Adscharien — droht eine weitere Sezession?:
Wenn die Abchasen die obere, nördliche Krebsschere Georgiens bilden, dann sind die Adscharen das Gegengelenk auf der südlichen Seite des Schwarzen Meeres im Südwesten des Landes. Die Adscharen sind sprachlich Georgier, die aber unter türkischem Einfluss den Islam angenommen haben. Die “autonome Provinz Adscharien” zeichnet sich also dadurch aus, dass etwa 80 % der Bewohner (knapp 250.000) nicht der georgisch christlichen Kirche angehören, sondern moslemischen Glaubens sind.
Zur Zeit der Perestrojka manifestiert sich der Gedanke einer adscharischen Identität im Rahmen der neu gegründeten “Adscharischen Volksfront zur Unterstützung der Perestrojka”, der in Konflikt mit dem zunehmend erwachenden georgischen Nationalbewußtsein geriet.
Als der georgische Präsident Swiad Gamsachurdia 1990 ankündigte, den Autonomiestatus der Adscharen aufzuheben, kam es zu Massendemonstrationen in der adscharischen Hauptstadt Batumi.
1992 — am Ende des Ossetisch-georgischen Bürgerkriegs — und gleichlaufend mit den Autonomiebestrebungen Abchasiens — wurde der “Bund für die Nationale Erneuerung Adschariens” gegründet. Beim Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges der Abchasen wurden auch an die adscharische Bevölkerung Waffen verteilt, allerdings ohne dass es zu deren Einsatz gekommen wäre. Die Adscharen stellen bislang Ihre Zugehörigkeit zu Georgien auch nicht in Frage.
Auch in Adscharien — dem ehemaligen sowjetischen Grenzgebiet zum NATO-Partner “Türkei” sind (immer noch) russische Truppen stationiert, die aber inzwischen als “Garantie für die Stabilität” bezeichnet werden.
Im Februar 1993 erklärt Russland Adscharien zum geopolitischen Interessengebiet. Der mit starker Hand regierende Provinzchef Abaschidse versucht seitdem, Adschariens gegenüber Georgien — etwa durch die Förderung des Tourismus — in mehr wirtschaftliche Autonomie zu führen. “Andere meinen” — wie Gerd Ruge im WDR berichtet — “in Batumi hätten sich autoritäre Herrschaft mit Schmuggel und internationalen Schwarzmarktgeschäften verbündet”.
Seither ist allerdings Ruhe eingekehrt. Im Rahmen einer faktisch weitgehenden Autonomieregelung kooperieren die adscharische Provinzregierung und die georgische Zentralregierung recht reibungslos. “In der Hauptstadt des von Georgien abtrünnigen Adschariens hat sich ein erstaunlicher Wandel vollzogen: von Grau nach Bunt. Es gibt westlichen Luxus und das, obwohl in manchen Köpfen die Anziehungskraft des Westens stark zurückgegangen ist. Überall am Strand der Hafenstadt Batumi und in der Stadt entstehen riesige Appartementhäuser und Hotelkomplexe.” (Quelle: Eurasisches Magazin 08/2008)
Externer Link:
Eurasisches Magazin: Batumi Boulevard
Georgien und seine Krisenregionen
Die Tagesschau hat die Berichterstettung zu den Ereignissen vom August 2008 in einer Linksammlung dokumentiert: http://www.tagesschau.de/ausland/georgiendossier100.html