricks”. Um hohe Import­s­teuern für im Aus­land hergestellte Flugzeuge zu ver­mei­den, lässt Aeroflot ihre Air­bus- und Boe­ing-Flugzeuge auf den Bermu­da-Inseln reg­istri­eren. Diese haben daher die entsprechende Luft­fahrzeug-Ken­nung VP‑B… anstelle der Ken­nung RA-… für in Rus­s­land reg­istri­erte Flugzeuge.Derzeit ver­fügt die Aeor­flit über fol­gende Flotte (Stand: Juli 2007)[1]

 

Aeroflot Car­go[2]
Bestel­lun­gen[3][4][5]

 

Quellen:

  1. aerotransport.org: Aeroflot Flotte 2. Juli 2007
  2. aerotransport.org: Aeroflot Car­go Flotte 2. Juli 2007
  3. Air­bus: Order & Deliv­er­ies 31. Mai 2007
  4. aerotransport.org: Aeroflot Flotte 2. Juli 2007
  5. aerotransport.org: Aeroflot Car­go Flotte 2. Juli 2007
  6. Aeroflot_A350:„A350-Bestel­lung-Pressemit­teilung“ (22. März 2007)
  7. RIA Novosti: Aeroflot will 15 weit­ere Sukhoi Super­jet-100 bestellen 22. Mai 2007
  8. Rus­s­land-Aktuell:„Aeroflot entschei­det sich für Air­bus und gegen Boe­ing“ (23. Feb­ru­ar 2007)

 

Weit­ere Kaufverträge mit Air­bus und Boing sind bere­its unterze­ich­net. Auch Airunion will bis 2010 alle alten sow­jetis­chen Sprit­fress­er durch Air­bus, Boing — und Neubaut­en von Antonow und Tupolew erset­zen und seinen Flugzeugbe­stand von 70 auf 140 Flugzeuge ausweit­en. Dies ist aber nur ein klein­er Teil des Mark­tes — ins­ge­samt, so schätzen rus­sis­che Experten, müssen von 2007 bis 2025 rund 1000 Flugzeuge erset­zt werden.

Damit wird — wenn Rus­s­land nicht selb­st wieder konkur­ren­zfähige Verkehrs­flugzeuge her­stellen kann — zumin­d­est ein großer Anteil der Mod­ernisierung der rus­sis­chen Luftverkehrs­flotte den Bestand der amerikanis­chen und europäis­chen Luft­fahrtin­dus­trie sich­ern. Zur Blüte der sow­jetis­chen Flugzeug­in­dus­trie wur­den jährlich mehr als 100 neue Verkehrs­flugzeuge in Betrieb genom­men. Der Zusam­men­bruch des Staates führte zum Ruin — im Jahr 2006 wur­den nur noch 8 Flugzeuge neu in Betrieb genom­men. Die Regener­ierung der rus­sis­chen Flugzeug­bauer hängt vor allem von zwei Fak­toren ab: dem Stand der Tech­nolo­gie, der vor allem auch aus der Rüs­tungsin­dus­trie bezo­gen wird, und den Aufträ­gen der (halb­staatlichen) Luftverkehrs­ge­sellschaften, die dafür entsprechende Mit­tel benöti­gen. Über bei­des, so scheint es, wird Rus­s­land dank sein­er begehrten Boden­schätze sehr schnell wieder im Über­maß ver­fü­gen kön­nen. Dabei soll auch mit west­lich­er Hil­fe mod­ern­stes know-how erwor­ben wer­den. In Woronesch und Irkut­sk wer­den Kom­po­nen­ten für den Air­bus A 310 gefer­tigt — und die Trieb­w­erke für den Super­jet 100 wur­den gemein­sam mit dem französichen Trieb­w­erksspezial­is­ten Snec­ma Moteurs entwick­elt. Die ital­ienis­che Fin­mec­ca­nic-Tochter Ale­nia hat zudem 25 % der Verkehrs­flugzeugsparte von Sukhoi erwor­ben — mit der Vere­in­barung, dass Ale­nia die Wartung des Super­jet im Aus­land übernehmen werde.

Ende Mai 2008 kon­nte auch der Super­jet — der erste seit dem Zusam­men­bruch der Sow­je­tu­nion neu gebaute rus­sis­che Pas­sagier­jet — seinen “Jungfer­n­flug” absolvieren. Der “Super­jet” in der Größenord­nung von 75 bis 95 Pas­sagieren soll sich im Markt für Region­al­jets etablieren — einen Markt, den auch Embraer (Brasilien) sowie Mom­bardier (Kan­da­da) und Chi­na für sich erobern wollen.  Rus­s­lands Luft­fahrtin­du­stire hofft natür­lich vor allem auf den riesi­gen eige­nen Markt, der einen Ersatz der sow­jetis­chen Sprit­fress­er (Tu-134, Yak-42) durch mod­erne Typen vor­sieht. Rund 300 Flugzeugverkäufe wer­den alleine hier erwartet. Darüber hin­aus sollen 500 Super­jets im Aus­land abge­set­zt wer­den. Bis 2010 sollen schon jährlich über 60 Maschi­nen das Werk verlassen.

Disku­tieren Sie mit:
Poli­tik und Wirtschaft — Rus­s­land — (www.defence-forum.net)
BSP von Rus­s­land — Rus­s­lands wirtschaftliche Entwick­lung (www.defence-forum.net)

 

Extern­er Link:
Han­dels­blatt: “Rus­s­lands wirtschaftliche Kraft­felder” eine inter­ak­tive Karte: www.handelsblatt.com